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Stephan Eicher, Homeless Songs Tour, KKL Luzern, 2. Dezember 2019,, besucht von Léonard Wüst

Stephan Eicher Singer Songwriter
Stephan Eicher Singer Songwriter

Besetzung:

Stephan Eicher, vocals/guitars/piano – Heidi Happy, vibraphone/xylophone/mandoline/cello/vocals – Ludovic Bruni, guitars – Reyn Houwehand, piano – Baptiste Germser, bass/corsynthe – Simon Baumann, drums

Rezension:

Reyn Houwehand Piano
Reyn Houwehand Piano

Der international  bekannteste Schweizer Chansonnier präsentierte neue, sparsam und akustisch instrumentierte Songjuwelen ab seinem neuesten Album «Homeless Songs», mit souveräner Band und wie immer mit viel Charme interpretiert. Die Lieder, die gemäss Eicher «nicht wissen, wohin sie gehören», hat er zwischen 2016 und 2019 eingespielt, er singt sie auf französisch, englisch und natürlich auch auf schweizerdeutsch. «Si tu veux (Que je chante)» und die weiteren «homeless songs» zeigten den Songpoeten einmal mehr von seiner besten Seite und wussten das Auditorium zu begeistern.

Stilsicher in jedem Genre, überzeugend in Ton und Text

Stephan Eicher links und Baptist Germser rechts
Stephan Eicher links und Baptist Germser rechts

Dieser Mann kann einfach alles, ob auf Französisch oder seinem Mutterdialekt berndeutsch, mal rau, dann zärtlich, er kann lieb, aber ebenso  aggressiv, ob flüsternd oder  schreiend, er trifft den Hörnerv seiner treuen Fangemeinde, lässt raus, muss sich nie verbiegen. Nimmt mal einen Text von Martin Suter, einen von Philippe Djian, auch eigene. lässt sich auch spontan von seinen Mitmusikern inspirieren, von der Stimmung beim gemeinsamen Musizieren.

Pianovaritionen als Amuse gueules

Ludovic Bruni Gitarre
Ludovic Bruni Gitarre

Zum Auftakt liess Eicher seinen holländischen Pianisten Reyn Houwehand einige Pianominiaturen improvisieren, bevor er selber, zusammen mit den andern acht Musikern, darunter als Special Guest, die in der Innerschweiz natürlich bestens bekannte Priska Zemp aus Dagmersellen, alias „ Heidi Happy“, die Bühne betrat.

Eicher erläuterte dann die Entstehung des neuen Albums, das aufgrund der noch nicht beigelegten Auseinandersetzung mit seiner ehemaligen Plattenfirma eben homeless, also heimatlos benannt wurde, dafür habe er aber die künstlerische Freiheit nutzen können und nicht die üblichen zwölf  3 –  4 minütigen Lieder abliefern müssen, sondern jetzt auch mal kürzere oder auch  längere verwenden könne.

Wie beim Eiskunstlauf gäbe es jetzt auch eine Pflicht und eine Kür

Heidi Happy mit Stephan Eicher und Band
Heidi Happy mit Stephan Eicher und Band

Zu zehnt wurde dann, wie Eicher es nannte die Kür, heisst Songs vom neuen Album „Homeless Songs“ intoniert, bevor das Pflichtprogramm folgte, also in etwa wie beim Eiskunstlauf. Ein Pflichtprogramm, das, so der Wahlfranzose, vom Publikum mitbestimmt werden dürfe. Er dürfe aber so führte der Barde aus, nicht alle Lieder spielen, da er, im Laufe des Rechtsstreits mit seiner ehemaligen Plattenfirma, nicht nur viel Geld in Anwalts – und Gerichtskosten usw., sondern auch die Rechte an vielen seiner Chansons an Universal abtreten musste. Was er aber tun dürfe: die Lieder anstimmen, damit diese vom Auditorium selber gesungen werden könnten, was später dann auch mehr oder weniger tonlagensicher praktiziert wurde.

