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Wenn Fisch, dann vorzugsweise einheimisch und frisch gefangen. Das ist nicht immer einfach, aber etwas Aufwand lohnt sich: Felchen, richtig zubereitet, sind köstlich. Fische aus unseren Seen sind etwas rar geworden. Das liegt auch an den extrem sauberen Gewässern, wo als Folge weniger Plankton – die Grundnahrung der Fische – vorhanden ist. Doch mit etwas Glück und Ausdauer beim Einkauf bereichern ab und zu neben Hecht, Egli, Saibling oder Seeforelle auch frisch gefangene Felchen unseren Speiseplan.
Verschiedene Namen
Felchen heissen je nach See und Gegend Ballen, Balchen, Renke, Anke oder Coregonen. Unterschieden wird zwischen Gross-, Mittel-, Klein- und Zwergfelchen (Albeli) mit Längen zwischen 20 und 60 Zentimetern. Ihre Lebensräume sind vowiegend mitteleuropäische Seen, auch in höheren Lagen. Felchen sind sogenannte Edelfische, zu erkennen an der kleinen «Fettflosse» direkt vor der Schwanzflosse. Für Kenner ist das wichtig.
Wie erkennt man die Qualität?
In Restaurants empfehle ich, falls die Fischherkunft nicht deklariert ist, zu fragen, woher er kommt: frisch oder gefroren? Heisst die Antwort «aus dem Comestibles», ist der Fall meistens klar. Das Qualitätsmerkmal der Felchen ist weisses und schmackhaftes, allerdings eher trockenes Fleisch. Um sie saftig zu halten, braucht es bei der Zubereitung besonderes Geschick. Felchen sollten auch aus diesem Grund fangfrisch genossen werden. Man kann Felchen zwar tiefkühlen, muss aber zwingend, falls beim Filetieren das Fetträndchen (Bauchspeck) nicht weggeschnitten wurde, dieses entfernen. Weil Fett nicht gefriert, gibt es dem Fisch einen tranigen Geschmack, es «fischelet» unangenehm Den Fisch, nicht nur Felchen, immer zuerst knusprig «chrösch» (nur auf der Hautseite) anbraten. Dann, legt man die Filets sofort auf den heissen Teller, Hautseite nach oben. Die Filets ziehen automatisch auf dem heissen Teller (oder Platte) nach, und so bleiben sie saftig. Die Haut darf beim gebratenen Fisch gegessen werden. Beim Dünsten im Weisswein/Fond hingegen empfehle ich, die Haut vorher wegschneiden zu lassen.
Einige Zubereitungs-Ideen:
– Würziges Felchentatar mit getoasteten Weissbrotscheiben oder mit Pumpernickel.
– Carpaccio von Felchenfilets in Zitronen/Basilikumöl mit gebratenen Steinpilzscheiben umrandet. Cherry-Tomätchen als Farbtupfer.
– Felchenfilets gebraten mit frischen Spargeln, Sauce Hollandaise und Frühkartoffeln.
– Ein kurz gebratenes Felchenfilet (ohne Haut) in den vorgewärmten Suppenteller legen und mit einer heissen Kerbelschaumsuppe übergiessen.
– Felchenfilets gebraten und mit in brauner Butter gerösteten Mandeln überschäumen.
– Albelifilts (Kleinfelchen) sanft in nicht zu heisser Butter dünsten und am Schluss mit reichlich frischgehackten Kräutern bestreuen.
– Felchenfilets in Butter und Weisswein dünsten. Filets an die Wärme ins Tellerrechaud stellen, mit dem entstandenen Fond und etwas Rahm eine Weissweinsauce zubereiten. Am Schluss mit etwas Butter «aufschwingen», abschmecken und über die Filets giessen. Beilage: Safrannüdeli.
– Ganze Fische braten oder dünsten im Ofen geht ebenfalls – mit Googeln findet man hervorragende Rezepte, von ganz einfach bis raffiniert. Beides zusammen ist jenes meiner Frau Gertrude: Die Felchenfilets en papillote (Backpapier) kommen bei Gästen besonders gut an und können auch gut vorbereitet werden.
