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Bryan Adams Shine A Light Tour, Hallenstadion Zürich, 13. Dezember 2019, besucht von Léonard Wüst

Bryan Adams Shine a light Tour 2019, Hallenstadion Zürich, 213 Dezember, Foto Ruedy Hollenwäger
Bryan Adams Shine a light Tour 2019, Hallenstadion Zürich, 213 Dezember, Foto Ruedy Hollenwäger

Besetzung: Bryan Adams und Band

Rezension:

Bryan Adams Foto ZVG All In One Communication
Bryan Adams Foto ZVG All In One Communication

Der am 5. November 1959 in Kingston, Kanada geborene Singer – Songwriter erreichte seit 1983 in über 30 Ländern Nummer-eins-Platzierungen in den Charts. In den rund 40 Jahren seiner Karriere verkaufte er mehr als 100 Millionen Tonträger, gehört damit zu den erfolgreichsten überhaupt, ein Dino des Rocks für die heutigen schnelllebigen Zeiten, wo „YouTube Stars“ ebenso schnell wieder in die Anonymität abtauchen, aus der sie urplötzlich aufgetaucht sind, wo man sich heute schon nicht mehr daran erinnert, wer denn gestern der/die Gefeierte war.

Adams abwenden von seiner Wahlheimat

Bryan Adams Konzert Foto Ruedy Hollenwäger
Bryan Adams Konzert Foto Ruedy Hollenwäger

Das Brexit- England, seine langjährige Wahlheimat, hat er ohne Absicht auf Wiederkehr verlassen. In New-York arbeitet er mit seinem Co-Songwriter Jim Vallance an der Musicalfassung von „Pretty Woman“, die ab September – auf Deutsch – auch in Hamburg gezeigt werden soll. Ein Liebesmärchen, das 1990 als Film mit Julia Roberts und Richard Gere zum Welterfolg wurde. Trotzdem: Bryan Adams ist zurück. Das neue Studioalbum «Shine A light», gleichzeitig der Name seiner aktuellen Tour, hat vor wenigen Wochen das Warten seiner Fans auf neue Songs beendet. Vier Jahre nach dem von ELO-Mastermind Jeff Lynne produzierten «Get up», begeht Adams mit zwölf neuen Songs ebenso neue Wege.

Erspriessliche Zusammenarbeit mit Superstar Ed Sheeran

Bryan Adams Konzert Foto Ruedy Hollenwäger
Bryan Adams Konzert Foto Ruedy Hollenwäger

Dafür hat er den Superstar des Mainstreams schlechthin an Bord geholt. Den Titelsong hat Adams gemeinsam mit Ed Sheeran geschrieben. Adams erzählt: «Ich traf Ed in Dublin letztes Jahr bei einer seiner Shows. Seither blieben wir in Kontakt. Eines Tages schickte ich ihm einen Refrain, aus dem ich einen Song kreieren wollte.» Der Titel: «Shine A Light» natürlich. Adams fragte Sheeran, ob er sich am Songwriting beteiligen wolle. «Ich kriegte nach einigen Tagen ein paar Strophen zurück. Und mein Gott, ihr müsstet ihn die singen hören!»
Das neue Album umfasst eine schöne Mischung aus Rock, Pop und etwas R’n’B, dazu kommt ein Duett mit Popstar Jennifer Lopez namens «That’s How Strong Our Love Is». Adams sagt dazu: «Mit Jennifer zu arbeiten war ein Traum. Unsere Stimmen klingen wunderschön zusammen.»
Wenn Bryan Adams nun auf Welttournee ist, so bringt er nicht nur seine neuen Songs mit, sondern vier Jahrzehnte voller Feel-Good-Rock’n’Roll-Hits. Sein Repertoire umfasst Knallerballaden wie «(Everything I Do) I Do It For You» oder «All For Love», das er mit Sting und Rod Stewart sang. Und nicht zu vergessen, der Rock-Klassiker «Summer Of ’69». Bryan Adams nennt einen Grammy sein eigen, war auch dreimal für einen Oscar nominiert. Über ein Dutzend seiner Songs schafften es in diversen Ländern auf Platz eins der Charts. Das Portfolio des Kanadiers ist gigantisch. „Lass ein Licht strahlen“ fordert Bryan Adams entsprechend auf seinem aktuellen Album, das auch „Shine A Light“ heißt. Millionen guter Menschenlichtlein könnten die Zeiten brauchen, die auch der Kanadier als „unruhig“ bezeichnet.

Der Titelsong ist seinem Vater gewidmet

Bryan Adams Konzert Foto Ruedy Hollenwäger
Bryan Adams Konzert Foto Ruedy Hollenwäger

Geschrieben hat er das folkige Midtempolied allerdings für seinen verstorbenen Vater, der ein Licht in seinem Leben war. Und der Song ist voll von Erinnerungen an ihn. Ein intimer Anfang, dabei ein veritables Mitsingstück, bei dem Adams der Meister für familiäre Nostalgie, Ed Sheeran („Supermarket Flowers“, „Nancy Mulligan“) zur Seite gestanden hat. Man traf sich in Dublin, ging zusammen was trinken und wurde Freunde, so Adams. Freundschaft wird bei Sheeran immer zu Songs. Die „unruhigen“ Zeiten, in denen sie entstand, merkt man Adams‘ 14. Studioalbum nicht unbedingt an. Sie ist ein typisches (gut abgehangenes) Adams-Rock’n’Roll-Album für all die, die die Millionenseller „Reckless“ (1984) oder „Waking Up The Neighbours“ (1991) liebten.