Ausgezeichnete Mitmusiker mit herausragender Heidi Happy

Drums Simon Baumann
Drums Simon Baumann

Supportiert von einer hervorragenden Band, darunter vier Streichern und einer starken Multiinstrumentalistin Heidi Happy (Gesang, Xylophon, Melodica, Cello und Mandoline), wurde das Set, gewürzt mit ein paar Eicher Anekdoten, zelebriert.  So boten denn Heidy und Stephan gar den Heidi Happy Song „My Love Won’t Wait forYou“ im Duett zum Besten.Danach, vor allem bei „Eldorado“ wurde es etwas laut, etwas sehr laut, sodass es überschlug, also der massive Hall den Gesang überdeckte, was bei doch drei agierenden Tontechnikern nicht passieren sollte, oder es wär denn wie bei den Köchen, wo zu viele….na, Sie wissen schon! Schön gings dann mit den von Martin Suter getexteten „Drissg Jahr“ und „Ds alte Paar“ wieder in angenehmere akustische Gefilde.

Eichers Erläuterungen zum Rechtstreit mit Universal

Heidi Happy
Heidi Happy

Das dauert nun schon sechs Jahr. Universal hat in der Musikindustrie ihre Leistung mir gegenüber einseitig halbiert. Als ich mich dagegen wehrte, haben sie mich blockiert. Keine Interviews, keine Fernsehauftritte, nichts. Um Geld zu sparen, entwickelte ich mein Solo-Projekt mit den Automaten und war anderthalb Jahre allein unterwegs. Das funktionierte zwar, war aber trotzdem manchmal etwas traurig. Während der fast 110 Konzerte merkte ich, dass ich gern ein Team um mich habe. Sieben Jahre und etliche Prozesse in Frankreich gegen seine dortige Plattenfirma hat Stephan Eicher bisher gebraucht und noch ist kein Ende in Sicht.

Versöhnlicher Ausklang des Konzertes

Bass Baptiste Germser
Bass Baptiste Germser

Weiter im Programm mit „Spil no eis“, dann war das Publikum gefordert zum Singen. Das Konzert endet anders als erwartet, als „Sing along,  sing mal mit“: weil der Chansonnier die Rechte für «Déjeuner en paix» nicht mehr besitzt, bittet er ganz pragmatisch das Publikum, seinen Hit zu singen, was dieses dann, mehr oder weniger stilsicher, auch tat und feierte dabei die Protagonisten und auch sich selbst gleich mit. Stehend gings weiter mit den herausgeklatschten Zugaben: „Campari Soda“  gefolgt vom Rumpelstilz Cover „D`Rosmarie und ig“, man feierte weiter mit dem titelgebenden „Homeless Song“ und zwei weiteren kurzen Stücken, ehe das beigeisterte Auditorium die Künstler in den Feierabend entliess.

 

Text: www.leonardwuest.ch

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Fotos: www.allblues.ch

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Bartók in Graz, Eine Reportage von Anna Rybinski

Altersgruppe I

In Graz wurde zwischen Wiener Klassik und osteuropäischen Klängen eine Brücke geschlagen. Auf Haydn und seine Zeitgenossen folgten Bearbeitungen ungarischer Bauernlieder, rumänischer Tänze und bulgarischer Rhythmen. Die Magie der klassischen Vollkommenheit wich  den rauen Klängen bäuerischer Volksmusik – und das alles von Jugendlichen, sogar von Kindern vorgetragen, die eine erstaunliche Reife und seelische Verwandtschaft zu beiden Stilrichtungen offenbarten, die unterschiedlicher nicht sein können

Der 6. Internationale Béla Bartók Klavierwettbewerb für junge Pianisten 2019 ist erfolgreich über die Bühne gegangen.

Wichtigster Teil des Vorspielprogramms war: Wiener Klassik und Bartók.