REZEPT
Felchenfilets en Papillote
Zutaten für 4 Personen
4 ganze Felchen, in 8 Filets (ohne Haut) zerlegt
Weisser Pfeffer und Salz
2 dl trockener Weisswein
1 Zitrone
1 Karotte in Julienne (feine Streifen) geschnitten
1 kleiner Lauch in feine Streifen geschnitten
8 kleine Zweiglein Liebstöckel (oder Petersilie und Thymian)
2 EL Olivenöl oder ca. 50 g Butter
Backpapier
1 Eiweiss
Zubereitung
Auf einem Blech in der unteren Ofenhälfte zirka 20 Minuten garen bei zirka 180 Grad (vorgeheizt). Am Tisch vor den Gästen das Säckchen öffnen.
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Weil meine Frau und ich 25 Jahre lang erfolgreiche Gastgeber waren, sind Kinder und Gastgewerbe seit eh und je ein Thema für uns. Meine Kindheitserinnerung als (Kind)Gast geht zurück in die 50er-Jahre. Ich hatte anständig am Tisch zu sitzen. Nicht mit vollem Mund zu sprechen. Mit der Serviette vor dem Trinken die Lippen zu reinigen. Den Suppenlöffel richtig zum Mund zu führen. Nicht zu schlürfen beim Siruptrinken. Nur dann zu reden, wenn ich gefragt wurde. Nicht immer war das ein Vergnügen. Damals eben.
So frage ich mich heute: Ist es richtig, dass in einem gepflegten Speiselokal ein schreiender Säugling die anderen Gäste stört? Darf ein Kind in einem Restaurant mit einem Kickboard zwischen den Tischen umherdüsen? Darf man als Wirt Kinder zurechtweisen, wenn diese an den Tischtüchern von aufgedecktenTischen zupfen und das säuberlich platzierte Besteck durcheinanderbringen?
Dürfen Kinder am Boden der Wirtschaft «umherschnaagen» und dabei die Service-Mitarbeitenden bei der Arbeit gefährden? Und notabene auch das Kind sich selbst? Dürfen Kinder mit dem Besteck auf den Teller hämmern?
Ab wann gehört ein Kind überhaupt in ein Restaurant?
Wie alt muss es sein? Kinder von heute sind Gäste von morgen. Das hat man uns schon an der Hotelfachschule beigebracht. Doch Kinder sollten, bevor sie in ein Restaurant geführt werden, auf einen solchen Besuch vorbereitet sein. Was gehört sich und was nicht?
Das ist Sache der Eltern und nicht des Gastgebers. Wäre ich noch ein Kind, würde es auch mich fürchterlich angurken, in der Nobelherberge neben den Kaviar und Gänseleber verzehrenden Eltern zu hocken und mir ihre Gespräche über Geld, Geist und Politik anhören zu müssen. Also gehören Kinder nur dann in ein solches Restaurant, wenn sie das kulinarische Erlebnis schon verstehen gelernt haben.
Ein Restaurant ist kein Tummelplatz für ausgelassene, schreiende Kinder. Es sei denn, das Restaurant habe ein Kinderkonzept. So wie das «Kreuz» in Malters zum Beispiel. Aber auch da dürfte es Regeln geben für Eltern, Kinder und Gastgeber. Stichwort Kindersitzli. Wie oft habe ich als Gast schon erlebt, dass ihr Sprössling einfach nicht in das Sitzli hineinzwängen lassen wollte. So schreit es oder er, macht Mitarbeitende und die Umgebung nervös. Man kann von Mitarbeitenden nicht verlangen, dass sie auch noch geschulte Kinderbetreuerinnen sind. Lätzli umbinden, Schoppen wärmen und Kinder tröstend beruhigen. Es sei denn, das Restaurant ist total auf Kinder eingestellt. Ein Bestandteil eines kinderfreundlichen Betriebskonzeptes.
