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Musik kann alles Am Wochenende des 6./7. Oktober wurde in Innsbruck das Haus der Musik feierlich eröffnet und Gabriela Bucher-Liechti war dabei

Beim Durchschneiden des Bandes: v.li. Die Architekten, Direktor Wolfgang Laubichler, BMin Margarete Schramböck, LH Günther Platter, LRin Beate Palfrader, Vize-Bgmin Christine Oppitz-Plörer, Karlheinz Töchterle und Bgm Georg Willi.
Beim Durchschneiden des Bandes: v.li. Die Architekten, Direktor Wolfgang Laubichler, BMin Margarete Schramböck, LH Günther Platter, LRin Beate Palfrader, Vize-Bgmin Christine Oppitz-Plörer, Karlheinz Töchterle und Bgm Georg Willi.

Bericht des Eröffnung:

Ein kühler klarer Samstagmorgen, gegenüber der Innsbrucker Hofburg  hat sich eine Menschenmenge versammelt, teils in eleganter Kleidung, teils in farbiger Tiroler Tracht. Fahnenspitzen leuchten golden, weisse und schwarze Federn flattern auf Hüten. Touristen recken neugierig die Hälse, Tablets und Handys werden gezückt, Tirol TV filmt. «Gibt scho was her, das Haus» sagt eine Frau zu ihrer Begleiterin. «Jo,» sagt diese, «aber wenn denksch was koschtet het».

Feierliche Zeremonie mit Ehrensalve

Land Tirol Haus der Musik Eröffungsimpression
Land Tirol Haus der Musik Eröffungsimpression

«Das Haus» ist das neue «Haus der Musik». Die Eröffnung beginnt mit einem «landesüblichen Empfang“, eine farbige und für Landesunkundige eher überraschende Angelegenheit. Die Ehrengäste haben sich aufgestellt, mit Blick auf die Reihen der Tiroler Traditionsverbände.  «Erich» ruft eine Frau aus dem Publikum noch «schauts mal vorne her» Erich, das ist der Architekt Erich Stolz, setzt sich kurz ab aus der Gruppe der Ehrengäste und schaut «vorne her», das Foto ist im Kasten. Dann wird die Front abgeschritten, Befehle werden gerufen, kurz, knapp, militärisch «habt acht, rechts schaut, schultert», Märsche ertönen, es wird mit Säbeln gegrüsst und die Ehrensalve wird abgefeuert, ohrenbetäubend. Dann werden Hände geschüttelt und die Marketenderinnen kredenzen den Ehrengästen das obligate Schnapserl. Kapellen und Fahnenabordnungen ziehen von dannen, spiegeln sich noch in den Fenstern des neuen Hauses. Dann schreiten die Ehrengäste über die imposante Promenade-Treppe im Innern des Hauses unter dem riesigen Lichtobjekt hoch in den grossen Saal.

Die gemeinsame Sprache der Musik

Land Tirol Haus der Musik Eröffungsimpression
Land Tirol Haus der Musik Eröffungsimpression

Die Begrüssungs-, Eröffnungs- und Festansprachen der anwesenden Prominenz (Beate Palfrader, Landesrätin für Kultur, Christine Oppitz-Plörer, Vizebürgermeisterin von Innsbruck, Günther Platter, Landeshauptmann von Tirol und Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaft) sind angenehm kurz. Ein lang gehegter Wunsch werde wahr, ein Traum gehe in Erfüllung. Durchhaltevermögen, Mut und Überzeugungskraft habe es gebraucht, um diesen Ort der offenen Begegnungen, der Vielseitigkeit und des Ungewöhnlichen zu realisieren. Jetzt ist es vollbracht, aus der grössten Kulturbaustelle Westösterreichs ist die grösste Musik-WG entstanden, wie das Haus auch liebevoll genannt wird, der Hot-Spot der Musikpflege und des Schauspiels. Neue Räumlichkeiten sind geschaffen worden, wo generationen- und genreübergreifend zusammen gearbeitet werden kann, wo Traditionelles vertieft und Neues geschaffen werden soll. Proberäume, Seminarräume, Konzertsäle, Bibliothek und Büros sind unter einem Dach, der gemeinsame Nenner bleibt die Musik.

Land Tirol Haus der Musik Eröffungsimpression
Land Tirol Haus der Musik Eröffungsimpression

Musikalisch umrahmt wurde die Feier am Morgen von jenen 10 Vereinen, welche hier nun ein neues Zuhause gefunden haben. Im Eröffnungskonzert am Abend spielte dann das Tiroler Landesorchester Ouvertüren von Werken, welche in der kommenden Saison auf dem Programm stehen. Nicht weniger als 5 verschiedene Dirigenten standen am Pult, die Ehrung eines jungen Schauspielers durch die Freunde des Landestheaters wurde vorgenommen  und der hochbegabte 14-jähriger Saxofonist Marton Bubreg bescherte dem Saal die ersten Bravo-Rufe und den ersten tosenden Applaus.

