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Geschichten rund ums Pastetli erzählt Herbert Huber

Ich liebe Pastetli heiss. Aber nur dann, wenn diese auch heiss serviert werden. Vor allem in einer Wirtschaft sollte die Regel gelten: Der Gast wartet auf das Pastetli und nicht umgekehrt.

Der Gast wartet auf das Pastetli und nicht umgekehrt. Will heissen: Pastetli müssen zwingend à la minute angerichtet und im Eiltempo an den Tisch gebracht werden. Egal, was drin ist. Das Gehäuse muss noch knusprig sein – auf keinen Fall pampig. Pastetli kann man gut vorbereiteten.

Vol-au-vent.

Pastetli schön präsentiert
Pastetli schön präsentiert

Nicht zu verwechseln ist das Pastetli mit der Pastete, die mit einem Mürbeteig gemacht und mit einer „Farce“ gefüllt wird. Der französische Name des Pastetlis ist Vol-au-vent. Die Legende besagt, der französische Koch Marie-Antoine Carême habe einmal eine Pastete statt mit Pastetenteig mit Blätterteig zubereitet. Als sein Gehilfe nach der Pastete im Ofen sah, sei er erschrocken und habe gerufen: «Maître, il vole au vent» («Meister, sie fliegt in die Luft»), denn aus dem flachen Teig war eine turmartige Form entstanden. Das Pastetli war geboren.

Heute kann man Pastetli-Gehäuse bequem beim Hausbäcker kaufen, wobei es da qualitative Unterschiede geben kann. Mal abzuwechseln, kann sich lohnen. Wichtiger als das Haus ist aber in den allermeisten Fällen das Innenleben, die hausgemachte Füllung.

Chügeli und Fritschi – Letzteres das Urgericht der Lozärner Fasnächtler

Brätchügeli-Pastetli mit Erbsli und Rüebli
Brätchügeli-Pastetli mit Erbsli und Rüebli
Fritschipastetli
Fritschipastetli

Diskutierte man einst mit der Grande Dame der Schweizer Gastronomie, mit Marianne Kaltenbach, zog das eine nahezu endlose Unterhaltung nach sich. Vor allem dann, wenn es um die originale Luzerner Fritschi-Pastete ging. Marianne Kaltenbach kam ins Feuer der Begeisterung, wenn jemand wusste, dass diese mit einer braunen Sauce, mit Champignons, Kalbsbärtchügeli, Kalbsragout und Weinbeeren gefüllt und die Sauce mit etwas Madeira parfümiert wird. Mit diesem Wissen konnte man bei Madame gehörig punkten. Und gedeckt müssen diese Pasteten serviert werden, keinesfalls offen. Als wir einmal in einer Luzerner Wirtschaft als Lozärner Fritschi-Pastetli ein hundskommunes Chügelipastetli vorgesetzt bekamen, zudem noch an einer weissen Sauce serviert, war Marianne trotz ansprechender Qualität des Servierten stocksauer. Zu Recht, wie ich finde. Ein Fritschi-Pasteli ist nun mal kein Chügelipastetli.

Zur Vorspeise

Apéro Pastetli
Apéro Pastetli

 

 

Als Vorspeise wurden sie auch „Bouchées“ genannt, weil sie etwas kleiner waren – oder zum Hauptgang und eben etwas grösser als Vol-au-vents serviert wurden. Pastetli gab es als Festessen, an Sonntagen im Menü, an den Geburtstagen der Grosseltern und an Leidessen. Der Grund ist einfach: Pastell sind für eine Küche wunderbar, weil alles vorbereitet werden kann. Apropos Form: So serviere ich Pastetli mal rund, viereckig, sogar herz -oder sternförmig. Der Bäcker macht’s auf Vorbestellung.

Grundrezept für die Sauce: 60 gr. Butter. 4 EL Mehl. 1 dl Weisswein. 4dl. Fleischbouillon, Milch oder Gemüse Fond. 1dl Rahm. Salz und Pfeffer. Die Sauce sollte nie zu dünn sein, sonst saugt der Teig diese schnell auf und wird matschig. Zu dünn? Mit etwas Mehl Butter (beurre manié) oder Maizena nachbinden.

Ideen für die Füllung.

Pastetli mit Pilzfüllung
Pastetli mit Pilzfüllung

Für Vegetarier mit Gemüse oder Pilzfüllung. Oder gar mit einem würzigen Ratatouille.

Exotisch: Mit Poulet- und Gemüsewürfelchen an Currysauce.  Für Krustentierliebhaber: Mit Krevetten, mit Muscheln oder mit einem würzigen Fischragoût.  Edel: Mit Kalbfleisch, Milken, Champignons. Auch mit einem Pouletbrüstchen Ragoût mundet’s wunderbar. Oder einfach mit Brätchügeli.

Weitere Tipps: Die berühmten Teigdeckeli, die vor dem Aufwärmen der Pastetli rausgeschnitten wurden, nicht vergessen! Immer etwas Sauce separat servieren. Kreativ sind auch ein paar frittierte Randenscheiben oder im Ofen getrocknete Tomatenscheiben als Farbtupfer.

