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Die Magie einer Nacht, ein Essay von Anna Rybinski

Der junge Mendelssohn bei Goethe akg-images
Der junge Mendelssohn bei Goethe akg-images

1816 Berlin «Fanny, Fanny, schau mal, was ich bekommen habe!» Der Siebenjährige macht Luftsprünge vor Freude und zieht die ältere Schwester stürmisch mit sich, um ihr das kostbarste Geschenk unter seinen Weihnachtsgaben zu zeigen: ein Puppentheater!«Weisst du, was wir alles spielen können?  Goethe und Shakespeare! Und alle Märchen, die ich liebe, … ist es nicht wunderbar?»

Das Wunderkind Felix Mendelssohn-Bartholdy
Das Wunderkind Felix Mendelssohn-Bartholdy

Das Kind, das derartig ins Schwärmen kam, ist selbst eine Märchenfigur: eine zierliche Gestalt mit langen Haaren, feinen Gesichtszügen und Augen, die offenherzig  in die Welt schauen. Gekleidet in kostbare Stoffe wie ein Prinz aus dem Orient, mit bauschender Pluderhose und samtenen Wams steht er da – graziös, stolz, glücklich. Seine geniale Kinderseele reisst ihn zu Höhenflügen, die sogar für manche Erwachsenen schwer zu bewältigen wären. Zugegeben: Es ist nur meine persönliche Vision vom siebenjährigen Felix Mendelssohn-Bartholdy. Was jetzt folgt, ist jedoch historische Wahrheit.

Das Wunderkind

Ansicht Luzern von Mendelssohn
Ansicht Luzern von Mendelssohn

Der Knabe im Alter von sieben Jahren liest und geniesst die grosse Literatur, Goethe und Shakespeare sind seine Leitsterne. Sobald die Eltern seine ausserordentliche musikalische Begabung bemerken, geniesst er Unterricht bei den besten Professoren von Berlin im Klavier-, Geige- und Orgelspiel. Er lernt natürlich auch schwimmen, fechten und malen, wie es für Sprösslinge aus vermögenden Häusern damals üblich ist. Die allgemeine schulische Ausbildung wird auch nicht vernachlässigt: Privatlehrer unterrichten ihn und seine Geschwister in Französisch, Italienisch, Englisch, Geschichte und Kunst. Bald kommt das Aquarellieren dazu, was der Junge auf höchstem Niveau erlernt und lebenslang ausübt, um seinen Reiseberichten kostbare Illustrationen beizufügen.

Es klingt wie ein Märchen – gar noch schöner. In der Tat, er bekam von den Göttern alles geschenkt: Talent, Intelligenz, Empfindsamkeit, gepaart mit einem noblen Charakter. Und die Eltern sind in der glücklichen Lage, mit ihrem Vermögen die optimalen Bedingungen für seine menschliche und musikalische Entwicklung schaffen zu können.

So entfaltet sich, umsorgt und behütet, ein kostbares Talent im Hause Mendelssohn. Sein Grossvater, Moses Mendelssohn ist der berühmte Philosoph und Humanist, seine Mutter hochmusikalisch und belesen, der Vater, ein Bankier, von allen schönen Künsten angetan. Felix ist buchstäblich ein Glücklicher: Im frühen Alter nicht aufs Geldverdienen angewiesen, muss mit seinem Vater nicht von einem Auftritt zum nächsten hetzen, oder untertänigst  bei adligen Herren um Aufträge betteln. Und doch ein Wunderkind, wie wir vor Mozart und nach Mozart seinesgleichen nicht finden.

Der Rheinfall Aquarell von Mendelssohn
Der Rheinfall Aquarell von Mendelssohn

Die beiden älteren Geschwister, Fanny und Felix, beginnen bald mit dem Kompositionsunterricht bei dem angesehensten Musiker Deutschlands: Professor Carl Friedrich Zelter. Felix ist schon zehn Jahre alt; reif für die schwierigen Lehrsätze der Musik und Bachs Polyphonie. Zelter versteht das Ausnahmetalent, liebt und fördert es nach bestem Wissen. Er nimmt den Knaben stolz zu seinem alten Freund, Geheimrat Goethe, nach Weimar mit, der diesen Besuch über alles geniesst. Der wache Geist und die liebenswürdige Natur des Jungen erfüllen ihn mit Freude. Er bewundert sein musikalisches Talent und kann sich an seiner Schönheit nicht sattsehen. «Jetzt hört alle, alle zu», schrieb Felix an die Eltern und die Schwester in Berlin. «… Jeden Morgen erhalte ich vom Autor des Faust und des Werther einen Kuss, und jeden Nachmittag vom Vater und Freund Goethe zwei Küsse. Bedenkt!!! … Nachmittag spielte ich Goethen über 2 Stunden vor, teils Fugen von Bach, teils phantasierte ich …»

Ein Leben auf der Sonnenseite?

Florenz von Felix Mendelssohn
Florenz von Felix Mendelssohn

Nicht nur, sie waren doch Juden. Obwohl die Familie 1816 zum Christentum konvertierte, überlegte der Vater ernsthaft, wegen der antisemitischen Ausschreitungen nach Paris auszuwandern. Auf der Strasse riefen die Rotzjungen hinter Felix: »Hep, hep!» Sogar der angebetete Professor Zelter schrieb verletzende Worte über ihn: «Es wäre wirklich eppes Rores, wenn aus einem Judensohne ein Künstler würde.» Und im selben Jahr gab es ein Schreiben im preussischen Ministerium: «Es wäre zu wünschen, wir hätten gar keine Juden im Lande. Die wir einmal haben, müssen wir dulden, aber unablässig bemüht sein, sie möglichst unschädlich zu machen.»  Aber genug von getrübter Harmonie, kehren wir zu Shakespeare zurück.

