Was wird da oft in Beizen mit diesem klassischen Gericht aufgetischt. Verschieden grosse und kleine Fleischstücke in einer mehr oder weniger anmächeligen Sauce. Dabei heisst es doch «feinblättrig» geschnitten!
Und wenn man Rezepte liest, gehört das Zürcher Geschnetzelte zu den absoluten Klassikern, ist schnell zubereitet und schmeckt besonders gut. Aber auch die Lozärner haben Ihr Geschnetzeltes an Rahmsauce und die Nidwaldner ebenfalls.
Urschweizer Rezept für Gschnätzlets
Am Anfang ist das rohe Geschnetzelte
Hier das Rezept aus der Urschweiz: 600 g Kalbfleisch feinblättrig geschnetzelt.1 EL Mehl.1 kl. Zwiebel fein gehackt. 4 cl Kräuterschnaps. 1 dl Weisswein. 150 g Apfelstückli. 150 g Champignons. 1 dl Bratensauce. 1.5 dl Rahm. 50 g Baumnüsse. Salz und Pfeffer.
Geschnetzeltes nach Züricher Art
Das feinblättrig geschnetzelte Kalbsfleisch mit Salz und Pfeffer würzen und mit etwas Mehl stäuben. Das Geschnetzelte in heissem Öl in einer Pfanne anbraten. Zwiebel grob hacken, dazugeben und leicht andünsten. Mit Weisswein und dem Kräuterschnaps ablöschen. Bratensauce dazugeben und bei schwacher Hitze etwa 40 Minuten köcheln lassen. Pilze und Apfelstücke grob schneiden. Pilze in der Butter andünsten und mit Salz und Pfeffer etwas würzen. Apfelstücke dazugeben und ebenfalls andünsten. Im Anschluss zum köchelnden Kalbfleisch geben, mischen und kurz aufkochen. Mit Zitronensaft und Sahne verfeinern und abschmecken. Anrichten und mit den Walnusskernen garnieren. Dazu eine goldbraune Röschti! Oder Nüdeli von der VILMAS Pasta in Grosswangen!
Die Zürcher schnätzeln so
Zürcher Geschnetzeltes
Zurück nach Zürich. Zum ersten Mal soll das auf Schweizerdeutsch genannte «Züri-Gschnätzlets» 1947 in einem Kochbuch erwähnt worden sein. Heute gilt es als ein typisches Gericht der Zürcher Regionalküche. Zur Zubereitung schneidet man Kalbfleisch und gegebenenfalls Kalbsnieren «quer» zur Faser in kleine dünne Scheiben. Brät sie in heissem Bratfett oder Erdnussöl (etappenweise) mit fein gehackten Zwiebeln kurz an, nimmt alles aus der Pfanne und hält so das Ganze im Ofen bei ca. 80° warm. Der Bratensatz wird mit 1dl Weisswein, 2,5 dl Rahm und ca. 1dl Kalbsfond abgelöscht. Die Sauce wird einreduziert. Abgeschmeckt wird sie mit etwas Zitronensaft, Salz und Pfeffer. Dann wird das Fleisch wieder in die heisse, aber nicht mehr kochende Sauce gegeben und erwärmt. Und nun frische, in Scheiben geschnittene und in Butter gedünstete Champignons mit dem Fleisch vermischen.
Es gibt Kochkollegen, die behaupten, ins «Züri» Geschnetzelte gehöre kein Rahm. Und auch die Nieren könne man getrost weglassen. Nicht für mich. Auch beim Kochen ist es so, dass manchmal verschiedene Wege nach Rom führen.
Diese Zubereitung ist also die «à la minute» – oder die schnelle Methode. Und dazu braucht es unbedingt gelagertes Fleisch. Lassen Sie sich vom Metzger beraten. Ganz edel kann man das Geschnetzelte auch mit Filet vom Kalb zubereiten. Dabei etwas grössere dünne Scheiben schneiden und immer nur drei Scheiben auf einmal in der Pfanne kurz anbraten. Und diese sodann in die Sauce legen.
