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Festival Strings Lucerne, Saisoneröffnung „La muse et le poète“, 28.10.2020 KKL Luzern, besucht von Léonard Wüst

Baiba Skride Violine und Pablo Ferrández Violoncello mit den Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia
Baiba Skride Violine und Pablo Ferrández Violoncello mit den Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia

Besetzung und Programm:

Baiba Skride – Violine
Pablo Ferrández – Violoncello
Daniel Dodds – Leitung & Violine
Festival Strings Lucerne

Wolfgang Amadé Mozart
Violinkonzert Nr. 5 A-Dur KV 219

Peter Iljitsch Tschaikowsky
Rokoko-Variationen für Violoncello und Orchester A-Dur op. 33
(Bearbeitung für Streichorchester von D. Walter)

Camille Saint-Saëns
La muse et le poète für Violine, Violoncello und Orchester op. 132
(Bearbeitung für Streichorchester von D. Walter)

Wolfgang Amadé Mozart
Sinfonie Nr. 29 A-Dur KV 201 (186a)

Rezension:

Es könnte wieder für längere Zeit das letzte Konzert vor gutbesetzten Rängen im KKL Luzern werden wusste ich, nachdem ich den nachmittäglichen „Point de presse“ des Bundesrates verfolgt hatte, wobei dieser, u.a., die Begrenzung der Zuschauerzahl für solche Anlässe vorerst wieder auf 50 Personen begrenzt hatte.

Somit beginnt wieder die Ungewissheit für Veranstalter und Künstler, wann, ob und wie es weitergehen soll und wird. Dies ist umso bedauernswerter und ärgerlich, da das Schutzkonzept im KKL Luzern sehr gut funktioniert und strikte angewandt wird.

So müssen jetzt wieder alle Veranstalter darunter leiden, dass einige Clubbetreiber es zuliessen, dass etliche ihrer Besucher sich als Donald Duck und mit ähnlichen Fakenamen eingetragen haben, anstatt die klaren Vorgaben der Behörden seriös umzusetzen.

Wolfgang Amadé Mozart Violinkonzert Nr. 5 A-Dur KV 219

Baiba Skride Violine mit den Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia
Baiba Skride Violine mit den Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia

Im weiträumigen E-Dur-Adagio verwandelt sich das Äther-Licht des ersten Satzes in einen zarten Schimmer. Die Solo-Violine stimmt einen innigen Gesang an, und wie in dem Adagio-Einschub am Beginn des ersten Satzes schweift sie bei ihrem Singen immer wieder für Augenblicke ab, scheint sich nach Moll wie in eine schmerzliche Ferne zu verlieren: Seelenbewegungen, deren Innerlichkeit nicht nur bei der Solo-Stimme feinstes Fingerspitzengefühl erfordert, sondern auch in der Behandlung des Orchester-Apparats. Die fratzenhafte Kehrseite von A-Dur, nämlich a-Moll, steht bei Mozart die wenigen Male, da er diese Tonart verwendete, für unruhige Depressivität.

Mozart lässt die Bässe bedrohlich klingen

Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia
Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia

Und wäre des Bedrohlich-Düsteren noch nicht genug, lässt er die Bässe in dieser Episode „coll‘ arco al rovescio“ spielen, also mit dem Bogenholz, nicht dem Roßhaar auf die Saiten schlagen. Die Sologeige stimmt mit ein in den seltsamen Spuk – dann allerdings kehrt, als wäre gar nichts gewesen, das beschauliche Menuett zurück. Was war nun Maske? Was das wahre Gesicht? Das Finale des A-Dur-Konzerts beginnt rokokohaft-galant, mit einem liebenswürdig zarten Menuett. Doch Mozart wäre nicht Mozart, hätte es damit schon seine ganze Bewandtnis. „Mozart hat immer wieder gerne überraschend Derbes eingeschoben – zum Beispiel dieses ‚Alla turca‘ im Finale. Mozart verbeugt sich ein letztes Mal, mit einer nach oben gerichteten Piano-Geste, die Antwort aber bleibt er – wie immer – schuldig. Die lettische Solistin überzeugte mit ihrer Feinfühligkeit mit einem sanft-warmen, manchmal etwas zu süssem Ton ebenso wie mit eruptiver Expressivität, überspielte dabei aber nie die sie souverän unterstützend begleitenden Strings.