Der siebenjährige Felix kannte sein Lieblingsstück «Ein Sommernachtstraum» in- und auswendig, meist als Erzählung, aber sicherlich gewisse berühmte Passagen auch im Originaltext. Er hatte es manches Mal mit den Geschwistern durchgespielt, die Geschichte mit allen Handlungssträngen in sich aufgesogen und darüber am Klavier fantasiert. Im Jahre 1826 erlebt er eine besonders glückliche Zeit mit seinen Geschwistern und Freunden: Es wird gespielt, erzählt, musiziert und fantasiert, im Herrenhaus und im grossen Garten. Und dasselbe Jahr bringt ihm noch ein Geschenk!

 Eine Inspiration ohnegleichen

In Deutschland erscheinen die ersten drei Bände von Shakespeares dramatischen Werken, übersetzt von August Wilhelm Schlegel, ergänzt und erläutert von Ludwig Tieck. Eine Welle der Begeisterung erfasst das Land. Endlich können die grossen Dramen und Komödien in der eigenen Sprache gelesen und gespielt werden! Bei dem 17-jährigen Felix – nach beachtlichen kompositorischen Erfolgen – sind die schönsten Kindheitserinnerungen geweckt. Er greift zur Feder und schreibt die «Ouvertüre zum Sommernachtstraum». Shakespeares Zauberwelt entsteht diesmal als Musik.

Und was für eine Musik!

Mozart weckte schon als Siebenjähriger die allergrössten Hoffnungen – seine Kompositionen im Alter von 17 Jahren gehören indes nicht zum goldenen Repertoire der Konzertsäle, die unsterblichen Werke kommen erst später. Der junge Mendelssohn schrieb aber in seiner stürmischen Begeisterung ein Werk, das die Menschen seitdem entzückt und verzaubert; ein Werk, dessen Klänge Shakespeare würdig sind.

Es fängt mit vier wunderbaren Akkorden an: Der Vorhang geht auf, wie in seinem geliebten Puppentheater, das Spiel beginnt. Der Aufbau der Komposition ist perfekt, die harmonischen Fügungen einmalig: Das Handwerk sitzt. Aber es ist unendlich mehr – die Magie dieser Nacht im Wald von Athen hat der junge Komponist mit traumwandlerischer Sicherheit wiedergegeben. Die Elfen und Kobolde schwirren durch die Luft, das majestätische Königspaar zieht feierlich ein, die Verliebten streiten sich und die Handwerker trampeln schwerfällig herum. Sogar das I-A Geschrei des verwandelten Zettels ergötzt die Zuhörer mehrmals. Alles ist so vollkommen, wie es nur in einer Sternstunde entstehen konnte.

Die Menschen hatten bei der Uraufführung Tränen in Augen und staunten: Ist es möglich, kommt  alles wirklich von einem Halbwüchsigen?

Von wem sonst? Von den trockenen Stubengelehrten, die ihn unterrichteten? Spätestens da hatte Professor Zelter verstanden, dass der «Judensohn» ausgelernt hat und seinen Meister wie ein Komet überflog.

Das Werk des Siebzehnjährigen galt damals schon als Meisterstück, das seinesgleichen suchte, und trat einen Siegeszug um die Welt an. Kann der erwachsene Komponist je wieder diese Höhe der Popularität erreichen? Jawohl. Und noch mehr.

Es geht wieder um diese magische Nacht

Felix Mendelssohn Bartholdy 1845
Felix Mendelssohn Bartholdy 1845

1842 befasst sich Mendelssohn, inzwischen 34-jährig, mit einem neuen Auftrag. Der König von Preussen, Friedrich Wilhelm IV., bittet ihn, nach seinem berühmten Vorspiel eine komplette Bühnenmusik zu Shakespeares «Sommernachtstraum» zu schreiben. Es entsprach damals dem Zeitgeist, zu bekannten Theaterstücken Begleitmusik zu schreiben, das war die sogenannte Schauspielmusik, die auf der Bühne als Teil der Handlung gespielt wurde. Mendelssohn schreibt also 17 Jahre nach seiner weltbekannten Ouvertüre noch mehrere  Sätze und ein Finale zu dieser Märchengeschichte. Und wieder gelingt ihm ein Geniestreich!

Unter den Sätzen befindet sich nämlich das Stück, dem ein noch grösserer Erfolg zuteil wird. Sein «Hochzeitsmarsch» ist wahrscheinlich die meistgespielte Musik aller Zeiten, erklingt sie doch tagtäglich auf dem Globus unzählige Male, von den Fidji-Inseln bis nach Grönland. Menschen aller Nationen, die den Namen Felix Mendelssohn-Bartholdy nie gehört haben, feiern ihren schönsten Tag mit seiner Musik. Sie erkennen in ihr die eigene Lebensfreude und das jubilierende Glück aller Liebenden.