Adams startete sein Konzert auf gewohnte Art und Weise

Leadgitarrist Keith Scott
Leadgitarrist Keith Scott

Zuerst stellte er sich höflich vor: „My name is Bryan Adams, i am your singer this evening!“ um gleich mit „Last night in earth“( hier geht es nicht um Endzeitstimmung, sondern um die Frau des Herzens: „Küss mich, als wärs die letzte Nacht auf Erden“ singt Adams mit seiner Kieselstein-&-Bourbon-Stimme), durchzustarten, gefolgt von „Can`t stop this thing“, nahtlos weiter mit „run to you“. Kurzer Break und Überleitung zum Titelsong „Shine a light“ in einer relativ schnörkellosen Fassung, schon fast unspektakulär, Understatement Marke Adams eben. Dann der erste von diversen Mitsinghits „Heaven“ mit dem ersten Handylichtermeer des Abends. Vorwärtstreibend das anschliessende „Go down rockin`“ mit brillianten Soli von Leadgitarrist Keith Scott.

Bryan Adams Konzert Foto Ruedy Hollenwäger
Bryan Adams Konzert Foto Ruedy Hollenwäger

Dass Adams kein Dauerplauderer ist, weiss man und das war auch jetzt wieder so. Ausser das kurze Vorstellen seiner Musiker und mal ein, sehr sehr kurzer Wortwechsel mit einem Zuschauer, war da nichts, dafür gute Musik noch und noch, quasi ohne Unterbruch ein Song nach dem andern, dann der nächste Hammer „Everything I do“ (alles steht und singt mit). Wieder drei ruhigere Lieder eingeflochten, bevor bei „18 til I die“ und dem anschliessenden „Please firgive me“ wieder kräftig mitgesungen und der „Wädlitempel“  durch tausende Handylichter illuminiert wird wie ein überdimensionierter Weihnachtsbaum. Flower power Feeling dann mit dem unverwüstlichen Dauerbrenner „Summer of 69“.

Wenn das Zugabeset fast so lang dauert wie das Konzert selbst    

Bryan Adams shine a light Tour 2019
Bryan Adams shine a light Tour 2019

Adams reiht sich eben nicht ein in die zahllosen Protestsänger unserer Tage und schließt sein Konzert als Zugabe, mit „Somebody“ , „I fought the law“, dann mit einer Mundharmonika-getriebenen Version von „Whisky in the Jar“, dem Folkstandard, das man von den Dubliners, Thin Lizzy, Metallica und zahllosen anderen kennt, dazu kam noch „Straight from the heart“ und ganz zum Schluss „All for love“. Ein Konzert, das alles enthielt, was das gut aufgelegte Publikum im ausverkauften Hallenstadion erwartet und schlussendlich auch bekommen hat und die Protagonisten dementsprechend mit Applaus belohnte.

Text: Léonard Wüst www.leonardwuest.ch

http://www.abc-production.ch/index und

https://www.bryanadams.com/

Fotos:

http://www.abc-production.ch/index,  Ruedy Hollenwäger und Léonard Wüst

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Konzert Theater Bern, Il Barbiere di Siviglia, Première, 8. Dezember 2019, besucht von Noémie Felber

Il Barbiere di Siviglia Foto Annette Boutellier
Il Barbiere di Siviglia Foto Annette Boutellier

Produktion:
Musikalische Leitung Matthew Toogood
Regie Cordula Däuper
Bühne Mareile Krettek
Kostüme Pascal Seibicke
Licht Christian Aufderstroth
Dramaturgie Mark Schachtsiek
Chor Herrenchor Konzert Theater Bern
Orchester Berner Symphonieorchester

Rezension:

Il Barbiere di Siviglia Foto  Annette Boutellier
Il Barbiere di Siviglia Foto Annette Boutellier

Vom Barbier angeführt betreten die Schauspieler einer nach dem anderen die Bühne, bis sie mit ihren gefärbten Haaren und bunten Kostümen wie ein Regenbogen erscheinen: Bereits die wortlose Vorstellungsrunde während der Ouvertüre zeigt dem Publikum, mit welchen Charakteren sie es im Verlaufe des Abends zu tun haben werden. So unterschiedlich wie ihr Äusseres sind auch ihre Persönlichkeiten, so farbig wie der Beginn wird die ganze Geschichte. Sicher ist auf alle Fälle, dass Rossini und sein Barbier hier in einem komplett neuen Gewand auftreten.

«Wir achten die Tradition…»

Il Barbiere di Siviglia Foto  Annette Boutellier
Il Barbiere di Siviglia Foto Annette Boutellier

Die Geschichte lässt sich laut Beaumarchais, der die literarische Vorlage des Stücks lieferte, in einem Satz zusammenfassen: «Ein Alter will am anderen Morgen sein Mündel heiraten; ein junger und aufgeweckter Liebhaber kommt ihm zuvor […]». Und tatsächlich, viel mehr braucht es nicht, um die Intrigenkomödie ins Leben zu rufen. Rossinis Oper Il Barbiere di Siviglia mit Libretto von Sterbini erlebte ihre Uraufführung 1816 in Rom. Was als ein Fiasko beginnt, ist heute wegen seiner schönen Musik und seines Witzes ein Publikumsliebling. Die von der Commedia dell’arte inspirierten Figuren amüsierten und unterhielten im 16. Jahrhundert genau so sehr wie heute noch. Dementsprechend besteht keine Notwendigkeit, die Handlung in die Gegenwart zu verlagern. Stattdessen fokussiert die Inszenierung darauf, die im Stück angelegten Mittel in die heutige Zeit zu übertragen. Neben der Bühne angebrachte Bildschirme mit eingeblendeter deutscher Übersetzung sollen das Verfolgen der italienisch gesungene Handlung und das Verstehen der Intrigen erleichtern. Dies ist auf alle Fälle geglückt, bemerkt man im Publikum doch so einige Lacher und schmunzelnde Gesichter.