Text www.herberthuber.ch

Fotos: www.pixelio.de

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Mahler Chamber Orchestra, Mitsuko Uchida, Mark Steinberg, Casino Bern, 29.1.22., besucht von Léonard Wüst

Mahler Chamber Orchestra
Mahler Chamber Orchestra

Besetzung und Programm:
Mahler Chamber Orchestra
Mitsuko Uchida Solistin am Piano
Mark Steinberg Konzertmeister

W. AMADEUS MOZART – KONZERT FÜR KLAVIER UND ORCHESTER NR. 23 A-DUR KV 488
HENRY PURCELL
Fantasia Z. 740, a4, a-Moll
Fantasia Z. 736, a4, B-Dur
Fantasia Z. 738, a4, c-Moll
Fantasia Z. 745, a5, F-Dur (Fantazia upon One Note)
WOLFGANG A. MOZART – KONZERT FÜR KLAVIER UND ORCHESTER NR. 24 C-MOLL KV 491

Poetik des Zusammenspiels
Wo Mitsuko Uchida, geboren 1948 bei Tokio, ist, da ist Poesie – ob sie nun Mozart spielt oder andere Komponisten. Handverlesen sind auch ihre musikalischen Partner: so wie an diesem Abend das Mahler Chamber Orchestra, eines der besten Kammerensembles der Welt, gegründet vor 25 Jahren von Claudio Abbado. 1969 gewann Uchida den Beethoven-Wettbewerb in Wien, nahm weitere Stunden bei Wilhelm Kempf, schaffte es dann 1970 beim Chopin-Wettbewerb in Warschau auf den 2.Platz. 1972 ließ sie sich in London nieder, gewann 1976 den Klavierwettbewerb in Leeds, worauf ihre Weltkarriere begann.

WOLFGANG AMADEUS MOZART – KONZERT FÜR KLAVIER UND ORCHESTER NR. 23 A-DUR KV 488

Mitsuko Uchida Solistin am Klavier
Mitsuko Uchida Solistin am Klavier

Die Solistin, ungewohnt, mit dem Rücken zum Publikum am Konzertflügel sitzend, damit sie ihre Mitmusiker*innen im Blick hat und damit so nebenbei auch das Dirigat ausüben kann.  Auch hier dauert das Orchester Intro, wie bei Mozart  üblich, 2 1/4 Minuten, bevor die Solistin ins Geschehen eingreift.,

Das A-Dur-Konzert KV 488 gilt als unproblematisch und hör-
erfreundlich: «ein unaufhörliches Schwelgen in edelstem Wohllaut, ein
verschwenderisches Verströmen blühender Melodik», wie ein gängiger
Konzertführer behauptete. Das ist zwar nicht falsch, blendet aber die Vor-
aussetzungen, unter denen Mozart arbeitete, komplett aus. Denn genau
dieses «Verströmen blühender Melodik» stellte innerhalb der Gattung
bereits einen Sonderfall dar. Wer ausser Mozart hätte im Wien der
1780er Jahre die Chuzpe besessen, ganz auf die Karte Kantabilität zu
setzen? Natürlich durfte sein A-Dur-Konzert voll «blühender Melodik»
sein; es musste aber auch pianistischen Effekt machen, denn das gehörte
zu den Erwartungen der zahlenden Gäste. Insofern ist bereits der Beginn
von KV 488 eine Zumutung: ein offenbar vokal erfundenes Thema, das
von den Streichern vorgestellt wird, dann von den Bläsern alleine, und das
sich scheinbar überhaupt nicht zu klavieristisch-virtuoser Verarbeitung
eignet. Dass es dennoch funktioniert, lässt sich nur mit Mozarts kompo-
sitorischer Souveränität erklären, die er sich im Laufe der Jahre ange-
eignet hatte.

Quirlige Solistin führt engagiert durch die Partitur

Auch die Gattung Klavierkonzert hält einen Ort bereit, an dem das Aus-
singen möglich ist: den langsamen Satz. Hier aber wartet Mozart mit
einer neuen Überraschung auf. Die Solistin entführt in eine tieftraurige,
schmerzliche Adagio-Welt in der ungewöhnlichen Tonart fis-Moll. Auch
das Orchester wird von diesem melancholischem Gesang in Bann ge-
schlagen; vom konventionellen Dialog zwischen dem Einen und den
Vielen, vom spielerischen Umkreisen der musikalischen Gedanken ist
dieser Satz denkbar weit entfernt. Ganz am Ende noch ein wahrhaft ge-
spenstischer Effekt: eine lang gezogene, einstimmig-nackte Melodielinie
des Klaviers über pochendem Orchestergrund.
Erst mit dem fröhlichen Finale erfüllt Mozart wieder die gängigen Hör –
erwartungen — wenn man davon absieht, wie er das Orchester einbe-
zieht. Im Grossen (dunkler Gesamtklang) wie
im Kleinen (halsbrecherische Läufe des Fagotts) entfernt sich das Ensemble von der Funktion «neutraler» Begleitung, von der sich die Solistin des Abends effektvoll abheben könnte. Wie so oft bei Mozart liegt die Sprengkraft seiner Musik in den Details verborgen; zündend aber ist sie allemal und kommt im fulminanten Finale besonders zum Ausdruck. Dem pflichtete das Auditorium mit langanhaltendem, stürmischem Applaus bei und beorderte so die Solistin noch einige Male auf die Bühne zurück. Ein durchaus optimistischer, anregender Auftakt in den Konzertabend im frisch renovierten grossen Konzertsaal.

