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Silvesterkonzert 2022 Zürcher Kammerorchester mit Benjamin Appl im KKL Luzern, besucht von Léonard Wüst

Zürcher Kammerorchester Foto Harald Hoffmann
Zürcher Kammerorchester Foto Harald Hoffmann

Besetzung und Programm:
Zürcher Kammerorchester
Willi Zimmermann (Violine und Leitung)
Benjamin Appl (Bariton)
Johann Sebastian Bach Brandenburgisches Konzert Nr. 2 F-Dur BWV 1047
Johann Sebastian Bach Kantate BWV 100 «Was Gott tut, das ist wohlgetan»
Johann Sebastian Bach «Jesus bleibet meine Freude» Choral bearb. für Streicher BWV 147
Johann Sebastian Bach «Bist du bei mir» BWV 508
Johann Sebastian Bach Kantate BWV 170 «Vergnügte Ruh, beliebte Seelenlust»
Johann Sebastian Bach Kantate BWV 194 «Hocherwünschtes Freudenfest»
Carl Philipp Emanuel Bach Sinfonie Nr. 4 Es-Dur Wq 179 H. 654
Wolfgang Amadeus Mozart I. Allegro, aus: Ein Musikalischer Spass F- Dur KV 522
Wolfgang Amadeus Mozart «Der Vogelfänger bin ich ja» (Papageno Akt I), aus: Die Zauberflöte KV 620
Wolfgang Amadeus Mozart II. Menuetto, aus: Ein Musikalischer Spass F- Dur KV 522
Wolfgang Amadeus Mozart «Papagena!», aus: Die Zauberflöte KV 620
Wolfgang Amadeus Mozart III. Adagio, aus: Ein Musikalischer Spass F- Dur KV 522
Wolfgang Amadeus Mozart «Madamina, il catalogo è questo », aus: Don Giovanni KV 527
Wolfgang Amadeus Mozart IV. Presto, aus: Ein Musikalischer Spass F- Dur KV 522
Wolfgang Amadeus Mozart Aria «Fin ch‘ han dal vino» Nr. 11, aus: Don Giovanni KV 527

Ein Programm mit eher „ernsten“ Musik, mit Werken von Johann Sebastian und seines Sohnes Carl Philipp Emanuel Bach, war im ersten Teil des Konzertes programmiert, der zweite war dann ganz Werken Wolfgang Amadeus Mozarts gewidmet.

Willkommen geheissen im Konzertsaal des KKL-Luzerns wurden die Besucher von Helene Eller, Geschäftsführung Kaufmännische Leitung des ZKO, bei einmal mehr fast frühlinghaften meteorologischen Bedingungen in der Innerschweizer Metropole, die man doch sonst in den andern Landesgegenden der Schweiz öfters eher spöttisch als Schüttstein der Nation bezeichnet.

Zum Gesangs Solisten Benjamin Appl und dem Konzert an sich

Willi Zimmermann Leitung und Violine Foto Harald Hoffmann
Willi Zimmermann Leitung und Violine Foto Harald Hoffmann

Benjamin Appl, gilt als einer der wichtigsten Botschafter für die Kunstform des Liedes und wird von Publikum und Kritikern in Liederabenden, Konzerten und Opern gefeiert. Für den ehemaligen Regensburger Domspatzen ist die Musik von Johann Sebastian Bach eine Herzensangelegenheit. Für seine erste Zusammenarbeit mit dem Zürcher Traditionsorchester hat er einzelne Arien aus Bachs Kantaten ausgewählt.
Das Zürcher Kammerorchester präsentierte zudem mit dem 2. Brandenburgischen Konzert einen beliebten Klassiker aus seinem angestammten Konzertrepertoire. Im zweiten Teil des Programmes, durfte sich das Publikum über kraftvolle, schwungvolle und dynamische Klänge von Wolfgang Amadeus Mozart freuen. Beliebte Auszüge aus der „Zauberflöte”  und «Don Giovanni» standen ebenso auf dem Programm wie das Sextett „Ein Musikalischer Spass” in dem Mozart seinerzeit zahlreiche harmonische Scherze versteckt hatte.

