Die ganze Küchenbrigade ist in Startposition für den Mittagservice, auch die Lehrlinge, die natürlich am meisten „bibbern“. Ob sie wohl alles recht machen? Die allerwichtigste „mise en place“ ist vollbracht. Also Vorhang auf!
Zeit haben die Gäste am Mittag sehr selten. So ist die Anspannung gross. Ob die Serviceangestellten heute hoffentlich die schön vorbereiteten Menus verkaufen? Die Schulung hat vormittags stattgefunden. Die hausgemachte Tagessuppe ist verkostet. Den frischen Salat kann der Service gluschtig beschreiben. Von wegen knackig und so. Das Fleischangebot ist bei allen intus, wie auch der Tagesfrischfisch. Und die Angebote für Vegetarier und Veganer. Weil in unserem Restaurant nicht alle Gäste Menus essen werden, gibt’s noch à la carte. Auch darüber sollte jeder Mitarbeitende im Service Bescheid wissen. Ja und dann noch eine süffige Weinempfehlung. Ja, ich meinte, so eine „Vor dem Service Stimmung“ kommt einer Orchestereinstimmung nah.
Die Stunde der Wahrheit naht
Die Servicebrigade steht bereit
Elfuhrfünfundvierzig! Gut hundert Gäste werden erwartet. Es muss wirklich gut hier sein in diesem Restaurant. Glücklich der Gastgeber mit soviel Gästen. Wo doch heutzutage in Gassen und auf den Bänklis am Quai oder beim Brunnen vor dem Tore aus dem Plaschtiggbeutel gefoodet wird. Andere Geschichte.Die ersten Gäste sind schon beim Hauptgang. Weil es heute mit dem Menuverkauf einfach nicht so klappen will, türmen sich die à la carte Bestellungen wie der Pariser Eifelturm. Ein Tisch mit sechs Personen ordert sechs verschiedene Vorspeisen, dann das Fleisch vom Rind 2x durch, 3x blutig und 1x medium.
Noch eine letzte Feinabschmeckung des Küchenchefs
Der Tisch nebenan ist ebenfalls auf den Geschmack gekommen. Bestellt Fisch, Huhn und Vegi, wechselt das Gemüse, weil man Spinat nicht mag und auch die Rübli langweilig sind. Die Sauce wird auch ausgewechselt. Die Servicemitarbeiter sind am „schleudern“. Immer nur lächeln und immer vergnügt, immer zufrieden, wie’s immer sich fügt. Lächeln trotz Weh und tausend Schmerzen, doch wie’s da drin aussieht, geht …Franz Lehar lässt grüssen.
Trotz tropischer Hitze kühlen Kopf bewahren
Küchenbrigade im Einsatz
In der Küche herrscht Irrenhaus Küchenstress pur. Von der Stirne heiss, rinnen muss der Schweiß, soll das Werk den Meister loben (frei nach Friedrich Schiller). Schweiss bei über 40°. „Seckle, nid träume“, brüllt der Chef. „ Achtung, nimm das Filet vom Grill – die Vorspeisen schöner anrichten. Den Salat nicht in der Sauce baden – verdamminomol“. Schon kommen die ersten Dessertbestellungen. Inzwischen ist es dreizehn Uhr. Die ersten Gäste rufen „Fröillein zahle bitte!“
Gott schuf die Zeit, von Eile hat er nichts gesagt
Servicebrigade startbereit im Restaurant
Nun, das Fröillein, eine ausgewachsene Mutter übrigens, ist noch am Schöpfen beim „Durcheinanderbestelltisch. „Rüüdig lang geht’s heute, bis man bezahlen kann“, murrt ein Gast. „Gut war’s ja, aber zehn Minuten auf ein „Röschteli“ warten?
Frage nun? Darf ein Gastgeber von den Gästen überhaupt Geduld erwarten? Ich meinti: Ja darf er! Vor allem, wo frisch gekocht, wo Gastfreundschaft vermittelt wird und wo alle ihr Bestes geben!
Zufriedener Küchenchef Comic von Ralf Zacherl pixelio.de
Wie heisst es doch so schön: die Zeit eilt nicht, nur der Mensch – wohin wozu?
