Zum Hauptinhalt springen

Internationaler Kinderkrebstag: Neues Beratungsangebot des UKE | Fragen an… Priv.-Doz. Dr. Gabriele Escherich

Mehr als 2.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland erkranken jährlich an
Krebs. Wenn ein Kind oder ein Elternteil die Diagnose Krebs erhält, hat
dies Auswirkungen auf das gesamte Familienleben. Das Universitäre Cancer
Center Hamburg (UCCH) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE)
hat daher eine psychosoziale Beratungsstelle für an Krebs erkrankte
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sowie deren Familien
eingerichtet. Anlässlich des Internationalen Kinderkrebstags am 15.
Februar informiert Priv.-Doz. Dr. Gabriele Escherich, Oberärztin in der
Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie des UKE, über das neu
geschaffene Angebot.

Diagnose Krebs – was bedeutet das für betroffene Kinder, Familien und
Angehörige?

Priv.-Doz. Dr. Gabriele Escherich: Eine Krebserkrankung stellt für das
familiäre Leben einen radikalen Einschnitt dar. Erkrankt ein Elternteil
oder ein Kind an Krebs, ändert sich von einem auf den anderen Tag alles:
Krankenhausaufenthalte, Untersuchungen, Arzttermine bestimmen plötzlich
den familiären Alltag; Beruf beziehungsweise Schule müssen unterbrochen,
sozialrechtliche Belange geklärt werden. Erkrankte Eltern möchten
womöglich ihre Kinder vor dieser belastenden Situation schützen, Kinder
spüren jedoch häufig eine veränderte Stimmung. Die Familien befinden sich
in einer Ausnahmesituation, die mit enormen psychosozialen
Herausforderungen einhergeht.

Wieso wurde die Beratungsstelle eingerichtet?

Sowohl während der Therapie als auch danach und unabhängig davon, wie weit
die Erkrankung zurückliegt, sind Kinder, Jugendliche und Familien von
körperlichen, sozialen oder psychischen Folgen betroffen. Die
psychosoziale Nachsorge ist daher ein wesentlicher Bestandteil einer
ganzheitlichen Versorgung in der Behandlung von Krebs. Aus diesem Grund
wurde die Beratungsstelle für Familien mit einem an Krebs erkrankten
Familienmitglied in Hamburg eingerichtet. Betroffene können das ambulante
Angebot kostenlos und ohne Überweisung durch eine Ärztin oder einen Arzt
in Anspruch nehmen.

Welche Angebote gibt es in der Beratungsstelle?

Wir verstehen uns als Berater:innen und Begleiter:innen, unterstützen
Betroffene in der Krankheitsverarbeitung und -bewältigung, in der
familiären Kommunikation oder in Erziehungsfragen. Gleichermaßen
unterstützen wir auch bei sozialrechtlichen Anliegen, zum Beispiel bei
Antragsverfahren zur Rehabilitation, aber auch bei der Organisation der
Rückkehr in Schule, Ausbildung oder Studium. Wir übernehmen eine
Lotsenfunktion und vermitteln wohnortnahe, weiterführende Angebote und
sind bestens mit den vielfältigen Survivorship Projekten des UCCH
vernetzt. Die Beratungen können persönlich vor Ort, aber auch telefonisch,
per E-Mail oder Videoanruf erfolgen. In der Beratungsstelle sind
Psychoonkolog:innen sowie Sozialarbeiter:innen tätig.

An wen richtet sich das Angebot und wie können Betroffene profitieren?

Unsere Beratungsstelle steht prinzipiell Betroffenen sowie Personen aus
deren Umfeld zur Verfügung: erkrankte oder sich in der Nachsorge
befindliche Kinder und junge Erwachsene, Eltern, Geschwister, weitere
Familienangehörige, aber auch Lehrer:innen oder Pädagog:innen. Die
Krebsberatungsstelle soll eine Anlaufstelle bieten und präventiv
psychischen, körperlichen wie auch sozialen Folgen vorbeugen. Sie soll
Ratsuchende mit psychosozialen Belastungen unterstützen und konkrete
praktische Unterstützung bei sozialrechtlichen Themen bieten.