Ein- und Ausblicke

Haus der Musik, Durchsicht Foto Guenther Egger
Haus der Musik, Durchsicht Foto Guenther Egger

Das Gebäude selber fasziniert durch dunkle, changierende, teils fixe, teils bewegliche Keramiklamellen. Dazwischen riesige Fenster, welche einerseits von aussen direkte Einblicke ins Innere gewähren, andererseits von innen wunderbare Ausblicke. Lichtdurchflutete Proberäume reihen sich aneinander, eine Terrasse bietet spektakuläre Aussicht auf die Hofburg und in die Berge. Im Konzertsaal begeistert das grosse Fenster hinter dem Orchesterpodium. Je nach Lichtverhältnissen ist die riesige Eiche vor dem Haus mal grünes Blättermeer, mal dominieren die dunklen Äste und Stämme. Hunderte Menschen wollten an diesem Wochenende das neue Haus sehen, sogar die frühmorgendliche Führung am Sonntag um 6:00 war restlos ausgebucht.

Musik verbindet über alle Grenzen

Land Tirol Haus der Musik Impression der Eröffung von Gabriela Bucher (2)
Land Tirol Haus der Musik Impression der Eröffung von Gabriela Bucher

Das Blasmusikkonzert am Sonntagmorgen fasste das Credo des Hauses zusammen: Das Verbindende über alle Grenzen und Genres hinweg. Das Landesblasorchester Tirol spielte das persische Märchen «Scheherazade» des russischen Komponisten Rimsky-Korsakov, am Dirigenten-Pult die slowenische Dirigentin Andreja Šolar, an der Sologeige der Armenier Martin Yavryan und  auf der Bühne mehrheitlich jüngere Musikerinnen und Musiker, viele in Trachten, Lederhosen und gestrickten weissen Socken – Musik verbindet tatsächlich über die Grenzen hinweg!

Land Tirol Haus der Musik Impression der Eröffung von Gabriela Bucher
Land Tirol Haus der Musik Impression der Eröffung von Gabriela Bucher

Möge dieses faszinierende Haus und dessen neue Bewohner unzählige verbindende, genre- und grenzüberschreitende Momente erleben, wie sie an diesem Eröffnungswochenende stattgefunden haben.

Ein paar Fakten:

Grundsteinlegung November 2015

Kosten zirka 62,5 Mio Euro

15700 m2 Fläche, davon 12900 m2 Nutzfläche,

Räumlichkeiten verteilt über 9 Stöcke (Proberäume, Büros, Bibliothek)

ein grosser Saal mit rund 550 Plätzen, ein kleiner mit rund 100 Plätzen

Das Haus wurde von der Stadt Innsbruck, dem Land Tirol und dem Bund gemeinsam errichtet. Bauträger war die Innsbrucker Immobilien Gesellschaft (IIG).

Vereine im Haus der Musik

Tiroler Symphonieorchester

Festwochen der Alten Musik

Tiroler Volksmusikverein

Universität Mozarteum

Tiroler Landeskonservatorium

Tiroler Landestheater

Blasmusikverband Tirol

Tiroler Sängerbund

Institut für Musikwissenschaft

Musikbibliothek

Text und Fotos

www.gabrielabucher.ch

Land Tirol Haus der Musik Impressionen der Eröffung von Gabriela Bucher – Liechti

fotogalerien.wordpress.com/2018/10/10/land-tirol-haus-der-musik-impressionen-der-eroeffung-von-gabriela-bucher-liechti/

Fotos und Video

www.haus-der-musik-innsbruck.at

Film zur Eröffnung
 
 
 
 
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Status Quo, «Plugged In: Live And Rockin` 2017»-Tour, Hallenstadion Zürich, 6. Oktober 2018, besucht von Léonard Wüst

Status Quo Hallenstadion Zürich, 6.Oktober 2018 Foto Ruedy Hollenwäger Sursee
Status Quo Hallenstadion Zürich, 6.Oktober 2018 Foto Ruedy Hollenwäger Sursee

Besetzung:

Support Act: The Weight

 

Rezension:

Richie Malone Gitarre
Richie Malone Gitarre

Kann der aktuelle Sologitarrist die Absenz der Gründerlegende Rick Parfitt  vergessen lassen? Das war die grosse Frage vor Beginn des Konzertes.

Nach seiner Erkrankung im Sommer 2016 wurde Parfitt ab Oktober durch den irischen Gitarristen Richie Malone ersetzt. Bei einigen Konzerten während des Sommers war Freddie Edwards, der Sohn des Bassisten John „Rhino“ Edwards, für Parfitt eingesprungen. Am 24. Dezember 2016 starb Rick Parfitt in einem Krankenhaus im spanischen Marbella, seinem Wohnsitz, an einer Infektion nach einer Operation.