Während des Nationalsozialismus wurden auch Mendelssohns Werke als «entartete Kunst» verboten. Man hatte seine Büsten und Gedenktafeln entfernt und die Komponisten des Reiches aufgefordert, neue Bühnenmusik, und damit auch einen neuen Hochzeitsmarsch, zum «Sommernachtstraum» zu schreiben. Die Klugen unter ihnen wollten sich auf einen Wettstreit mit Mendelssohn nicht einlassen und winkten vornehm ab.

Die Organisten des Landes aber, in den erhabenen Domen und in den bescheidenen Dorfkirchen standen plötzlich vor einem unlösbaren Problem: Womit diese einmalige Musik ersetzen?

Aber das wäre eine andere Geschichte.

Text: www.annarybinski.ch

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Rezital Mauro Peter Mauro Peter | Helmut Deutsch, KKL Luzern, 18. August 2020, besucht von Léonard Wüst

Mauro Peter Foto Christian Felber
Mauro Peter Foto Christian Felber

Besetzung und Programm:

Mauro Peter  Tenor
Helmut Deutsch  Klavier
 
Robert Schumann (1810–1856)
Liederkreis op. 39 nach Joseph von Eichendorff
 
Dichterliebe op. 48
Liederkreis aus Heinrich Heines Buch der Lieder

 

Rezension:

Fast schon routinemässig greift man zur grünen Gesichtsmaske, die von Mitarbeiter*innen des Lucerne Festival beim Eingang kostenlos an die Besucher verteilt werden.

Im allerletzten Konzert, das am 12. März, unmittelbar vor dem Lockdown im KKL aufgeführt wurde, sang Mauro Peter den Evangelisten in Bachs Johannespassion. Nun war er, diesmal als Solist, zurück in seiner Heimatstadt Luzern.

Liederkreis op. 39 nach Joseph von Eichendorff

Helmut Deutsch Klavier
Helmut Deutsch Klavier

In seinem Liederjahr 1840 hat der Komponist zusammen mit seiner innig geliebten Clara Gedichte abgeschrieben und gesammelt. Zwölf Eichendorff-Texte bilden den „Liederkreis“op. 39. In Musik gesetzt wurden sie drei sehnsüchtige Monate bevor Robert seine Clara, die Tochter seines alten Klavierlehrers, per Gerichtsentscheid seine „Braut“ nennen durfte.  Sehnsucht ist das bestimmende Motiv dieser Eichendorff-Lieder. Sehnsucht nach der geliebten Clara, könnte man meinen. In der eigentlich lockeren Folge von 12 Liedern lässt sich ein innerer roter Faden verfolgen.

 

 

Töne eines sanften Riesen

Mauro Peter lyrischer Tenor Foto Christian Felber
Mauro Peter lyrischer Tenor Foto Christian Felber

Mauro Peter, ein stattlicher 1.90m Hüne und sein, im körperlichen Vergleich, eher klein wirkender Bühnenpartner Pianist Helmut Deutsch, wurden im „Corona mässig“ besetzten Konzertsaal mit viel Applaus willkommen geheissen.

Die Liederfolge: Waldesgespräch – In der Fremde („Aus der Heimat“) – Mondnacht – Intermezzo – Schöne Fremde – In der Fremde („Ich hör’“) – Wehmut – Frühlingsnacht – Die Stille – Zwielicht – Im Walde – Auf einer Burg.

Der Auftakt klang etwas verhalten, als ob Peter (zuviel) Respekt hätte bei seinem Debut am Lucerne Festival  im Konzertsaal des KLL.

Der junge Tenor artikuliert aber sehr gut, sodass die Texte gut verständlich sind. Dass dieser Baum von Mann auch sehr sanfte, gar liebliche Töne von sich geben kann, kam bei den Eichendorf Vertonungen besonders gut zur Geltung, sind diese doch etwas zurückhaltender gehalten als die Heinekompositionen.

Traumwandlerisch sicher, ohne jegliches Textblatt als Hilfe, singt sich Peter durch die Liederfolge, kongenial supportiert von Helmut Deutsch.

Dichterliebe op. 48 Liederkreis aus Heinrich Heines „Buch der Lieder“

Bei diesem Liederzyklus blühte Mauro Peter förmlich auf, wirkte engagierter und vor allem selbstbewusster.

Der Beginn von „Im wunderschönen Monat Mai“ macht es deutlich: Liebe und Schmerz, Hoffnung und Zweifel liegen eng beieinander, auch schon am Anfang von Schumanns Dichterliebe auf die Gedichte von Heinrich Heine. Ob die Harmonien in Moll oder Dur zuhause sind, lässt sich nicht entscheiden. Melancholisch klingen sie, denn Helmut Deutsch tastet sich zögernd, wie traumverloren, voran auf seinem Konzert Flügel.

Schumanns Harmonie schmeichelt Mauro Peters Stimme und umgekehrt

Mauro_Peter Foto Christian_Felber_
Mauro_Peter Foto Christian_Felber_

Schumann bindet die ersten beiden Lieder harmonisch eng aneinander; Deutsch und Peter tun es ihm nach. Von ihrem hoffnungsvollen Anfang her schildert das lyrische Ich die zurückliegende Liebes-Beziehung. Dass sie unglücklich ausgehen wird, verraten die ironischen Zwischentöne, die so typisch für ihren Verfasser sind. In Heines Gedichten aus dem Buch der Lieder wird die traurige Geschichte erzählt. Und ist auch Rückblick auf seine eigene nicht erhörte Dichter-Liebe zur Cousine Amalie.