Adagio als Höhepunkt

Besonders eindrücklich intonierte Skride die Adagio-Anwandlung aus Traum und Wehmut die sich auflöst in flirrendes Allegro und das seraphische Licht von A-Dur. Das abschliessende Rondeau machte, schön abgerundet und ausgespielt, seinem Namen alle Ehre. Das  Publikum, im nicht voll besetzten Konzertsaal, belohnte die Ausführenden mit langanhaltendem, stürmischem Applaus.

Dass Mozart sowieso dem Klavier mehr zugeneigt war verdeutlicht diese Episode: Im September 1778, als die Rückreise von Paris nach Salzburg bevorstand und die Fron der heimatlichen Hofmusik ihren bedrohlichen Schatten vorauswarf, schrieb er an den Vater: „Nur eines bitte ich mir zu Salzburg aus, und das ist: dass ich nicht bey der Violin bin, wie ich sonst war. Keinen Geiger gebe ich nicht mehr ab; beym Clavier will ich dirigieren.“ Es war der Schluss-Strich unter die große Zeit des Geigers Mozart.

Peter Iljitsch Tschaikowsky Rokoko-Variationen für Violoncello und Orchester A-Dur op. 33

Pablo Ferrández  Violoncello mit den Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia
Pablo Ferrández Violoncello mit den Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia

Es scheint, als blicke Tschaikowsky in den Rokoko-Variationen wie durch ein Fernglas zurück in eine längst versunkene Welt. In eine Welt, die er offenbar als heil und unbeschwert empfunden hat – und die in extremem Gegensatz steht zur düsteren Atmosphäre der Fantasie „Francesca da Rimini“. Dieses Stück hat Tschaikowsky unmittelbar vor den Rokoko-Variationen komponiert – im Spätherbst 1876, in einer besonders sorgenvollen Lebensphase. Dass Tschaikowsky ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt die Rokoko-Variationen verfasst, spricht von der Sehnsucht nach einer anderen Gegenwart, einer anderen Welt.

Pablo Ferrández  Violoncello mit den Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia
Pablo Ferrández Violoncello mit den Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia

Damit ist aber nicht die höfische Rokoko-Welt mit Perücke, Puder und Tanz gemeint – sondern eine bestimmte Klangwelt, die Tschaikowsky kurzerhand mit dem Begriff „Rokoko“ bezeichnet hat: Die Klangwelt des 18. Jahrhunderts – und zwar vor allem die von Wolfgang Amadeus Mozart. Die Musik dieses „sonnigen Genies“ rühre ihn „zu Tränen“, schrieb Tschaikowsky einmal. Komponiert hat er die heiteren, eleganten und geistvollen Variationen über das von ihm selbst erfundene „Rokoko“-Thema im Dezember 1876. Der 29 jährige spanische Solist, Stipendiat der Anne-Sophie-Mutter Stiftung, spielt mit dichtem satten Ton, mitreissend von brummenden Tiefen in klarste Höhen um dann, unvermittelt teilweise agressiv, bei den Verzierungen irritierend verwuselt zu klingen, brilliert aber mit seinen Crescendi und dem perfekten Zusammenspiel mit dem Orchester. Dem Auditorium gefiel diese Spielweise, was sich durch den stürmischen Applaus auch manifestierte.

Camille Saint-Saëns La muse et le poète für Violine, Violoncello und Orchester op. 132

Baiba Skride Violine und  Pablo Ferrández  Violoncello mit den Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia
Baiba Skride Violine und Pablo Ferrández Violoncello mit den Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia

Die Andantino-Einleitung in e-Moll zeichnet ein Bild der Schwermut. Im schwer lastenden Vorspiel klingt bereits eine schwermütige Weise an, die nur ganz kurz von einer leisen Dur-Terz der Violine verscheucht wird. Wenn sich der Dichter zu Wort meldet, steigt das Cello aus tiefer Lage in die Höhe, und die schwermütige Liedweise in e-Moll kehrt zurück. Erst mit dem zweiten Einsatz der Violine wendet sich das Blatt: Sie trillert auf der Quint h’’, erst in Moll (h-c), dann in Dur (h-cis), und plötzlich bricht fast ekstatisch ein Poco allegro in E-Dur hervor – Symbol für den „Musenkuss“, der sich in fast schon erotischen Fiorituren der Geige über den Dichter ergießt.