Da muss man weder nach einem Röhrli zum Sirup noch nach einem kleineren Teller fragen. Hier ist auch das Glas für den Sirup kein dünnwandiges Riedelglas, sondern ein Robustes. Sicher gibt es da auch eine für Kinder gestaltete Kinderkarte mit zeitgemässen, kinderfreundlichen Speisen. Mit Pingu, Donald Duck und Mickey Mouse konnte man vor Jahren noch Kinder begeistern und sie von den Lieblingsgerichten ihrer Helden überzeugen. Pingu liebt Spinat zum Beispiel. Eigentlich sollten heute die Eltern wissen, was ihre Kinder gerne haben und bitte, das könnte man ja sogar beim Wirt vorbestellen. Was auch nicht geht, ist, wenn das Kind ein «Coci» trinken möchte und gleichzeitig ein unterlassenes Erziehungspalaver beginnt, dass «Coci» nicht gesund sei. Und es jetzt keines gebe. Dann die schreiende Zwängerei. «Ich will ein Cooociiii …» Aus das Vergnügen – auch für die Umgebung.
Nicht jedes Restaurant hat Platz für eine Spielecke.
Manchmal reicht schon ein Junior-Heftli, ein Malbüchlein allerdings mit „gespitzten“ Farbstiften oder sonst ein praktisches Spielzeug. Von zu Hause mitgebracht laute Computer-Piepsspiele hingegen stören die anderen Gäste. Aber eben, die Eltern machen es ja vor, wenn sie während des Essens noch das Handy am Ohr haben.
Fazit: Es ist nicht einfach für einen Gastgeber, Kinder und Erwachsene glücklich zu stimmen. Nicht jedes Restaurant ist ein Kinderhort. Ausser, es hat einen Garten mit Spielplatz und entsprechenden Spielgeräten. Drinnen könnte man (sofern Platz ist) ein Spielzimmer einrichten. Auch das gibt es. So empfehle ich, dass sich jeder Gast mit Kindern vorher informiert, ob das Restaurant kinderfreundlich gestimmt ist. Im 21. Jahrhundert kann sogar googeln helfen. Sicher ist, dass das Motto «Die Kinder von heute sind die Gäste von morgen» nicht blosses Geschwätz sein sollte. Aber der Gast hat die Wahl, seine Kinder in das Restaurant zu führen, wo diese sich auch wohl fühlen. Dann kommen sie wieder. Die McDonald’s und Co. machen es ja vor.
Mit gegenseitigem Respekt, gutem Willen und Verständnis gegenüber den Mitarbeitenden, Rücksicht auf andere Gäste und etwas Kinder-Knigge-Kenntnissen für den Restaurantbesuch dürfte ein Ausgang mit den lieben Kleinen garantiert zum freudvollen Erlebnis werden. Mit unseren Kindern hat es bestens funktioniert.
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Wem sage ich es? Ein Service mittags oder abends kommt einem Konzertanlass gleich. Der Küchendirigent ist angespannt wie eine Feder. Das Orchester bereit für den grossen Auftritt. Das Publikum voller Erwartungen – schliesslich geht man ja auswärts essen. So wird von diesem Orchester viel, sehr viel Flexibilität verlangt. Oft über die Grenzen des Machbaren hinaus. Und das kann zu Misstönen führen.
Eine nur leicht fiktive Geschichte aus dem Gastgeber Alltag.
Wer kennt sie nicht, diese Allergien. Der eine Gast hat einen Nuss Allergie. Ein anderer verträgt keine Meeresfrüchte. Wieder jemand kriegt einen Ausschlag, wenn er nur schon Erdbeeren hört. Wieder einer isst prinzipiell kein Schweinefleisch und wünscht auf dem Vorspeisenteller Mostbröckli anstatt Parmaschinken. Dann kommen noch die mit dem hohen Blutdruck, also ohne Salz oder nur „äs bitzeli“.
Menüänderungen wie Kartoffeln statt Teigwaren, Rüebli statt Broccoli, Reis statt Nudeln – diese Wünsche kann man problemlos erfüllen. Doch heutzutage ist der „Normalgast“ zunehmend die Ausnahme und „Wunschkonzerte“ die Regel. Ausgeprägte Abneigungen, aufs Essen projizierte Weltanschauungen immer mehr Unverträglichkeiten und Allergien (manchmal auch bloss eingebildete). Wie kann da ein Küchenorchester noch mit Begeisterung spielen? Die Service Schauspieler sind heillos überfordert – die Küche am Anschlag. Dann nämlich wenn die Konzertstühle bis auf den letzen Platz besetzt sind. Schauen wir doch einmal in die Runde.