Mama Josephines Hausgschnätzlets
Zürcher Geschnetzeltes mit kleiner Salatbeilage
Rezept von Josephine: Man kann aber auch ein Geschnetzeltes mit wenig gelagertem Fleisch kochen, so wie es meine Mutter Josephine tat. Vom Metzger das Fleisch von der Schulter von Hand feinblättrig schneiden lassen. Mein Hausmetzger sagte mir, dass die Scheibenschneidmaschine nur noch für grössere Quantitäten eingesetzt werde. Dann wird auch hier das Fleisch etappenweise (damit es kein Wasser zieht) heiss angebraten. In der Pfanne leicht mit Mehl bestäuben, mit etwas Weisswein ablöschen. Mit braunem Kalbsfond bedecken und sanft köcheln lassen. Die Kochzeit beträgt ca. 45 Minuten. Zuletzt etwas Rahm dazugeben und ebenso einen Spritzer Zitronensaft.
Züricher Geschnetzeltes mit Kalbslungenbraten zubereitet
Manchmal gab meine Mutter Josephine noch ein paar Champignons dazu. Oder sie parfümierte das Geschnetzelte mit Curry oder – was ich besonders liebte – mit edelsüssem Paprika. Dabei röstete sie Curry und Paprika immer mit. Dazu gab es hausgemachte Knöpfli, natürlich eine goldbraune Rösti oder breite Nudeln. Übrigens muss Geschnetzeltes nicht immer mit Kalbfleisch sein. Auch mit Poulet, Rind- oder Schweinefleisch schmeckt es wunderbar. Oder mit Lammfleisch und selbst gemachten Linsenhacktätschli als Beilage. Im Nachbarland, also im grossen Kanton, sagt man denen Frikadellen.
Musikalische Leitung – Hélio Vida Inszenierung – Nikolaus Habjan Bühne – Jakob Brossmann Bühnenbildmitarbeit – Marlene Lübke-Ahrens Kostüme – Denise Heschl Kostümmitarbeit – Jorina Stecher Lichdesign – Vassilios Chassapakis Puppencoach – Manuela Linshalm Chorleitung – Michael Clark Dramaturgie – Meret Kündig, Roman Reeger Graf Almaviva – Ronan Caillet* Bartolo – Diego Savini Rosina – Nataliia Kukhar* Figaro – Kyu Choi* Basilio – Jasin Rammal-Rykała* Berta – Inna Fedorii* Fiorello/Offizier – Vinicius Costa da Silva** Puppenspiel – Stephan Eberhard *Mitglied des Opernstudios OperAvenir **Student der Musik-Akademie Basel Chor des Theater Basel Statisterie des Theater Basel Studierende der Musik-Akademie Basel
Grundsätzliches zur Inszenierung OperAvenir spielt Rossini-Oper als Figurentheater
Szenenfoto Der Barbier von Sevilla von Ingo Hoehn
Figaro ist nicht nur der beste Barbier der Stadt, sondern auch Spielmacher, Intrigenspinner und Tausendsassa. Mit kalkuliertem Chaos und vielerlei Maskerade schafft er es, Rosina aus den Händen ihres Vormunds Bartolo zu befreien und sie mit dem schönen Grafen Almaviva zusammenzubringen. In der Inszenierung von Regisseur und Figurenspieler Nikolaus Habjan treten kunstvolle Klappmaulpuppen ins Rampenlicht. Die Figuren entwickeln eine tiefe menschliche Psyche und werden zu ebenbürtigen Spielpartner* innen der Sänger*innen. Die Produktion feiert das 15-jährige Bestehen des Opernstudios Oper Avenir.
Seit über 200 Jahren ein Bestseller
Der Barbier von Sevilla Szenenfoto Ingo Höhn
Die Geschichte wird schon seit 204 Jahren auf vielen Bühnen weltweit musikalisch erzählt, vermag aber, trotz Durchfall bei der Uraufführung am 20. Februar 1816 im Teatro Argentina in Rom, immer wieder zu fesseln, so auch aktuell am Basler Theater. Die eigentliche Handlung von Gioachino Rossinis Opern-Evergreen «Il Barbiere di Siviglia» ist schnell skizziert: «Ein verliebter Alter will morgen sein Mündel heiraten; ein junger Liebender mit mehr Geschick kommt ihm zuvor», fasste der französische Komödiendichter Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais, der mit seinem gleichnamigen Stück die Vorlage geliefert hatte, das Geschehen zusammen.