Die Muse (Geige) umwirbt den Dichter, (das Cello)

Baiba Skride Violine und  Pablo Ferrández  Violoncello mit den Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia
Baiba Skride Violine und Pablo Ferrández Violoncello mit den Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia

Noch ist er aus seiner Melancholie nicht erlöst: Das klagende Cellosolo in e-Moll kehrt zurück. Nun werden die Überredungskünste der Violine drängender (Allegretto), und endlich lässt sich der Dichter auf ein Duett ein. Dolcissimo und Teneramente, „sehr süß und zärtlich“ soll es klingen. Nach langer Überleitung und einer Violinkadenz rafft sich der Dichter endlich zu einem seufzenden Thema auf (Allegretto moderato B-Dur). In hoher Lage antwortet die Muse so verführerisch, dass sie nun auch den Dichter in ihre Sphäre hinaufzieht. Doch wieder verfällt er seiner natürlichen Schwermut. Der Dialog spitzt sich in Moll dramatisch zu, woraus plötzlich ein wildes Molto allegro in c-Moll hervorgeht. Das Cello alias der Dichter lässt seiner angestauten Verzweiflung in Form punktierter Rhythmen, wilder Tremoli und Arpeggi freien Lauf.

Die Violine holt das Cello aus seiner Melancholie

Nun aber antwortet die Violine mit einer so zärtlichen Melodie in hoher Lage, dass jeder Widerstand zwecklos ist. Endlich kann sie die dunklen Wolken vom Gemüt des Poeten verscheuchen und ihn allmählich und ganz zärtlich in ein Liebesduett verstricken. In einer kurzen Kadenz schwankt das Cello noch einmal zwischen Dur und Moll und lässt danach seine Leidensmelodie in e-Moll ein letztes Mal anklingen. Nun aber ist das Leid überstanden, Muse und Dichter werfen einander ekstatische Melodien zu, und es kommt zum dramatisch gesteigerten Durchbruch ins längst erwartete E-Dur. Das Stück schließt nach 20 Minuten orgiastisch, gleichsam in der ungehemmten Ekstase des Schaffens. Trotz nicht immer vollkommener Spielharmonie der beiden Solostimmen, war das nicht so oft programmierte Werk ein Genuss für die Ohren, belohnt mit dem entsprechenden Applaus.

Wolfgang Amadé Mozart Sinfonie Nr. 29 A-Dur KV 201 (186a)

Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia
Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia

Zum krönenden Konzertabschluss das Highlight des Abends, von Spielfreude nur so übersprudelnde „Strings“ intonieren Mozart in Reinkultur. Im ersten Satz, einem Allegro moderato, schafft es das Hauptthema erst allmählich, Aufmerksamkeit zu erlangen, doch wie Mozart diesen Prozess gestaltet, zeugt von großer Entwicklungskunst. Wenn dieses Hauptthema wiederholt wird, spielen es die tiefen Streicher dazu sogar in einem Abstand von nur einem halben Takt. Diese Kompositionsweise ist durchaus modern. Denn es scheint, als werde die Melodie wie in der Kammermusik auf verschiedene Stimmen verteilt. Und Mozart gelingt so eine gekonnte Steigerung des Ursprungsmaterials. Auf eine komplexe Durchführung folgt ein musikalisch wohl ausgefülltes Satzfinale.

Im Andante, das ein behutsames, beinahe wie ein Nachtlied geformtes Thema bereithält, beeindrucken die gedämpften Violinen – und das Klangbild: Mozart setzt die für eine Symphonie damals üblichen Instrumente ein. Doch wie er das macht, lässt aufhorchen, es ergeben sich ungeahnte Farben. Die Musiker liessen ihre Bogen fliegen und tanzen, mit Blicken und Körperbewegungen geleitet von ihrem, wie fast immer sitzenden, musikalischen Leiter Daniel Dodds an der ersten Geige.

Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia
Festival Strings Lucerne Foto Fabrice Umiglia

Das Menuett zeichnet einen Gegensatz aus »Zierlichkeit und fast beethovenscher Gewalttätigkeit« aus. In der Tat ist dieser dritte Satz betont gegensätzlich gehalten, dennoch beziehen sich die beiden Mittelsätze aufeinander, indem sie jeweils mit einem punktierten Rhythmus arbeiten. Das Finale, ein Allegro con spirito im 6/8-Takt, bestach schließlich mit virtuosen Läufen und Verzierungen sowie einer klug gearbeiteten Durchführung. Das Auditorium belohnte die Musiker mit langanhaltendem, kräftigem Applaus, ahnend, dass man für längere Zeit wohl keine Live Konzerte mehr wird geniessen können.