 

 

Von Liebesglück und Hoffnung handelt das Lied Nummer 4 bei Schumann. Doch mischen sich auch bange und verzweifelte Töne hinein. Wenn etwa die Angebetete spricht „Ich liebe Dich“, führt das zu bitterlichen Tränen.

Mauro_Peter Foto Christian_Felber_
Mauro_Peter Foto Christian_Felber_

Peter modulierte ausdrucksstark, formidable Wechsel von fröhlich bis weinerlich, von betrübt zu übermütig. Trotz jung an Jahren, überzeugt Peter mit stimmlicher Reife, ausgewogenem, schön nuanciertem Ausdruck, im Timbre des Piano ebenso wie im jubilierenden Forte.

Das beeindruckte Auditorium applaudierte den, inzwischen weltweit gefragten lyrischen Tenor und ehemaligen Luzerner Sängerknaben und seinen genialen Begleiter am Piano, noch zu sagenhaften vier Zugaben.

Mauro Peter – Schumann’s Dichterliebe – About the Recording (EPK)

https://www.youtube.com/watch?v=d6v3IyKAPj0

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch und Christian Felber https://www.mauropeter.com/

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Solisten des LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA , KKL Luzern, 16. August 2020, besucht von Léonard Wüst

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Besetzung und Programm:

 
Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791)
Divertimento D-Dur für Oboe, zwei Hörner, zwei Violinen, Viola und Kontrabass KV 251
Nannerl-Septett
 
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Septett Es-Dur op. 20 für Violine, Viola, Klarinette, Horn, Fagott, Violoncello und Kontrabass

 

Rezension:

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Alles neu und doch irgendwie vertraut. Beginnend mit der Anreise per Zug, auch da schon Vorschriftsgemäss „maskiert“. Die Maske konnte man grad übergestülpt lassen, da das Schutzkonzept des KKL eine Masken – Tragpflicht im ganzen Bereich vorschreibt. Erstaunlich, dass man trotzdem alle Bekannten erkennt, wenn nicht am Gesicht und der Mimik, dann halt an Gang, Gestik usw. Alles altbekannte Gesichter kann man ja nicht sagen, aber so ähnlich war’s halt doch. Das Konzert wurde, auch aus Hygienegründen, ohne Pause gespielt, da war man erleichtert, wenn man ebendies vorher erledigt hatte.

Mozarts „Nannerl-Septett“ als Auftakt

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Relativ übersichtliches Szenario auf der Bühne, standen doch grad mal sieben Notenständer und ein einziger Stuhl auf derselben. Für ein Septett, von dem bloss der Bassist sitzt, braucht’s ja nicht mehr. Die sieben Musiker, Oboe, zwei Hörner, zwei Violinen, Viola und Kontrabass  betraten, bereits spielend, die Bühne und formierten sich. Die drei Streicher auf der einen, die drei Bläser auf der anderen Seite des Bassisten.

Wolferls Referenz an seine Schwester Nannerl

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Text von Susanne Stähr, Dramaturgen Lucerne Festival: Das Divertimento D-Dur KV 251, das als „Nannerl-Septett“ in die Musikgeschichte eingegangen ist, dokumentiert die besondere Beziehung der Mozart Geschwister: Mozart schuf es entweder zum Namenstag der Schwester am 26. Juli 1776 oder für ihren vier Tage später, am 30. Juli 1776, gefeierten 25. Geburtstag. Obwohl für die kammermusikalische Besetzung von nur sieben Instrumenten geschrieben, orientiert sich das Werk vom Aufbau her an den orchestralen Serenaden, Kassationen oder Nachtmusiken, die sich im damaligen Salzburg grösster Beliebtheit erfreuten und im Freien dargeboten wurden. Die Aufführungen begannen in der Regel mit dem Einzug der Musiker, die, bereits spielend, mit einem Marsch vor dem Publikum auftraten. Und derselbe oder ein anderer Marsch erklang dann auch am Ende, wenn die Interpreten die Spielstätte wieder verliessen. Gut möglich, dass die «Marcia alla francese», die als sechster Satz das „Nannerl-Septett“ beschliesst, bei Salzburger Darbietungen auch schon zu Anfang erklang. Ob das bei der Uraufführung im Juli 1776 der Fall war, weiss man nicht: Die Premiere fand mutmasslich im Gartenhof hinter dem Tanzmeisterhaus am heutigen Salzburger Makartplatz statt, wo die Mozarts seinerzeit wohnten, also in eher kleinem Rahmen und nicht auf einem der grossen, repräsentativen Plätze der Residenzstadt. Doch auch das einleitende «Molto allegro» trägt marschartige Züge und wäre durchaus tauglich für den Einzug des Ensembles gewesen. Nach vier Motto artigen Takten im Unisono, die gleich ein Ausrufezeichen setzen, entfaltet Mozart ein kombinationsfreudiges Wechselspiel der sieben Stimmen und führt sie im Tutti zu fast orchestraler Klangfülle und musikantischer Spiellaune. Für hübsche Chiaroscuro-Effekte sorgt er, indem er das Hauptthema auch in einer Moll-Variante erklingen und somit den Charakter zwischen hell und dunkel changieren lässt. Zwei Menuette gehörten zum üblichen Tableau der sechssätzigen Divertimenti. Mozart folgt diesem Aufbau auch im „Nannerl-Septett“, doch treibt er im ersten dieser beiden Tanzsätze sein augenzwinkerndes Spiel mit dem höfischen Vorbild. Denn der permanente Gebrauch von Vorschlagnoten, streckenweise auch noch vor dem immer gleichen Basston, hat etwas bäuerisch Derbes an sich oder erinnert an einen Brummkreisel. Das zweite Menuett dagegen geht formal ungewöhnliche Wege, indem es auf die übliche Dreiteilung mit einem Trio in der Mitte verzichtet und stattdessen das Menuett-Thema als Refrain verwendet, das mit drei Variationen wechselt – ein verkapptes Rondo. Gerahmt von den beiden Menuetten wird ein zartes und anmutiges «Andantino», das die vier Streicher bewusst von den drei Bläserstimmen absetzt und jeweils einer der beiden Instrumentengruppen die Führung überlässt, während die andere sekundiert – oder aber schweigt. Für Festtagsstimmung und pulsierende Champagnerlaune sorgt dann das Rondeau, das vor allem der Oboe in den Episoden eine prominente Rolle zuweist. Den letzten Eintritt des Refrains setzt Mozart effektvoll in Szene, indem er ihn durch einen «Adagio»- Takt mitsamt Fermate herauszögert und ein Ende vorgaukelt, das an dieser Stelle dann doch noch nicht eintritt. Zu guter Letzt aber, nachdem auch die abschliessende «Marcia alla francese» verklungen war, durften im Juli 1776 alle anstossen auf Nannerls Ehrentag: die Familie Mozart, die Musiker und die versammelten Freunde.Zitatende von Susanne Stähr