Nach den Anfangsjahren in Wien wurde er zum zweiten Mal in Graz ausgetragen und scheint jetzt an seinem richtigen Platz angekommen zu sein.  Die jungen Talente waren gut umsorgt und konnten unter idealen Bedingungen ihre Auftritte absolvieren. Und sie kamen in Scharen, nahezu 100 an der Zahl, aus 24 Ländern und von 3 Kontinenten, im Alter zwischen 7 und 25 Jahren. Man lauschte und freute sich ob der glücklichen Umstände, so viel musikalische Begabung in sieben Tagen zu erleben. Gründliche, solide Aufbauarbeit oder gar fantastische Leistungen: Die Schüler mit ihren Lehrpersonen leisteten Grossartiges.

 

Organisatoren des Wettbewerbs waren die Béla Bartók Gesellschaft Österreich und das Konservatorium des Landes Steiermark.

Das Institut blickt auf eine lange Geschichte zurück: 1815 als Akademischer Musikverein von Grätz gegründet, ist es der zweitälteste noch bestehende Musikverein der Welt. In seinem Gründungsjahr war Beethoven 45 Jahre alt und der junge Schubert musste noch als Schulgehilfe seines Vaters zum Haushaltsgeld beitragen. Aber ihre Musik, zusammen mit den Werken von Haydn und Mozart beherrschte bald die ganze westliche Welt.

Ein namhafter Grazer Komponist, Pianist und Dirigent prägte besonders die ersten Jahrzehnten des Musikvereins, dem von Anfang an auch eine Vereinsmusikschule angegliedert war: Anselm Hüttenbrenner, den Schubert als «treuen Freund bis in den Tod» bezeichnete. Kein Wunder, dass in Graz eine weitere Hochburg der Wiener Klassik entstand!

Das Institut erweiterte sein Lehrfächerangebot ständig und dementsprechend wuchsen die Schülerzahlen. Erfreulicherweise steigerte sich auch das künstlerische Niveau: Ab 1920 konnte der Name «Konservatorium» eingeführt werden, es fanden also parallel Berufs- und Laienausbildung statt.

 

Das Steiermärkische Landeskonservatorium

Es erlebte nach dem 2. Weltkrieg eine Blütezeit und musste Zweigstellen eröffnen, um den Ansturm der Jugendlichen gerecht zu werden.

Der stolze Name des Instituts ab 1991:

«Johann-Josef-Fux-Konservatorium des Landes Steiermark in Graz»

Der steirische Namenspatron, ein Grossmeister des Barocks ist heute vielleicht weniger berühmt als seine Kontrapunktlehre: «Gradus ad Parnassum»

In Graz liegt also Klassik und Barock in der Luft, schon wegen der prächtigen Architektur.  Doch ist sie offen für Modernes!

Die Stadt gibt seit 1969 unter anderem dem «Steirischen Herbst» mit experimenteller Musik und dem „impuls“-Festival mit zahlreichen Uraufführungen ein Zuhause. Daneben klingt Béla Bartóks Musik nahezu archaisch – aber die neue Plattform für seine Werke in Graz hat eine besondere Bedeutung.

Béla Bartók – Ein Grosser der klassischen Moderne

Der ungarische Komponist gilt als radikaler Erneuerer – seine Modernität ist jedoch durchdrungen von Melodien aus Ungarn und seinen Nachbarländern. Wie es dazu kam?

In den Jugendjahren war er ein Suchender, der das bedrückende Erbe der genialen Vorgänger hinter sich lassen wollte. Er schrieb:

«Vielen begann die Masslosigkeit der Romantik unerträglich zu werden und es gab Komponisten, die das Gefühl hatten, unser Weg führe ins Uferlose …»

          Bartók sprach aus eigener Seele – aber nach dieser schöpferischen Krise fand er eine neue Inspirationsquelle in der Bauernmusik seiner Heimat. Damals, 1905, bezog sich Heimat nicht nur auf ungarische Gebiete, sondern auf die ganze Habsburgermonarchie. Er begann das riesige Land zu bereisen, nahm Entbehrungen auf sich, lebte in entlegenen Dörfern mit den Bauern und hörte unermüdlich zu. Notierte alles, was die Kinder und Erwachsene sangen oder auf ihren einfachen Instrumenten spielten. Er sammelte ca. 13.000 Melodien, unter anderem slowakische, ungarische, serbische, ruthenische und rumänische Motive und katalogisierte sie.  Seine Notiz über die Volksmusik wirkt wie ein Glaubensbekenntnis:

«Einfach, häufig auch rau, aber niemals dumm, bildet sie den idealen Ausgangspunkt für eine musikalische Wiedergeburt.»