Grundsätzliches zu Konzertmeister Mark Steinberg

Konzertmeister Mark Steinberg
Konzertmeister Mark Steinberg

Der amerikanische Geiger Mark Steinberg machte im Jahr 2001 von sich reden, als er zusammen mit der Starpianistin Mitsuko Uchida sämtliche Violinsonaten Mozarts aufführte — und zwar einmal auf modernen, einmal auf historischen Instrumenten. Kammermusik steht auch sonst im Zentrum von Steinbergs Wirken: Er ist Gründungsmitglied des Brentano String Quartetts, in dem sich 1992 Absolvent*innen der renommierten New Yorker Juilliard School zusammenfanden.

 

 

 

 

 

HENRY PURCELL
Fantasia Z. 740, a4, a-Moll
Fantasia Z. 736, a4, B-Dur
Fantasia Z. 738, a4, c-Moll
Fantasia Z. 745, a5, F-Dur (Fantazia upon One Note)

Konzertmeister Mark Steinberg
Konzertmeister Mark Steinberg

Barockmusik hat immer so etwas ernsthaft – feierlich, fast liturgisches an sich und ruft ein unbestimmtes Ehrfurchtgefühl hervor. Henry Purcell (1659 – 1695) galt schon  zu seinen Lebzeiten als der bedeutendste englische Komponist und wurde daher mit dem Ehrentitel Orpheus britannicus gewürdigt. Sein Anthem für die Trauerfeier der Königin Maria II. von England wurde in einer elektronischen Fassung von Wendy Carlos zur Titelmusik von Stanley Kubricks Film Uhrwerk Orange (A Clockwork Orange). Purcells Musik ist ungemein vielschichtig: manchmal klingt sie so einfach wie ein Volkslied, meistens aber überwiegt das ernsthafte, widerspiegeln die Kompositionen den Puritanismus der damaligen Zeit. Die Musiker*innen, jetzt wieder ohne die Bläsersektion spielen die vier kurzen Stücke stehend ( Ausnahme die Cellist*innen und die Kontrabass*istinnen). Etwas Gewöhnung bedürftig, zumindest für die Mehrheit des Publikums waren diese Töne schon, entsprechend auch die Reaktion eher zurückhaltend, vor allem nach dem vorangegangenen  quirligen, optimistischen Mozart Klavierkonzert. So begab man sich dann eher etwas still und nachdenklich in die kurze Pause.

WOLFGANG AMADEUS MOZART – KONZERT FÜR KLAVIER UND ORCHESTER NR. 24 C-MOLL KV 491

Mitsuko Uchida Solistin am Klavier
Mitsuko Uchida Solistin am Klavier

Moll-Kompositionen in Mozarts Werk sind so selten, dass sie die Autoren, Musiker und Hörer unheimlich anziehen wie ein Unglück die Schaulustigen. Es ist, als dürfe man, verwirrt von der kühlen Artistik seines Stils, endlich einmal dem Hervorbrechen tragischen, persönlichen Erlebens beiwohnen. Doch können wir dieses Moll-Konzert wirklich als emotionales Zeugnis hören, als “Ausbruch”, wenn wir bedenken, dass Mozart zeitgleich am überaus Dur-lastigen “Figaro” schrieb (das Moll von Barbarinas Nadel-Arie ist ganz Parodie)? Die These vom dämonischen Moll-Gegengewicht überzeugt nicht. Als wäre das nicht problematisch genug, steht KV 491 ausgerechnet in c-Moll, jener Tonart, die Beethoven mit heftigem Pathos prägte. Doch Mozarts c-Moll-Werke erfüllen nicht, was wir seit Beethoven von c-Moll erwarten. Und da sind wir dann beim verhängnisvollen Motiv “Fast schon Beethoven” angelangt. Dennoch, dem Zwang, hier dämonische Gewalten zu hören, lässt sich kaum entgehen. weicht der pathetischen Anmutung fast spröde aus.

Mozart fordert bei seinen Klavierkonzerten viel Geduld von den Solist*innen

So lässt Mozart die Solistin auch hier fast 2 1/2 Minuten warten, bis sie sich ins Spiel einbringen darf, aber dann interpretiert Mitsuko Uchida mit einer gelassenen Transparenz, einer weisen Unaufgeregtheit. Am bestechendsten ist das breite Tempo, mit dem die japanische Solistin  das Variations-Finale, oft als Geschwindmarsch überhetzt, in fast kammermusikalische Innerlichkeit zurückgeführt hat. Sie hat genau begriffen, dass man bei Mozart nicht bis auf den Grund dringt, wenn man nur auf die erregende Dramatik vertraut.