Ist doch ein Vergnügen, sich an einen festlich gedeckten Tisch zu setzen Symbolfoto SHL Schweizerische Hotelfachschule Luzern
Meine Großmutter war ein Goldschatz und eine sehr fleissige Frau. Geboren wurde sie 1888. Meine Großmutter hiess Elisa. Sie schwärmte oft und mit Stolz sie sei einmal Serviertochter in einer Weinschenke gewesen. Im St. Gallischen Rheintal. Einfach so und zur Abwechslung. Nicht weil sie es nötig gehabt hätte.
Korrekt startbereit mit Serviceschöibali
Denn Ihr Mann, mein Grossvater, war immerhin Chef der Güterexpedition im Bahnhof Altstätten. Sein Lohn wurde damals mit „Goldvrenelis“ ausbezahlt. Zurück zur Grossmutter. Für ein freundliches Lächeln gab es fünf Rappen Trinkgeld und für ein noch freundlicheres sogar zehn Rappen. Keinen Lohn also, nur Trinkgeld. Das war einmal in den so genannten goldenen zwanziger Jahren, als die Schweizer Hotellerie boomte. Wer nicht Essen servierte, sondern nur Getränke anschleppte, blieb Serviertochter, der man für ein Zwänzgi, wie man sagen hörte, auch noch das Füdli tätscheln durfte.
Das Fröilein Serviertochter geistert bis heute in den Köpfen älterer Zeitgenoss*innen
Höflich öffnet die Serviertochter dem gnädigen Herrn die Türe
Geblieben ist im Volksmund bis heute die Serviertochter. „Fröilein zahle“ ebenfalls. Auch wenn die Serviertöchter erwachsene Frauen und oft schon Großmütter sind. Oh du liebe Serviertochter!
Auch Herren waren im Service gefragt
Wo also sind nur die Serviersöhne geblieben? Man muss nicht Feminist sein um zu begreifen, dass diese Berufsbezeichnung eigentlich definitiv auf den Schrottplatz der Gastronomie gehört. Sonst müssten wir als gleichberechtigte Männer ja endlich die Einführung von Serviersöhnen fordern. Schluss mit Fröilein zahle! Her mit dem: Herrlein her bitte!
Richtige Anrede ist auch heute noch nicht ganz einfach
Manchmal gings im Gänsemarsch zu den Gästen
Zurück in die Gegenwart. Soll der Gast nun Gafa (gastgewerbliche Fachangestellte) oder Sefa (Servicefachnagestellte) rufen, wenn er zahlen möchte? Madame oder Garçon oder Ober? Ich meinte dass diese servierenden Menschen doch einen Namen haben? Dänk scho, denn sie sind ja oft angeschrieben. Nur lesen kann man die Namen bald nicht mehr. Kürzlich sagte mir ein Gast, es hätte Ihn eine „Azubi“ (Auszubildende) bedient.
Heutzutage ist es auch wieder sehr gediegen, wie zu den Grand Hotel Zeiten
Als er Frau Azubi rief, sei er sich ziemlich schräg vorgekommen. Ja und die ganze Zeit auf den Busen einer servierenden Frau starren, geht ja auch nicht. Erklären Sie mal dieser Frau, sie hätten nur den Namen lesen wollen? Das optimale wäre, so meinte ich, wenn sich die Mitarbeitenden den Gästen vorstellen. Was zudem das Selbstwertgefühl in eine verdiente Höhenlage bringen würde.
Egal welche Bezeichnung, das wichtigste bleibt die Freundlichkeit der Servierenden
Es muss viel gelernt werden
Was ist nun wichtig? Was zählt heute bei den Gästen? Wichtig ist, dass ich freundlich bedient werde. Als Gast ernst genommen werde. Und dann merke ich mir vielleicht automatisch, wie diese nette Dame oder dieser flotte Herr heissen. Und ich werde sie das nächste Mal mit ihrem Namen ansprechen? Weil man mir nämlich beim Bezahlen der Rechnung, sogar das persönliche Visitenkärtli mitgegeben hat: „Ich freue mich auf Ihren nächsten Besuch“!
Korrekt gekleidete Servicefachfrau heutzutage
„Wenn es mit meiner Tochter nicht besser geht in der Schule, kann sie dann immer noch als Serviertochter arbeiten“, meinte kürzlich eine Mutter zu mir. Hat der wunderschöne Beruf des Servierens eigentlich ein Image Problem?