Die Räumlichkeiten der Beratungsstelle befinden sich außerhalb des UKE-
Campus im Falkenried 88, 20246 Hamburg (Haus C, 1. OG). Mehr Informationen
gibt es unter http://www.uke.de/familien-krebsberatung.

  • Aufrufe: 81

Initiative für neues Gesundheits­verständnis

Die «Luzerner Initiative für Funktionsfähigkeit, Gesundheit und
Wohlbefinden (LIFE)» zielt darauf ab, Gesundheit und Wohlbefinden bei
Krankheit, Verletzung und beim Altern zu verbessern. Dazu soll das von der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelte Konzept der
«Funktionsfähigkeit» als neues Verständnis für Gesundheit in der
Gesellschaft bekannt gemacht und als Gesundheitsindikator verankert
werden. Diese Woche findet an der Universität Luzern eine Konferenz dazu
statt.

Gesundheitssysteme weltweit stehen vor enormen Herausforderungen. Um diese
zu bewältigen ist es wichtig, sich grundsätzlich Gedanken zu den
Rahmenbedingungen für das Gesundheitssystem der Zukunft zu machen. So
stellt sich die Frage, wie unser Gesundheitssystem gestaltet werden soll,
um den Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung und von Menschen mit
chronischen Krankheiten bestmöglich gerecht zu werden.

Sowohl aus der Sicht des Individuums wie auch der Gesellschaft steht für
diese Menschen die Optimierung der Funktionsfähigkeit im Vordergrund. Die
Gesundheitsstrategien, welche dies ermöglichen, sind die
Gesundheitsförderung und die Rehabilitation.

Berücksichtigung der «gelebten Gesundheit»

Bei der Funktionsfähigkeit handelt es sich um ein von der
Weltgesundheits­organisation WHO entwickeltes Konzept, welches sowohl die
«biologische Gesundheit» der Menschen als auch ihre «gelebte Gesundheit»
umfasst. Die gelebte Gesundheit bezieht sich auf alle Aktivitäten des
Alltags wie «Selfmanagement» und Mobilität sowie die Teilnahme in allen
Lebensbereichen wie Familie, Arbeit, Freizeit und Sport. Die gelebte
Gesundheit steht in Wechselwirkung mit der biologischen Gesundheit sowie
dem sozialen und physischen Umfeld, welche diese positiv oder negativ
beeinflussen kann. Eine Person kann beispielsweise trotz
Mobilitäts­einschränkung in einer barrierefreien Umgebung an allen
Lebensbereichen teilnehmen.

Aktuell ist das von der WHO entwickelte Konzept der Funktionsfähigkeit in
der Öffentlichkeit und in den Gesundheitswissenschaften kaum bekannt. Auch
ist Funktionsfähigkeit als Messgrösse für Gesundheit in Ergänzung zur
Morbidität (Häufigkeit der Erkrankungen in einer Gesellschaftsgruppe)  und
Mortalität  (Häufigkeit der Todesfälle in einer Gesellschaftsgruppe)  im
Gesundheitssystem noch nicht verankert.

Neue Dimension im System der Gesundheitsinformationen

Ziel von LIFE ist es, das Konzept der Funktionsfähigkeit in der
Gesellschaft bekannt zu machen und von einem zwei- zu einem
dreidimensionalen Gesundheitsinformationssystem zu gelangen. Damit wird
die Grundlage zur Reorientierung des Gesundheitssystems, welches das
Potential von Gesundheitsförderung und Rehabilitation nutzen kann, gelegt.
Die Universität Luzern will dadurch einen entscheidenden Beitrag zur
Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit des Gesundheitssystems
der Zukunft leisten.

Wissenschaftliche Grundlagen

Die wissenschaftlichen Grundlagen zur Implementierung von
Funktionsfähigkeit als dritte Messgrösse in
Gesundheitsinformationssystemen wurden in den letzten Jahren in
Kooperation mit der WHO erarbeitet. Von entscheidender Bedeutung war ein
Projekt im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 74 «Smarter Health
Care», welches die standardisierte Erfassung von Funktionsfähigkeitsdaten
beispielsweise im Rahmen des nationalen Programmes zur
Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ) ermöglicht.