Die Basler Umsetzung dieses Klassikers
Das begleitende Kammerorchester Foto Ingo Hoehn
Unter der musikalischen Leitung von Hélio Vida ist das 15-köpfige Instrumentalensemble der Basler Musikhochschule auf der linken Bühnenhälfte positioniert was nicht nur das Klang-, sondern auch noch das Bühnenbild veredelt. Und das Orchester beginnt sogleich schwungvoll mit der, mit etwas über sieben Minuten, relativ langen Ouvertüre. Nach der fulminanten Ouvertüre erscheint zuerst Graf Almaviva zu zweit, d.h. in der Person von Ronan Caillet und dessen lebensgrosser Marionette, die , wie die anderen Marionetten auch, mal vom Sänger/Schauspieler alleine, mal mit Unterstützung von einer, mal von zwei Personen, gehandhabt werden, Almaviva singt, in Anwesenheit Fiorellos eine Cavatina unter dem Balkon von Rosina, die er sehr entfernt kennt und heimlich anbetet. Auf der rechten Seite der Bühne steht eine grosse drehbare, verschlossene Mehrfach- Wendeltreppe, sinnbildlich für das Haus von Doktor Bartolo und dient auch als eine Art Bühne, wo sich vieles abspielt. Darin, wohlbehütet von ihrem Vormund Bartolo, sitzt dessen MündelRosina im sprichwörtlichen goldenen Käfig.
Geniale, schier unglaubliche Einbindung der Marionetten ins Spiel
Der Barbier von Sevilla Szenenfoto Ingo Höhn
Wie dann im Verlaufe des Geschehens diese Sänger*innen Marionetten agieren ist verblüffend. Wie nah deren Mimik derjenigen der menschlichen Akteur*innen sind, ist schon erstaunlich, da wird jedes Tremolo, jede Koloratur genau wiedergegeben, dies mit einer Präzision und Synchronität, die man, wenn noch nie gesehen, für unmöglich halten würde.
Beibehalten wird die Werktreue
Der Barbier von Sevilla Szenenfoto Ingo Höhn
Dies alles ändert natürlich nichts an der ursprünglichen, von Rossini und dessen Librettisten Cesare Sterbini vorgegebenen Handlung um das Drama der Rosine in der unerbittlichen Obhut, wenn nicht gar Gefangenschaft, ihres Oheims und Vormundes Doktor Bartolo. Die Story wird einfach auf eine noch nie gesehene Art und Weise erzählt.
Körperliche Parforceleistung der Akteur*innen
Der Barbier von Sevilla Szenenfoto Ingo Höhn
Schon allein das normale agieren und singen auf einer Bühne ist,eine oft unterschätzte, körperliche und mentale Höchstleistung, umso mehr beeindruckt, wie die Sänger*innen dabei noch die Marionetten meisterhaft bedienen und ihnen eigenständige Charakterzüge verleihen. Die Partien sind fast ausschliesslich mit den jungen talentierten Sänger*innen des Opernstudios OperAvenir besetzt, die mehr als nur bestehen neben den «gestandenen» Ensemblemitgliedern.
Rossini war seiner Zeit ja weit voraus, hatte er doch damals schon beim Herrenchor eine Frauenquote eingeführt. Bei Rossini sind es auch besonders immer diese grossartigen Duette, Terzette, Quartette, Quintette und Sextette, mit denen die Akteur*innen begeistern können, davon gar hervorstechend das grossartige Quintett ob der Konfusion, des heillosen Durcheinanders vor Bartolos Haus nach dem definitiven zweiten, auch erfolgreichen Entführungsversuch.