Am Tisch 14 bringt gerade ein Vegetarier seine Wünsche an. Bitte keinen langweiligen Gemüseteller. Pilze esse ich nicht. Rosenkohl hasse ich wie der Teufel das Weihwasser. Gruss an die Küche, sie sollen sich was einfallen lassen. Aber nur frische Sachen und möglichst regional.
Am Tisch 13 sitzen sechs Gäste. Darunter ein Gast mit Zöliakie. Das muss man ernst nehmen. Nur, wie soll der Koch in der Hitze des Gefechtes reagieren? Weiss er, dass Mais, Reis, Kartoffeln, Hirse, Buchweizen und Soja etc. von Natur aus glutenfrei sind? Zum Glück weiss er es und zaubert gleichzeitig mit fünf anderen Bestellungen von Tisch 13 und 10 (Sonderwunsch: keine Suppe aus dem Päckli) etwas Passendes her. Weitere à la carte Bestellungen türmen sich fast schon zu Eifelturmhöhe.
Schon kommt Tisch 20 mit einem neuen Spezialwunsch an den Service. Können Sie bitte am Tisch nebenan sagen, sie sollen mit dem Hund verreisen, denn ich habe eine Hundehaarallergie. Als ob das so einfach wäre, sind doch der Hund und sein Besitzer seit Jahren Stammgäste. Das Tier bellt nie, riecht nicht und liegt brav unter dem Tisch.
Am Tisch 7: Drei Gäste. Dabei eine Dame mit einem „sehr empfindlichen Magen“, wie sie sagt. Auf der Karte findet sie nichts Passendes. Zufälligerweise arbeitet eine Diätköchin im Betrieb und stellt die Dame zufrieden. Zufälligerweise.
Tisch 16. Zwei Gäste outen sich als „vegan“. Obwohl aktuell ein hoch gehandeltes Ernährungsthema, ist veganes Essen in einem Restaurant, das nicht auf diese Gäste spezialisiert ist, eine grosse Herausforderung. Doch die Küche schafft auch das noch knapp. Nur, andere Bestellungen müssen dafür warten.
Da kommt Tisch 11 gerade recht. Dort sitzt ein Gast mit Pollenallergie. Man sieht es ihm an. Er kann nichts essen. Der Arme. Er ist einfach „verschnupft“ und die Köche sind es langsam aber sicher auch. Vor allem einfach überfordert. Ebenso wie der Service. Erst recht, wenn die Mitarbeitenden mit der deutschen Sprache Mühe haben, kommt es zu Misstönen. Freundlich bleiben, die Ruhe bewahren lautet das Gesetz der Gastronomie. Der Gast ist ja König. Jeder.
So bin ich für Lösungen der Probleme.
Mit einem Ratschlag. Wenn man als Gast weiss, was einem fehlt, kann man im Zeitalter der Digitalisierung, im Internet, die Speisekarte vor dem Restaurantbesuch studieren. Und allfällige Spezialwünsche bei der definitiven Reservation anbringen. Das hat kürzlich an einem Anlass, dem ich beiwohnen durfte, glorios funktioniert. Eine Dame und ein Herr wurden unauffällig mit ihren Allergie – bedingten Extraessen beglückt. Ohne Gstürm. Ohne Hektik. So einfach (wäre) ist das. Und der beizologische Konzertbesuch wäre frei von unliebsamen Misstönen. Oder muss ein Koch in Zukunft auch noch Medizinmann sein?