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie fiel Bartók bei der Regierung in Ungnade. Er wurde von nationalistischen Kreisen sogar als Landesverräter beschimpft, weil ihm die Musik der «feindlichen Nachbarn» ebenso wichtig war, wie die ungarische.

Was er jedoch durch seine Werke weiterhin sagen wollte: Wir gehören zueinander, trotz Landesgrenzen. Jede Ethnie ist einmalig, jede Volksmusik eine reine Quelle!

Jetzt gehören wir wieder zueinander, wir alle sind Europa. Und in der Steiermark schlägt die Jugend eine Brücke zwischen der Hochkultur des Westens und der Volksmusik des Ostens. Ganz im Sinne des Komponisten.

1. Preise und Sonderpreise des Wettbewerbs 2019:

Altersgruppe I

Altersgruppe I (7-9 Jahre)

Znamirovský Adam, Tschechien                       1. Preis und Sonderpreis für die beste Bartók Interpretation

 

 

 

Altersgruppe II

Altersgruppe II (10-12 Jahre)

Weller Emil, Österreich                                    Bartók Sonderpreis

Huang Tzu-Ning, Taiwan                                   Beste Interpretation eines steirischen Komponisten

Csibi Orsolya Boglárka, Ungarn                        Bartók Sonderpreis

Kádár Viktória, Ungarn                                     Bartók Sonderpreis

 

Altersgruppe III

Altersgruppe III (13-15 Jahre)   

 Rozsonits Ildikó, Ungarn                                 1. Preis und Bartók Sonderpreis

 

 

 

Altersgruppe IV

Altersgruppe IV (16-18 Jahre)  

  Eydman Maria, Deutschland                          1. Preis und Bartók Sonderpreis

 

 

 

Altersgruppe V

Altersgruppe V (19-21 Jahre)   

Ratiu Emanuel Gabriel, Deutschland                Bartók Sonderpreis

 

 

 

 

Altersgruppe VI

Altersgruppe VI (22-25 Jahre)

Zając Tomasz, Polen                                      1. Preis

Szabó Eszter, Ungarn                                     Bartók Sonderpreis

 

Die Jurymitglieder des 6. Béla Bartók Internationalen Klavierwettbewerbs 2019:

Eva Ott Pianistin, Künstlerische Leiterin der Béla Bartók Gesellschaft Österreich und Initiatorin des Wettbewerbs

Eduard Lanner Pianist, Direktor des Johann-Joseph-Fux-Konservatoriums, Organisator des Wettbewerbs

Markus Schirmer, Konzertpianist, Professor der Kunstuniversität Graz

Elisabeth Väth-Schadler, Pianistin, Professorin der Gustav Mahler Privatuniversität Klagenfurt

István Székely, Konzertpianist und Kammermusiker, Professor am Konservatorium Madrid

Meisterkurs in Wien 2019

Die Béla Bartók Gesellschaft Österreich führte im Herbst mit den Jurymitgliedern des Wettbewerbs erneut einen Meisterkurs durch. Vorspielprogramm war die Wiener Klassik. Er wurde rege besucht, die Jugendlichen kamen vor allem aus der näheren Umgebung, Wien und Ungarn.

Eine wichtige Voraussetzung dafür ist das regelmässige Üben auf dem richtigen Instrument, nämlich auf einem akustischen Klavier».

Der nächste Meisterkurs findet im Oktober 2020 statt.