Mozarts Hang zu dramatischen Gesten

Solistin und Orchester scheuen die wuchtige, theatralische Geste nicht, aber sie hören das Stück nicht als erschütterndes Ausnahme-Ereignis, sondern als klangerforschende Aufgabe. Man genießt den üppigen Bläsersatz – Flöten, Oboen, Fagott und Klarinetten – in keinem Konzert hat Mozart das sonst aufgeboten. Und Mitsuko Uchida  steht dem prächtigen Orchester mit herrlichem pianistischen Farbspektrum nicht nach. Gradliniger «Marsch» der Protagonist*innen durch die Partitur, die Nuancen ausreizend, die Ausrufezeichen präzis setzend, mit einer Spielfreude, die auch den Zuhörern so richtig einfährt und die besinnliche Pausenstimmung hinwegfegt.

Für diese Demonstration dürfen die Musikerinnen denn auch begeisterten Beifall ernten der nicht nachlässt, bis sich Uchida doch noch zu einer kurzen Zugabe überreden, besser überklatschen lässt.

Mitsuko Uchida ist eine lebendige Geschichtenerzählerin an den Tasten

Lauscht man der Pianistin bei ihrer Interpretation der beiden Klavierkonzerte, so ist es, als würde man gebannt einer Geschichte folgen, bewegend, eindringlich und dicht erzählt von der souveränen Meisterin an den Tasten. Ein weiteres Migros – Kulturprozent – Classics Konzert das zu begeistern wusste.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/  

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Festkonzert mit Oliver Schnyder – in memoriam Alexander Schaichet, Tonhalle Zürich, 25.1.22, besucht von Léonard Wüst

Das ZKO im grossen Saal der Tonhalle Zürich
Das ZKO im grossen Saal der Tonhalle Zürich

Besetzung und Programm:

Oliver Schnyder (Klavier)
Zürcher Kammerorchester
Willi Zimmermann (Violine & Leitung)

Willy Burkhard Toccata für Streichorchester op. 55
Johann Sebastian Bach Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll BWV 1052
Dmitri Schostakowitsch Zwei Stücke für Streicher op. 11
Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzert Nr. 26 D-Dur KV 537 «Krönungskonzert»

Martin Vollenwyder
Martin Vollenwyder, Präsident Tonhallegesellschaft

Begrüsst wurde das zahlreich erschienene Publikum  von Martin Vollenwyder, Präsident des Verwaltungsrats der Tonhalle Gesellschaft AG mit einigen Informationen über den gebürtigen Ukrainer Alexander Schaichet, Gründer des ZKO, dem dieses Konzert gewidmet war und  von Kathrin Martelli, Präsidentin des Vereins ZKO mit Dankesworten für die Unterstützung des ZKO, die besonders in diesen schweren Zeiten äusserst wertvoll gewesen sei.

Willy Burkhard Toccata für Streichorchester op. 55

Kathrin Martelli Präsidentin des Vereins ZKO
Kathrin Martelli Präsidentin des Vereins ZKO

Die Aufführung der Toccata für Streichorchester op. 55 schliesslich unterstreicht den
grossen Stellenwert, den Schaichet der Schweizer Musik seiner Gegenwart zuwies.
Ein bedeutsames Zeichen dafür ist, dass Willy Burkhard, einer der zentralen Kom-
ponisten der Schweiz des 20. Jahrhunderts, seine Toccata Alexander Schaichet und
dem Kammorchester Zürich widmete, die es 1939 auch zur Uraufführung brachten.

 

Zum Orchester an sich: Das "Kammerorchester Zürich" (1920-1943) wurde von Alexander Schaichet gegründet , und später, zum von Edmond de Stoutz 1946 gegründeten "Zürcher Kammerorchester".

Information von Herrn Louis de Stoutz, Sohn des Orchestergründers Edmond de Stoutz:
 

Zwischen 1943 und 1946 existierte kein Kammerorchester ähnlichen Namens in Zürich. Ende 1946 begann mein Vater mit einigen Studienkollegen in der Freizeit zu musizieren. Als von Freunden Interesse für Engagements aufkam gab sich dieses Ensemble zunächst den Namen "Hausorchester Vereinigung Zürich". Für das erste Konzert im Ausland, am 21. Mai 1951 in Mailand, traten sie unter dem Namen "Orchestra da Camera di Zurigo" auf und überlegten sich dann, den schrecklichen alten Namen durch "Zürcher Kammerorchester" zu ersetzen. Bevor sie dies taten versicherte sich Edmond de Stoutz persönlich bei Herrn Schaichet, dass dieser nichts gegen den zwar unterschiedlichen, doch ähnlichen Namen hatte. Schaichet gab ihm sofort sein Einverständnis.

 

 

 

Alexander Schaichet 1962
Alexander Schaichet 1962

Perfekter Einstieg in den Konzertabend mit den Sätzen Präludium, Aria und Finale aus dem Werk des Schweizer Komponisten. Die Musiker, alle, ausser den Cellist*innen stehend, interpretierten die Sätze beschwingt leicht und mit sichtlicher Spielfreude, den das Publikum mit langanhaltendem Applaus honorierte.

Johann Sebastian Bach Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll BWV 1052

Der Konzertflügel wird an den richtigen Platz gerollt, der Klavierhocker davor postiert und schon betritt der ganz in schwarz gekleidete Solist Oliver Schnyder die Bühne, empfangen von einem warmen Willkommensapplaus.