Das Kammerorchester agiert auf Augen- bzw. Ohrenhöhe der Sänger*innen
Der Barbier von Sevilla Szenenfoto Ingo Höhn
Beim ersten Annäherungsversuch tarnte sich der Graf als angetrunkener Soldat, bleibt aber erfolglos. Als er sich beim zweiten Mal als Musiklehrer einschleicht, klappte die Verführung beim Gesangsunterricht und Rosinas Flucht kann vorbereitet und ausgeführt werden. Die Interpret*innen überzeugten durch Ihre schauspielerischen und sängerischen Leistungen. Ohne die kongeniale Umsetzung von Rossinis Musik durch das Kammerorchester ging das gar nicht, es ist also das formidable Tutti was dieses Gesamtkunstwerk ermöglicht.
Das Auditorium, das schon mit Szenenapplaus nicht gegeizt hatte, applaudierte so lang und heftig, was schlussendlich in eine hochverdiente stehende Ovation mündete.
Fazit
Der Barbier von Sevilla Szenenfoto Ingo Höhn
Mit dieser genialen Inszenierung könnten die Basler problemlos auf Welttournee gehen und würden, da bin ich mir sicher, weltweit die Säle bis auf den letzten Platz füllen.
Der Ensemblesprecher gab dann noch ein kurzes Statement über die aktuelle Situation in der Ukraine statt, verbunden mit der Bitte um einen Beitrag für ein Basler Projekt zur finanziellen Unterstützung von Betroffenen des Kriegsgeschehens. Man mache dies umso lieber, da auch zwei Akteurinnen des Abends, Nataliia Kukhar als Rosina und Inna Fedorii als Berta aus der Ukraine stammen.
TINA – Das Tina Turner MusicalTina lebt erst bei ihrer Großmutter
Ein Leben, dem nicht einmal ein Musical etwas anhaben kann: Gut möglich, dass dieser Abend der größte Triumph ihres Lebens ist. Rio de Janeiro, 16. Januar 1988, gleich wird Tina Turner im Estádio do Maracanã vor 188.000 Menschen auftreten, man kann die Massen schon jubeln hören. Es ist der Gipfel ihrer Karriere; von dem Moment, in dem sie diesen Gipfel erklimmen wird, trennen sie nur noch eine kleine Meditation – und ungefähr zwei Stunden Musical auf der Bühne des Hamburger Operettenhauses, wo die Stätte des Triumphs jetzt nachgebaut ist.
Im Club Manhatten trifft Anna Mae auf den acht Jahre älteren Ike Turner
Denn natürlich gibt es keinen besseren Einstieg für eine Bühnenshow über das Leben von Tina Turner als diesen Moment kurz vor dem größtmöglichen Triumph. Weil dann der Triumph selbst das Finale sein kann. Irgendwie logisch, dass sich die Euphorie der Zuschauer aus dem Estádio de Maracanã wie von selbst auf das Musicalpublikum im prall gefüllten Hamburger Operettenhaus überträgt und so von Beginn an eine tolle Stimmung herrscht.
Start der Ike and Tina Turner Revue
Was es über ein Leben aussagt, dass es sich so gut als Musicalstoff eignet, ist eine ganz eigene Frage. Die Antwort lautet: nicht allzu viel Erfreuliches. Denn es braucht dazu besonders hohe Höhen und tiefe Tiefen, die einen wie die anderen nur bedingt vorhersehbar. Aber es ist, wie es ist. «Tina, das Musical». Mit allen Tiefen und allen Triumphen, es gab schließlich von beidem reichlich. Bei der Umsetzung werden die Clichées reichlich strapaziert, oft zu ausgereizt und überstrapaziert, was aber das Auditorium nicht weiter stört. Zu sehr fesselt das Spiel, die Choreografien und der Gesang der Darsteller*imnnen.
Als «prima inter pares» ist da Aisata Blackman. Sie ist es, die Tina Turner so überzeugend singt und spielt, dass man sich fragt, warum Love nicht längst selbst berühmt ist. Sie spielt alle Kollegen an die Wand, was gar nicht so sehr ins Gewicht fällt, da der Abend sowieso ganz und gar um sie herum gebaut ist.
Die Geschichte handelt davon, wie Tina vom R’n’B-Star Ike Turner entdeckt, geheiratet und misshandelt wird, so lange, bis sie in ein eigenes Leben und eine eigene Karriere entkommt.
What’s Love Got to Do With It?