Einen wichtigen Beitrag dazu leistete das Forschungsteam um Prof. Dr.
Gerold Stucki zuerst an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und
seit 2009 an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften und Medizin der
Universität Luzern sowie der Schweizer Paraplegiker- Forschung in Nottwil.
Den notwendigen Paradigmawechsel im Gesundheitswesen beschreiben die
Verantwortlichen der Initiative, Prof. Dr. Gerold Stucki und Prof. Dr.
Sara Rubinelli, zusammen mit weiteren Autorinnen und Autoren in ihrer 2023
erschienenen Publikation «The Human Functioning Revolution».

Erstmalige Verwendung des Konzepts durch Paraplegiker-Forschung

Weltweit erstmalig wurde das WHO-Konzept der Funktionsfähigkeit als
Grundlage für Studien mit Patientengruppen durch die Paraplegiker-
Forschung Nottwil verwendet. Eine erste, nationale Studie wurde in
Zusammenarbeit mit der WHO auf 42 Länder ausgeweitet. Die Studienresultate
bilden die Grundlage für die kontinuierliche Verbesserung der
Gesundheitsversorgung und damit der Lebenssituation von Menschen mit einer
Querschnittlähmung in der Schweiz und weltweit.

LIFE-Forum

Der erste offizielle Anlass der Initiative bildet das LIFE-Forum
Rehabilitation, welches am 15. Februar an der Universität Luzern
stattfindet. Das Forum bringt Forschende, Praktiker und politische
Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger zusammen und behandelt
die Resolution der WHO zur «Stärkung von Rehabilitation in
Gesundheitssystemen» und was dies für die Schweiz bedeutet. Ebenfalls im
Februar 2024 findet ein internationaler Workshop in Kooperation mit der
US-amerikanischen «National Academy of Medicine» zum Thema «Altern,
Funktionsfähigkeit und Rehabilitation» an der Universität Luzern statt.

  • Aufrufe: 139

Tabuthema Harninkontinenz: Aktualisierte Leitlinie beschäftigt sich mit Langzeitdrainage und psychosomatischen Aspekten

Inkontinenz ist immer noch ein Tabuthema. Doch vor allem ältere Menschen
verlieren ungewollt Urin – etwa beim Husten – oder schaffen es nicht mehr
rechtzeitig auf die Toilette. Um eine bestmögliche Betreuung und
Behandlung für diese Patientengruppe nach neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnissen zu gewährleisten, wurde die aktuelle Leitlinie zum dritten
Mal umfassend aktualisiert und jetzt veröffentlicht. Die Federführung bei
der Erstellung der S2k-Leitlinie „Harninkontinenz bei geriatrischen
Patienten – Diagnostik und Therapie“ hat die Deutsche Gesellschaft für
Geriatrie (DGG) übernommen.

Leitlinien-Koordinator Professor Andreas Wiedemann, Leiter der
Arbeitsgruppe Inkontinenz bei der DGG, sagt: „Wir haben wichtige neue
Handlungsempfehlungen erarbeitet, die insbesondere bei hochaltrigen
Patientinnen und Patienten zu mehr Lebensqualität führen können.“

Insgesamt 14 Kapitel inklusive Literaturquellen umfasst das rund
150-seitige Dokument der Leitlinie. Das Themenspektrum reicht von
Diagnosemethoden und Assessmentinstrumenten über medikamentöse und
operative Therapie bis hin zu Toilettentraining und Hilfsmitteln.
„Komplett neu ist das Kapitel zur instrumentellen Harnblasen-
Langzeitdrainage. Denn gerade hier gibt es viele neue Daten über die
Lebensqualität von Katheter-Trägern. Bei geriatrischen Patienten ist es
häufig so, dass sie nicht mehr therapiert werden können oder keinen
Therapiewunsch haben, aber dank Katheter noch versorgt werden können“,
erklärt Leitlinien-Koordinator Wiedemann. Neu ist ebenfalls ein Kapitel,
das sich explizit mit psychosomatischen Aspekten von Harninkontinenz bei
älteren Menschen befasst.