Anekdote zu Johann Sebastian Bach

Als John Lennon, auf dem Höhepunkt der „Beatlemania“, an einem Sonntag nach dem Besuch einer Bachmesse eine Londoner Kirche verlässt, wird er natürlich gleich von einer Schar Reportern umlagert und einer fragt ihn, was er denn da gemacht hätte, worauf ihm Lennon antwortete: Ideen geklaut! Kaum etwas versinnbildlicht mehr, wie fast alle Musiker der letzten 300 Jahre Johann Sebastian Bach als den Übervater der modernen Musik bewundern und verehren. Umso gewichtiger, dass diese Aussage, von einem der grössten und erfolgreichsten Musiker der Neuzeit stammt.

Zum Konzert erster Teil

Benjamin Appl Foto Uwe Arens Sony Classical
Benjamin Appl Foto Uwe Arens Sony Classical

Im zweiten der sechs Brandenburgischen Konzerte entzündet sich Bachs Fantasie an den Farben von Blockflöte, Oboe, Geige und Trompete. Komponiert hatte er diese Musik vermutlich schon in seiner Zeit am Hof in Weimar. Hier erhielten die vier Solisten ( Violine, Oboe, Flöte und Trompete) ausreichend Gelegenheit, mit ihren Instrumenten zu brillieren. Das Auditorium belohnte diesen Ohrenschmaus mit langanhaltendem, stürmischem Applaus und klatschte die Solisten so noch einige Male auf die Bühne zurück. Erstaunlich, wie frisch und aktuell die Werke Bachs auch nach 300 Jahren noch sind. Um auf meine Einleitung zurück zu kommen: Ich glaube nicht, dass «Imagine» oder eine andere Komposition von John Lennon im Jahre 2323 noch oft auf den Konzertbühnen dieser Welt gespielt werden, im Gegensatz zu den zeitlosen musikalischen Geniestreichen des Johann Sebastian Bach.

Es folgte der erste Auftritt des jungen Baritons, der mit seinem klaren Ausdruck ebenso wie mit seinem samtenen Timbre zu überzeugen wusste.

Das Orchester und der 1982 geborene Sänger harmonierten, unter der Leitung von Willi Zimmermann, ausgezeichnet und wussten das Publikum zu überzeugen, das denn auch nicht geizte mit dementsprechendem Applaus,

Abschliessend gabs noch Carl Philipp Emanuel Bachs
– Sinfonie Nr. 4 Es-Dur, deren Interpretation durch das Orchester verdeutlichte, wieso seinerzeit dieser Bach Sohn, somit auch seine Werke, sogar populärer war als sein, aus heutiger Sicht, Übervater Johann Sebastian.

Zweiter Konzertteil

Benjamin Appl Bariton Foto Uwe Arens
Benjamin Appl Bariton Foto Uwe Arens

Hier sorgten Werke von Wolfgang Amadeus Mozart für beschwingte Heiterkeit. Neben einigen der beliebtesten Arien aus Mozarts «Zauberflöte» und «Don Giovanni» genoss das Publikum ein humoriges
musikalisches Vergnügen. In seinem kammermusikalischen Werk «Ein Musikalischer Spass» hat Mozart scherzhaft einige schräge Töne und Unstimmigkeiten eingebaut. Sie sind als Seitenhiebe gegen
dilettantische Komponisten-Kollegen zu verstehen.

Die Zürcher stimulierten das Auditorium bestens für den bevorstehenden Jahreswechsel.

Willi-Zimmermann Violine und Leitung
Willi-Zimmermann Violine und Leitung

Und im Sinne der letzten Arie «Fin ch‘ han dal vino» liess sich anschliessend klangvergnügt und frohgestimmt auf den Jahreswechsel anstossen, aber erst, nachdem die Protagonistinnen die vom begeisterten  Auditorium erklatschte Zugabe gewährt hatten.