Änderungen   in der Austragung des Internationalen Béla Bartók Klavierwettbewerbs

Mag. Eduard Lanner, Direktor des Landeskonservatoriums hat, die Organisation betreffend, wichtige Änderungen bekannt gegeben:

  1. Der Termin des zweijährlich stattfindenden Wettbewerbs wird aus organisatorischen Gründen von November auf Februar des darauffolgenden Jahres verschoben; der nächste Wettbewerb findet also Ende Januar / Anfang Februar 2022 statt.
  2. Die ältesten Teilnehmer (Altersgruppen V und VI) werden ihr Vorspiel in zwei Runden absolvieren: Nach der Vorrunde wählt die Jury die besten für das Finale aus.
  3. Die Preisträger/innen dieser zwei Altersgruppen können sich in einem öffentlichen Konzert präsentieren.
  4. https://www.verwaltung.steiermark.at/cms/dokumente/12717102_74836685/f81030e8/Bartok-Wettbewerb-2019_DE_web.pdfText: www.annarybinski.ch
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Lucerne Festival am Piano, Rezital 6 Igor Levit, 24. November 2019, besucht von Leonard Wüst

Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli
Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli

Besetzung und Programm:

Igor Levit  Klavier
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Klaviersonate A-Dur op. 2 Nr. 2
 
Klaviersonate D-Dur op. 10 Nr. 3
 
Klaviersonate F-Dur op. 10 Nr. 2
 
Klaviersonate Es-Dur op. 31 Nr. 3

 

Rezension:

Als Klaviervirtuose hatte sich Beethoven in Wien längst sein Publikum erobert. Hier war er außer Konkurrenz. nun galt es aber auch, seinen Platz als »erster« Komponist in der Musikmetropole zu sichern – ein Unterfangen, bei dem ihm das Instrument, das er nicht nur perfekt beherrschte, sondern mit dem man sich auch ohne großen Aufwand präsentieren konnte, als Partner zu Seite stand. So haben die Klaviersonaten op. 2 mit ihren Vorgängern bei Haydn und Mozart kaum mehr etwas gemein, sondern zeigen vielmehr einen jungen Komponisten – entschlossen, mit seiner Musik die Welt zu erobern. Über die damalige Konvention hinaus weist bereits die formale Anlage: Statt drei Sätze komponierte Beethoven – wie in einer Sinfonie – vier.

Stürmisch, dies aber nicht im Forte, sondern im Piano

Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli
Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli

Stürmend und drängend eröffnet er die Zweite Sonate mit einem markant fallenden Quartsprung und einem 32stel-Motiv – dies alles nicht auftrumpfend im Forte, sondern im Piano zurückgenommen in eine spielerische Leichtigkeit, die durch die strahlende A-Dur-Tonart noch unterstrichen wird. Der Seitensatz hebt dreimal leise klagend in E-Moll an. Festumrissene Konturen vermag er nicht zu gewinnen aus diesem Material. Dafür Sprunghaftes, überraschende dynamische Umschwünge, schroffe Kontraste, jähes Umschlagen von Jubel und Glück in tiefste Verzweiflung – Konstellationen die sich auch in Schumanns Partituren finden.

Levits Fähigkeit, Beethovens Intentionen umzusetzen

Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli
Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli

All diese so unterschiedlichen Komponenten, tiefste Melancholie steht plötzlich jugendlichem Übermut gegenüber, vermag Igor Levit unmittelbar zu transportieren. Insbesondere in den langsamen Sätzen manifestiert der Pianist eine Spannung, zaubert Klangfarben, lässt die Leere, die Pausen sprechen, aber alles mit Homogenität und dem natürlichen Sinn dieser Musik entsprechend. Seine Musik fächert sich in ihren unzähligen Facetten farbenreich auf, oft sehr gesanglich; Beethovens Brio drängt forsch, aber nie brutal. Levit denkt in diesen Sonaten wechselnd kammermusikalisch und orchestral.