Carl Philipp Emanuel Bach (1714 – 1788) Flötenkonzert d-Moll H 484.1 / Wq 22 Camille Quinton, Flöte Klasse Pirmin GrehlLudwig van Beethoven (1770 – 1827) Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 1. Satz Allegro ma non troppo Mátyás Mézes, Violine Klasse Igor KarskoHenri Vieuxtemps (1820 – 1881) Violinkonzert Nr. 5 a-Moll op. 37 Marta Peño Arcenillas, Violine Klasse Daniel DoddsLudwig van Beethoven (1770 – 1827) Klavierkonzert Nr 5 Es Dur op. 73 1. Satz Allegro Denys Zhdanov, Klavier Klasse Konstantin LifschitzFelix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847) Violinkonzert e-Moll op. 64 Inès Morin, Violine Klasse Igor KarskoFestival Strings Lucerne Daniel Dodds, Leitung
Camille Quinton, Flöte freut sich über den Applaus
Dieses Werk des sogenannten „Hamburger Bach“, er war zu Lebzeiten sogar berühmter als sein Vater Johann Sebastian, ist ein umgearbeitetes Cembalokonzert. Bach war damals einer der berühmtesten „Clavieristen“ Europas. Für das Cembalo – sein Lieblingsinstrument – hat er rund 150 Sonaten und über 50 konzertante Stücke geschrieben. Bei den Wiener Klassikern stand Bach in hohem Ansehen. So bekannte Joseph Haydn: „Wer mich gründlich kennt, der muss finden, dass ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, dass ich ihn verstanden und fleißig studiert habe.“ Von Mozart stammt der Ausspruch: „Er (Emanuel Bach) ist der Vater; wir sind die Bubn. Wer von uns was Rechts kann, hats von ihm gelernt.“ Ludwig van Beethoven schrieb in einem Brief an Breitkopf & Härtel immerhin: „Von Emanuel Bachs Klavierwerken habe ich nur einige Sachen, und doch müssen einige jedem wahren Künstler gewiss nicht allein zum hohen Genuss, sondern auch zum Studium dienen. Die junge französische Solistin hat während ihres Studiums schon Praktika beim Berner Sinfonieorchester und beim Sinfonie Orchester Biel Solothurn absolviert und nahm im Sommer 2018 an der Lucerne Festival Academy teil. Diese Erfahrungen des Zusammenspiels mit grossen Orchestern erleichterten ihr wesentlich, sich den „Festival Strings“ beizuordnen, sich bestens zu integrieren und die eingestreuten Soli mit einer gewissen Gelassenheit und Routine zu absolvieren. Sie reihte die jubilierenden Noten klar, präzis wie Perlen an die Schnur, setzte pointierte Triller, schöne Tremolo, haucht feine Vibrato in den Saal, supportiert von den gut aufgelegten „Strings“, die sich bei ihrem zweiten Auftritt im KKL Konzertsaal nach dem Re Start schon wieder routiniert zeigten wie eh und je im Zusammenspiel, als wär da nie ein viermonatiger Konzertstopp gewesen.
Ludwig van Beethoven Konzert für Violine und Orchester D-Dur 1. Satz Allegro ma non troppo Mátyás Mézes, Violine
Mátyás Mézes, Violine spielt Beethoven
Nun wurde das nicht mehr benötigte Cembalo zur Seite geschoben, dafür ergänzten einige Bläser*innen das Orchester. Aus Beethovens einzigem vollendetem Konzert dieser Gattung intonierte der ungarische Solist den ersten Satz. Der erste Satz entspricht der Sonatensatzform. Vier leise Paukenschläge, gefolgt von der Vorstellung des Hauptthemas durch die Holzbläser, leiten den Satz ein, dessen liedhaftes und doch majestätisches Hauptthema eine lyrische Stimmung verbreitet. Das Paukenmotiv kehrt an mehreren Stellen des Satzes wieder. Die Solovioline setzt erst nach der Vorstellung der beiden Hauptthemen und einer etwa dreiminütigen Orchesterpassage ein. Vertraute Töne, wird doch das 2. Thema aus dem 1. Satz des Konzerts für die akustische Senderkennung des ZDF verwendet. Finale mit filigranen Läufen dazu gesellen sich die Pizzicato der Streicher, die sanften Töne des Fagotts, bevor sich die ganze aufgestaute Spannung im Tutti Finale entlädt. Obwohl Mézes, laut Biografie, am meisten Erfahrung mit Orchesterauftritten von allen Solist*innen hat, wirkte er gehemmt, etwas verbissen, technisch zwar sehr gut, aber ohne das innere Feuer, das sich in Ausstrahlung transformieren würde. Oder legte er sich schlicht mit Beethovens Oeuvre die Messlatte „noch“ zu hoch?