Einmal mehr wussten die Zürcher die musikalisch sehr verwöhnten Innerschweizer zu begeistern und auf den bevorstehenden Jahreswechsel einzustimmen.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Rolf Winz und   www.zko.ch

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Benjamin Appl intoniert Arien aus Mozarts Don Giovanni

Benjamin Appl und seine Mitusikerinnen geniessen den Schlussapplaus Foto Rolf Winz

Benjamin Appl und seine Mitusikerinnen geniessen den Schlussapplaus Foto Rolf Winz

Die Musikerinnen freuen sich über die Standing Ovation Foto Rolf Winz

Die Protagonistinnen bedanken sich für die stehende Ovation

 

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BALTIC SEA PHILHARMONIC, Casino Bern, 14.12.2022, besucht von Léonard Wüst

BALTIC SEA PHILHARMONIC Foto Bernd Possardt
BALTIC SEA PHILHARMONIC Foto Bernd Possardt

Besetzung und Programm:

Baltic Sea Philharmonic
Kristjan Järvi  Leitung
Olga Scheps  Klavier

PETER TSCHAIKOWSKI
Suite aus dem Ballett «Der Nussknacker» op. 71 (ca. 30′)

EDVARD GRIEG
Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 16 (ca. 30′)
Allegro molto moderato
Adagio
Allegro moderato molto e marcato

ARVO PÄRT
«Swansong» für Orchester (ca. 6′)

JEAN SIBELIUS
«Lobgesang» aus der Bühnenmusik zu «Schwanenweiss» op. 54 (ca. 5′)
Largo

EDWARD ELGAR
«Nimrod» aus «Enigma-Variationen» op. 36 (ca. 5′)
Adagio

Wenn das Publikum die Musiker*innen stehend feiert und der Chef derselben wie ein Kobold auf der Bühne rumhüpft ist das nicht unbedingt ein Konzert der «Rolling Stomes» im Hallenstadion und der hüpfende Derwisch nicht zwangsläufig Mick Jagger.
Kaum vorstellbar, aber es ist tatsächlich der fulminante Abschluss eines Konzertes der Migros Kulturprozent Classics Reihe im Casino Bern.

Kristjan Järvi dirigiert das Baltic Sea Philharmonic Foto Peter Adamik
Kristjan Järvi dirigiert das Baltic Sea Philharmonic Foto Peter Adamik

Es ist diese neue Generation von Dirigenten, dazu zähle ich, nebst Kristijan Järvi, z-B. auch Teodor Currentzis, Tugan Sokhiev, die Ukrainerin Oksana Lyniv und auch den Schweizer Titus Engel, die durchaus die Aura von gefeierten Popstars verströmen und mit ihrem Charisma, nicht nur das Publikum, sondern zuerst und vor allem, ihre Mitmusiker motivieren und begeistern und so auf die Reise in diese neuen Welten der Klassik Interpretationen mitnehmen.

«Nutcracker Reimagined» ein Konzert der anderen Art: ein Gesamtkunstwerk aus Musik und Licht, gespielt vom jungen Baltic Sea Philharmonic (Durchschnittsalterder Musiker*innen 23 Jahre) – stehend,auswendig und mit vollem Körpereinsatz.

«Nutcracker Reimagined» nimmt mit auf eine musikalische Reise. Den Auftakt macht das Stück «Ascending Swans», komponiert von Dirigent Kristijan Järvi selbst, basierend auf der Bühnenmusik von Jean Sibelius zu «Schwanenweiss».

Kristjan Järvi knackt die Nuss der verkrusteten Strukturen

Dirigent Kristjan Jaervi Foto Sunbeam Productions Siiri-Kumari
Dirigent Kristjan Jaervi Foto Sunbeam Productions Siiri-Kumari

Anschliessend begibt man sich in die Welt des «Nussknackers», mit einer neu arrangierten, dramatischen Sinfonie nach der Ballettmusik von Tschaikowski. Dann betritt die phänomenale Pianistin Olga Scheps die Bühne – mit Edward Griegs Klavierkonzert a-Moll.
Nahtloser Uebergang von Tschaikowski zu Grieg