«… aber ohne ihr stets zu folgen.»

Il Barbiere di Siviglia Foto  Annette Boutellier
Il Barbiere di Siviglia Foto Annette Boutellier

In einer modernen, farbenfrohen und manchmal auch etwas verrückten Inszenierung von Cordula Däuper schafft es das KTB, die altbekannte Oper erfrischend anders auf die Bühne zu bringen. Das minimalistische Bühnenbild von Mareile Krettek überrascht immer wieder mit viel Liebe zum Detail. Vor allem die Schattenspiele laden zum Staunen ein. So viele Einsatzmöglichkeiten hätte man einem weissen Würfel allemal nicht zugetraut. Vor dieser einfarbigen Kulisse leuchten die farbenfrohen Darsteller umso mehr. Nicht nur ihre Kostüme, entworfen von Pascal Seibicke, heben sie hervor, sondern auch ihre künstlerische Leistung. Sowohl gesanglich als auch schauspielerisch brilliert die gesamte Besetzung. Mit viel Witz und Charme hauchen die Schauspieler den Charakteren Leben ein. Die virtuosen Partien meistern sie scheinbar mühelos und ermöglichen dem Publikum einen unterhaltenden und auf allen Ebenen geglückten Besuch. Unterstützt werden die Darsteller dabei vom hervorragenden Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Matthew Toogood. Er versteht es, Rossinis musikalische Vorlage auf höchstem Niveau wiederzugeben.

Oranger Kavalier und roter Barbier

Il Barbiere di Siviglia Foto  Annette Boutellier
Il Barbiere di Siviglia Foto Annette Boutellier

Ein wahrer Klassiker der Operngeschichte in solch einer modernen Fassung, kann das funktionieren? Die Antwort ist schlicht und einfach: Ja! Sowohl Besucher der traditionellen Oper als auch Fans moderner Stücke können dieser Inszenierung etwas abgewinnen und verlassen das Theater mit einem Lächeln im Gesicht. Der tobende Schlussapplaus, mit dem die überragenden Mitwirkenden entlohnt werden, spricht für sich. Wer nun auf die Abenteuer des orangen Kavaliers, seiner grünen Geliebten und des roten Barbiers neugierig geworden ist, kann sich diese bis am 15. März 2020 in Bern ansehen. Die Anreise ist auf alle Fälle kürzer als jene nach Sevilla.

Text: WWW.NOEMIEFELBER.CH

Fotos: http://www.konzerttheaterbern.ch   Annette Boutellier

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Konstantin Wecker und das Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie, Ltg. Mark Mast Weltenbrand Tournee, KKL Luzern, 10. Dezember 2019, besucht von Léonard Wüst

Wecker (vorne links) präsentiert mit seinen Mitmusikern sein umfangreiches Repertoire (Foto Sylvia Jost)
Wecker (vorne links) präsentiert mit seinen Mitmusikern sein umfangreiches Repertoire (Foto Sylvia Jost)

Besetzung:

Konstantin Wecker und Band
Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie
Leitung  Mark Mast

Rezension:

Konstantin Wecker Foto Bayerischer Rundfunk c Wilschewski
Konstantin Wecker Foto Bayerischer Rundfunk c Wilschewski

Es ist die ewige, fortwährende Geschichte des Konstantin Wecker, wenn es um die Live-Auftritte des begnadeten Liedermachers geht. In regelmäßigen Abständen beglückt der singende und Klavier spielende Weltverbesserer-Anarcho seine Fans und Freunde mit leidenschaftlichen Live-Aufnahmen, die für CD und neuerdings auch Vinyl mitgeschnitten werden. Im Falle von „Weltenbrand entstanden diese sogar mit einem international besetzten Kammerorchester, das ganz großes symphonisches und zugleich weltmusikalisches, absolut friedliebendes Musik-Geschütz auffährt. In dieser Formation absolvierte er auch den Auftritt im, erstaunlicherweise, nicht ganz ausverkauften Konzertsaal des Luzerner KKL.

Bunter Mix aus Altem und Neuem, Vergangenheit und Gegenwart

Mark Mast Leitung
Mark Mast Leitung

Die Musiker intonierten instrumental schon  „Nur dafür lasst uns leben“ als Wecker sich zu ihnen gesellte, sich ein Mikrofon griff und stimmgewaltig einsetzte und das Auditorium sofort im Sack hatte. Dann gings Schlag auf Schlag, alte und neue Liedermacherkunst, ausgiebige Erzählungen aus Vergangenheit und Gegenwart, das Zitieren von Gedichten seiner Lieblingslyriker Rilke, Kästner, Brecht und Mühsam, sowie bombastische Arrangements für das Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie, welches ihn bei den Ausflügen durch seine musikalische Lebensgeschichte unterstützt, machten dieses 2 ½ stündige Konzert aus, der von ruhig bis rockig, orchestral bis akustisch und provokant bis besinnlich mal wieder weckertypisch alles zu bieten hatte.