Wenn „Super Spreader“ gern gesehen werden

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Die sieben Protagonisten im KKL erwiesen sich als „Super Spreader“ im positiven Sinn, versprühten sie doch die pure Spielfreude und steckten damit die knapp tausend Besucher hochgradig an, obwohl die ja alle die obligatorischen Masken trugen. Da jonglierte sich die Violine durch die Partitur, jubilierte die Oboe als Replik, erhielten Support und wurden getragen von den fünf anderen Mitmusikern, worauf sie die beiden erstgenannten in einen wechselseitigen intensiven Akustikflirt hineinsteigerten. Mozart verfasste das Ganze sehr pointiert, durchaus witzig und ironisch, sehr unterhaltend und anregend für die Zuhörer, ob damals auf einem Salzburger Platz oder aktuell in einem Schweizer Konzertsaal. Bei genauem Hinhören findet sich mehr musikalisches Raffinement als erwartet, weil Mozart die Konvention auch in diesen Gelegenheitswerken unter gepuderter Perücke ab und zu gegen den Strich bürstet. Zum Beispiel kurze Fugato-Passagen in den Durchführungen oder kecke Themenwiederholungen dort, wo sie normalerweise nichts zu suchen haben. Der „Mozart“ steckt also augenzwinkernd im Detail.

Alle Solisten durften als ebensolche agieren

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Das Salzburger Musikgenie bot mit seiner Komposition jedem der sieben Musiker die Gelegenheit, mit einer oder mehreren Solosequenzen zu brillieren, sich ins sprichwörtliche Scheinwerferlicht zu hieven. Die Weltklasse Musiker, die sich sonst selbstlos zurückhaltend in die Reihen des „Lucerne  Festival Orchestra“ eingliedern, nutzten die Gelegenheit und wussten mit ihrem Können sich gegenseitig anzuspornen und das Publikum zu begeistern. Dieses geizte denn auch nicht mit Applaus, das Septett somit noch drei- viermal auf die Bühne zurückklatschend.

Für die Kaiserin: Beethovens Es-Dur-Septett

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Peter Fischli / LUCERNE FESTIVAL

Ludwig van Beethoven wäre es nicht in den Sinn gekommen, sein Es-Dur-Septett einem nahen Verwandten oder Freund zu widmen – er hatte Grösseres vor und nahm dafür niemanden Geringeren als die österreichische Kaiserin Maria Theresia ins Visier (die Enkelin der berühmteren gleichnamigen Regentin). Das war freilich nicht ganz einfach, denn bei einer solch hochgestellten Persönlichkeit erforderte es die Etikette, zunächst die Zustimmung für die Zueignung einzuholen. Als Beethoven im Sommer 1799 das Septett in Angriff nahm, war er noch längst nicht der «Titan» unter den Komponisten. Er war bloss ein 28-jähriger «Zugereister» aus dem Rheinland, der sich allerdings in diversen Adelspalais schon einen glänzenden Ruf als brillanter Tastenvirtuose und origineller Tonschöpfer erworben hatte. Diese Kontakte in die Adelskreise liess Beethoven nun spielen und erwirkte über die Grafenfamilie Brunsvik das Plazet der Monarchin. Mit dem schönen Zusatzeffekt, dass er endlich auch die Genehmigung erhielt, sein erstes eigenes Akademiekonzert im Wiener Burgtheater zu veranstalten, wo am 2. April 1800 neben der Ersten Sinfonie und dem Ersten Klavierkonzert auch das Septett erklang.