Leitlinie adressiert noch mehr fachliche Anwendungsbereiche

Auch alle anderen Kapitel wurden in einem strukturierten Konsensprozess
mit allen Fachgesellschaften überarbeitet. „Die Reichweite der fachlichen
Anwendung dieser Leitlinie ist noch größer geworden. Sie ist nicht nur für
Geriater gedacht, sondern für alle, die geriatrische Patienten mit
Harninkontinenz in ihren Abteilungen und Praxen behandeln“, sagt
Wiedemann. Mit Blick auf die besondere Vulnerabilität geriatrischer
Patienten ergänzt er: „Manchmal kann es auch Sinn machen, eine abgeänderte
oder kürzere Version eines Behandlungsprogramms durchzuführen, um diesem
Umstand gerecht zu werden. Auch dafür gibt die vorliegende neue Leitlinie
konkrete Handlungsempfehlungen zur Orientierung.“
An der zweijährigen Gemeinschaftsarbeit zur Aktualisierung der Leitlinie
waren neben der DGG ebenso die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU),
die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), die
Deutsche Kontinenz Gesellschaft (DKG) sowie die Inkontinenz Selbsthilfe
und die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) beteiligt.

Weitere Informationen zur S2k-Leitlinie „Harninkontinenz bei geriatrischen
Patienten – Diagnostik und Therapie“ gibt es auf der AWMF-Website.

  • Aufrufe: 76

Blutkrebs: Bessere Versorgung nach innovativer Zelltherapie

Am Uniklinikum kommen neuartige Stammzell- und CAR-T-Zell-Therapien
erfolgreich zum Einsatz. Das Projekt SPIZ verbessert die Versorgung von
Betroffenen - auch im ländlichen Raum. Das sachsenweite Projekt wird mit
4,1 Millionen Euro aus dem Innovationsfond des Bundes gefördert. Nun wird
die erste Patientin nach einer Antikörpertherapie (CAR-T-Zellen) über das
Projekt betreut, das Versorgungslücken in Sachsen schließen soll – passend
zum Motto des diesjährigen Weltkrebstages, der am 4. Februar 2024 begangen
wird.

Aufgrund von innovativen Zelltherapien haben sich die Heilungschancen bei
Patientinnen und Patienten mit Blut- oder Lymphdrüsenkrebs in den
vergangenen Jahren deutlich verbessert. Das Universitätsklinikum Carl
Gustav Carus Dresden ist eines von drei hämato-onkologischen Zentren in
Sachsen, an denen Patientinnen und Patienten mit einer
Stammzelltransplantation oder einer CAR-T-Zell-Therapie behandelt werden
können. Nach diesen komplexen Therapien besteht für die Betroffenen ein
hohes Risiko für lebensgefährliche Komplikationen. Dort setzt unter
anderem das Projekt SPIZ (sektorenübergreifende Versorgung von
Patientinnen und Patienten mit hämatologischen Erkrankungen nach
innovativer Zelltherapie) an. „Patientinnen und Patienten, die in diese
Studie eingeschlossen werden, erhalten eine intensive Nachsorge,
unabhängig ihres Wohnortes“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer
Vorstand am Uniklinikum. „Ziel ist es, schwere Komplikationen rechtzeitig
zu erkennen, aber lange Fahrten ins Krankenhaus zu vermeiden.“

Im Rahmen des neuen Nachsorgeprogramms SPIZ werden insgesamt 302
Patientinnen und Patienten aus den drei sächsischen hämato-onkologischen
Zentren an den Uniklinika in Dresden und Leipzig sowie am Klinikum
Chemnitz in die Studie eingeschlossen, nachdem sie eine der neuartigen
Zelltherapien erhalten haben. Das Einzugsgebiet beträgt bis zu 200
Kilometer, was regelmäßige ambulante Vorstellungen in der Nachsorge
erschwert. „In Studien sind die Ergebnisse der innovativen Zelltherapien
besser als in der Routineversorgung, was nicht zuletzt an einer effektiven
Nachsorge liegen dürfte. Unser Anspruch ist es, dieses Potential der
Therapien in die Versorgungsrealität vor allem im ländlichen Raum zu
übertragen“, erklärt Prof. Martin Bornhäuser, Direktor der Medizinischen
Klinik I des Universitätsklinikums Dresden und Mitglied im
geschäftsführenden Direktorium des Nationalen Centrums für
Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC).