Igor Levits Talent wurde schon früh erkannt und gefördert

Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli
Igor Levit zelebriert Beethoven Konzertfoto von Peter Fischli

Der 1987 geborene deutsch-russische Pianist wurde schon in sehr jungen Jahren gefeiert, sein Talent früh entdeckt und gefördert. Mit vier Jahren debütierte er als Solist mit einer Ecossaise von Ludwig van Beethoven das erste Konzert gab er mit sechs mit dem Philharmonie-Orchester von Nischni Nowgorod, Händels F-Dur-Klavierkonzert. Levit nahm ab 1999 für ein Jahr am Mozarteum in Salzburg Klavierunterricht bei Hans Leygraf und begann anschließend, 13-jährig, sein Studium am neugegründeten Institut zur Frühförderung musikalisch Hochbegabter (IFF) der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover.

Levit mag besonders die nicht so bekannten Sonaten

Die Popularität der Beethoven-Sonaten hängt auch mit ihren Beinamen zusammen. Kein Wunder also, dass die „Pathétique“, die „Mondschein“ oder die „Waldstein-Sonate“, die „Appassionata“ und dieSturm-Sonate“ in der Beliebtheit weit oben rangieren. Über den künstlerischen Wert sagen die Titel allerdings nichts aus. Und so findet sich im Quartett der vier «Namenlosen», mit denen Igor Levit das Piano-Festival beschloss, einer seiner grossen Lieblinge: die D-Dur-Sonate op. 10 Nr. 3. «Unheimlich mitreissend» sei schon der Kopfsatz, findet Levit. Aber es kommt noch besser, mit dem «Largo e mesto» an zweiter Stelle: «Ich kenne keinen langsamen Satz, der so in die Tiefe schürft wie dieser.» Dem Menuett attestiert er die skurrile Kombination von «Humor und Andacht», und das Finale hält er für schier unglaublich: «Es ist totale Innerlichkeit. Wenn ein Finale schon mit einer Frage beginnt. Levits Neugier will eine neue Lösung für das jeweilige Recital. Also ist er immer etwas aufgeregt. Beethovens Fantasien spielt er impressionistisch frühromantisch: klar, nachgebend in der Rhythmik, ruhig und versonnen.

Die eigentlich sehr verschiedenen Sonaten fügt Levit schlüssig zusammen

So ergänzt das Auftakt-Allegretto der A-Dur-Sonate bruchlos die genauso versonnene Welt der später folgenden E-Dur-Sonate. Im A-Dur-Alla-marcia mildert Levit sowohl das Bizarre wie das Marschmäßige, das Stück gerät ihm zu einem skurrilen Tanz voll Übermut und Doppelsinn. Und im Adagio führt Levit das Publikum in die Urgründe des Daseins: Staunen ob dieses Mysteriums. Aus dem sich Beethoven mit wilden Oktavsprüngen, Achtelakkorden und Tonleiterfragmenten befreit, ein ganz starkes Statement des 32jährigen Pianisten.

Immer hoch konzentriert wirkt er manchmal fast verbissen

Die Art, wie Igor Levit Werke umsetzt, wirkt oft sehr verbissen und hat fast den Anschein, er spiele nur für sich selbst, was durch sein meist spartanisches, fast immer graues Outfit, noch verstärkt wird, alles andere, als ein Showpianist, wie einige Asiaten, insbesondere Lang Lang. Levit wirkt spröde, völlig auf seine Aufgabe konzentriert, was dann eben durchaus wie Arbeit aussieht. Natürlich ist es harte Arbeit, aber man sollte es nur möglichst nicht merken. Levit entwickelt seine Interpretation stark aus dem Detail und behält doch immer den Gesamtzusammenhang im Blick. Besonders eindringlich führt er dies an diesem Abend in der frühen A-Dur-Sonate aus Opus 2 vor, die man selten so facettenreich gestaltet hört.