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: Fabrice Umiglia  festivalstringslucerne.org/de/home

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Freundlichkeit ist der beste Wirt erinnert der Gastroexperte Herbert Huber

Nicht alles ist so rosig in unserer Gastronomie Foto Raphael Reischuk pixelio.de
Nicht alles ist so rosig in unserer Gastronomie Foto Raphael Reischuk pixelio.de

Unhöfliches Personal, lieblose Speisekarten, zu Tode dekorierte Menüs– viele Schweizer Restaurants beherrschen ihr Kerngeschäft nicht: mit Hingabe kochen und mit Herzblut Gastgeber sein.

Nicht immer wird man so freundlich erwartet
Nicht immer wird man so freundlich erwartet

Und es gibt sie doch, die Beizen, wo man gerne einkehrt, herzlich empfangen wird, entzückt die Speisekarte studiert – wo man wieder erkannt und auch einmal auf ein Glas eingeladen wird. Aber es gibt auch die anderen. Restaurants, die eine Unfreundlichkeit verströmen, als würden die Wirte nicht von den Gästen leben. Lokale mit Menükarten, die beliebiger und einfallsloser nicht sein könnten.

Dabei ist es eine wundervolle Aufgabe, Gastgeber zu sein. Und es können durchaus bessere Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Gäste zufrieden nach Hause gehen und freudig wiederkommen.

Das Internet ist die heutige Visitenkarte 

Herzlich Willkommen
Herzlich Willkommen

Heute ist der Internet Auftrittt die Visitenkarte einer Beiz, nicht nur für die Gäste, auch für Mitarbeiter, die eine neue Stelle suchen. Leider sind sie nur allzu häufig unprofessionell gestaltet. Nicht aktualisierte Websites mit Frühlingsangeboten tief im Herbst. Eine komplizierte Navigation, die dem interessierten Gast die Lust auf eine Tischreservation vergällt. Oder unattraktive Bilder, die eher abschrecken als gluschtig machen.

Telefonkommunikation äusserst wichtig

Ans Restauranttelefon gehören Menschen, die den Betrieb in- und auswendig kennen. Sie sollen sich mit Namen vorstellen, eine sympathische Stimme haben und mit guten Sach – und Sprachkenntnissen Auskunft geben können.

Empfang der Gäste das A und O

Reservierungen sind ein gutes Zeichen Foto Petra Bork pixelio.de
Reservierungen sind ein gutes Zeichen Foto Petra Bork pixelio.de

Wer zu Hause Freunde empfängt, scheut meist keinen Aufwand. Das sollte auch der Massstab für eine Beiz sein. Es gibt noch solche Orte. die das Gefühl vermitteln, willkommen zu sein. Beizen mit Mitarbeitern, die Menschen sind und einen Namen haben, die sich persönlich vorstellen oder – wie kürzlich in einer Luzerner Landbeiz – ein Begrüssungskärtli mit ihrem Namen auf den Tisch legen. Leider erlebt man aber auch Dinge, die einen sprachlos zurücklassen: Kürzlich wollte ein Freund in einem renommierten Restaurant eine Hunderternote wechseln. Die Antwort: «Wir sind doch keine Wechselstube.» Freundlichkeit ist nur beschränkt lernbar – im Grunde ist sie Herzenssache. Einen griesgrämigen Gast zufriedenstellen zu können, ist Kunst und Herausforderung zugleich.

Betreuung am Tisch

Sichtliche Freude an seiner Arbeit
Sichtliche Freude an der Arbeit

Im Restaurant möchte man es noch etwas schöner, gediegener und spezieller haben als zu Hause. Sonst kann man getrost auf den Ausgang verzichten. Oft vergessen Gastgeber, dass die Gäste heute kulinarisch besser gebildet sind als noch in den Siebzigerjahren. Das heisst, dass die Servierenden die Kenntnisse der Gäste respektieren und nur dann beratend «eingreifen», wenn sie spüren, dass der Gast es wünscht. Romane am Tisch erzählen ist out, erläutern, was auf dem Teller liegt, dagegen erlaubt, manchmal sogar erwünscht.

Man darf auch fragen, ob der Gast die Erklärung wünscht oder eben nicht. Wichtig ist, dass die Harmonie zwischen Service und Küche spürbar ist. Die Zusammenarbeit von Küche und Service ist für den Gast von grosser Bedeutung, aber auch für das Selbstwertgefühl des Teams.