SPIZ hat zum Ziel, die Patientinnen und Patienten engmaschig und digital
unterstützt unter anderem mittels App und Videosprechstunde zu betreuen,
um Komplikationen nach der Zelltherapie rechtzeitig zu erkennen und die
Lebensqualität der beteiligten Patientinnen und Patienten zu erhöhen.
Zugleich sollen ihnen übermäßig viele lange Fahrten für die regelmäßige
Nachsorge in die Zentren erspart werden, indem abwechselnd zu den
Ambulanzvorstellungen am Zentrum Hausbesuche durch onkologische
Fachpflegekräfte durchgeführt werden. Am Universitätsklinikum Dresden
werden in diesem Jahr etwa 80 bis 100 Blutkrebspatientinnen und -patienten
über das Programm SPIZ betreut. Weitere Patientinnen und Patienten werden
an den ebenfalls beteiligten Zentren Universitätsklinikum Leipzig und
Klinikum Chemnitz behandelt. Um die Wirksamkeit zu prüfen, ist SPIZ als
randomisiert kontrollierte Studie konzipiert, wobei der innovative
Versorgungspfad mit der aktuellen Regelversorgung verglichen wird.
Zusammen mit dem Konsortialpartner AOK PLUS wird zudem eine
gesundheitsökonomische Analyse durchgeführt, um nach einer positiven
Evaluation die Übertragung in die Regelversorgung zu ermöglichen.

Mittels App werden Symptome dokumentiert

Das Programm SPIZ sieht in der intensivierten Nachsorge in Ergänzung zu
ambulanten Vorstellungen Video-Sprechstunden vor, um eine schnelle
Abklärung von Symptomen zu ermöglichen und lange Anfahrtswege zu
reduzieren. Zudem kommt eine „Onko-Nurse“ in regelmäßigen Abständen zu
Hausbesuchen, kann den Zustand der Betroffenen vor Ort beurteilen, Blut
abnehmen, Angehörige beraten und den Unterstützungsbedarf im häuslichen
Umfeld einschätzen. In einer speziellen App dokumentieren die Patientinnen
und Patienten kontinuierlich Symptome und weitere wichtige Parameter. Die
Daten werden an fünf Tagen pro Woche von onkologischen Fachpflegekräften
ausgelesen und bei Auffälligkeiten dem ärztlichen Personal vorgelegt.
Regelmäßige Online-Fallkonferenzen ermöglichen die enge Zusammenarbeit
aller in die Patientenversorgung eingebundenen Akteure, etwa aus den
Bereichen Sozialarbeit, Psychoonkologie, der niedergelassenen Ärzteschaft
und den onkologischen Zentren. Bei Fragen und Problemen können sich die
Patientinnen und Patienten jederzeit an speziell geschulte Case-
Managerinnen und -Manager wenden, die zudem alle Termine sowie die
Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren koordinieren.

„Wir erwarten, dass aufgrund der verbesserten Nachsorge weniger
notfallmäßige Krankenhauseinweisungen erfolgen, die mit erheblichen Kosten
verbunden sind. Zum anderen können durch Video-Sprechstunden lange und
damit teure Anfahrten reduziert werden, die in der Regel per Taxi
erfolgen, da die Betroffenen aufgrund von Medikation und Abwehrschwäche
zumeist weder öffentliche Verkehrsmittel noch das eigene Auto nutzen
können“, erklärt Dr. Jan Moritz Middeke von der Medizinischen Klinik I des
Uniklinikums Dresden und Forschungsgruppenleiter am Else-Kröner-Fresenius-
Zentrum für Digitale Gesundheit (EKFZ).

Die AOK Plus begleitet das Projekt aktiv und stellt Abrechnungsdaten zur
Verfügung. Alle Auswirkungen des Projektes auf den Gesundheitszustand und
die Lebensqualität der teilnehmenden Patientinnen und Patienten sowie die
entstehenden Kosten werden kontinuierlich durch das Zentrum für
Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) erfasst und evaluiert. Bei
positiver Evaluation soll die im Projekt vorgeschlagene Versorgungsform
dauerhaft in die Regelversorgung der Krankenversicherungen überführt
werden. Das Konsortialprojekt wird aus dem Innovationsfonds des
Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit 4,1 Millionen Euro gefördert. „Die
Förderung unterstreicht die Expertise am Standort Dresden im Bereich der
onkologischen Forschung und Versorgung von Patientinnen und Patienten mit
innovativen Krebstherapien“, sagt der Medizinische Vorstand Prof. Michael
Albrecht.