Henri Vieuxtemps Violinkonzert Nr. 5 a-Moll Marta Peño Arcenillas, Violine
Marta Peño Arcenillas, Violine brilliert
Obwohl Mitte des 19. Jahrhunderts komponiert, tönt die Komposition sehr modern und man würde sie eher dem Aufbruch anfangs des 20. Jahrhunderts zuordnen, als Komponisten wie Igor Strawinsky, Béla Bartók etc. musikalisch in andere Welten aufbrachen. Beauftragt wurde das Werk vom befreundeten Geigenvirtuosen Hubert Léonard, der ein «pièce de concours» für die Abschlussprüfung seiner Violinklasse am Königlichen Konservatorium Brüssel suchte. Die drei Sätze des Werks sind so miteinander verknüpft, dass der Eindruck eines einzigen erweiterten Satzes entsteht. Der erste Satz beginnt mit einer Orchesterexposition, die drei kontrastierende Themen vorstellt; danach folgt der dramatische Einsatz der Solistin, der zu einem lyrischen Thema führt. Ein zweites Thema des Soloinstruments, in C-Dur, enthält weiteres lyrisches Material, das während seiner Wiederholung im Orchester vom Solisten begleitet wird. Die erweiterte Durchführung bietet Gelegenheit zu solistischer Virtuosität, bevor eine Kadenz erreicht wird. Eine kurze Moderato-Überleitung führt zu dem gesanglichen Andante mit seinem anrührenden a-Moll-Thema. Einer Modulation nach A-Dur folgt eine C-Dur-Melodie aus Grétrys Oper Lucile – eine Anspielung, der das Konzert seinen Beinamen (“Le Grètry”) verdankt. Ein kurzes Allegro con fuoco in a-Moll beschließt das Konzert. Die junge spanische Solistin fegte durch die anspruchsvolle Partitur mit einer, (für ihr Alter von grad mal 26 Jahren), Gelassenheit und Sicherheit, aber auch brennender Leidenschaft. die sonst nur sehr routinierte Solist*innen auszustrahlen vermögen.
Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 5 2 und 3. Satz Denys Zhdanov, Klavier
Denis Zhdanov, Klavier interpretiert Beethoven
Hier wurde der erste Satz nicht gespielt, so war der Einstieg in das Werk doch sehr ungewohnt. Der ergreifende Mittelsatz ist in H-Dur gesetzt, einer mit Es-Dur enharmonisch verwechselt terzverwandten Tonart (eigentlich Ces-Dur), und erinnert in seiner Klanglichkeit bereits an die Klaviermusik von Chopin oder Liszt. Dabei handelt es sich um eine dreiteilige Adagio-Form mit der Gliederung in A B B‘ A‘ A“ sowie einer 3-taktigen Überleitung zum letzten Satz. Gedämpfte Streicher über einer gezupften Basslinie stellen zunächst das getragene, choralhafte Hauptthema (16 Takte) vor, ehe in T. 16 das Klavier übernimmt und ein zweites Thema (11 Takte) zur Begleitung des Orchesters vorträgt, welches in T. 26 in der Dominante Fis-Dur endet.
Leitung Daniel Dodds
Den Schlusssatz mit der Gliederung in A B A C A B A + Coda eröffnet das Klavier unbegleitet im donnernden Fortissimo. Das Hauptthema in Es-Dur, bestehend aus einem aufstrebenden Dreiklang und einem abwärts geführten Gegenmotiv, wirkt aufgrund seines ungewöhnlichen rhythmischen Profils, der kontrastreichen Gestaltung sowie seiner formalen Offenheit fast schon „zwanghaft“ freudig. Manch einer fühlt sich hier eher an ein manisches „Grinsen“ als an ein natürliches „Lächeln“ erinnert – und bildet somit einen deutlichen Kontrast zum Mittelsatz. Das Orchester wiederholt das Hauptthema in T. 17 und erweitert es diesmal zu einem in sich geschlossenen Themenkomplex. Der Solist trug die zwei Sätze mit einer gewissen Ironie und Schalkhaftigkeit vor, nie verbissen oder in „Beethovenscher Mürrigkeit“.