  • Ursprünglich als Cembalokonzert komponiert. Wenn das neue Instrument nicht einfach ein großes Cembalo mit 16-Fuß-Register gewesen war, könnte es sich um ein Lauten- oder Gambenclavier oder ein großes Pantalon in Flügelform gehandelt haben. Das Hammerklavier war bis in die 1740er Jahre noch nicht weit genug entwickelt, um Bachs Ansprüche zu befriedigen, und wurde auch 15 Jahre später allgemein nur als Solo- und Kammermusikinstrument angesehen. Das dreisätzige Werk ist wie folgt geschrieben:
  • Allegro ¢ d-Moll
  • Adagio 3/4 g-Moll
  • Allegro 3/4 d-Moll
Festkonzert in memoriam Alexander Schaichet
Festkonzert in memoriam Alexander Schaichet

Den Kopfsatz verwendete Bach 1726 in der Kantate BWV 146 als Vorspiel, den zweiten Satz für den Eingangschor „Wir müssen durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen“, indem er vier Singstimmen in den Konzertsatz hineinkomponierte. Das tänzerische Finale diente ihm zwei Jahre später als Sinfonia zur Kantate BWV 188 „Ich habe meine Zuversicht“. Die reichen Verzierungen der Solostimme im Mittelsatz verdecken ein wenig die Tatsache, dass sie und die Linie der ersten Violine einander imitieren. Der Schweizer Starpianist vergrub sich in die sehr verschachtelte, fugenähnliche Partitur, interpretierte diese aber nie verbissen ernst, aber mit der nötigen Ernsthaftigkeit. Das Orchester, geleitet von Konzertmeister Willy Zimmermann bewegte sich jederzeit auf Augen – bzw. Notenhöhe mit dem Solisten und begleitete diesen kongenial.

Geballte Energie verbunden mit Werktreue

Tonhalle Zürich grosser Konzertsaal
Tonhalle Zürich grosser Konzertsaal

Ein Ausbund an Energie wird hier inszeniert. Das d-Moll Klavierkonzert wird zum atemlos-düsteren Krimi, in dem einem das Manisch-Bohrende der Tonrepetitionen erstmals so richtig bewusst wird. Die vielbeschworene Partitur Treue und “Korrektheiten” der historischen Aufführungspraxis werden zur selbstverständlichen Nebensache – angesichts solcher Spielfreude, die auch rabiate Zugriffe nicht scheut. Für das wunderschön gespielte Bachstück ernteten die Musiker langanhaltenden Beifall Bevor man sich in die Foyers in die Pause begab.

 

 

 

 

 

 

 

 

Dmitri Schostakowitsch Zwei Stücke für Streicher op. 11

Tonhalle Zürich grosser Konzertsaal
Tonhalle Zürich grosser Konzertsaal

Während das erste Stück, das «Präludium» noch grosse Bezüge zu Bach aufweist, weist das anschliessende «Scherzo» schon auf Schostakowitschs, damals noch Student, kommende wilde Art, später in die berühmte Doppelbödigkeit führenden Weg hin. Im vergleich zu späteren Werken nicht düster, geheimnisvoll, sondern schon fast locker heiter, so auch interpretiert vom hervorragenden Orchester und belohnt mit entsprechendem Applaus.

Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzert Nr. 26 D-Dur KV 537

Oliver Schnyder Solist am Piano Foto Marco Borggreve
Oliver Schnyder Solist am Piano Foto Marco Borggreve

Das 26. Klavierkonzert trägt den allgemein verwendeten Beinamen Krönungskonzert, da es zur Kaiserkrönung Leopolds II. 1790 in Frankfurt entstand. Dort wurde es am 15. Oktober zusammen mit dem 19. Klavierkonzert KV 459 in einem Festkonzert gespielt.

Das Intro des Orchesters, inzwischen durch Bläser und Schlagwerk erweitert, mit der Streuung des Themas dauert über zweieinhalb Minuten, bevor der Solist am Piano zum ersten Mal in die Tasten greifen kann.

 

 

 

 

Tonhalle Zürich grosser Konzertsaal
Tonhalle Zürich grosser Konzertsaal

Der Kopfsatz beginnt eher verhalten in piano, bevor feierliche Trompetenklänge das Orchestertutti einläuten. Ein zweites ebenfalls zunächst piano vorgetragenes Thema wirkt verschmitzt und zieht einen längeren Nachsatz mit sich, welcher jedoch kaum als eigenständiges drittes Thema zu bewerten ist. Die folgende Soloexposition beginnt mit dem solo vorgetragenen ersten Thema und erweitert anschließend das zweite Thema erheblich. Die folgende Durchführung geht zunächst motivisch vor, endet jedoch nahezu improvisatorisch. Die musikalische Gestaltung ist nicht von gewohnter Qualität, sondern beschränkt sich oftmals auf Tonleiterläufe. Einzig der Beginn der Durchführung besteht durch eine Wendung nach Moll aus dramatischen Elementen. Die Reprise verläuft im Wesentlichen regelgerecht und führt relativ unvermittelt zur Solokadenz. Der Satz endet anschließend mit einem ungewöhnlich kurzenSchlussritornell mit einigen festlichen Akkorden.