Klang Mozart fröhlich verspielt, kommt Beethoven ernst und gradlinig daher

Raphael Christ, Konzertmeister des Lucerne Festival Orchestra
Raphael Christ, Konzertmeister des Lucerne Festival Orchestra

Raphael Christ, Konzertmeister des Lucerne Festival Orchestra und der Bochumer Symphoniker übernimmt im zweien Konzertteil den Lead und macht das mit sehr viel extrovertiertem Körpereinsatz, anders als dies noch Gregory Ahss bei Mozart tat. Besonders erwähnenswert, nebst anderen Höhepunkten,  die Kontrapunktion seiner Soli durch Vicente Alberola mit der Klarinette. Violine, Viola, Klarinette, Horn, Fagott, Violoncello und Kontrabass lautet die Zusammensetzung dieses Septetts wofür ein zweiter Stuhl, für den Cellisten auf der Bühne platziert wurde. Die drei verschiedenen Blasinstrumente würden auch ein anderes Klangbild, deutlich düstereres als vorher bei Mozart, abzeichnen. An die Tradition der Serenaden, Kassationen und Divertimenti des 18. Jahrhundert erinnert die hypertrophe Form des Septetts aus sechs langen Sätzen: Auf das erste Allegro und das Adagio folgen gleich zwei Tanzsätze, die einen Variationen Satz umschließen. Auf den zweiten Tanz Satz folgt das Finale. Im Septett kehrte Beethoven zur Tonart Es-Dur zurück und zu den Dimensionen seines eigenen Opus 3, fügte aber den Ecksätzen langsame Einleitungen hinzu und erweiterte das Streichtrio um einen Kontrabass sowie um ein Bläsertrio aus Klarinette, Horn und Fagott. Dadurch begründete er die Geschichte der Wiener Kammermusik in quasi-sinfonischer Besetzung

Trauer zum furiosen Finale?

Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Patrick Hürlimann / LUCERNE FESTIVAL
Solisten des Lucerne Festival Orchestra Foto Patrick Hürlimann / LUCERNE FESTIVAL

Besonders populär wurde das Thema des vierten Satzes, das auf ein niederrheinisches Volkslied zurückgehen soll. Das Lied trägt den Titel Die Losgekaufte, ist allerdings erst 1838 in einer Publikation des Volksliedersammlers Andreas Kretzschmer (1775–1839) nachweisbar. Möglicherweise entstand das Lied also erst später, auf der Grundlage von Beethovens Thema. Adagio cantabile: „Eine wunderbar rührende Kantilene bringt dann die Klarinette in dem Adagio, gewiss eine der schönsten, die Beethoven geschrieben hat. Auch hier waltet hochbefriedigte Stimmung, aber ernster und gehaltener; die Nebenthemen sind etwas belebter, halten aber die Stimmung fest. Auch hier ist die Verwendung der Instrumente, des Horns, des Cello beachtenswert, die Weihe der Stimmung im Satz wahrlich erhaben.“ „Das Menuett ist der Sonate Op. 49 Nr. 2 entnommen, aber selbständig behandelt. Im Trio ergehen sich Horn und Klarinette; auch sonst die Klangfarben schön gemischt. Wahrhaftig eine gute, edle Unterhaltung. Andante con Variazioni: „Wieder wird es ruhiger, es folgt das Andante mit Variationen auf eine sehr reizende Melodie. „Humoristisch und frisch ist das Scherzo, wo auf den Ruf des Horns die übrigen sich zu lustigem Aufschwung zusammenfinden, im zweiten Teil besonders die Violine losgelassen wird und jubelnd in die Höhe steigt. Dem tritt im Trio besänftigend das Violoncell mit schöner Kantilene gegenüber.“ Finale: Genug der Lustigkeit! Die Kräfte sammeln sich in einen kurzen Mollsatz und mahnen zur Einkehr; das Horn sucht wie nach etwas Verlorenem. Dann tritt als Grundlage des letzten Satzes ein festes Motiv mit dem Charakter frohen Selbstbewusstseins auf, vielfach imitatorisch behandelt und immer nachdrücklicher eingeprägt; das zweite Thema fest, frisch, doch gehalten; alles atmet Freude über etwas Erreichtes.“ Beethoven eröffnet das Finale mit einer Art Trauermarsch, bei dem einem zunächst nichts Gutes schwant. Doch nach wenigen Takten mündet die düstere Klangwelt in ein energiegeladenes, rasendes, vielleicht sogar nervöses «Presto», das unter Starkstrom steht und mit seinem revolutionären Elan eine neue Ära mit einem anderen Zeitempfinden einzuleiten scheint, Gelegenheit, für den Hornisten, starke Akzente zu setzen und die andern Solisten stehen ihm in nichts nach, musizieren auf ebenso hohem Niveau, mit derselben intensiven Spiellust. Das Auditorium zeigte sich begeistert und spendete dementsprechenden stürmischen Applaus. Die Kleinformation überzeugte in allen Belangen, eine den Umständen entsprechende Formation, die man sich durchaus in „Nach Coronazeiten“ auch vor ausverkauftem Saal, also vor 1898 Besuchern vorstellen kann.

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch  Peter Fischli

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Ein Visionär spielt mit der Zeit, Reportage von Herbert Huber

]Seven Seals Awards Stand 2020-04-15

Seven Seals Awards Stand 2020-04-15

Eigentlich könnte sich Dolf Stockhausen zufrieden mit einem Glas zurücklehnen. Sich dabei freuen, ein weiteres Ziel erreicht zu haben. Das Patent für seine Vision ist deponiert und eine Destillerie gefunden, welche seine „Erfindung“ direkt in die edlen Flaschen abfüllt. Mit «7Seals» hat er auf Anhieb die ersten Gold- und Silbermedaillen geholt. Doch wer Stockhausen kennt, weiss, dass dieser für seine Beharrlichkeit und Überzeugungskraft bekannte Mann noch lange nicht zufrieden sein wird. Jetzt geht es darum, die Whisky-Traditionalisten zu bekehren...mit einer Offenbarung und der Vision, die Sieben Siegel heisst.