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Besetzung und Programm:
Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam
Tugan Sokhiev Dirigent
Tabea Zimmermann Viola
Rezension:
Man meint reine Kirchenmusik zu hören wenn man sich auf das einleitende Thema
fokussiert, so erhaben, ja glorios lässt es sich an mit den charakteristischen Einwürfen von Horn da wieder Fagotte, die indes immer wieder von den Streichern abgefedert werden. Die Melodie schreitet, wie bei einer Prozession, im Zweivierteltakt selbstsicher voran. Aus der Bläserbesetzung wird ein Sinfonieorchester. Und aus dem kraftvollen Chorale St. Antoni? Johannes Brahms gibt der Melodie in acht Variationen verschiedene Farben, wechselt von Dur nach Moll, verleiht ihr einen tänzerisch, fast wilden Charakter, lässt sie geisterhaft wie im Nebel klingen und mündet im Finale in einer Passacaglia.
Choral geht nie verloren
Bei all diesen Wandlungen geht der ursprüngliche Choral nie ganz verloren. Die meisten Experten sind ja heute der Meinung, dass das Werk mitnichten auf einem Thema, des, nicht nur von Brahms verehrten Haydn aufbaut. Als Johannes Brahms 1870 im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde Wien stöbert, entdeckt er den Chorale St. Antoni. Ein kleines Stück Musik aus dem Divertimento B-Dur des Komponisten Joseph Haydn; so glaubt zumindest Johannes Brahms über sein Fundstück.
Wahrscheinlich doch nicht Haydn der geistige Vater
Heute sind sich die meisten renommierten Musikwissenschaftler ziemlich sicher, dass dieser kleine Bläserchoral eher einem Schüler Haydns, nämlich Karl Ferdinand Pohl, zuzuschreiben ist. Anyway, Dirigent Tugan Sokhiev führt sein Orchester souverän feinfühlig durch das Werk, lässt den Solisten Gehör, indem er das Basisvolumen des Klangkörpers jeweils zurücknimmt, dezenter hält, wenn diese zum Zuge kommen. Ein äusserst gelungener Auftakt in diesen Konzertabend, vom sachkundigen Publikum im gutbesetzten Saal, mit viel Beifall honoriert.
Von Bartok kennt man ja eher die sehr bekannten Violinkonzerte die im Repertoire der allerwenigsten Geigensolisten fehlen. Weit weniger bekannt und gespielt hingegen ist ein Auftragswerk für den schottischen Bratscher William Primrose, der ihm auf den Weg gab, ein Konzert zu schreiben und dabei keine technischen Limits des Instrumentes zu berücksichtigen. Der Solopart dominiert in faszinierender Weise. Das Konzert ist eine Bereicherung im nicht gerade großen Bratschenrepertoire. Trotz seiner Leukämieerkrankung komponierte der Ungar unverdrossen fort, fast bis zum letzten Atemzug. Sein Bratschenkonzert konnte er dennoch nicht mehr vollenden – es wurde nach seinem Tod von dritter Hand ergänzt, erweitert, in der Substanz verändert.
Tabea Zimmermann fand ihren ureigenen Bartok
Tabea Zimmermann aber hat sich die autographen Skizzen vorgenommen und Bartóks originale Intentionen ergründet und so den eigentlich «letzten Willen» des Komponisten präsentiert. Die Solistin stieg, dank ihres passionierten Vorspiels, unmittelbar in Bela Bartóks Klangwelten ein, der Ton war schon preludierend so geschmeidig wie reichhaltig und sie vermochte es, mit meist geschlossenen Augen zu spielen, Orchester und Publikum in ihre Interpretation zu ziehen. Tabea Zimmermann sorgte für die perfekte Synchronie und das Gleichgewicht aller Beteiligten und dafür, dass sie, als Solistin, das akustische Podium erhielt, von dem aus sie strahlen konnte. Und wie sie strahlte, damit das Auditorium und auch ihre Mitmusiker in ihren Bann zog.
Tänzerisch durch die Partitur
Sie tanzte im ersten Satz förmlich von einem Bein zum anderen, getrieben durch die Energie, die von ihrem Bogenstrich ausging. Die triumphierenden Blechbläser signalisierten das Ende des Moderatos, dessen finale Chromatik eine späte Brücke zu Debussys Prélude schlug. Im Adagio religioso spielte die Bratsche auf einem delikaten Hauch von Nichts der Streicher und seine Zartheit gab dem zweiten Satz tatsächlich eine besondere Spiritualität. Im Allegro vivace bewegte sich dann der Dirigent zu Zimmermanns orientalisierender Bratsche und den rhythmischen Beschwörungen von Tuba und Pauke.