Nach der Trennung von Ike startet Tina 1984 mit dem Album Private Dance als Solokünstlerin neu durch und erklimmt die Billboard Charts
Erzählt wird diese Geschichte in Schlaglichtern. Tina, wie sie noch gar nicht Tina Turner heißt, sondern Anna Mae Bullock, geboren in Nutbush, Tennessee, wo sie im Gottesdienst so laut singt, dass ihre Mutter ihr danach mit einer Tracht Prügel droht. Tina, wie sie im Nachtclub in St. Louis zu Ike Turner auf die Bühne kommt und ihn so beeindruckt, dass er mit seiner pinken Limousine am nächsten Tag beim Haus ihrer Mutter vorfährt und diese bittet, Tina mit ihm auf Tournee gehen zu lassen, für 25 Dollar pro Abend. Tina, wie sie im Studio kurzerhand für den ausgefallenen Leadsänger Art Lassiter einspringt und von ihrem Mann den Künstlernamen Tina Turner bekommt. Tina, wie sie sich aus den Fängen ihres Mannes befreit und mit 36 Cent in der Tasche in ihr neues Leben aufbricht. Tina, wie sie im Studio von Capitol Records die Stirn in Falten legt über das Demo von «What’s Love Got to Do With It», was, das soll Rock’n’Roll sein? Mal liegen nur Sekunden zwischen den Ereignissen, mal eine ganze Kindheit, neun Monate einer Schwangerschaft oder zehn Jahre Ehehölle mit Ike.
Einige wichtige Ereignisse in Tinas Leben bleiben ausgespart
Szenenfoto des Musicals
Dass in etwas über zwei Stunden Spielzeit nicht alle Details eines ganzen Lebens hineinpassen ist verständlich, trotzdem wüsste man schon gerne, warum die Tochter eines baptistischen Priesters auf einmal Buddhistin ist, oder wie der kostspielige Gerichtsstreit mit ihrem Ex-Mann um die Namensrechte an Tina Turner beigelegt wurde.
Der Plot erzählt zwei Geschichten auf einmal: das Leben einer Sängerin mit dunkler Hautfarbe, die sich mit Songs aus der Feder von schwarzen Künstlern bei weißen Produzenten durchsetzen muss, um sich anschließend mit deren Songs wieder bei den schwarzen Fans zu behaupten, bevor sie schließlich, wie man so schön sagt, die Welt erobert.
Eine starke Frau stilisiert sich zur Ikone
Szenenfoto des Musicals
Es ist die Geschichte einer Frau, die sich ihr ganzes Leben lang gegen Männer behaupten muss, die sie misshandeln, bevormunden und beiseite schieben.
Es ist auch eine Geschichte über eine starke Frau und sich stark wähnende männliche Schwächlinge, im Mantel einer Geschichte über Rassismus, erzählt anhand des Lebens einer der größten lebenden Popstars – präziser kann man einen Musicalstoff nicht umsetzen.
Szenenfoto des Musicals
Jede Szene findet vor einer sehr liebevoll gestalteten Stellwand statt. Irgendwann verliert man den Überblick darüber, wie viele Hausfassaden, Küchenzeilen, Stage Doors, Tonstudiokabinen, PanAm-Abflugschalter es sind, die von links auf die Bühne geschoben werden, jede einzelne viel feiner geschnitzt als die Dialoge, die vor ihnen aufgeführt werden. Aber das macht nichts, die Botschaft kommt auch so über die Rampe: Glaub’ an dich, hör’ auf die richtigen Leute – und lern’, die richtigen von den falschen zu unterscheiden. Diese Botschaft ist aber beinahe das einzige bisschen Kitsch.
“Wir wollen keine neuen Helden”
Denn «Tina» ist kein Effekt haschendes Musical. Es gibt fast keine aufwendig choreografierten Massenszenen, auch keine naturalistischen Breitwandbühnenbilder, stattdessen: ein paar ausgesuchte Requisiten. Ein paar Projektionen auf die Bühnenrückwand. Und eine virtuos verwendete Dreh- und Klappbühne, die vor allem mit der Fantasie der Zuschauer spielt. Und das ist nicht nur optisch, sondern auch dramaturgisch die richtige Entscheidung, es geht hier ja um das Leben einer realen Person. Es ist ein Abend, der unterhält und anrührt, ohne in Musicalkitsch zu versinken. Eine gut erzählte Geschichte, die so nah es irgend geht an der Wirklichkeit bleibt
Völlig daneben sind die deutsch übersetzten Songtexte.