Olga Scheps Foto Uwe-Arens
Olga Scheps Foto Uwe-Arens

Vom Nusskacker steigt Kristjan Järvi nahtlos frisch und forsch in das sehr viel gehörte Klavierkonzert des norwegischen Nationalheiligen Edvard Grieg ein, das die Streicher mit dunklen Untertönen, die Holzbläser mit fein abschattierten Pastelltönen, das Blech edel gerundet angehen. Olga Scheps am Flügel wirkt darin erfrischend aufgeräumt und gutgelaunt. Sie setzt auf vollgriffige romantische Attacke, ihr Fortissimo ist dabei freilich nie plärrend laut, sondern wohl gerundet, sie trifft für Grieg die ideale Mitte aus packendem und poetischem Zugriff. Ja, dieser Grieg klingt wie ein nordischer Brahms, mal so gar nicht verniedlicht. Ein feuriger cooler Nordländer, ja das gibt’s, wie Scheeps, eine Pianistin von meisterhafter Eleganz, Kraft und Einsicht eindrücklich demonstrierte, sehr zur Freude des sachkundigen Auditoriums. Die Pianistin reißt das Publikum mit entschiedenem Anschlag und einer angenehmen Dosis an Präzision und Klarheit mit sich. Im Adagio rollt dann zwar auch das Orchester einen wunderbar samtenen Klangteppich aus, gesamt gesehen bleibt es aber meist wohltuend zurückhaltend und überlässt der Solistin die Oberherrschaft.
Der Dirigent lässt der Russin nicht nur viel Freiheiten, er bestärkt sie gar darin mit Gesten und Blicken.
Diese weiss diesen Auslauf weidlich zu nutzen, präzis ihre Staccato, feinfühlig die perlenden Läufe liebevoll, streichelt sie das Elfenbein unter ihren Fingern, ohne deshalb verweichlicht zu tönen, denn die gebürtige Moskovitin kann auch sehr energisch, wo vom Komponisten angedacht. Sie führt das Orchester durch die anspruchsvolle Partitur, ohne voranzutreiben, immer in Symbiose mit dem jugendlichen nordischen Orchester, das von Kristjan Järvi äusserst zurückhaltend, mehr begleitet, denn dirigiert wird, so sparsam in der Gestik erlebt man den gebürtigen Esten, Mitbegründer des aus Musiker*innen der Ostseeanrainerstaaten bestehenden Klangkörpers selten, dafür bewegt er sich durch die lose aufgereihten Musiker*innen, motiviert hier mit einem Fingerzeig, dort mit einem intensiven Augenkontakt.

Den Abschluss des Programms machen Arvo Pärts «Swansong» für Orchester und Edward Elgars «Nimrod» aus «Enigma-Variationen».
Die ganzen Abläufe haben auch etwas mystisches mit einem Kristjan Järvi als eine Art Guru dazwischen, der mit einer verschworenen Truppe Musk zelebriert und auch optisch aufbereitet.

Vertreter einer estnischen Musikerdynastie

Kristjan Järvi
Kristjan Järvi

Der jüngere Bruder des Tonhalle-Chefs Paavo Järvi experimentiert gern mit neuen Konzertformen. Sein «Nutcracker Reimagined»-Projekt rüttelt auf unterhaltsame, auch anregende Weise an den Strukturen des klassischen Musikbetriebs.
Kann man Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Musikern hören? Die Frage liegt bei keinem Brüderpaar so nahe wie bei Paavo und Kristijan Järvi. Denn sowohl der Musikdirektor des Tonhalle-Orchesters als auch sein zehn Jahre jüngerer Bruder sind international erfolgreiche Dirigenten. Zudem wurden beide schon in frühester Jugend durch die Persönlichkeit und den Erfahrungsschatz ihres Vaters Neeme geprägt, der als Patriarch dieser Dirigentenfamilie den Namen Järvi mit über 400 CD-Einspielungen zu einer Marke gemacht hat.
Und tatsächlich: Es gibt zwischen den Järvi-Söhnen bemerkenswerte Ähnlichkeiten in der Körpersprache. Beide pflegen einen ausgesprochen pragmatischen, im Kern fast nüchternen Dirigierstil, der auf die optimale Umsetzung des Notentextes fokussiert ist. Auf dieser handwerklichen Ebene braucht es keine grossen Gesten; für interpretatorische Akzente sorgen beide hingegen durch die intensive Interaktion mit jedem einzelnen Musiker, vor allem über den Blickkontakt. Trotzdem ist Kristijan Järvi nicht einfach der jüngere Doppelgänger von Zürichs Paavo.

Ein Kollektiv-Kunstwerk

Als Benjamin der Musikerdynstie Järvi nimmt sich Kristijan Järvi das Recht, aus der Reihe zu tanzen. Mit seinem Baltic Sea Philharmonic, einem Ensemble, das er 2008 zunächst als Jugendorchester am Usedomer Musikfestival gegründet hat, mischt er gezielt den Musikbetrieb auf. Järvi zielt dabei auf die seit dem 19. Jahrhundert kaum veränderten Gepflogenheiten des klassischen Konzerts.