 

 

 

 

Tonhalle Zürich grosser Konzertsaal
Tonhalle Zürich grosser Konzertsaal

Im Finalsatz in Form eines, von Mozart oft verwendeten grossen Rondos, stellt das Soloklavier ein einfaches, vergnügtes Thema vor, welches vom Orchester mit Paukenakzentuierungen aufgenommen wird. Das erste Couplet wendet sich kurzzeitig nach a-Moll und besteht vor allem aus Tonleiterläufen des Solisten. Anstelle eines zweiten Couplets fügt Mozart eine kleine Durchführung ein, wie er das bereits in einigen Konzerten getan hatte, und verquickt somit Rondo Form und Sonatensatzform. Diese Durchführung verwendet hauptsächlich das Komplementärthema und moduliert von h-Moll über B-Dur nach G-Dur. Es folgt die Wiederholung des ersten Couplets, welche mittels eines Eingangs des Soloklaviers zur Wiederkehr des Refrain Themas überleitet. Eine feierliche Coda beendet das Rondo.

Schnyder moduliert nuancenreich setzt perlende Läufe, abgestreift die Bach`sche Ernsthaftigkeit des ersten Konzertteils, gewichen Mozart `scher Unbekümmertheit und Lebensfreude. Pure Spiellust erzeugt diese optimistische Komposition bei den Protagonisten, die sich perfekt ergänzen, der quirlige Tastenvirtuose, unterstützt vom Orchester, lässt seiner Spielfreude freien Lauf, setzt markante akustische Duftnoten und glänzt ebenso mit seiner ausgereiften Technik wie mit seinem ausgeprägten Einfühlungsvermögen.

Das Auditorium verdankte diesen Hörgenuss mit stürmischem, langanhaltendem Applaus und liess nicht locker, bis Schnyder noch eine kurze Zugabe gewährte. Ein Konzert, das dem Widmungsempfänger Alexander Schaichet sicher ebenso viel Freude bereitet hätte wie dem zufriedenen Auditorium im prachtvollen  grossen Tonhalle Saal.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos:    www.zko.ch

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Luzerner Theater, Macbeth von Giuseppe Verdi, Première, 22.1.22, besucht von Léonard Wüst

Macbeth Luzerner Theater Hrólfur Saemundsson und Koenige Foto Ingo Hoehn
Macbeth Luzerner Theater Hrólfur Saemundsson und Koenige Foto Ingo Hoehn

Produktionsteam und Besetzung:
Musikalische Leitung: Hossein Pishkar Regie: Wolfgang Nägele Bühne und Kostüme: Valentin Köhler Licht: David Hedinger-Wohnlich Musikalische Assistenz und Nachdirigat: Jesse Wong Dramaturgie: Johanna Mangold , Christine Cyris Choreinstudierung: Mark Daver

Hrólfur Sæmundsson (Macbeth) Christian Tschelebiew (Banco) Susanne Elmark (Lady Macbeth) Eyrún Unnarsdóttir (Dame der Lady Macbeth) Diego Silva (Macduff) Robert Maszl (Malcolm) Sebastià Peris (Arzt / Diener / Mörder / Herold) Luzerner Kantorei (Erscheinungen) Statisterie des Luzerner Theaters (Erscheinungen) Chor- und Extrachor des Luzerner Theaters Luzerner Sinfonieorchester

Uraufgeführt wurde die Oper am 14. März 1847 im Teatro della Pergola in Florenz,
eine revidierte Fassung wurde am 21. April 1865 im Théâtre-Lyrique in Paris uraufgeführt. Die Luzerner haben sich entschieden, eine Mischung der beiden grundsätzlichen Versionen zu Inszenieren. Dafür konnte die international gefeierte dänische Sopranistin Susanne Elmark gewonnen werden und als Macbeth der isländische Bariton Hrólfur Sæmundsson.

Ab Homepage des Luzerner Theater

Ist Macht ein Fluch oder Segen? Und ist Liebe zwischen zwei Menschen immer ein positives Gefühl?

Susanne Elmark  als Lady Macbeth Foto Lars Andreas
Susanne Elmark als Lady Macbeth Foto Lars Andreas

1847 schafft der 34-Jahre junge Giuseppe Verdi auf der Basis von William Shakespeares gleichnamigem Drama mit «Macbeth» ein musikdramatisches Werk, das eine skrupellose Welt vor Augen führt. Macbeth, dem von drei Hexen der Königstitel verheissen wurde, ermordet gemeinsam mit der Lady unter seinem eigenen Dach den König, um dessen Krone und Macht an sich zu reissen. Es ist eine Welt geprägt von Macht, Terror und Mord, in der zwei Menschen, um der Herrschaft willen herrschen wollen. Hier entscheiden Willkür und Zufall über Aufstieg und Fall von Königreichen, die Skrupellosen erzwingen die Gunst der Stunde mit Gewalt.