Wer ist Dolf Stockhausen?

Dolf Stockhausen,der Visionär

Dolf Stockhausen,der Visionär

Stockhausen war und ist immer noch ein Unternehmer, und er interpretiert diese Bezeichnung wortwörtlich. Während Jahrzehnten steuerte der doktorierte Ökonom sein Familienunternehmen Stockhausen in Krefeld. Dieses Unternehmen der chemischen Industrie führte er souverän und mit viel Weitsicht. Mit der „Raketenzündung“, als in der Firma ein Granulat entwickelt wurde, welches bis heute in den Babywindeln führender Marken für die Flüssigkeitsaufnahme zuständig ist, erlebte das Unternehmen einen nie geahnten Umsatzschub. 1992 verkaufte die Familie das Unternehmen gegen den Willen des Patrons an die Vorgängerin der heutigen Evonik AG, die das Herstellungsverfahren nach wie vor praktiziert.

]Chris, links und Dolf

Chris, links und Dolf

Seinen Erlös aus dem Verkauf investierte Stockhausen in die Süd-Chemie in München, welche 2011 von Clariant übernommen wurde. Da sass Stockhausen im Verwaltungsrat und mit viel Freude an der Sache im Ausschuss für Forschung und Entwicklung. So weit, so gut. Und gleich noch eins obendrauf: Weil er in Deutschland mit der «linksgefederten» politischen Entwicklung nichts mehr am Hut hatte, wanderte Stockhausen 1990 kurz entschlossen nach Graz aus, wo er dann österreichischer Staatsbürger wurde. 2011 zog es ihn und seine Gattin Maria in die Schweiz, zuerst nach Ennetbürgen und dann nach Hergiswil im wunderschönen Kanton Nidwalden. Zu den von ihm inzwischen ins Herz geschlossenen, überaus liebenswerten Schweizern.

Das Ritual

Die edlen Produkte

Die edlen Produkte

Wir haben Dolf Stockhausen besucht. In seiner beeindruckenden Penthouse-Wohnung direkt am Vierwaldstättersee, mit einer überwältigenden Aussicht auf die Urschweizer Berge. «Es bleibt leider nicht so viel Zeit, um diese Aussicht genug geniessen zu können, aber sie inspiriert und vermittelt Weitsicht», bemerkt Stockhausen und empfängt uns spontan und doch sehr diskret freundlich. Etwas vom germanischen Ursprung ist offensichtlich hängen geblieben. Der inzwischen 75-Jährige ist 51 Jahre mit seiner stilbewussten Frau Maria verheiratet. Starke Frau hinter einem starken Mann. Die beiden haben zwei Töchter, 42 und 39 Jahre alt. Die ältere ist beim Film, die jüngere ist Eigentümerin und Geschäftsführerin der Aristonet Handels GmbH, welche seit kurzem mit «7Seals» in Österreich die Whisky Kenner begeistert.

 Degustation

Degustation

Auf einem riesigen Tisch stehen, wie Zinnsoldaten ausgerichtet, kleine Degustationsgläser, leicht gebauchte Spirituosengläser, genannt «Nosing Glasses». Und eine stattliche Anzahl an vollen Flaschen, teils mit elegant bedruckten, teils mit handgeschriebenen Etiketten. Feierlich mystische Stimmung herrscht. «Meine Herren, ich stelle Ihnen heute meine während Jahren schlummernde und nun in die Tat umgesetzte Vision vor. Mit meinem Verfahren ist es mir gelungen, dass ‹7Seals› schon nach ein bis drei Jahren ein geschmacklich so gutes Aroma erzielt wie ein Whisky, der 10 bis 18 Jahre im Eichenfass gelagert wurde. Eigentlich machen wir alles so wie die Schotten und verwenden die gleichen Rohstoffe, nur haben wir den Alterungsprozess zu Ende gedacht oder doch optimiert. Der Zeit ein Schnippchen geschlagen. Das ist der wesentlichste Teil des Geheimnisses. Die Resultate sind sogar oft besser als die der Originale vieler Schotten.»

 Dolf, links und Chris

Dolf, links und Chris

Seine Gattin serviert uns derweil diskret herrliche, hausgemachte Amuse bouches, passend zu den – mein Gott, wie viele Sorten waren es nur?! – vorgeführten Whiskys. Von Jim Murray, dem Whisky-Papst und Verfasser der jährlich erscheinenden «Whisky Bible», habe er Folgendes gelernt, fährt Stockhausen fort. Andächtig schauen wir in seine vor purer Begeisterung verschmitzt leuchtenden Augen. «Nehmen Sie nun das Glas mit dem Whisky zwischen die Mittelfinger. Warten sie zwei bis drei Minuten, bis der Whisky Handtemperatur erreicht hat. Dann führen Sie das Glas zur Nase, mal links, mal rechts, um die Aromastoffe zu erkunden. Holz, Torf und Rauch. Und dann auf den Gaumen. Hier erspürt man die Sherry- oder Portwein-Aromen, was, wie bei allen Whiskys, mit dem spezifischen Holzkontakt beim Reifen zu tun hat. Dann lassen Sie den Whisky langsam im Gaumen Platz nehmen. Lassen ihn andächtig um die Zungenspitze kreisen und fühlen dabei seine Kraft und Dichte». In der Tat, durch ein solches Ritual verfällt man, je mehr man verkostet, unweigerlich in einen Meditationszustand.