Nicht “normale” Stückabfolge

Warum muss man die Werke eines zuvor festgelegten Programms immer säuberlich voneinander getrennt und der Reihe nach abarbeiten? So fragt er sich beispielsweise. Warum müssen die Mitglieder eines Sinfonieorchesters immer starr nach einer wenig variablen Sitzordnung auf der Bühne Platz nehmen, traditionell ausgerichtet auf den Dirigenten? Und warum nicht auch einmal die Hierarchie zwischen dem Podium und der weitgehend passiven Hörerschaft im dunklen Saal durchbrechen? So animiert der Dirigent nicht nur seine Mitmusiker*innen, sondern auch das Auditorium mit Gesten und auffordernden Blicken.
Neue Formen um eine neue, jüngere Zielgruppe in die Konzertsäle zu holen
Solche Überlegungen stellen mittlerweile viele Interpreten an, um den Zugang zu klassischen Konzerten, gerade für Neulinge, zu erleichtern. Das Publikum «abholen» heisst das im Zeitgeist-Jargon – Krystian Järvi aber macht damit auf ebenso radikale wie unterhaltsame Weise Ernst. Bei seinem auf der Tournee präsentierten Projekt «Nutcracker Reimagined» wird die Werkfolge aufgelöst, die einzelnen Stücke gehen gleichsam assoziativ ineinander über. In dem rund neunzigminütigen Klangstrom bildet Järvis eigene Adaption der «Nussknacker»-Musik von Peter Tschaikowsky einen roten Faden; andere Werke, darunter die drei separierten Sätze von Edvard Griegs Klavierkonzert mit Olga Scheps, werden zwanglos eingeflochten.
Ueberraschende, sehr erfrischend anregende Inszenierung
Dazu bewegen sich die auswendig und im Stehen spielenden Musiker*innen kreuz und quer über die Bühne, auch Järvi selbst schaut ab und an in den hinteren Reihen nach dem Rechten. Stimmungswechsel und einzelne Solisten werden obendrein durch eine farbenfrohe Lichtregie hervorgehoben. Das Ergebnis erinnert eher an eine Performance, an einen Flash-Mob oder auch an ein Filmkonzert, bei dem die Darbietung selbst der beste Film ist. Die Suggestivität dieses Musik-Happenings trifft jedenfalls beim Publikum auf offene Ohren und wache Sinne – am Ende gibt es Ovationen für ein nahezu perfekt durchchoreografiertes überraschendes Konzerterlebnis.

Neue Konzertformate

Aber ist dies nun das Konzert der Zukunft? Sicher nicht, dazu sind die praktischen Zwänge und auch die Beharrungskräfte des Musikbetriebs zu stark. Traditionalisten dürfte das beruhigen. Allerdings hat jüngst auch Paavo Järvi – nach seiner Anfang Dezember vollzogenen Vertragsverlängerung in Zürich – angekündigt, er wolle verstärkt mit neuen Konzertformaten experimentieren. Es liegt offenbar in der Familie.
Kristjan Järvi und sein Orchester werden ihr Ding durchziehen und uns noch etliche Male überraschen und zum Staunen brngen. Dass dies nicht überall auf ungeteilte Zustimmung stossen wird ist ebenso sicher wie die Gewissheit, dass dies den Dirigenten und seine Truppe nicht aufhalten wird, neue Wege zu beschreiten, die gewohnten Pfade zu verlassen.
Das Publikum jedenfalls honorierte diesen besonderen Konzertgenuss mit einer nicht enden wollenden begeisterten stehenden Ovation und etliche hüpften gar mit, wie es der Dirigent auf der Bühne vormachte.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Reto Bösch und  http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/  

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BALTIC SEA PHILHARMONIC Konzertfoto von Reto Bösch

BALTIC SEA PHILHARMONIC Konzertfoto von Reto Bösch

Baltic Sea Philharmonic Foto Peter Adamik

 

BALTIC SEA PHILHARMONIC Konzertfoto von Reto Bösch

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Krisjan Järvi dirigiert die Baltic Sea Philharmonic Foto Peter Adamik Symbolbild

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Die Vegetarier, analysiert von Herbert Huber

Die Gründe für eine vegetarische Ernährung, ohne Fisch und Fleisch, können vielfältig sein
Die Gründe für eine vegetarische Ernährung, ohne Fisch und Fleisch, können vielfältig sein

Der Vegetarismus hat, was sicher viele nicht wissen, eine lange Geschichte. Der erste große Vegetarier soll der griechische Gelehrte Pythagoras (um 570 bis 500 vor Christus) gewesen sein: “Alles, was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Menschen zurück.”