In der Rezeptionsgeschichte der Oper wird immer wieder betont, Verdi habe im «Macbeth» auf eine Liebesgeschichte verzichtet. Für Regisseur Wolfang Nägele sind Macbeth und die Lady durch eine mächtige Liebe miteinander verbunden, die zum Katalysator der destruktiven Kräfte wird. Realitätsverlust, Wahnvorstellungen und eine symbiotische Verschmelzung sind die Folgen, die musikalisch vor allem in der zweiten Fassung von 1865 übersetzt sind. Verdis Oper spricht mit voller Wucht zu uns und erzählt von der manischen Liebe eines Paares, das die gesamte politische Welt und die Menschen um sich herum mit in den Abgrund reisst.

Aufschrei von Feministinnen zu befürchten?

Hrólfur Sæmundsson als Macbeth Symbolfoto
Hrólfur Sæmundsson als Macbeth Symbolfoto

Entgegen dem Weiblichkeitstrend, manchmal Wahn gar «Gschtürm» präsentiert das LT eine Oper, die fast ohne weibliche Stimmen auskommt, klammert man die überragende dänische Sopranistin und die Chorstimmen mal aus. Die Hexen betrachte ich hier geschlechtsneutral  als Sache, also das Hexe, plural die Hexen, da ich den Shitstorm nicht erleben möchte, wenn ich die dem weiblichen Geschlecht zuordnen würde. Obwohl sie ja in sämtlichen Märchen, siehe z.B. «Hänsel und Gretel», gendergerecht «Gretel und Hänsel», weiblichen Geschlechts sind.

Grundsätzliches zu Verdis Macbeth

Verdi wollte mit Macbeth die Tradition des «Bel canto» hinter sich lassen, wurde dafür von der Kritik als «Totengräber des italienischen bel canto» und Stimmenvernichter bezeichnet, das konnte aber den grossen Zuspruch des Publikums nicht bremsen. Verdi überarbeitete aber die erste Version, fügte mehr Chorsequenzen hinzu.

Eyrún Unnarsdóttir Dame der Lady Macbeth
Eyrún Unnarsdóttir Dame der Lady Macbeth

Die auf Shakespeare zurückgehende Schauergeschichte um das machthungrige Ehepaar Macbeth, das, durch Weissagungen ermutigt, den schottischen König und weitere Adlige umbringt, um selbst den Thron zu besteigen, interpretiert Hossein Pishkar mit einer an Alfred Hitchcock erinnernden Berechnung. Leichtigkeit und sogar Witz bilden hier die Grundlage für grauenerregende Akzente seines analytischen Dirigats.
Hrólfur Sæmundsson in der Titelrolle ist mit jeder Faser seines Körpers Macbeth: in den kantablen Momenten und in den dramatischen. Er ist ohne Zweifel ein überragender Bariton, sowohl die Stimmkultur betreffend als auch die Intelligenz seiner Interpretation. Seine Arie “Pietà, rispetto, amore” gehört zu den Stücken, die man sich wieder und wieder anhören möchte – er gibt dieser Musik, die oft zu Reißern verkommen ist, Bedeutung und Noblesse. Susanne Elmark beherrscht die Rolle der Lady Macbeth. Sie hat Sinn für der Lady`s  dämonische Seite, besonders ihre Anrufung der Hölle im ersten Akt betreffend (“Or tutti sorgete”). Sie überzeugt gequält in der großen Nachtwandelszene. Großartig ebenso ihr “Trinklied” am Ende des zweiten Aktes. Das Premierenpublikum geizte nicht mit jeweiligem Szenenapplaus.

Postmoderne Klagemauer an der Plaza de Mayo

Macbeth Luzerner Theater Susanne Elmark als Lady Macbeth Foto Ingo Hoehn
Macbeth Luzerner Theater Susanne Elmark als Lady Macbeth Foto Ingo Hoehn

Neben einigen substantiellen, gar etwas vulgären  Einfällen zu Beginn, etwa der teilweise entblössten Darstellung des Königs und anderen Edelleuten ( mit Windeln bekleidet, an Rollator schreitend etc.) oder der zweiten “Erscheinung” in der Hexennacht, ist die Inszenierung von Wolfgang Nägele mit treffenden Symbolen «garniert»: Der sich teilweise aufrichtende Boden wird von den Schott*innen später als Pinwand genutzt, um die Fotos von Ermordeten und Verschollenen anzupinnen, eine postmoderne Klagemauer, vor der die schottischen Bürger*innen ihre Verluste, die Ermordung ihrer Führer beklagen, eine Szene, erinnernd an die argentinischen Mütter, die «Madres de Plaza de Mayo»,  die sich auf dem Platz vor dem Regierungsgebäude versammelten, um an den Verlust ihrer Männer und Kinder unter der Militärdiktatur zu erinnern und protestieren.  Bedrückend die düstere Gesamtwirkung der Bühne, wo sich trauernde, verloren wirkende Gestalten bewegten.