Der Zahn der Zeit nagt auch am scheinbar Unzerstörbaren

Konstantin Wecker Foto Ufuk Arslan
Konstantin Wecker Foto Ufuk Arslan

Etwas zerbrechlicher und gealtert wirkt er schon, nicht in seinem Klavierspiel und Gesang, eher in Gestik, Mimik und vor allem Bewegungen. Dies aber bei ungebrochener Leidenschaft für seine Anliegen, unentwegtem Engagement gegen alles, was er seit einem halben Jahrhundert rhetorisch, musikalisch anprangert und bekämpft, nicht abweichend in seinem Aufruf nach mehr Menschlichkeit, Nächstenliebe und Zärtlichkeit.  Besonders weist der bayrische Liedermacher diesmal darauf hin, dass in den Zeiten heißer Kriege und ständiger, immer heftiger werdender Hasstiraden gegen alles, was anders ist und nicht in das kleinkarierte Weltbild dümmlicher Nationalisten oder kleinbürgerlicher Einfaltspinsel passt, Widerstand Pflicht sei.

Musiker aus zwölf verschiedenen Nationen und aus Bayern

Konzertmeister Ahmed Mounib
Konzertmeister Ahmed Mounib

Begleitet wurde er von einem Orchester, das sich aus zwölf Musikern, die aus neun Nationen kommen (u.a. Ägypten, Syrien, Grossbritannien Österreich usw.)– welche sich teilweise entgegen der friedlichen Bühne der Kunst auf der „Bühne der Politik“ kriegerisch gegenüberstehen – zusammensetzt: „Diese jungen Musiker spielen ohne Orchesterattitüde. Es ist fast so, als spielte ich mit einer Band aus Hornisten, Geigern und Schlagwerkern. Würde die Politik endlich von der Kunst lernen, dann wären wir wohl in punkto Völkerverständigungen so einige riesige Schritte weiter.
Eine Erkenntnis die natürlich auch jedes Lied seiner klug gewählten Stücke aus über 30 (Auf-)Wecker-Jahren zum Ausdruck bringt, in denen die Erinnerung an deutsche Gräueltaten genauso wichtig sind wie die Ungerechtigkeiten der (politischen) Gegenwart oder die Besinnung auf Liebe und Freundschaft, aber auch Widerstand und Anarchie im Sinne der guten Sache. „Eine Kampfansage in Dur und Moll“ (zu lesen auf Weckers Homepage erwartet den Zuhörer, wobei der Begriff „Zuhören“ wirklich ernst genommen und angewendet werden sollte.

Natürlich durfte auch Greta nicht fehlen

Cellistin Fanny Kammerlander schnappte sich auch mal die E Gitarre
Cellistin Fanny Kammerlander schnappte sich auch mal die E Gitarre

Und wie es kaum anders zu erwarten war, hat Wecker nun auch Greta Thunberg für sich entdeckt und huldigt ihrer mit der Ansage „Zeig‘s ihnen Greta – Die Welt muss weiblich werden“, indem er einerseits Christian Lindners FDP-Ansichten zu dem klimaaktiven Mädchen und der Umwelt ad absurdum führt und „Und das soll‘s dann gewesen sein“ als musikalisches Statement dagegensetzt, das als Symphonie beginnt und zur schrecklichen Erkenntnis kommt: „Doch wie wir auch strampeln und wie wir auch plärren, wir erreichen nur die Staffagen / Der Staat dient den stets anonymeren Herren in den obersten Etagen!“ Weltenbrand – schon der Titel als Provokation und ängstliche Vision zugleich, wobei Wecker  konkretisiert. Der Titel Weltenbrand erinnert an die Zeit zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg. Von 1920 bis 1930 war eine Blütezeit der Genies. Frauen hatten viele Möglichkeiten, Kunst auszuüben. Zum ersten Mal gab es in das Frauenwahlrecht. Wir müssen daran erinnern, wie es 1933 zur Zerstörung der freien Gesellschaft durch einen grauenvollen Tyrannen kommen konnte. Meine große Hoffnung ist, dass sich Geschichte nicht wirklich wiederholt. Aber wir müssen aufpassen.“ Das mit dem Frauenwahlrecht musste er, aufgrund weiblicher Zwischenrufe, korrigieren, da in der Schweiz ebendieses auf nationaler Ebene erst 1971 mittels einer Volksabstimmung eingeführt wurde, in einigen Kantonen wurde es, auf kantonaler Ebene, gar noch später eingeführt.
So entwickelt sich Konstantin Wecker hierbei offensichtlich zum kunstvollen Feuerlöscher oder musikalischen Feuerwehrmann, der eindringlich zum Album und seiner Konzerttournee resümiert: „Ich hätte nie gedacht, dass wir an einen Punkt kommen, an dem unsere gewonnene Demokratie zu verfallen droht. Ich bin überzeugt, dass die von dem begeistert aufspielenden Streicher-, Holz- und Blechbläser-Ensemble vorgetragenen Lieder zur Heilung der geschundenen Welt beitragen. Denn diese Songs können die Poesie noch tiefer ins Herz tragen und dorthin bringen, wo sie eigentlich herkommen, aus den tiefsten Tiefen des Seins.“