Felix Mendelssohn Bartholdy Violinkonzert e-Moll Inès Morin, Violine
Inès Morin, Violine nach dem Finale
Von der äußeren Form folgt das frühe Violinkonzert dem typischen Erscheinungsbild des Solokonzerts: schnelle Ecksätze und ein kantabler Mittelsatz. Es handelt sich bei dieser dreisätzigen Anlage um einen festen Gattungstypus, der im Wesentlichen auf die zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstandenen Solokonzerte von Antonio Vivaldi zurückzuführen ist. Bemerkenswert ist im ersten Satz die auffällige Folge von Tutti- und Solopassagen, die auf die in der Barockmusik verbreitete Ritornell Form hinweist. Ein kontrastierendes Thema erscheint erst im ersten Solo der Violine, während es im eröffnenden Tutti fehlt. Alles in allem imponiert der Kopfsatz als „Synthese aus Sonatensatzform und barockem Ritornellprinzip. Diese Bezugnahme auf ältere Konventionen ist geradezu typisch für Mendelssohn, vor dem Hintergrund dessen lebenslanger Beschäftigung mit dem Werk alter Meister. Die Werkentstehung war für Mendelssohn „mit ungeheurer Anstrengung verbunden und beanspruchte etwa sieben Jahre – 1838 – 1845 – von den ersten Anfängen bis zur Fertigstellung, Aufführung und Veröffentlichung“. Gekennzeichnet war dieser Prozess von zahllosen Überarbeitungen, die von erheblichen Selbstzweifeln begleitet wurden. Das Konzert ist während seiner Entstehung „häufiger Gesprächsgegenstand zwischen Mendelssohn und David [dem Solisten der Uraufführung] gewesen.“ Das Konzert folgt ebenfalls der dreisätzigen Anlage der Solokonzertform. Gegenüber dem frühen Violinkonzert befindet sich Mendelssohn hier auf der Höhe seiner Zeit, was am deutlichsten anhand des Kopfsatzes, der, mit Besonderheiten, der Sonatensatzform folgt, erkennbar ist. Diesem folgt ein kantabler zweiter Satz, während der dritte Satz, nach einer mäßig raschen Introduktion in e-Moll, wieder in einem raschen Tempo steht und ein Rondo bildet. Durch den Wechsel zu E-Dur nimmt das Rondo-Finale eine überaus heitere Grundstimmung an, in der das Konzert zu Ende geführt wird. Die junge Französin intoniert flüssig, elegant und mit betörender Souplesse zu dem das Orchester, wie den ganzen Konzert Abend hindurch, den ausserordentlich meisterhaften musikalischen Klangteppich legt.
Die Festival Strings Lucerne geniessen den verdienten Schlussapplaus
Alle Solisten und das Orchester erhielten stürmischen Applaus, die beiden Violinistinnen ernteten sogar einzelne Bravorufe an diesem, zum ersten Mal auf zwei Abende aufgeteilten Solistenkonzert.