Jede Besucher*in dieses Musicals kennt doch die Songtexte auswendig, könnte sie gar mitsingen, weshalb diese übersetze Liedzeilen nicht nur überflüssig, sondern völlig fehl am Platz sind.
Beispiele:
“Lass uns zwei eins sein / mit Glück und Leid / für alle Zeit”
Oder:
“Oh komm endlich her /gib mir alles und noch mehr”
Oder:
“Was ist schon dabei / nimm mein Herz und lass es frei”
Oder, zur Melodie von Private Dancer:
“Ich werde’ weitertanzen, ich tanze mein Leben, so hart mich das Schicksal auch schlägt,
ich werde weitertanzen, und dir alles geben, so lang diese Scheibe sich dreht”.
1988 Tina spielt vor 188.000 Fans im Maracanã Stadion in Rio de Janeiro Es ist das Konzert mit dem größten Publikum, das im 20. Jahrhundert aufgezeichnet wurde
Das ist die einzige echte Schwäche, die der Abend hat: dass er sich eben doch nicht auf die Kraft und den Charakter der Songs von Tina Turner verlässt, sondern daneben auch sehr gern noch Musical sein will, mit ein paar extra-gefühligen Zeilen und Melodien, die neben den Tina-Turner-Riesenhits nicht gerade gut aussehen.
Sicher gibt es gute Argumente dafür, «We don’t need another hero» zu übersetzen mit “Wir wollen keine neuen Helden”, allen voran die Verständlichkeit. Aber in einem Saal, der gefüllt ist mit Leuten, die mit dem Inhalt und dem Sound der Originalsongtexte seit Jahrzehnten vertraut sind und vereinzelt jede Zeile auswendig mitsingen könnten, ließe sich das Verständlichkeitsproblem vielleicht auch mit einer guten Übertitelungsanlage lösen.
So macht dieser kleine Schönheitsfehler nur die realen Kräfteverhältnisse deutlich: Es sind die Songs und die Überlebensgröße von Tina Turner, die dem Abend zum Erfolg verhelfen und nicht etwa umgekehrt dem Musical über Tina Turner zu Unsterblichkeit. Das hat sie allein geschafft. Und genau das ist die Geschichte, die der Abend erzählt.
Am Ende erklimmt Aisata Blackman im Tina-Turner-Kostüm dann natürlich, wie anfangs versprochen, den Gipfel ihrer Karriere, tritt vor das Publikum und singt – zum Glück dann doch auf Englisch – *Simply the Best». Zu den Banddarstellern auf der Bühne gesellt sich die echte Band, und der Abend mündet nahtlos in das eine, große, ultimative Tina-Turner-Konzert, das jede einzelne der bis dahin vergangenen Minuten versprochen hat. Und die Rechnung geht auf. Die Euphorie kann einst in Rio de Janeiro auch nicht größer gewesen sein. Und bei aller Wucht und Lebensfreude vergisst man sofort, dass es sich ja doch nur um eine Cover-Band handelt, steht auf, tanzt mit, während man begeistert applaudiert. .