Mitmusiker erhielten Gelegenheit ihr Können zu demonstrieren

Severin Trogbacher
Severin Trogbacher

Severin Trogbacher, im anderen Leben Leadgitarrist bei Hubert von Goisern, flocht ein paar ganz tolle Soli ein, auch Schlagwerker und Saxophon konnten Soli platzieren,  Cellistin Fanny Kammerlander griff ab und an auch zur E Gitarre, und krönte ihre Performance dank ihren gesanglichen Qualitäten in einem Duett mit Konstantin Wecker. Für den furiosen Titelsong des Programms, „Entzündet vom Weltenbrand“ läuft Hornist Christian Loferer mal schnell hinter die Bühne. Denn „für den großen Gesang“, den Wecker seinem Vorbild Rainer Maria Rilke entlehnt und gewidmet hat, „braucht’s ein großes Instrument“. Der Münchner Hornist kommt mit einem wirklich großen zurück: einem Alphorn. Welch wunderbaren Tonumfang er dem vier Meter langen Holz entlockt – ganz großer Genuss, inbesonders die draufgelegte Ouvertüre aus Rossinis „Wilhelm Tell“ kam am Vierwaldstättersee sehr gut an. Der ägyptische Konzertmeister Ahmed Mounib zelebrierte Weckers „Tango Joe“ aus dessen Filmmusik zu Helmut Dietls „Schtonk“ mit schon fast südamerikanischem Temperament auf seiner Violine. Das Hervorheben einzelner Akteure schmälert keineswegs die grandiose Leistung des gesamten Orchesters.

Im Gesamtset fehlte einzig der sonst obligate Wedam, der bajuwarische Blues, der, so dachten viele, dafür in den Zugaben vielleicht noch gegeben würde, was dann aber nicht so war.

Zum ersten Mal in der deutschen Charts-Musikgeschichte schaffte es ein Wecker Album,  das Live-Album der Weltenbrand Tournee, sogar in die Deutschen Album-Charts unter die ersten 100  und zwar auf Platz 31. Lange genug gedauert hat‘s diesbezüglich ja. Zugleich eine späte Ehre für den mittlerweile 72siebzigjährigen.

Er will musikalisch immer noch  die Welt verbessern

Fanny Kammerlander im Duett mit Konstantin Wecker
Fanny Kammerlander im Duett mit Konstantin Wecker

Er ist ein Weltverbesserer und ein begnadeter Musiker. Seit fast 50 Jahren steht Konstantin Wecker auf der Bühne, singt gegen Faschismus, Krieg, Unfreiheit und Nationalismus an. Der 72-Jährige sieht heute gefährliche Parallelen zu den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, als die freie Gesellschaft zerstört wurde, die Nationalsozialisten an die Macht kamen. „Weltenbrand“ hat er deshalb aktuelle CD und Tournee überschrieben. Wer Botschaften musikalisch an Mann/Frau bringen will, muss sich etwas einfallen lassen. Der Liedermacher Wecker setzt auf Verstärkung, bringt die Cellistin Fanny Kammerlander, den Gitarristen Severin Trogbacher und zehn Musiker der Bayerischen Philharmonie mit. Die setzen unter Leitung von Mark Mast die Arrangements um, die Weckers langjähriger Freund Jo Barnikel, selbst am Klavier für seine Lieder gestrickt hat, ein einfühlsames und symphonisches Klangerlebnis. Die Musiker ziehen alle Register, umwerben mal laut mal leise, mal enervierend, mal schwelgerisch die Ohren. Das neue Gewand der Lieder hat Jazz-, Rock- oder folkloristische Elemente macht, offen zugegebene, Anleihen bei Beethoven oder Lou Reed. Dazu Weckers  unvermindert kraftvolle Stimme – Pendant seiner virtuosen Sprachgewalt. Jeder Musiker erhält seinen Solopart, den auch Wecker sichtlich genießt. Und da auf der Bühne neun Nationalitäten versammelt sind, steht das Orchester auch für seinen Traum der grenzenlosen, vereinten Welt.

Ein Auftritt wie ein Bild und eine Theaterinszenierung

Konstantin Wecker Weltenbrand Tour
Konstantin Wecker Weltenbrand Tour

Wecker wäre nicht Wecker, wenn er seine Ängste und Befürchtungen nicht mit der Liebe zu den Menschen und der Welt verbinden würde. Den Rahmen seines gut zweieinhalbstündigen Auftritts, der an ein opulentes Bild, eine mitreißende Theaterinszenierung erinnert, bildet sein Lied „Nur dafür lasst uns leben“. Dazwischen viele bekannte Songs gegen die Zerstörung der Welt, gegen Kapitalismus und Ignoranz. Und aktuelle Bezüge zu Greta Thunbergs Kampf gegen den Klimawandel, zu Gewalt und Fremdenhass. Der Liedermacher verknüpft sie mit dem Aufruf zu Widerstand, er bietet Trost und unbeirrbare Lebensbejahung. Da ist es nur ein kurzer Schritt zu seinen Liebesliedern, Liedern an seine Kinder, seinen Filmmusiken und Gedichtvertonungen. Bei denen allen voran Rilke, Brecht und Goethe –, in denen er seine lyrische Seite auslebt. Etwas leiser wünscht er sich wieder ein bisschen 68er Stimmung auf die Strassen zurück, eine Zeit, die sehr viele der anwesenden selber miterlebten, gar mitgestalteten. Stehende Ovationen sind bei Wecker eine Selbstverständlichkeit, 2 3 Zugaben dafür auch. Alles in allem ein Wecker, wie man ihn seit Jahrzehnten kennt, der es aber versteht, in Zusammenarbeit mit seinem Keyboarder Johannes Barnikel, die Lieder zeitgemäss zu arrangieren und so aktuell zu halten.