Erste Patientin am Uniklinikum wird über SPIZ versorgt

Als eine der ersten Patientinnen wird Elke Hartwig am Uniklinikum Dresden
in das Programm aufgenommen. 2019 bekam die heute 60-Jährige die Diagnose
Multiples Myelom, eine bösartige Knochenerkrankung, die zu den
Blutkrebsarten zählt. Elke Hartwig ließ damals bei ihrem Arzt heftige
Rippen- und Rückenschmerzen abklären, eine Untersuchung im MRT zeigte
schließlich den Tumorbefall ihres Skeletts. Daraufhin wurde sie ans
Uniklinikum überwiesen. „Das war ein großer Glücksgriff für mich“, sagt
Elke Hartwig heute. Zunächst erfolgte eine Behandlung mittels
Stammzelltransplantation, doch der Krebs kam zurück. Inzwischen zeigten
andere, innovative Zelltherapien gute Erfolge. „In diesem Bereich hat sich
in den vergangenen ein, zwei Jahren unheimlich viel getan“, sagt Dr.
Katharina Egger-Heidrich, Fachärztin für Innere Medizin. Zwar sei ein
Multiples Myelom anders als etwa akute Leukämie nicht heilbar. „Wir haben
mit den neuartigen Zelltherapien aber gute Remissionen erreicht.“ Das
heißt, die Krankheitserscheinungen können hinausgezögert werden.

Seit Anfang Januar wird Elke Hartwig mit einer CAR-T-Zell-Therapie
behandelt, die sehr gut anschlägt. Dabei handelt es sich um eine
Krebsimmuntherapie, bei der T-Zellen aus dem Blut gesammelt und
gentechnisch so verändert werden, dass sie Krebszellen im Körper selbst
bekämpfen. „Das macht mir zumindest die Hoffnung, dass ich die Zeit mit
meinen Enkelkindern noch etwas genießen kann“, sagt die Patientin, die in
Arnsdorf im Dresdner Umland wohnt. Dass sie nun über das Projekt SPIZ
täglich Feedback über ihren Gesundheitszustand an das Uniklinikum meldet,
gibt Elke Hartwig Sicherheit. „Es ist ein gutes Gefühl, über die App in
Verbindung mit dem medizinischen Personal zu stehen.“ Dort gibt sie etwa
an, wie hoch der Blutdruck und die Körpertemperatur ist und ob sie Fieber
oder sonstige Beschwerden hat. „Sollten Auffälligkeiten auftreten, meldet
sich eine Ärztin oder ein Arzt und bespricht das weitere Vorgehen“, sagt
Dr. Katharina Egger-Heidrich.

Neben dem Uniklinikum Dresden sind mit Saxocell, NIO/BNHO (Verbände
niedergelassener Onkologinnen und Onkologen), dem Nationalen Centrum für
Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) und dem Zentrum für Evidenzbasierte
Gesundheitsversorgung (ZEGV) der Hochschulmedizin Dresden weitere,
miteinander vernetzte Partner an dem Projekt beteiligt. Das
Zukunftscluster Saxocell fokussiert sich insbesondere auf die aktuellen
Entwicklungen im Bereich der Genmodifikation, insbesondere von
Immunzellen. Diese modifizierten oder editierten Zellen können, wenn sie
beispielsweise mit spezifischen tumorerkennenden Rezeptoren ausgestattet
werden, Tumor- und andere krankheitsverursachende Zellen vernichten.
Solche chimären Antigenrezeptoren, oder einfach CARs, sind in der Vision
von SaxoCell der Schlüssel zur Herstellung "lebender Arzneimittel". CARs
können das Immunsystem auf fast jedes beliebige Ziel umleiten. Nach
gentechnischer Modifikation, entweder der eigenen Zellen von Patientinnen
und Patienten oder von Zellen, die für alle Patientinnen und Patienten
verwendet werden können (sogenannte allogene Ansätze), kann es theoretisch
möglich werden, viele ernsthafte Erkrankungen erstmals wirklich ursächlich
zu heilen.

  • Aufrufe: 104