Der Baritonvulkan von der Feuerinsel und seine ebenfalls skandinavische Sopranistinnen Bühnenkollegin sangen  und spielten überragend

Macbeth Luzerner Theater_Hrólfur Saemundsson Susanne Elmark Foto Ingo Hoehn
Macbeth Luzerner Theater_Hrólfur Saemundsson Susanne Elmark Foto Ingo Hoehn

Der isländische Gastbariton Hrólfur Sæmundsson singt kräftig und dann fast lyrisch schwermütig. Susanne Elmark meistert mühelos und schnell den Wechsel von gurrenden Tiefen zu höchsten Tonlagen. Verdi ging es in dieser noch frühen Oper bereits schon weniger um Schöngesang, sondern um abgründige, oft expressive Effekte. Auch Diego Silva als Macduff überzeugte. Für Sängerinnen ist die Lady Macbeth eine besondere Rolle. Sie ist die einzige wirklich präsente Frauenrolle in diesem Werk. Und sie ist – seltenst für das 19. Jahrhundert – diejenige, die die Fäden zieht. Mal abgesehen von den Hexen als Schicksalsbild – gesungen von einem vielstimmig durchscheinend und verführerisch reinen Chor zum hervorragend plastisch musizierenden Luzerner Orchester unter Hossein Pishkar.

Chor des Luzerner Theaters
Chor des Luzerner Theaters

Aber zurück zu Elmark. Sie bestimmt die ersten beiden Akte. Vom grausamen Kalkül zum Machtrausch, den sie ins Psychotische kippen lässt. Ihre Stimme ist wahnsinnig vielsagend. Sie verfügt über ein beinahe gurrendes Vibrato in den Höhen, wenn sie bezirzt, ohne je schrill oder hart zu werden. Sie lässt die Koloraturen überschnappen wie ein Wahnsinn, der sich ankündigt. Sie sirrt und summt die Chorlinien mit, während des Festes im zweiten Akt und ist da psychisch eigentlich schon am Ende. Hrólfur Sæmundsson als Macbeth geht dazu den umgekehrten Weg. Die ersten beiden Akte ist er fahl im Gesicht und gesanglich noch etwas zurückhaltend. Lässt der Kraft der Frau allen Raum, den sie braucht, um derart zu beeindrucken. Später dann, im Duett mit einem in Höchstform agierenden Diego Silva  als Macduff, gibt er dem Macbeth mehr Profil. Aber so lange die Frau an seiner Seite ist, ist sie das Zentrum, politisch und strategisch.

Aussergewöhnlich beeindruckende Stimmen

Macbeth Luzerner Theater Szenenfoto von Foto Ingo Hoehn
Macbeth Luzerner Theater Szenenfoto von Foto Ingo Hoehn

Von den Stimmen an diesem außergewöhnlichen Premierenabend kann man nicht genug bekommen: Christian Tschelebiew muss als Banco mit edlem Bass viel zu früh sterben, und Robert Maszl kommt erst am Schluss als rächender Malcolm richtig zum Zug, wenn das ganze Imperium Macbeths in mächtigen Gefühlsausbrüchen untergeht. Zuvor hat sich Susanne Elmarks Lady in der Schlafwandel-Szene eher innig und verletzlich gezeigt und verschwindet fast nebenbei. Der Kommentar von Macbeth, “Was bedeutet schon ein Leben?” bekommt auf diese Weise großes Gewicht, genauso wie sein Schluss-Fluch auf “la vile Corona” – die “niederträchtige Krone” – besonders überzeugend wirkt. Hrólfur Sæmundsson singt auf diesem sehr hohen Niveau, begleitet vom Luzerner Sinfonieorchester in nicht enden wollender Perfektion. Die großen Chorszenen – von den Hexen bis zum gegen den Unterdrücker aufbegehrenden Volk – sind exzellent gearbeitet und schaffen Gänsehautmomente mit feinsten Nuancen und mächtigen Fortissimi. Das, mit Ausnahme eines hängenden Lichtervorhanges, gänzlich schwarz-düstere Bühnenbild ist perfekt auf die Musik abgestimmt.

Perfektion bis zum bitteren Ende

Robert Maszl als Malcolm
Robert Maszl als Malcolm

Auch im dritten Akt gelingt erneut ein optimales Zusammenspiel von Szene und Musik, wenn sowohl Macbeth, als auch der bereits gestorbene Banco und zuletzt die ekstatisch wirkende Lady Einblicke in ihr Seelenleben gewähren. Da entfaltet Verdis Musik eine faszinierende Kraft, auch  ganz ohne Gesang. Besonders berührend auch alle Szenen mit den Kinderdarstellern, die auch gesanglich glänzten.

Luzerner Sinfonieorchester
Luzerner Sinfonieorchester

Zu Macbeth allgemein  passt ein Zitat von Hannah Arendt:

«Macht aber besitzt eigentlich niemand, sie entsteht zwischen Menschen, wenn sie zusammen handeln, und verschwindet, sobald sie sich wieder zerstreuen.»

Fazit: Eine herausragende, trotz der sehr düsteren Shakespearegeschichte, strahlende Galavorstellung der Protagonisten, die das Premierenpublikum restlos begeisterte, und die von ebendiesem mit einer langanhaltenden «Stehenden Ovation» belohnt wurde.

Die Akteurinnen verdanken die Standing Ovation Foto Sandra Neumeister
Die Akteurinnen verdanken die Standing Ovation Foto Sandra Neumeister

 

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.luzernertheater.ch     Ingo Hoehn

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