Konstantin Wecker – Mercedes Sosa – Joan Baez – Ich singe weil ich ein Lied hab – Wien 1988:

www.youtube.com/watch?v=LhHAaJqjVhc

Konstantin Wecker: „Sage Nein!“

www.youtube.com/watch?v=aZtmfCJRErY

Ich hab einen Traum:

youtu.be/CfJawNZm-rQ

Niemals Applaus (Für Meinen Vater)

laut.de/Konstantin-Wecker/Songs/Niemals-Applaus-Fuer-Meinen-Vater-966835

Der Wehdam (Bayrischer Blues)

www.youtube.com/watch?v=ghAD319gpas

Ein Konzert von: www.abc-production.ch/

Fotos: www.abc-production.ch/ und Wikipedia und Homepage von

www.wecker.de/de/start.html

Text: www.leonardwuest.ch

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Wiener Staatsoper, Benjamin Britten A Midsummer Night’s Dream, 13. Oktober 2019, besucht von Léonard Wüst

A midsummer nights dream Foto APA Georg Hochmuth
A midsummer nights dream Foto APA Georg Hochmuth

Produktion und Besetzung:

Dirigentin Simone Young
Regie Irina Brook
Bühnenbild Noëlle Ginefri-Corbel
Kostüme Magali Castellan
Licht Jean Kalman
Choreographie Martin Buczko
  Théo Touvet
 
Oberon Lawrence Zazzo
Tytania Erin Morley
Puck Théo Touvet
Theseus Peter Kellner
Hippolyta Szilvia Vörös
Lysander Josh Lovell
Demetrius Rafael Fingerlos
Hermia Rachel Frenkel
Helena Valentina Naforniţa
Bottom/Zettel Peter Rose
Flute/Flaut Benjamin Hulett
Quince Wolfgang Bankl
Snout Thomas Ebenstein
Snug William Thomas
Starveling Clemens Unterreiner

 

Rezension:

Théo Touvet als Puck Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Théo Touvet als Puck Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Zum Auftakt seiner letzten Saison hat sich der scheidende Direktor Dominique Meyer Benjamin Brittens Oper „A Midsummer Night’s Dream“ ausgesucht – nach Shakespeares berühmtester Komödie, als erste Premiere der aktuellen Spielzeit Die Oper des britischen Komponisten Benjamin Britten nach der gleichnamigen Shakespeare-Komödie wurde zum ersten Mal nach über 50 Jahren wieder an der Staatsoper aufgeführt. Irina Brook, Tochter von Regielegende Peter Brook, inszeniert den „Sommernachtstraum“ Brittens, das Staatsopernorchester wird von der Australierin Simone Young geleitet. Frauenpower im Haus am Ring.

Brooks Vorliebe für zeitgemässe Kostümierung

Erin Morley als Tytania Peter Rose als Bottom Zettel Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Erin Morley als Tytania Peter Rose als Bottom Zettel Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Brook sagte in einem Interview mit der APA, dass sie eine besondere Beziehung zu dem Shakespeare-Stück habe: Sie sei mit der Inszenierung ihres Vaters aufgewachsen, sie selbst inszenierte das Drama zuerst in einem „freien Wald-und-Wiesen-Theater, ohne Geld, ohne Bühne“. Die Regisseurin gibt Antworten auf oft gestellte Fragen. Ist die Inszenierung zeitgenössisch wie Brooks bisherige Arbeiten? Mit dem Begriff ist sie nicht glücklich: „Ich bin sehr klassisch in meinem Denken, ich erzähle Geschichten linear und werktreu.“ Mit ihrem Faible für heutige Kostüme gilt die britisch-französische Regisseurin unter Konservativen gleichwohl als „modern“. „Ich sitze zwischen den Stühlen“, sagt Brook, findet das Thema Ausstattung aber insgesamt überbewertet: „In der Opernwelt entscheidet das Setting, wie du wahrgenommen wirst – als Traditionsbrecher oder als Konservativer. Aber das ist oberflächlich.“ Den „Sommernachtstraum“ wird sie in einer waldigen Ruine ansiedeln und die vier Liebhaber in Internatskleidung auftreten lassen, sich im Kern aber um die psychologische Kontur der Figuren bemühen. Und wie geht es ihr mit der modernen, wenn auch nicht avantgardistischen Musik aus dem Jahr 1960? „Sie wirkte zwar beim ersten Mal etwas schwierig auf mich, aber schon nach ein paar Tagen war ich völlig begeistert. Wenn ich vom Proben heimkomme, singe ich diese Melodien in der Nacht.“ Seltsam übrigens im Vergleich: „Als ich eine Oper von Donizetti inszeniert habe, konnte ich mich deutlich schlechter an die Musik erinnern.“

Die Inszenierung begeistert ebenso wie das stringente Dirigat

Lawrence Zazzo als Oberon Théo Touvet als Puck Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Lawrence Zazzo als Oberon Théo Touvet als Puck Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Sie haben ja schon einen etwas eigenartigen Geschmack, die Briten. Die Schuluniformen zum Beispiel: Überdimensionale mintgrüne Schlipse, Schottenröcke mit steifen Falten und riesigem Karo in grellen Farben. Irgendwie passend für eine Nation, die Nierenauflauf und Pfefferminzsauce für den Gipfel kulinarischen Glücks hält. In England versteht man sich eben darauf, Dinge, die anderswo seit Ewigkeiten aus der Mode gekommen ist, lustvoll zu übertreiben und als Exzentrik zu zelebrieren. Auch die Klangfarben Brittens sind klar von der Insel und werden von der kanadischen Dame mit dem Taktstock im Orchestergraben kongenial adaptiert und mit ihren souveränen Mitmusikern sinngemäss umgesetzt.