Beethoven nah bei Dantes Inferno

Igor Levit geniesst die stehende Ovation Konzertfoto von Peter Fischli
Igor Levit geniesst die stehende Ovation Konzertfoto von Peter Fischli

Beethovens pianistischer Höllenritt in f-Moll war immer schon ein ästhetisches Unding, verlangt er doch das Paradox einer Entäusserung, klanglicher wie seelischer Art, die dennoch irgendwie kontrolliert bleiben muss. Levit weiss um diese gefährdete Balance, er lässt sie immer wieder wanken, aber erst die jedes Instrument sprengende Coda kippt endgültig ins Rauschhaft-Traumatische. Dieser Beethoven ist nicht nett unterhaltend, er springt an, packt  und schüttelt uns gründlich durch. Der Interpret weiss durch sein akkurates, wenn auch manchmal etwas düsteres Spiel zu fesseln und zu begeistern. Langanhaltender kräftiger Schlussapplaus belohnte den Künstler für diese Meisterleistung und mündete schlussendlich in einer stehenden Ovation. Ein würdiger Abschluss des, vorläufig, letzten Lucerne Festival am Piano. Ein Festival, das wohl nicht nur ich sehr vermissen werde und das, davon bin ich überzeugt, in ein paar Jahren wieder im Jahresprogramm gelistet sein wird,

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch

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Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Martha Argerich, KKL Luzern, 9. November 2019 besucht von Demian Krieger

Martha Argerich betritt die Bühne Foto Demian Krieger
Martha Argerich betritt die Bühne Foto Demian Krieger

Besetzung und Programm:
Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia
Sir Antonio Pappano (Dirigent)
Martha Argerich Solistin am Klavier
Carl Maria von Weber – Ouvertüre zur Oper «Euryanthe»
Franz Liszt (1811–1886) – Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 Es-Dur
Robert Schumann – Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61

Rezension:

Elektrisch geladene Stimmung

Die Erwartungen sind gross. Es ist immer wieder etwas Besonderes, wenn Martha Argerich auf dem Programm steht. Das Publikum reist von weit her, um sich von dieser Meisterin der Klavierkunst verzaubern zu lassen. Schon bei der Billettkasse gibt es einen Andrang auf die letzten Karten, die kurz vor Konzertbeginn für die hoffnungsvollen Studenten zu Sonderpreisen freigegeben werden.

Ungewohnter Beginn

Das Konzert beginnt mit einer Begrüssung durch den Intendanten der Migros Kulturprozent – Classics Konzertreihe, Mischa Damev. Er entschuldigt sich, dass er der Künstlerin nicht untersagen konnte, das Programm zu ändern. Ursprünglich war Chopins Klavierkonzert Nr. 1 auf dem Programm. Doch auf Wunsch der Pianistin wird diesmal Liszts Konzert Nr. 1 gespielt. Zudem wird das Konzept des neuen Konzertformats erklärt. Denn vor dem Hauptgang des Abends steht eine Darbietung von Gewinnern des Migros Kulturprozent Preises an. Verschiedene Darbietungen werden dieses Jahr auf diese Art ins Konzertprogramm eingebunden. Dabei wird der Applaus gemessen und der Gewinner, also der/die meistapplaudierte, darf nächste Saison ein eigenes Konzert in dieser Konzertreihe bestreiten.

Saxophon-Sketches mit erstklassiger Klanggestaltung

Saxophon Quartett
Saxophon Quartett

Auf die Bühne kommen vier unterschiedliche Saxophone, getragen von zwei Frauen und zwei Männern. Valentine Michaud hat die Gelegenheit erhalten, sich mit ihrem Quartett (Joan Jordi Oliver Arcos, Faustyna Szudra, Jean-Valdo Galland) in diesem Rahmen zu präsentieren. Das Saxophon hört man selten in klassischen Konzerten, doch scheint es, dass das Interesse am Instrument allgemein und insbesondere in der klassischen Musik  wieder am Aufleben ist. Die vier Musiker geben «Sarajevo from Ciudades» von Guillermo Lago und «Tango Virtuoso» von Thierry Escaich zum Besten. Die Schönheit des Saxophonkanges kommt vor allem in der meditativen Stimmung von Sarajevo zum Ausdruck. Der von den Interpreten auch visuell inszenierte Tango steht in starkem Kontrast dazu. Die tanzartigen Bewegungen unterstützen den Ausdruck der Musik. Die Musiker*innen konnten eine grosse Bandbreite ihres Könnens dem Publikum präsentieren, dabei war vor allem die Klanggestaltung ein grosser Genuss.