Ein sehr aktueller Gedanke. Er verabscheute nicht nur die religiösen Tieropfer, sondern war der Meinung, der Mensch sollte Tiere nicht essen, denn der Fleischgenuss mache aus ihm eine Kriegsmaschine – aggressiv und mordlüstern. Also, solange der Mensch Tiere tötet, wird er auch Menschen töten. Zitat ende.

Der Begriff Vegetarier

Eine vegetarische oder vegane Ernährung bietet aus gesundheitlicher Sicht viele Vorteile
Eine vegetarische oder vegane Ernährung bietet aus gesundheitlicher Sicht viele Vorteile

Die Einführung des Begriffes Vegetarier (der Begriff stammt von “vegetable”, englisch für “Gemüse (pflanzlich), fand seinen Ursprung in England im 19. Jahrhundert und bezeichnete die Menschen, die sich fleischlos ernährten, als „Pythagoräer“. In Deutschland kam es im gleichen Jahrhundert in der Harz zur Gründung der ersten deutschen “Vegetarischen Vereinigung”. Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte die Bewegung mit der Entwicklung der Homöopathie nochmals eine markante Steigerung.

Zitat von Leonardo da Vinci
Zitat von Leonardo da Vinci

Ihren Zenit erreichte die vegetarische Bewegung nach dem ersten BSE-Fall in Deutschland im Jahr 2000: Danach ernährten sich laut Schätzungen rund 15 Prozent der Deutschen vegetarisch. Und in der Schweiz? Gemäss Studie (November 2021) ernähren sich in der Schweiz rund 0,6 Prozent der Bevölkerung vegan und etwa 4,1 Prozent vegetarisch. Die Anzahl der Veganer hat sich im Jahr 2021 damit verdoppelt. Weitere 20,5 Prozent verzichten zumindest häufig auf Fleisch (so genannte “Flexitarier”).

Ist vegetarisch gesund?

Ist vegan gesund oder ungesund
Ist vegan gesund oder ungesund

Nach einer europaweit durchgeführten Studie gab es folgende Schlussfolgerungen: In allen wesentlichen Punkten wiesen die Vegetarier bessere Werte auf: Vor allem niedrigere Blutdruck-, Blutfett- und Harnsäurewerte und bessere Nierenfunktionsleistungen. Die Sterberate war um 20 %, und die Krebstodesrate sogar um 40 % niedriger als bei der „fleischessenden“ Kontrollgruppe. Zusammenfassend lässt sich aus weiteren Studien ableiten, dass Vegetarier keine Mangelerscheinungen haben und dass der allgemeine Gesundheitszustand überdurchschnittlich gut ist und die vegetarische Ernährung als gesund bezeichnet werden kann.

Helft mir, ich will Vegetarier werden! (Obwohl ich Fleisch liebe)
Helft mir, ich will Vegetarier werden! (Obwohl ich Fleisch liebe)

Am 4. Dezember 2000 hat mir die inzwischen leider verstorbene Luzerner Kochbuch Autorin Marianne Kaltenbach ihr Buch „Vegetarisch für Gourmets“ vermacht. Mit 265 Rezepten rund ums Jahr. Beim Nachkochen stelle ich fest, dass vor allem Indische und nordafrikanische Speisen viel Vegetarisches zu bieten haben. Und mit vegetarischer Kost eine durchwegs gesunde und ausgewogene Ernährung möglich ist.

Hier findest du die besten Veggie-Rezepte
Hier findest du die besten Veggie-Rezepte

Als besonders ausgezeichnetes Buch empfehle ich: Hiltl. Vegetarisch nach Lust und Laune. Autor: Rolf Hiltl18. ISBN 978-3-85932-984-3, CHF 59.  Weber Verlag Gwatt.Fazit: Je mehr man sich mit der vegetarischen Küche auseinandersetzt kommt man im wahrsten Sinne auf den „fleischlosen“ Geschmack. So auch für mich ab und zu….sonst bleibe ich beim Fleischigen!