Speisekarten sollten animieren, nicht abschrecken

Wenn alle Speisekarten so schön bebildert wären FotoMargot Kessler pixelio.de
Wenn alle Speisekarten so schön bebildert wären FotoMargot Kessler pixelio.de

Auf meinen Beizenbummelgängen habe ich den Eindruck bekommen, dass die Köche langsam begreifen, dass ellenlange Speisekarten nicht mehr das Wahre sind. Sowohl für die Gäste, die bei der Qual der Wahl schlicht überfordert sind, wie auch für die Servierenden, die dann das Wunschkonzert der Gäste in die Küche übermitteln.  Das kann in einem «Service-Tohuwabohu» enden. Zudem schätzen Gäste heutzutage frische Produkte und möchten nicht mit Convenience-Food abgespeist werden. Weniger also ist in der Regel mehr. Sich als Beizer auf etwas spezialisieren, ist eine sinnvolle Lösung. erfolgreiche Beispiele dafür gibt es genug. Oder wie wäre es, einmal mit den Stammgästen ein «Brainstorming » durchzuführen, um so aus erster Hand zu erfahren, was ihr Begehr ist?

Hauptgänge oft mehr Schein als Sein

Meine Behauptung in einer Tageszeitung dass eine Generation von Köchen zu Dekorateuren ausgebildet wurde und viele dabei das Kochen verlernt hätten, hat die Branche aufgerüttelt. Alles, was vom Wesentlichen ablenkt stört. Was haben wir von einem Weinbraten, der hypermodern mit Spurenelementen von Gemüse und Beilage angerichtet ist, der aber von einer Sauce ohne Wein und Körper begleitet ist? Dafür da noch ein Klacks mit eingedicktem Balsamico und dort noch eine Kapuzinerblüte.

Oder ein verwelktes Sträussli Peterli, das dann sowieso im Schweinekübel landet. Alle Achtung hingegen vor Köchen, die sich auf die Zubereitung, das Dekorieren und Tüfteln gleichermassen verstehen.

Kinder von heute sind Gäste von morgen

Kindermenu Symbolfoto
Kindermenu Symbolfoto

Fantasieloser könnten «Kindermenüs» heute vielerorts nicht daherkommen. Pappige Nuggets mit roter Sauce oder «Coupe Bambi» im viel zu hohen Glas, sodass das Kind auf dem Stuhl knien muss, um an seine Glace zu gelangen. Am besten lädt man eine Kindergärtnerin mit Kindern in den Betrieb ein und fragt die Kleinen direkt, was sie mögen. Degustationen von Naturprodukten sind ebenfalls eine Idee, Kinder mit Essen glücklich, demzufolge auch zufrieden, zu stimmen.

Weinpreise als Gradmesser

Jahrelang hat man dem Wirtevolk eingetrichtert, die Preise für das Essen tief zu halten und mit den Weinen die entgangenen Margen quer zu subventionieren Eine folgenschwere Sünde. Heute weiss jeder Gast, was die Lebensmittel kosten, und ist auch bereit, für eine tolle Küchenleistung zu bezahlen. Der Erfolg derjenigen Berufskollegen, die die Menüpreise leicht erhöhen, die Weinpreise aber moderat halten, zeigt, dass die Preisgestaltung in diese Richtung gehen sollte.

So gäbe es noch vieles zu überdenken in der Gastroszene. Hahnenwasser: gratis oder nicht? Wie ist die Kaffee- und Teekultur hochzuhalten?

Goldene Jahre adieu

Auch Kaffeekultur ist wichtig Foto Petra Bork pixelio.de
Auch Kaffeekultur ist wichtig Foto Petra Bork pixelio.de

Viele Wirte haben von den «Goldenen Zeiten» in den Neunzigerjahren zu Recht profitiert. Wer hätte damals gedacht, dass es wieder einmal anders kommen könnte? Und wenn die Menschen aus Spargründen nicht mehr so oft auswärts essen, steigen die Ansprüche erst recht. Gäste gehen dorthin, wo sie freudvoll bedient werden. Wo Gastgeber statt Gastnehmer anzutreffen sind, freundliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Wohlfühlerlebnis beitragen und wo Preis und Leistung stimmen.