Ein Bartok wie von Mozart
Zimmermann spielte das Konzert mit einer liebevollen Sanglichkeit, als wäre es von Mozart, und zeigt den Melodiker Bartók, aber auch einige wunderbare Momente der Stille. Dabei kann Zimmermann durchaus auch mal energisch sein, ihren Part mit vollem Körpereinsatz durchziehen, das Ortchester mitnehmen auf die Reise. Das Publikum war hingerissen und überschüttete die Solistin mit einer nicht enden wollenden Applauskaskade, die natürlich die Mitmusiker mit einschloss.
Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. So lässt sich Tschaikowskys Stimmung beschreiben, als ihm sein Lehrer Anton Rubinstein den Auftrag gibt, seine erste Sinfonie zu schreibender 24-Jährige macht sich mit hellem Eifer an sein Opus 13, bricht aber bald zusammen. «Ich bin nutzlos, ich bin eine Null», sagt er sich in selbstzerstörerischer Weise. Trotz solcher schweren Zweifel vervollständigt er die Sinfonie. Sie heisst «Winterträume» und ist voller Stimmungsbilder. Dieser Romantisch-tragische, Herzzerreißende Geist, der durch diese Symphonie streicht ist umwerfend. Und dann dieser zweite Satz. Ein sanftes Thema der gedämpften Streicher umrahmt den Satz.
Schwelgen in Sehnsucht
Das eigentliche Hauptthema ist eine sehnsuchtsvolle Oboen Melodie, die ständig zwischen Dur und Moll schwankt. Mit dieser Melodie motivisch verwandt ist auch das dritte Thema des Satzes, welches in den Bratschen erklingt. Höhepunkt des Adagios ist die letzte Wiederkehr des B-Themas in den Hörnern, ehe die Wiederaufnahme des Streicherthemas den Satz ruhig ausklingen lässt. Von Ihm geht mit seinen sehnsüchtigen, wehmütigen Themen, eine ganz besondere, heilende Kraft aus. Schöner kann man wohl kaum einen „langsamen“ Satz komponieren, so über alles erhaben.
Wenn Winterträume zum Sommertraum mutieren
Dieser Satz könnte auch gut „Sommerträume“ heißen. Die zweiten Geigen klingen wie Grillen, hinter den Hauptthemen. Dirigent Tugan Sokhiev, vorher schon aufgefallen durch ausgeprägte, aber trotzdem dezente Gestik, viel Mimik und Augenkontakte, liess das Orchester zur Hochform auflaufen. Auch er ein Schüler von Ilja Musin, wie auch u.a. folgende zu Weltruhm gelangten Dirigenten: Yuri Temirkanov, Valery Gergiev, Odysseas Dimitriadis, Semyon Bychkov, Teodor Currentzis. So war denn auch sein Gebaren nicht unähnlich dem, von mir sehr verehrten Teodor Courrentzis. Dieses Ausstrahlen einer seltsamen Mystik im Dirigat erfasste auch seine Mitmusiker und dieses Gesamte, entführte uns in eine aussergewöhnliche Wunderwelt des Wohlklangs.
Spektakuläres Finale
Der letzte Satz beginnt mit einer düsteren Moll-Einleitung. Bald wird jedoch das Tempo beschleunigt, und es erklingt das fröhlich-markante G-Dur-Hauptthema im vollen Orchester. Als Seitenthema verwendet Tschaikowski die Melodie aus der Einleitung. Insgesamt zeigt dieser Satz bereits die Vorliebe des Komponisten für effektvoll dahinstürmende, bisweilen lärmende Finali. Solch Pompöses liebt ja auch das Publikum und feierte die Musiker denn auch entsprechend mit wahren Beifallsstürmen. Als Zugabe gewährte man noch etwas Prokofjew, sehr zur Freude des Auditoriums, das sich aber nicht zu einer stehenden Ovation entschliessen konnte.
Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch
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