Text www.herberthuber.ch

Fotos: www.pixelio.de

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Vegane Ernährung – Wie gesund ist vegan wirklich

Vegetarier sind schlanker und introvertierter als Fleischesser

Seit 2017 soll die Zahl der Vegetarier und Veganer in der Schweiz um volle 70 Prozent zugenommen haben

Tool berechnet und visualisiert Klimabilanz

Obst und Gemüse statt Fleisch – das wäre gut für uns und den Planeten

Psychisch Erkrankte werden häufiger Vegetarier

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Grand Théâtre de Genève “Mondes flottants” Ballett von Damien Jalet, Sidi Larbi Cherkaoui, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Mondes flottants Chorégraphies de Sidi Larbi Cherkaoui et Damien Jalet. Ballet du Grand Théâtre de Genève
Mondes flottants Chorégraphies de Sidi Larbi Cherkaoui et Damien Jalet. Ballet du Grand Théâtre de Genève

Inszenierung und Besetzung:

Skid
Chorégraphie Damien Jalet
Scénographie Jim Hodges et Carlos Marques da Cruz
Costumes Jean-Paul Lespagnard
Lumières Joakim Brick
Musique Christian Fennesz et Marihiko Hara

Ukiyo-e

Chorégraphie Sidi Larbi Cherkaoui
Scénographie Alexander Dodge
Lumières Dominique Drillot
Costumes Yuima Nakazato
Dramaturgie Igor Cardellini
Musique Szymon Brzóska et Alexandre Dai Castaing

Ballet du Grand Théâtre de Genève
Avec trio à cordes (sur scène)

Coproduction avec Maison de la Danse, Lyon, Biennale de la danse de Lyon 2023 et Fondazione Romaeuropa Arte e Cultura

In seinem ersten Programm als neuer Direktor des Genfer Balletts beschäftigt sich Sidi Larbi Cherkaoui mit den Themen der Resilienz und den Kräften der irdischen Anziehungskraft.

Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon
Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon

Für die Produktion «Mondes flottants» (Schwebende Welten) hat Cherkaoui den belgischen Choreografen Damien Jalet mit dem Stück «Skid» nach Genf geholt. Dieser will damit die Schwerkraft so sichtbar wie möglich machen und damit neue choreografische Möglichkeiten ausloten. Auf der Bühne steht eine riesige Plattform (Jim Hodges und Carlos Marques da Cruz), schneeweiss, mit einer Neigung von 34°. Über deren obere Kante schiebt sich ein erster Arm, ein erster Körper, andere folgen, lassen sich langsam über die Fläche gleiten (to skid ist Englisch für gleiten), versuchen erfolglos, sich der Schwerkraft zu entziehen und stürzen kopfüber, Beine voran, eingerollt in den Orchestergraben. Es entstehen unglaubliche Bilder, einzigartig, episch, verstörend, auch teilweise anstrengend, meint man doch ab und zu, sich festkrallen zu müssen, um nicht selber verschluckt zu werden. Völlig neue Bewegungsabläufe werden möglich, Körper schieben sich übereinander, ein Knäuel formt sich, löst sich auf in eine Kette, ein Glied reisst, die Körper folgen sich im Domino-Effekt, einer nach dem anderen stürzen sie ins Nichts. Immer wieder erscheinen die Tänzer*innen oben, versuchen sich in Standhaftigkeit, bäumen sich auf, halten sich gegenseitig, verknäulen sich, um schlussendlich einmal mehr wehrlos in die Tiefe zu gleiten und abzustürzen.

Verstörend schöne Schattenbilder

Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon
Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon

Mit zunehmendem Licht verstärken sich die Schatten auf der Plattform, Körper gebären sich aus ihren eigenen Schatten, Arme werden unendlich lang, oft weiss man nicht, wo der Körper aufhört und der Schatten beginnt. Dann wieder formt sich ein mehrköpfiges Amphibien-Wesen auf der Plattform-Kante, schiebt sich schlangenartig hinunter, versucht, die Schwerkraft zu beherrschen, bevor es von ihr beherrscht wird. Dann steigen die Tänzer*innen die Plattform hoch, kriechen, hüpfen froschähnlich einer über den anderen, formen Dreiecke, Linien und man fragt sich, wie bei diesem Kraftaufwand, bei dieser Anstrengung eine solche Präzision möglich ist.