Provinzielles Britannia

Peter Rose als Bottom Zettel Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Peter Rose als Bottom Zettel Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Der neue“ Midsummer Night’s Dream“ an der Wiener Staatsoper ist eine Feier dieser sehr spezifischen Britishness. Kein Cool Britannia, nicht das stylishe trendige London, sondern eher die etwas angestaubte, aber liebenswert exzentrische Britshness der Provinz gibt die Richtung vor in der Inszenierung von Irina Brook. Das ungeniert kitschige Bühnenbild zeigt die von Schlingpflanzen malerisch überwucherten Ruinen eines Rokoko-Schlösschens. Der Elfen-Kinderchor trägt süße Kapuzen-Pullis, Oberon einen silbernen Glitzeranzug, Titania orangenes Haar und Puck eine mintgrüne Perücke.

Akrobatische Stunts mit Spielfreude

Theo Touvet  als Puck
Theo Touvet als Puck

Dieser Puck ist eine Augenweide: Die Saltos, Flugübungen und halsbrecherischen Sprünge des Schauspielers und Akrobaten Théo Touvet würden jedem Zirkus gut anstehen. Die beiden Liebespaare, deren Begehren dank Pucks Sommernachts-Zauberei so folgenschwer durcheinandergerät, stecken in grünen, sehr britischen Schuluniformen und verhandeln ihre hormonellen Verirrungen mit großer Spielfreude. Etwas zäher, aber immer wieder hübsch sind die komödiantischen Bemühungen der Handwerker, die als trottelige Laienspielschar die Tragödie von Pyramus und Thisbe als Theater auf dem Theater zum Besten geben. Spaß macht vor allem der britische Bass Peter Rose als Bottom – stimmlich ebenso souverän wie das gesamte Ensemble.

Gelungene Besetzung ohne Überraschungen

Valentina Naforniţa als Helena Rafael Fingerlos als Demetrius Josh Lovell als Lysander Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Valentina Naforniţa als Helena Rafael Fingerlos als Demetrius Josh Lovell als Lysander Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Nicht weniger als 14 Gesangssolisten fordert die Oper, und fast alle haben ähnlich viel oder wenig zu singen. Der Wiener Staatsoper gelingt das Kunststück, wirklich jede Rolle gesanglich stark zu besetzen. Große Klasse ist vor allem der Countertenor Lawrence Zazzo als Feenkönig Oberon. Handwerklich ist das alles ziemlich gut gemacht, dabei komplett harmlos und im guten wie im schlechten Sinn kulinarisch. So wie man es eben von der in punkto Regie stockkonservativen Wiener Staatsoper oder einer sehr guten Musicalbühne erwartet.

Britisches Fest der Klangfarben

Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Großartig ist die Orchesterleistung unter der sicheren Leitung von Simone Young. Benjamin Brittens Partitur hat sich erstaunlich jung gehalten, in der „von schwerer Harmonik durchzogenen Partitur“ ist „vor allem zauberisch-lichtes Material detailverliebt“ herausgearbeitet. Dieser britischste aller Komponisten liebte kräftige und eigenwillige Farben – und das ist ein großer Spaß beim Hören. Da gibt es exzentrische Kontrabass-Soli mit schräg durcheinander springenden Cembalo-Akkorden, sphärische Harfen- und Glockenspielklänge und groteske Trompeten-Purzelbäume. Die Wiener Philharmoniker haben hörbare Freude dran.

Selten zu sehendes Meisterwerk

Rachel Frenkel als Hermia  Josh Lovell als Lysander Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Rachel Frenkel als Hermia Josh Lovell als Lysander Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Textlich hielt sich Britten ziemlich brav an Shakespeares Originaltext, doch seine Musik taucht den Klassiker in ein unverwechselbares Licht. Schade, dass man diese Oper nicht öfter hört. Denn auch wenn uns der eigenwillige Geschmack der Briten manchmal überrascht – ohne ihren wunderbaren Sinn für Exzentrik ist Europa einfach nicht komplett. Und auch wenn diese Inszenierung sicher kein bleibendes Meisterwerk ist, Brittens Oper ist eines. Und so wünscht man nach diesem Abend umso mehr: Stay with us.

Kräftiger Applaus für Shakespeare-Interpretation

Rafael Fingerlos als Demetrius Valentina Naforniţa als Helena Rachel Frenkel als Hermia Josh Lovell als Lysander Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Rafael Fingerlos als Demetrius Valentina Naforniţa als Helena Rachel Frenkel als Hermia Josh Lovell als Lysander Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Auch das Publikum zeigte sich am Ende zufrieden: Nach dem Fallen des Vorhangs gab es lauten Jubel für die Britten-Oper, die heuer als erste Premiere auf dem Spielplan des Hauses am Ring stand. Brittens Oper wurde erstmals 1960 in England aufgeführt, sie zählt zu den erfolgreichsten Werken des britischen Komponisten. 1962 kam die Oper nach Wien, inszeniert vom Schweizer Regisseur Werner Düggelin. Es gibt nichts, das gegen diesen neuen „Sommernachtstraum“ in der Wiener Staatsoper spricht. Es ist eine klanglich wie optisch durch und durch stimmige Opernproduktion. Natürlich lässt die Regisseurin den Puck den einen oder andern Flic Flac oder Überschlag zu viel ausführen, aber solangs dem Publikum gefällt heiligt der Zweck die Mittel.