Text: www.herberthuber.ch

Fotos: www.-pixelio.de

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Luzerner Sinfonieorchester, Saisoneröffnung Mittwoch, 14. Oktober 2020, besucht von Léonard Wüst

Luzerner Sinfonieorchester mit James Gaffigan
Luzerner Sinfonieorchester mit James Gaffigan

Besetzung und Programm:

 
Aaron Copland (1900‒1990)
«Fanfare for the Common Man»

Franz Berwald (1796 – 1868)
«Traumreise», Lieder für Sopran und Orchester
(Konzept: Lisa Larsson, Orchestrierung: Rolf Martinsson)

Johannes Brahms (1833 – 1897)
Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98

 

Rezension:

SaisonerSaisoneroeffnung Luzerner Sinfonieorchester mit James Gaffigan und Lisa Larssonoeffnung Luzerner Sinfonieorchester mit James Gaffigan und Lisa Larsson
Saisoneroeffnung Luzerner Sinfonieorchester mit James Gaffigan und Lisa Larsson

Auch bei diesem Konzert wurde sehr auf die Sicherheit der Besucher/innen Wert gelegt, die Sicherheitsmassnahmen daher strikt eingehalten, inkl. personalisierter Tickets für eine allfällige Nachverfolgung bei Infektionsvorkommen. Sogar die Streicher des Orchesters trugen Maske, was zusätzlich ein Gefühl der Sicherheit vermittelte.

Mit den sprichwörtlichen Pauken und Trompeten startete das Residenzorchester des KKL Luzern dann in die Konzertsaison 20/21, die auch grad die letzte von Chefdirigent James Gaffigan ist, der das Zepter über das Luzerner Sinfonieorchester nach zwölfjähriger, erfolgreicher Tätigkeit Ende Saison an seinen Nachfolger Michael Sanderling übergeben wird.

«Fanfare For The Common Man».

Kurz, rhythmisch und laut ist das Werk des US-amerikanischen Komponisten Aaron Copland. 1942 für den Dirigenten Eugène Aynsley Goossens geschrieben  war es von der Rede des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten, Henry A. Wallace, inspiriert, in der dieser das „Jahrhundert des Normalbürgers“ ausrief. Eine perfekte Komposition, bei der sich die Schlagwerker mal so richtig austoben und auf die reellen Pauke hauen durften, was auch dem Auditorium gefiel.1977 wurde Coplands Fanfare gar von der britischen Band Emerson, Lake and Palmer auf dem Album Works Volume 1 interpretiert. Der Titel wurde zu einem der größten Hits der Band, als eine bearbeitete Version als Single veröffentlicht wurde.

Anschliessend begrüsste Intendant Numa Bischof  Ullmann das Publikum und dankte für die Treue gegenüber dem Orchester, das unter Chefdirigent James Gaffigan dessen Abschiedssaison amerikanisch eröffnet hatte. Das Konzert, ergänzte er auf Englisch, würde auch live gestreamt, da man das vorgesehene Gastspiel mit dem gleichen Programm im Konserthuset Stockholm in zwei Wochen, aufgrund Corona,  nicht wahrnehmen könne.

Traumreise

Sopranistin Lisa Larsson
Sopranistin Lisa Larsson

Die Sopranistin Lisa Larsson liess eine Auswahl von Berwalds Klavierliedern von Landsmann Rolf Martinsson orchestrieren. Zitat Lisa Larsson: Mir war daran gelegen, Berwalds Lieder einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Gemeinsam mit Rolf Martinsson konnte ich die verschiedenen Stimmungen der Lieder in neue Orchesterfarben umwandeln. Mit der Orchesterfassung können wir den Liedern neues Leben einhauchen! Es handelt sich keinesfalls nur um ein ‹Lieder-Bouquet›. Ich habe insgesamt neun Lieder von Berwald ausgewählt, deren letztes – «Traum» – dem Zyklus den Titel gab: «Traumreise».

Sopranistin Lisa Larsson
Sopranistin Lisa Larsson

Die Sopranistin, optisch dem vorgefassten Bild einer „typischen“ Schwedin entsprechend: blond, schlank mittelgross, trug die meist romantischen Lieder aber nicht etwa nordisch kühl, sondern mit kräftigem Sopran, viel Gefühl und Sensibilität vor. Dies erst noch dreisprachig, auf Schwedisch, Französisch und Deutsch, entsprechend dem, was sie zuvor erklärt hatte, geht diese Traumreise von Stockholm im hohen Norden, über Paris bis schlussendlich nach Luzern. Wechselnd von Melancholik zu Überschwang und lupfiger Erzählweise, modellierte und phrasierte sie die, von ihr mitüberarbeitete Partitur. Das Auditorium genoss und verdankte ihr das mit viel Applaus und Bravorufen.