Von Charles Lewinsky, frei nach William Shakespeares „Much Ado About Nothing“ in einer Inszenierung von Ueli Blum für die Freilichtspiele Luzern Besetzung: Leonard, Säckelmeister der Stadt Urs Kafader Anton, sein Bruder Harald Brunner Hero, seine Tochter Meret Blum Beatrice, seine Nichte Franziska Stutz Peter von Almenstein,Kommandant einer Söldnertruppe Norbert Metzler Hannes von Almenstein, sein Bruder Yves Bielmann Konrad, dessen Diener Thomas Achermann Junker Claudio, von Stadlikon Patrick Slanzi Junker Benedikt, von Pfaffenberg Guido Widmer Ursula, Magd Karin Schmid Margret, Magd Lena Spichtig Holzöpfel,Kommandant der Nachtwache Rolf Steffen Schledorn, sein Stellvertreter Astrid Bättig NachtwächterKatja Christen Trudi Wahlen Schreiber / Bote Arne Domrös Bänkelsängerin Trix Meier Soldaten Ali Achermann Antonia Bucher Vera Buenzli Rita Mäder
Grundsätzliches zu den Freilichtspielen Luzern
Seit 2005 entstanden acht namhafte Produktionen auf Tribschen sowie einmalig auf dem ewl-Areal Luzern. Durch die stetige Zusammenarbeit mit Zentralschweizer Kulturschaffenden sowie national bekannten Autoren und Regisseur:innen sind die Freilichtspiele Luzern in der Zentralschweiz kulturell stark verankert und geniessen darüber hinaus grosse Beachtung. Bühne frei also für Shakespeare auf Tribschen im Jahr 2022 – in einer neuartigen Mundartfassung.
«Und de Mönsch am Schärme stunet übers Lärme!» Der Krieg ist aus. Während die einfachen Soldaten ihre Wunden pflegen, wollen die siegreichen Offiziere feiern. Shakespeares bekannte Komödie erzählt verquer und mit viel Sprachwitz die Liebeswirren zweier Paare. Ein lustvolles Spiel, bei dem es auf humorvolle Art um verborgene Identitäten, Eifersucht und Täuschung geht. Es wird geprahlt, spioniert, verkuppelt und verleumdet. Grenzen von Schein und Sein verwischen und der Kampf der Geschlechter beginnt – ein Spiel mit doppeltem Boden.
Charles Lewinsky, der bekannte Schweizer Autor (bekannt u.a. für das Drehbuch «Fascht e Familie» und «Fertig lustig» SRF) hat das Stück eigens für die Freilichtspiele Luzern bearbeitet und ins Schweizerdeutsche übersetzt. Regie führt erstmals Ueli Blum, für die Bühne zeichnet Dave Leuthold verantwortlich. Die Kostüme und Masken konzipiert und gestaltet AnnaMaria Glaudemans. Markus Schönholzer hat die Musik für das Theaterstück komponiert, die musikalische Leitung übernimmt Roman Glaser. Luca Signoretti gestaltet die Choreographien.
Erstmaliger Austragungsort für die Freilichtspiele Luzern ist die Villa Schröder, die gleich selbst zum Bühnenbild wird. Das Ensemble, bestehend vorwiegend aus Laienschauspieler:innen, probte bereits seit Januar 2022 und bereitete sich nach der Verschiebung der Produktion 2021 auf ihr künstlerisches Jahreshighlight vor.
Bei sehr «durchzogenem» Wetter startete man in den Tag, relativ heftige Regengüsse wechselten sich ab mit kurzen trockenen, manchmal gar sonnigen Phasen. Da sich auch während des ganzen Tages nichts änderte, rechnete ich eigentlich schon mit einer Verschiebung der Premiere, bis mich eine mail des Veranstalters eines Besseren belehrte, dass trotz unsicheren Witterungsverhältnissen gespielt würde, Regenpelerinen stünden allenfalls zur Verfügung Anreise ab B Bahnhof Luzern mit dem Bus Richtung Festspielgelände am Tribschen. Leider an der Bushaltestelle Wartegg keine Wegweiser (Hinweistafeln)wo sich die Villa Schröder befindet. Nach einem etwa 40-minütigem Fussmarsch Umweg bei strömendem Regen, das Ziel doch noch erreicht. Dringender Verbesserungsbedarf. Beim dann richtigen Rückweg die Feststellung, dass die Bezeichnung Rollstuhlgängig, quasi barrierefrei zugänglich, vom Veranstalter doch recht grosszügig ausgelegt wird.