Man geht ja ins Theater, respektive in die Oper, um sich zu amüsieren und nicht, um sich zu grämen. Das Dirigat von Simone Young ist geprägt von einer raumfüllend substanziellen Leichtfüßigkeit. Wie sie Benjamin Brittens musikalische Welten kraftvoll erblühen und fokussiert durch den Raum huschen lässt, wird dem punktuellen Flirren, das der Partitur innewohnt, ebenso gerecht wie dem lautmalerischen Klangwitz des Komponisten. Das Orchester dankte Youngs plastischer Übersicht und Klarheit mit punktgenauem Klangfarbenzauber und auch in den kompakten Linien aufblitzender Spielfreude.

Traum- Zauberwelt auf Bühne drapiert

Szilvia Vörös als Hippolyta Peter Kellner als Theseus Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Szilvia Vörös als Hippolyta Peter Kellner als Theseus Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Spielfreude und Poesie, Zauber und Witz sind auch die Schlagworte, die die szenische Umsetzung des „Midsummer Night’s Dream“ prägen. Regisseurin Irina Brook hat mit ihrem Team eine zeitlose, angedeutet verwunschene Traum-Zauberwelt auf die Bühne gestellt. Spielplatz aller Szenen ist ein verfallendes Schloss (Bühne: Noëlle Ginefri-Corbel), in dem sich die Natur ihren Platz schon von der Zivilisation zurückzuerobern beginnt. Mit einfachen Mitteln und den detailverliebten, die Figuren klar in ihre Sphären einordnenden Kostümen (Magali Castellan) grenzt sie die einzelnen Spielwelten klar voneinander ab und verschränkt sie doch liebevoll wie geschickt.

Die Leichtigkeit des Seins und der Traumwelt visuell umgesetzt

Théo Touvet als Puck Ensemble Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Théo Touvet als Puck Ensemble Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Hier dürfen Feen Glitzerkronen aus vergoldeten Dornen tragen, Handwerker Arbeitskleidung und der quirlige Puck ein Efeu-Kostüm mit grünem Haarschmuck. Eben jener Puck durchzieht die Produktion – bis in den Zuschauerraum – in Form des niemals still haltenden, schelmischen wie Salto springenden Akrobaten Théo Touvet mit charmanter Lebendigkeit. Doch nicht nur er durchbricht die Statik so manch anderer Opernproduktion.

Eindringliche Farben

Lawrence Zazzo als Oberon Erin Morley als Tytania Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Lawrence Zazzo als Oberon Erin Morley als Tytania Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Auch die übrigen Figuren zeichnet Brook liebevoll vital, behält bei allem Witz stets den maßvollen Blick für das Wesentliche und erzählt die Geschichte des Feenkönigspaares mit ebenso viel Empathie wie die irregeleiteten Liebesturbulenzen der vier jungen Athener oder die Vorbereitungen des Theaterstücks der Handwerker. Die Sänger scheinen unter ihrer Regie in Spielfreude zu erblühen. Der amerikanische Countertenor Lawrence Zazzo ist bei seinem Staatsoperndebüt als Oberon der sängerische Schwerpunkt der Produktion, säuselnd und giftig, höchst textverständlich und mit eindringlichen Farben. Klar und präzise auch Erin Morley als Titania, pointiert komödiantisch Peter Rose als Bottom.

Kanadier weckt Hoffnungen auf einen neuen „Haus Tenor“

Clemens Unterreiner als Starveling William Thomas als Snug Wolfgang Bankl als Quince Thomas Ebenstein als Snout Benjamin Hulett als Flute Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper
Clemens Unterreiner als Starveling William Thomas als Snug Wolfgang Bankl als Quince Thomas Ebenstein als Snout Benjamin Hulett als Flute Foto Michael Pöhn Wiener Staatsoper

Einen gelungenen Einstand feierte der junge Kanadier Josh Lovell, der mit der aktuellen Spielzeit neu im Ensemble ist und als Lysander tenorale Hoffnungen weckt. Mit Rafael Fingerlos, Rachel Frenkel und Valentina Nafornita wurde das junge Liebesquartett mit Wanderrucksack und in Schuluniform bestens aus dem Ensemble komplettiert. Es ist eine klanglich wie optisch durch und durch stimmige Opernproduktion. Abgründe jeglicher Art sucht man vergebens. Zauberhaftes Wohlgefallen statt düsterer Magie – mit dieser Deutung ist die Staatsoper klar näher bei Shakespeare als bei Britten, eine Inszenierung, die das Auditorium zu stürmischem, langanhaltenden Schlussapplaus animierte.

Kleine Fotodiashow der Produktion:

fotogalerien.wordpress.com/2019/12/08/wiener-staatsoper-benjamin-britten-a-midsummer-nights-dream-13-oktober-2019-besucht-von-leonard-wuest/

 

Text : www.leonardwuest.ch   Fotos:https://www.wiener-staatsoper.at/

 

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