Johannes Brahms (1833 – 1897) Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98

Der erste Satz folgt dem konventionellen Schema der Sonatensatzform, ist geprägt von einer Folge absteigender Terzen die im Verlauf der gesamten Sinfonie mehrfach variiert werden.

Auch der zweite Satz beginnt ungewöhnlich. Zuerst ein archaisch anmutendes Bläserthema, später dann eine warme, schier unendlich scheinende Kantilene der Celli. Das Intro der Hörner zu Beginn des zweiten Satzes gemahnt mich immer an das „Munotsglöckchen“, ein Motiv, das vom gesamten Ensemble in diversen Variationen übernommen und schlussendlich im Finale von den Bässen akzentuiert wird, bevor die Streicher das Ganze weich ausfliessen lassen, das von der Querflöte noch veredelt wird.

Resoluter, kontrastreicher 3. Satz

James Gaffigan
Dirigent James Gaffigan

Sehr resolut der dritte Satz, der größtmögliche Kontrast: ein lärmendes, fast burleskes „Allegro giocoso“. Einwürfe von Piccolo Flöte, Kontrafagott und Triangel geben dem Ganzen einen schon fast grotesk wirkenden Charakter. eine gewollte Heiterkeit, die etwas Drohendes hat. Abrupt geht es in einer Trubel artigen C-Dur-Stimmung weiter, ebenso in einer, für Brahms, eher ungewöhnlichen Instrumentierung, mit zusätzlicher Piccolo flöte, Triangel sowie C-Klarinetten. Gegen Ende des Satzes klingt das Hauptthema des Finalsatzes an, bevor der lärmende Trubel sein Ende findet.

Beeindruckender finaler Satz

Der finale Satz startet mit schönen Hornklängen, unterstützt vom Paukisten, der von den Trompeten unterstützt wird, bevor das ganze Orchester wieder zu einer Einheit findet. Zum Ende duellieren sich die Streicher mit der Pauke, bevor sich die Querflöte und peu a peu die andern Bläser dazugesellen, über alles erheben sich die Blechbläser, die ihrerseits von den Streichern wieder etwas zurückgebunden werden, bevor sich alle zum furiosen Ausklang wieder vereinen. Die Sinfonie, zum Kernrepertoire der Luzerner gehörend, vermochte das Publikum zu begeistern und wurde von diesem auch mit einem stürmischen, langanhaltenden Schlussapplaus honoriert.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: sinfonieorchester.ch/home

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Luzerner Theater Blaubarts Frauen, Eine Chordamen-Revue, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Blaubarts Frauen Szenenfoto von Ingo Hoehn
Blaubarts Frauen Szenenfoto von Ingo Hoehn

Produktionsteam und Besetzung:

Komposition und musikalische Leitung: Christov Rolla Text und Inszenierung: Max Christian Graeff Kostüm: Zoé Brandenberg Dramaturgie: Julia Jordà Stoppelhaar Einstudierung Chor: Mark Daver

Christov Rolla (Jacques, ein Offenbach) Max Christian Graeff (Béla, ein Bartok) Marc Unternährer (Tuba) Damenchor des LT

Rezension:

Das Luzerner Chanson-Duo «Canaille Du Jour» mit Theatermusiker und Komponist Christov Rolla und Autor Max Christian Graeff er überarbeitete zusammen mit den Damen des Chors des Luzerner Theater die Geschichte des Frauenmörders Herzog Blaubart und versetzt sie in die Gegenwart – also in Zeiten von Corona.

Blaubarts Frauen Szenenfoto von Ingo Hoehn
Blaubarts Frauen Szenenfoto von Ingo Hoehn

Schon mal so viel: An der Premiere von «Blaubarts Frauen» letzten Sonntag durfte wieder angestossen werden, nur im kleinem Rahmen zwar, dafür im Theatersaal: Im Foyer kann man sich sein Getränk holen und begibt sich damit direkt in den Theatersaal. Dort gibt es kleine Tischchen neben den Sitzen, welche auch gleich als «Abstandshalter» dienen. Eine clevere Idee, die gut ankam bei den Besuchern und ein ganz klein wenig «Premierenfeeling» verbreitete.