Die Vision

Vollbracht

Vollbracht

«Alles, was in meinem ‹7Seals› drin ist, ist auch bei den bekanntesten und sehr teuer gehandelten Whisky-Marken drin», weckt uns Dolf Stockhausen aus den Träumen. Beileibe könne man beim Whisky nicht wie beim Wein einfach Holzschnipsel ins Fass hineinwerfen. Das wäre völlig ungeniessbar. Vielmehr brauche das Holz eine Vorbehandlung, um die Tannine auf das erwünschte Mass zu reduzieren. Ausserdem müsse man dafür sorgen, dass im Holz ausreichend Holzzucker und Vanilline entstehen. Schliesslich würden diese dem Whisky seinen Geschmack geben. In den USA und Schottland werden Fässer viel zu kurze Zeit mit viel zu hohen 1000 Grad und mehr geflämmt, was negativ bewirkt, dass Nebenkomponenten und nur wenig Aromastoffe entstehen können. Wie dann beim „7Seals“ noch Rauch und Torf Aromen reinkommen, ist eine Sache des verwendeten Destillats, dessen Qualität die Basis jedes guten Whiskys ist. «Aber Chemie hat im ‹7Seals› nichts, aber auch gar nichts verloren», sagt Dolf Stockhausen mit Nachdruck.

Wie kam es zur Erfindung?

Dolf, links und Chris

Dolf, links und Chris

Warum macht er das alles? «Dies ist meinem Alter geschuldet und der gebotenen Eile, vor meinem Lebensende noch einmal etwas zu unternehmen. Als ich 72 Jahre alt war, wollte ich mich der traditionellen Whisky-Fasstechnologie verschreiben. Dann begann ich – wie immer – zu rechnen. In 10 Jahren, so überlegte ich, wäre ich 82, wenn die ersten Flaschen abgefüllt würden. Das war mir viel zu lange», lacht er verschmitzt. «Wie bei allem mit einem Quäntchen Glück und meiner angeborenen Beharrlichkeit sowie mit der Vision im Rucksack lernte ich Hans Baumberger kennen, einen hochdekorierten Pionier des Whiskys in der Schweiz. Einen Rotarier. Und Chris Lauper, damals Betriebsleiter und heute unter anderem CEO der bekannten Destillerie Langatun in Aarwangen BE. Inzwischen sind Christian und ich enge Freunde über die Generationsgrenzen hinweg. Chris war bald begeistert von der Idee. Wir sind seit dem kurz darauf vollzogenen Management Buyout Geschäftspartner der vier Firmen „High Spirits Holding AG», «Langatun Distillery AG“, «7Seals Distillery AG» und der Handelskette «Vinazion AG». Lauper als CEO und Stockhausen als VR-Präsident. «Chris ist einer der absolut besten Whiskykenner in der Welt. Ohne ihn wären unsere Whiskys bei weitem nicht, was sie sind.» fügt Stockhausen hinzu.

 Das Ritual

Das Ritual

Apropos Händler. Das ist das nächste Etappenziel von Chris und Dolf. Die Händler als natürliche Verbündete gewinnen. Das fordert viel Überzeugungskraft. Awards für «7Seals» hin oder her, festgefahrene Traditionalisten pflegen immer noch am liebsten ihre Highland-Romantik und wollen die neuzeitlichen naturwissenschaftlich belegten Argumente einfach (noch) nicht verstehen. Das stimme ihn traurig, sagt Stockhausen. Zumal nach Aussage der höchsten Whisky-Autorität der Welt, Jim Murray, die Qualität der schottischen Whiskys rückläufig ist. Warum? Simpel und einfach – es mangle weltweit an guten Fässern. «Der ‹7Seals“-Prozess› kann unbestritten mithelfen, die Qualität in Zeiten dieser Knappheit hochzuhalten. So retten wir eigentlich eine Tradition, indem wir eine andere brechen», betont Dolf Stockhausen.

Noch ein Schlückchen zum Abschied.

Dolf Stockhausen

Dolf Stockhausen

Der Port Wood Finish mit «Whisky of the Year»- Qualität. Einfach, fruchtig, sexy, ausgewogen, leichter Kaffeeton, so erfüllend kann eine Degustation sein. Leicht angesäuselt und angetan von den unzähligen Aromen und der –trotz hohen Alkoholgehaltes – Milde und Komplexität der verkosteten «7Seals» verabschiedeten wir uns. Was Jim Murray über «7Seals» nach einer Degustation sagte, blieb auch bei uns fest verankert: Alle Single-Malts von «7Seals» würden in der Champions League spielen und seien besser als viele der Produkte aus schottischen Distillerien.

Wenn das nicht der Lohn für die Arbeit und die unerschütterliche Beharrlichkeit eines Visionärs ist! Eines eigenwilligen Tüftelers, der mit fühlbarer Leidenschaft der Whisky-Zeit einen gehörigen Sprung voraus ist. Nach nur zwei Jahren hat Dolf Stockhausen seinem «7Seals»-Verfahren zum Durchbruch verholfen.

Text und Fotos  : www.herberthuber.ch

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