Pappano bringt das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia nach Luzern

Sir Antonio Pappano  mit seinem Orchester
Sir Antonio Pappano mit seinem Orchester

Dem römischen Orchester, welches in der Vergangenheit unter der Führung von Mahler, Strauss, Toscanini und Furtwängler stand, eilt der gute  Ruf voraus. Seit der englisch-italienische Dirigent, Sir Antonio Pappano, 2005 das Zepter übernahm, erspielte sich dieses internationales Renommee. Die Früchte dieser langjährigen Zusammenarbeit sind in der Ouvertüre zur Oper «Euryanthe» von Weber und danach in Liszt und Schumann deutlich hör- und spürbar.

Fesselndes Klavierspiel

Martha Argerich freut sich über den Applaus
Martha Argerich freut sich über den Applaus

Martha Argerich ist ein einzigartiges Phänomen. Es gibt auch heute viele Beispiele, bei denen grosse Meisterpianisten vom Alter nicht verschont bleiben und allmählich an Glanz verlieren, doch scheint dies bei Argerichs Kunst keine Spuren zu hinterlassen. Liszts Klavierkonzert Nr. 1 wird als fantastisches Feuerwerk präsentiert, wobei vor allem die lyrischen Seiten zum Vorschein kommen. Allerdings war diese unbändige Bestie von einem Konzert doch zeitweise atemlos und lässt vermuten, dass die Pianistin es doch schon zigmal mit grossen Orchestern zum Erklingen gebracht hat. Dem entgegen gelingt es den erfahrenen Künstlern die Zeit im zweiten Satz zum Stehen zu bringen – ein unvergessliches Erlebnis.

Der bei der Uraufführung von der Kritik verspottete Triangel hat im dritten Satz sowohl musikalisch als auch visuell eine solistische Wirkung – er sitzt vor dem Orchester, fast neben der Pianistin. Das Klavier und Orchester sprühten vor Witz und Lebensfreude.

Als Antwort auf die Standing-Ovation liess sich Argerich zu einer sehr kurzen Zugabe hinreissen: aus Schumann’s Kinderszenen: «Von Fremden Ländern und Menschen».

Schumanns zweite Sinfonie

Dirigent Sir Antonio Pappano
Dirigent Sir Antonio Pappano

Unter Pappanos Leitung erblüht das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia zu fantastischen Höhen. Erst vor wenigen Jahren haben sie genau diese Sinfonie zusammen mit Schumanns vierter Sinfonie auf CD eingespielt und es scheint, als ob die Musiker diese Musik in Fleisch und Blut aufgenommen haben.

Diese kräftige, vor Lebensfreude sprühende Interpretation sucht seinesgleichen. Eine gewaltige Farbpalette weist das Orchester im Forte auf. Im Piano klingt es wie ein einziges Instrument. Das Zusammenspiel ist atemberaubend. Alle Mitwirkenden haben sichtlich Spass beim Spielen und das Publikum geniesst die Darbietung umso mehr.

Mit tosendem Applaus bedankt sich das luzerner Publikum. Pappano lässt sich nicht lange bitten und setzt mit Zugaben an: ein ruhiger Respighi und anschliessend ein fantastisch wilder Johann Strauss dargeboten – eine grosse Freude. Die Begeisterung der Zuhörer ist gross und es kommt erneut zur Standing Ovation.

Erinnerungen, die bis in die nächste Generation reichen

Dass das Publikum das Konzert in vollen Zügen genossen hat ist deutlich spürbar. “Dieses Ticket musst du für immer aufbewahren – als Erinnerung an dieses Konzert!”, sagt ein Grossvater zu seiner jungen Enkelin im Menschenstrom Richtung Garderobe. Dies erinnert an eine Aussage von Leon Fleischer, der von einem Konzert von Rachmaninoff schwärmte, welches er als kleiner Junge erleben durfte. Hoffentlich wird auch dieses Konzert zur Inspiration für die nächste Generation von Musizierenden und Musikliebhabern.

Text: Demian Krieger

Fotos: Demian Krieger und http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/de

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