Geburt und Absturz

Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon
Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon

In einem letzten Bild hängt ein Körper eingerollt in einem strumpfähnlichen Kokon, versucht, sich daraus zu befreien, dreht, wendet sich bis sich endlich ein erster Fuss herausschält, dann ein zweiter, dann ein Bein. Ein mühsamer Geburtsprozess, bis ein makelloser Körper auf noch wackligen Beinen langsam die Plattform hochsteigt, Schritt für Schritt, vornübergebeugt, jeder Muskel, jeder Knochen der Wirbelsäule sichtbar im gleissenden Licht. Auch dieser Körper stürzt in die Tiefe, nachdem er den Gipfel erreicht hat.

Die Musik von Christian Fennesz und Marihiko Hara ist geisterhaft, eindringlich, laut, oft schmerzhaft laut, drückt in gewisser Weise die unglaubliche Anstrengung aus, die Sisyphus artigen Versuche, sich gegen etwas aufzulehnen, gegen das kein Ankommen ist. Das Genfer Premieren-Publikum zeigte sich begeistert!

Unmögliche Treppen

Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon
Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon

Im zweiten Teil des Abends folgte die Uraufführung von «Ukiyo-e» von Sidi Larbi Cherkaoui, eine Meditation über unsere Fähigkeit zur Resilienz, wie Cherkaoui erklärt. Auf der Bühne stehen hölzerne Treppenelemente (Alexandre Dodge), die immer wieder zu neuen Formationen zusammengefügt werden. Inspiriert habe ihn dabei der Künstler M.C. Escher mit seinen «unmöglichen Treppen». Auch hier stürzen die Tänzer*innen teilweise in die Tiefe, aber sie verlieren sich auch in den immer wieder neu arrangierten Treppen, legen sich auf die Stufen, steigen hinauf und herunter. Cherkaoui sieht darin die Suche nach einem möglichen Weg, sich in einem definierten Raum zu begegnen, miteinander umzugehen, ohne sich zu erdrücken. Die Tänzer*innen bilden immer wieder neue Gruppen, mal treffen sie sich zu dritt, mal tanzen sie selbstverloren allein, dann formen sie gemeinsam einen Knäuel, aus dem ein Tänzer sich erhebt, das Ganze definiert und eingerahmt durch die Treppen-Elemente.

Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon
Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon

Das ist sehr ästhetisch, vor allem auch durch die wunderbaren Kostüme von Yuima Nakazato von strengem Schwarz über edle, farbdurchsetzte Gewänder bis hin zu engen Trikots mit blutenden Herzen. Faszinierend die Live-Musik von Szymon Brzóska für Streichtrio und Klavier und die rhythmischen Kreationen für Perkussionsinstrumente und elektronische Musik von Alexandre Dai Castaing, die Gesangssoli, die Kodo-Trommel. Cherkaouis Tanzsprache hat die nötige Leichtigkeit, die Tänzer*innen scheinen oft zu schweben, wie es der Titel antönt, aber es gibt auch Längen durch die wiederkehrenden Bewegungen und Drehungen, die ab und an tanzende Derwische erinnern. Emotionen kommen kaum auf, sind vielleicht auch nicht gewollt und es bleibt eine leichte Verunsicherung, Cherkaouis Ansatz erschliesst sich einen nicht auf Anhieb. Ein grosses Lob dem ganzen Tanz-Ensemble, welches in beiden Stücken restlos überzeugte.

Ein spannender Abend mit zwei sehr gegensätzlichen Choreografien, die aber auch grosse Parallelen aufweisen.

Kleine Fotodiashow der Produktion von Grégory Batardon:

fotodiashows.wordpress.com/2022/11/24/grand-theatre-de-geneve-mondes-flottants/

 

Text: www.gabrielabucher.ch

Fotos: Szenenfotos von Gregory Batardon        www.gtg.ch

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Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon

Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon

Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon

Szenenfoto der Produktion von Grégory Batardon

 

 

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