Strass und Rüschen

Blaubarts Frauen Szenenfoto von Ingo Hoehn
Blaubarts Frauen Szenenfoto von Ingo Hoehn

So konnte man, Prosecco-schlürfend, die Szenerie studieren, in welche «Canaille du Jour» ihre Produktion setzt. Ein leicht chaotisch anmutender Proberaum, rechts und links Tische mit altmodischen Lämpchen, alles am Bühnenrand und vor dem eisernen Vorhang, mit leicht verstaubtem, brockenstubenhaften Touch. Acht Frauen, aus dem Fundus des Theaters ausgegrabene Chordamen, werden in einer Art Gepäckwagen auf die Bühne gekarrt. Sie setzen sich – selbstverständlich mit Masken – an die Tische. Ihnen folgen Béla (Bartok) alias Max Christian Graeff und Jacques (Offenbach), alias Christov Rolla, beide in schwarzen Fräcken, Béla mit dicken Strassringen an den Fingern à la Harald Glööckler, Jacques mit rosa Rüschenhemd.

Zwei Männer gegen acht Frauen

Blaubarts Frauen Szenenfoto von Ingo Hoehn
Blaubarts Frauen Szenenfoto von Ingo Hoehn

Die beiden haben vom Luzerner Theater den Auftrag erhalten, «etwas mit acht Frauen zu machen» im Stil der Operette «Barbe-Bleue» von Offenbach. Und es wird «gemacht» mit den Frauen. Während sie auf ihre Auftritte warten, sollen sie schon mal Masken nähen, sich bei Bedarf aufstellen und singen, husch husch, dazwischen werden sie ruhig gestellt mit Magazinen wie «Meine Wahrheit», «Meine Sehnsucht», «Wahre Gefühle». Auch sonst herrscht ein ziemlich frauenverachtender Ton: «Seit wann haben die Frauen eigentlich das Impfrecht» und «gelten eigentlich jene Frauen, welche man haben wollte, auch als gehabt?» sind Fragen, die sich die beiden Machos unter vielen anderen stellen.

Philosophische Exkurse

Blaubarts Frauen Szenenfoto von Ingo Hoehn
Blaubarts Frauen Szenenfoto von Ingo Hoehn

Es wird viel diskutiert, debattiert und deklamiert (Texte Max Christian Graeff), aktuellste Themen werden kurz angeschnitten, Greta gehört genau so dazu wie Epstein, der Bachelor, Loredana, das Dschungelcamp und Bizet, der gerade die «Carmen» für die Corona-Zeit umschreibt. Mal spielt Béla den blutrünstigen Blaubart, mal versteigt er sich in hochphilosophische Exkurse und verdreht Sprichwörter. Christov Rolla als Offenbach zeichnet für die Musik und spielt sie auch gleich an Klavier und Gitarre, begleitet von Igor (Marc Unternährer) an der Tuba. Einige Melodien Offenbachs wurden beibehalten und umgeschrieben, dazu kommen die Beatles, Eugen Egner, «Volare», Bizets Habanera, Kurt Weill sowie eigene Kompositionen. Während Béla immer wieder ins Philosophieren gerät, versucht Jacques, die Dinge voranzutreiben, denn viel Zeit bleibt nicht mehr bis zur Première.

Grossartiger Frauenchor

Blaubarts Frauen Szenenfoto von Ingo Hoehn
Blaubarts Frauen Szenenfoto von Ingo Hoehn

Die acht Frauen, jede mit einem eigenen Kostüm (Zoé Brandenberg) – vom Retro-Kleidchen über Lederhose bis zum rosa Abendkleid mit Pelzstola – machen lange mit, proben dann aber doch den Aufstand. Der 8-köpfige Frauenchor überzeugt restlos, jede einzelne der Sängerinnen könnte als Solistin bestehen, das sind ganz grosse Momente des Stücks. Daneben kann viel gelacht werden ob den utopisch-skurrilen Aussagen von Béla und Jacques und den verschnittenen, neu interpretierten Musikstücken.

Nachdem das Licht ausgegangen ist, räumen Béla und Christoph die Bühne auf, desinfizieren alles und beschliessen, noch um die Ecke auf ein Kölsch zu gehen. «Ob das was wird?» fragt der eine den anderen. Nun, das Publikum hat sich amüsiert, er war ein vergnüglicher Abend mit einer Fülle von in den Raum gestellten Themen und Fragen, mit denen sich jede und jeder nach der Aufführung selber auseinandersetzen kann.

Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Hoehn:

fotodiashows.wordpress.com/2020/10/10/luzerner-theater-blaubarts-frauen-eine-chordamen-revue-besucht-von-gabriela-bucher-liechti/

Text: www.gabrielabucher.ch Fotos: Ingo Hoehn     luzernertheater.ch

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