Shakespeares Spiel mit doppeltem Wortwitzboden
Der Autor mit Begleiterin Nichte Vanessa Bösch
Lewinsky transponiert Shakespeares doppelbödige Dialoge in unsere, manchmal derb plumpe Mundart. Daraus entsteht ein witzig – ironisches Spiel voller Witz, Hinterlist, Situationskomik und Blödeleien. Sätze wie «Wir Schweizer sind neutral und für alle Angebote offen» oder «Wenn die Kuh ihre Hörner nicht braucht, landet sie beim Metzger» lassen schmunzeln, gar lachen. Andere wie– «Dich kann man an der nächsten Chilbi als Missgeburt ausstellen» oder «Dein Humor ist krank. Und deiner am Verwesen» sind nah bei verbaler Pöbelei.
«Much Ado About Nothing», wie das Stück im Original heisst, ist ein herrlich verqueres Stück über Liebe und Intrigen, Eifersucht und Täuschungen. Im Mittelpunkt stehen die zwei Paare Claudio und Hero, Beatrice und Benedikt.
Während sich Claudio und Hero schnell verlieben und heiraten wollen, geben sich Beatrice und Benedikt zunächst als überzeugte Singles und wollen nichts voneinander wissen.
Shakespeare irritiert uns mit Täuschungen und Handlungswirren- und wendungen.
So droht dem ersten Paar trotz Verliebtheit aufgrund bösartiger Intrigen fast die Trennung und das zweite Paar findet mittels Verkuppelung überraschend dennoch zusammen. Zu gutem End wird eine Doppelhochzeit gefeiert.
Die Dialoge meist scharfzüngig, gewürzt mit einer Portion Selbstironie, mal wird einem durchaus vielschichtig sozialkritisch der Siegel vorgehalten, aber immer so, dass man sich nicht selbst betroffen fühlt, was einem natürlich das Lachen und schmunzeln erleichtert.
Nach einem, bei einer Premiere verständlichen, etwas nervösem Beginn, fanden sich die Akteur*innen schon bald in ihren Rollen, der sich aufplusternde, von sich sehr eingenommene eitle Benedikt (Guido Widmer) reibt sich an der wirblig – aufmüpfigen Paroli bietenden Beatrice (Franziska Stutz). Der linkische, aber charmante Claudio (Patrick Slanzi) passt in jeder Beziehung zu seiner Hero (Meret Blum), die später auch noch akrobatisch am Seil glänzt.
Passend auch die Kostüme von Anna Maria Glaudemans, der damaligen Zeit gerecht werdend, prägen weite Kleider, weisse Hemden, dicke Sockenstulpen, Pumphosen und barocke Spitzenkragen das Bild.
Beim Maskenball, einem Jahrmarkt der Eitelkeiten, präsentieren sich die Gäste mit opulenten Hüten, Büffelkopf, Hahnenkamm und bauschigen Galagewändern. Auf der anderen Seite humpeln die verwundeten, zerlumpten Söldner Soldaten an, Krücken gehend, Stil entsprechend durch die Szene.
Buchstäblich ins Wasser gefallen war der Teil nach der Pause
Nicht lange nachdem die Akteur*innen das Spiel wieder aufgenommen hatten, drohten schwarze Gewitterwolken ihrerseits ins Geschehen eingreifen zu wollen. Der dann später Sintflutartige Regen irritierte die Schauspieler*innen keineswegs. Die zogen das Ding unerschütterlich durch, sich, wie zum Trotz, gar, noch steigernd.
Die zwei Liebespaare sind ausgezeichnet besetzt, ebenso wie die weiteren Rollen – zum Beispiel Trix Meier als Bänkelsängerin, die so etwas wie der rote Faden darstellt, der das lockere Gefüge des Spiels zusammenbringt, oder das echt komische Nachtwächtergespann mit Rolf Steffen und Astrid Bättig.
Leider waren durch das prasselnde Getöse der Schauer, die Dialoge kaum mehr zu hören, man bekam aber vom Geschehen her doch mit, dass am Schluss Ende gut alles gut, also Friede, Freude, Eierkuchen herrschte und die Protagonist*innen den verdienten, trotz Regen, langanhaltenden Applaus geniessen durften. Bei diesem gesellten sich auch die guten Geister von hinter der Kulisse ( Regisseur, Ausstatterin usw.) noch dazu. Gespielt wird am Tribschen noch bis am 17. Juli 2022.