Daniel Hope und das Zürcher Kammerorchester Foto Sandro Diener
Programm und Besetzung:
Edward Elgar Serenade für Streichorchester e-Moll op. 20 Johann Sebastian Bach Brandenburgisches Konzert Nr. 5 D-Dur BWV 1050 Antonio Vivaldi Der Sommer, aus: Vier Jahreszeiten op. 8 RV 315 Piotr Iljitsch Tschaikowsky 1. Satz aus Serenade für Streichorchester in C-Dur op. 48
Nach einem genussvollen Abendessen in äusserst angenehmer Begleitung in einem nahegelegenen Restaurant dislozierten wir gutgelaunt zur Tonhalle Maag, vor und in der nicht das sonst übliche Gedränge herrschte. Dank den Lockerungen im Corona Modus reichte es immerhin noch für das Saisonabschlusskonzert des Zürcher Kammerorchesters, Abschluss einer Saison, die eigentlich gar nicht stattgefunden hatte. Aufgrund der Beschränkung auf nur 300 Personen, inkl. Orchester, Platzanweiser*innen usw., die sich im Saal aufhalten durften, entschlossen sich die Verantwortlichen, das Konzert, in leicht gekürzter Form und ohne Pause, gleich zweimal nacheinander am gleichen Abend zu spielen. Somit kamen immerhin ca. 460 Personen in Genuss des Ohrenschmauses. Ein ungewohnter Anblick, die lichten Reihen in der Tonhalle Maag, die sonst bei Konzerten des ZKO meist prall gefüllt ist. Zur Corona Prävention wurden sogar Gesichtsmasken kostenlos an die Besucher abgegeben, aber nur von den wenigsten getragen. Es wurde ein unbeschwerter Konzertgenuss in eine neue Konzert Ära mit ungewohnter Ellbogenfreiheit. Das Klangerlebnis auch ungewohnt, viel weniger dumpf, mehr hallend, da weniger Zuhörer, auch weniger Schall schluckende Textilien (Kleider) im Saal waren. Das Programm wirkte etwas Liturgie lastig mit Werken von Elgar und Bach, beide streng gläubig und Vivaldi, der in jungen Jahren gar zum katholischen Priester geweiht wurde.
Edward Elgar – Serenade E minor, op. 20
Der Kopfsatz (Allegro piacevole) kann Elgars pastoralen Neigungen nicht verhehlen, der langsame Satz (Larghetto) trägt elegische Züge, das Finale (Allegretto) sorgt für einen heiteren Ausklang. Dass kurz vor Schluss der erste Satz noch einmal anklingt, hat Elgar der Serenade Opus 22 von Dvorak abgelauscht, unter dem er sogar eine zeitlang als Orchestermusiker tätig war. Das ca. 13minütige Werk, äusserst gefühlvoll und fast zurückhaltend interpretiert vom Orchester erwies sich als sehr passender Einstieg in den Re Start ins Konzertleben des ZKO und wurde vom Publikum mit dem entsprechenden Applaus gewürdigt.
J.S. Bach Brandenburgischen Konzert Nr. 5 D Dur
Naoki Kitaya Cembalo Foto Sandro Diener
Das Konzert für Solocembalo, Flöte, Violine und Streichorchester gehört zu den frühesten Beispielen eines solistischen Tasteninstruments mit Orchester. Innerhalb der aus Italien stammenden Konzertform spielt die sehr modern wirkende, ganz die Außenstimmen betonende Satzweise mit ihren ständigen Triolen deutlich auf den französischen Geschmack an. Auch die Verwendung der gerade aufkommenden Traversflöte weist in diese Richtung. Alle drei Sätze führen nach einiger Zeit eine durch Seufzer Motive geprägte Melodik ein, die ebenfalls auf Modelle französischer Komponisten verweist. So kann dieses Konzert als ein Beispiel für das Bestreben deutscher Komponisten des Hochbarock gelten, die Nationalstile Italiens und Frankreichs miteinander zu verbinden. Die Instrumente werden über weite Strecken recht gleichwertig eingesetzt; in der zweiten Hälfte des ersten und dritten Satzes treten dann aber zunehmend virtuose Partien für das Cembalo auf, die die anderen Instrumente stellenweise etwas in den Hintergrund drängen und im ersten Satz in ein umfangreiches Solo münden. Wegen der hier dominierenden Rolle des Cembalos wird das Konzert manchmal als das erste Cembalokonzert der Musikgeschichte gesehen. Nach dem Tutti-Ritornell führen sich die Solisten mit einem eigenen Thema ein und entwickelt aus diesem kontrastierenden Thema schnell eine durch Seufzer Motive geprägte Melodik. Umfangreiche Solopassagen werden strukturiert durch häufige Orchestereinsätze, Couplets, mit dem Ritornell Beginn.
