Die Sorge wegen vermeintlicher Nebenwirkungen hält viele Menschen noch
immer von der Impfung gegen SARS-CoV-2 ab. Auch im Hinblick auf eine
mögliche impfassoziierte Herpes-Zoster-Erkrankung (Gürtelrose) ist dies
aber nicht gerechtfertigt, wie gerade eine große Auswertung von über 2
Mio. Geimpften zeigte. Die Ergebnisse machen eine klare Aussage, dass die
COVID-Impfung nicht mit einer erhöhten Rate von Herpes Zoster assoziiert
ist. Eine ergänzende Kohortenanalyse zeigte darüber hinaus auch kein
erhöhtes Impfrisiko für Herpes Zoster verglichen mit der Influenza-Impfung
aus der Zeit vor der Pandemie.
Wiederholt gab es in der Literatur Berichte über Herpes Zoster
(Gürtelrose) in der Folge von COVID-19-Impfungen, so dass in Fachkreisen
wie unter Laien über einen ursächlichen Zusammenhang diskutiert wurde.
Herpes Zoster kann prinzipiell jeder bekommen, der zuvor schon einmal
Windpocken hatte. Das Windpocken-Virus (Varicella-Zoster-Virus/VZV)
persistiert lebenslang latent im Körper und kann durch verschiedene
Auslöser reaktiviert werden, wobei es dann aber nicht erneut zu
Windpocken, sondern zur Gürtelrose kommt. Eine VZV-Reaktivierung kann z.
B. bei (vorübergehender) Abwehrschwäche oder bei älteren Menschen aufgrund
der absinkenden VZV-Antikörperspiegel entstehen.
Erste Analysen von Impfnebenwirkungen zeigten zwar einen Anstieg der
Berichte über COVID-19-Impfung-assoziierte Herpes-Zoster-Infektionen; es
war dabei jedoch nicht klar, ob diese Fälle auf eine vermehrte
Berichterstattung zurückzuführen waren oder auf einen echten Anstieg der
Inzidenz. Eine am 16. November erschienene große retrospektive
Kohortenstudie der University of California, San Francisco, ging daher
speziell dieser Frage nach [1]. Analysiert wurden Gesundheitsdaten der US-
amerikanischen OLDW-Datenbank („Optum Labs Data Warehouse“) von 2.039.854
gegen SARS-CoV-2 geimpften Menschen (BioNTech/Pfizer, Moderna oder
Johnson-Johnson, in der Zeit 12/2020 – 6/2021). Das mittlere Alter der
Geimpften betrug 43,2±16,3 Jahre, 50,6% waren weiblich. Von der gesamten
Kohorte wurden 1.451 Personen mit einer Herpes-Zoster-Diagnose in die
primäre STRI-Analyse („self-controlled risk interval“) eingeschlossen,
dabei wurde die Häufigkeit von Herpes-Zoster-Diagnosen im
„Risikointervall“ (30 Tage nach der ersten oder zweiten Impfdosis)
ermittelt und mit späteren Intervallen verglichen („Kontrollintervall“
30-60 Tage nach der Impfung). Die Ergebnisse wurden außerdem verglichen
mit dem Herpes-Zoster-Risiko nach Influenza-Impfung aus zwei historischen
Kohorten vor der Pandemie (1/2018 – 12/2019) und in der frühen Pandemie-
Phase (3/2020 – 11/2020). Die Auswertung erfolgte adjustiert im Hinblick
auf Alter, vorbestehende immunologische Beeinträchtigungen und Art des
Impfstoffs.
Im Ergebnis war die COVID-Impfung nicht mit einem erhöhten Risiko für eine
VZV-Reaktivierung assoziiert (Inzidenzratenverhältnis IRR 0,91; p=0,08).
Die Inzidenz war auch nicht höher als in der supplementären
Kohortenanalyse nach Influenza-Impfung in der Zeit vor der Pandemie (1.
COVID-Impfung HR 0,78; p<0,001; 2. COVID-Impfung HR 0,79; p<0,001) oder in
der frühen Pandemiephase (1. COVID-Impfung HR 0,89; p=0,05; 2. COVID-
Impfung HR 0,91; p=0,09). „Demnach war eine Gürtelrose nach Corona-Impfung
bei weitem nicht so häufig wie es anfangs in der Berichterstattung den
Anschein hatte“, schlussfolgert Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär
der DGN.
Auch andere vermeintliche Impfkomplikationen, über die es immer wieder
Fallberichte gab (z. B. Myokarditis oder Guillain-Barré-Syndrom), wurden
inzwischen in großen Studien evaluiert. So zeigte eine Analyse von über 5
Mio. vollständig geimpften Personen aus Israel [2], dass es bei 182.605
geimpften Adoleszenten zu 20 Myokarditiden kam, von denen nach CDC-
Kriterien („Center for Disease Control“) neun Fälle als wahrscheinlich bis
sicher eingestuft wurden. Die Inzidenz betrug somit 4,8/100.000 Geimpfte;
die Verläufe waren mild, die stationäre Behandlung lag bei median 2-4
Tagen und der Follow-up zeigte auch nach sechs Monaten eine gute Prognose.
Auch in Bezug auf das Guillain-Barré-Syndrom gibt es Entwarnung: Eine
epidemiologische Studie aus Mexiko (12/2020 – 10/2021) ergab bei
81.842.426 Impfdosen (mit sieben SARS-CoV-2-Impfstoffen) eine GBS-Inzidenz
von 1,19/1.000.000. Die GBS-Inzidenz war somit niedriger als vor der
Pandemie (2019) mit 7,1/1.000.000 Personenjahren.
„Nach derzeitiger Studienlage ist die Impfung als relativ sicher
einzustufen, Komplikationen waren bei systematischer Untersuchung bzw. in
der Langzeitbeobachtung sehr selten“, erklärt Prof. Berlit. „Menschen, die
wegen extrem seltener möglicher Nebenwirkungen Angst vor der COVID-Impfung
haben, müssen sich bewusst machen, dass alle diese Komplikationen viel
häufiger bei der SARS-CoV-2-Infektionen auftreten. Dies wurde inzwischen
auch für viele andere potenzielle, auch neurologische Nebenwirkungen
gezeigt.“ Die DGN empfiehlt daher, die Impfangebote entsprechend den
Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts anzunehmen.
[1] Akpandak I, Miller DC, Sun Y et al. Assessment of Herpes Zoster Risk
Among Recipients of COVID-19 Vaccine. JAMA Network Open 2022; 5 (11):
e2242240. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.42240
[2] Witberg G, Magen O, Hoss S et al. Myocarditis after BNT162b2
Vaccination in Israeli Adolescents. N Engl J Med 2022 Nov 10; 387 (19):
1816-1817 doi: 10.1056/NEJMc2207270. Epub 2022 Oct 19.
[3] García-Grimshaw M, Galnares-Olalde JA, Bello-Chavolla OY et al.
Incidence of Guillain-Barré syndrome following SARS-CoV-2 immunization:
Analysis of a nationwide registry of recipients of 81 million doses of
seven vaccines. Eur J Neurol 2022 Nov; 29 (11): 3368-3379 doi:
10.1111/ene.15504. Epub 2022 Aug 2.
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