Stéphane Réty Flöte Foto Sandro Diener
Nach einem kurzen Intro der Streicher bringt sich zuerst der gebürtige Franzose Stéphane Réty, Soloflötist des Zürcher Kammerorchesters und des Sinfonieorchesters Basel, ins Spiel, kurz darauf gefolgt von Naoki Kitaya am Cembalo. Der in Tokio geborene Solist war u.a. Schüler von Nikolaus Harnoncourt. Im dritten Satz übernimmt dann auch die erste Geige (Daniel Hope) eine immer gewichtigere Rolle und etabliert sich, nebst Flöte und Cembalo, als dritte Solostimme, immer eingebettet im Klangteppich des äusserst souveränen Orchesters.
Fugenartiger Schlusssatz
Der Schlusssatz beginnt wie eine Fuge – zunächst in den Soloinstrumenten, schließlich auch im Orchester –, doch wird die thematische Arbeit schnell aufgegeben. Dieser Satz ist deutlich dreiteilig, mit identischen Außenteilen und einem kontrastierenden Mittelteil doppelter Länge in der parallelen Molltonart. Auch dieser mittlere Satzabschnitt führt gleich zu Beginn ein ganz neues Thema ein, das durch seinen großen Bogen und gesanglichen Charakter einen deutlichen Gegensatz zum Bisherigen bildet und von Bach ausdrücklich als cantabile bezeichnet wurde. Nachdem jedes Soloinstrument es einmal gespielt hat, wird es auch von den Oberstimmen des Orchesters übernommen; die Grenzen zwischen Soloinstrument und Orchesterinstrument verschwimmen hier stellenweise in einem dichten Geflecht. Etwa ab der Mitte des Satzes wird dann das Cembalo wieder deutlich als Solist herausgestellt, dem Flöte und Violine einerseits und Orchesteroberstimmen andererseits als geschlossene Gruppen entgegentreten. Der Abschnitt endet in h-Moll, dann beginnt der Satz überleitungslos wieder von vorne, also mit der wörtlichen Wiederholung des ersten Abschnitts. Die drei Solisten agierten auf höchstem Niveau, das Orchester bot ihnen den soliden, anspruchsvollen Klangteppich, auf dem sie sich in Szene setzen konnten.
Antonio Vivaldi – Vier Jahreszeiten – Der Sommer
Daniel Hope (Music Director)
Das ist auch ein persönliches Statement des Geigers und Music Directors des Kammerorchesters: Kaum ein anderer Komponist hat ihn in seiner Karriere so sehr begleitet wie Vivaldi, dessen Ideenreichtum, dessen Mut und rhythmisches Genie Daniel Hope über alles verehrt. Das geeignete Terrain für den Meisterviolonisten, sein ganzes Können zu demonstrieren. Die matten, schleppenden Akkorde des Themas sind auch für den heutigen Hörer als Darstellung extremer Hitze nachvollziehbar und bauen eine Spannung auf, die sich urplötzlich in einem virtuosen Solo entlädt.
Deutliche Vogelstimmen extrahieren sich aus dem Motiv
Hier ist der Kuckuck zu hören, später dann auch Taube und Distelfink. Die liegende Harmonik verdeutlicht das endlose Warten der Natur auf etwas Kühlung. Da sind auf einmal leichte Winde zu spüren; sie kommen aber nur langsam in Gang, bis schlagartig der eisige Nordwind losbricht. Pianissimo nun noch einmal ein paar Takte des Anfangsritornells auf der Dominante, als sei die Hitze nun plötzlich weit entfernt, und wieder hören wir den Hirten über sein Schicksal klagen, bis der kalte Sturm wiederkommt und alles hinwegfegt. Der begnadete Geiger legte mit seinem Orchester einen stürmischen Sommer aufs Parkett und erntete ebensolchen Beifall vom begeisterten Publikum.
Tschaikowskys Abschiedstanz in die laue Frühsommernacht
Mit einem Tschaikowsky Walzer liess Musical Director Daniel Hope das Konzert austanzen, also dem 2., statt dem programmierten 1. Satz aus der Serenade für Streichorchester in C-Dur op. 48. Hope spielt auf der, von einer anonymen deutschen Familie zur Verfügung gestellten, 1742 “ex-Lipínski” Guarneri del Gesù und beflügelte mit dieser lichtdurchfluteten, luftigen Komposition die Stimmung des gutgelaunten Auditoriums zu einem stürmischen, langanhaltenden Schlussapplaus.
Ein in allen Belangen gelungener Start in die Konzertzukunft des ZKO.