Status quo bei Status Quo, mit Einschränkungen

Andrew Bown Keyboards
Andrew Bown Keyboards

Die Ungewissheit war schon bei den ersten Riffs verflogen, der Status Quo ist auch mit Richie Malone gegeben, wenn er auch nicht die „Aura“ eines Rick Parfitt ausstrahlen kann, technisch aber keineswegs hintan steht. Das altersmässig eher reifere Publikum war sofort voll dabei. Status Quo legten unmittelbar los, performten zuerst ein paar eher unbekanntere Songs, bevor sie dann mit „What youre proposing“ ein erstes Ausrufezeichen setzten. Weiter gings mit einigen Coverversionen, bevor ihr UK Nr. 1 Hit von 1975 „Down Down“ einen weiteren Höhepunkt markierte. Die fünf Musiker stampften im 4/4 Takt durch ihre Set List aber eher emotionsarm routiniert. Stimmung kam immer auf, wenn well known Stücke, wie z.B. „Whatever you want“ an der Reihe waren. Mit den ganz grossen Knallern wurde es aber die erste Stunde nichts. Dann aber ihre erfolgreichste Coverversion aller Zeiten “In the army now” der holländischen Produzentenbrüder Bolland & Bolland. Damit war der zweite Teil des Sets richtig  lanciert. Ein Set, das den einzelnen Bandmitgliedern auch die Möglichkeit gab, ihre individuellen instrumentalen und gesanglichen Fähigkeiten zu demonstrieren.

Wenn Senioren ihre immer noch vorhandene Weltklasse demonstrieren

John Rhino Edwards Bass und Gitarre
John Rhino Edwards Bass und Gitarre
Francis Rossi  Leadgitarre
Francis Rossi Leadgitarre

Dem 69 jährigen Francis Rossi liegt seine aktuelle „Status‘ Graphite Guitar“ ebenso gut in den Händen, wie seinerzeit die original Fender Telecaster Jahrgang 1957, gekauft 1968 für 70 englische Pfund. Auch weiss er diese  immer noch sehr virtuos zu handhaben. Seine Mitmusiker standen ihm in nichts nach und jetzt kam erstmals so richtig Stimmung auf. Besonders spannend wurde es immer dann, wenn Keyboarder Andrew Bown auch eine Gitarre schnappte und sich zu den andern drei Gitarristen an den Bühnenrand gesellte. Dann war er unvermittelt wieder da, dieser fadengrade Rockgitarrensound der magischen 70er Jahre, der ausser den üblichen drei Akkorden nur noch einen Drummer, bei Status Quo Leon Cave, benötigt, der den Rhythmus angibt. Jetzt gings Schlag auf Schlag, Unterbrüche zwischen den einzelnen Songs füllten die Gitarristen, sich abwechselnd, mit ihren Soli. Dann der nächste veritable Hammer mit „Rockin` all over the world“. Dann wurde ausgetrudelt, nach 90 Minuten war das Konzert zu Ende. Damit waren aber die Fans gar nicht einverstanden und applaudierten die Protagonisten noch zu Zugaben, die den gelungenen Abend abrundeten.

Die aktuelle Besetzung der Band

Leon Cave Drums
Leon Cave Drums

Mitglieder der ersten Band, die es schaffte in 5 verschiedenen Jahrzehnten einen TOP20-Hit in Grossbritannien zu erzielen sind im Moment: Richie Malone (*1986), der „Rick Parfitt Ersatz“, der mit seinen 32 Jahren der klare Junior in dieser Band, dazu die „Rockdinos“ Francis Rossi (*1949), Andrew Bown (*1946), der leicht jüngere John „Rhino“ Edwards (*1953) und der zweitjüngste Leon Cave (*1978). Sie halten die Band am Laufen, die nach den Rolling Stones die meisten Hit-Alben in Grossbritannien hat und hatte, davon 4 Alben, die Nr.1 der Charts wurden.

Fazit des Konzerts der Unverwüstlichen

Status Quo Star Rick Parfitt
Status Quo Star Rick Parfitt

Sie spielen immer noch den „Geradeheraus-Gitarrenrock“, der seit über 50 Jahren die Massen mitriss und noch immer begeistert, wie sich an diesem Abend, im nicht ganz ausverkauften Zürcher Wädlitempel wieder einmal ausdrücklich manifestiert hat. Für mich  immer noch und wieder erstaunlich, dass drei simple Harmonien und ein banaler Rhythmus ausreichend sind, um ein halbes Jahrhundert Rockmusik entscheidend mitzuprägen.

Kleine Fotodiashow des Events von Ruedy Hollenwäger und Léonard Wüst:

fotogalerien.wordpress.com/2018/10/07/status-quo-plugged-in-live-and-rockin-2017-tour-hallenstadion-zuerich-6-oktober-2018-besucht-von-leonard-wuest/

http://www.statusquo.co.uk/

Rock meets Classic, Stadthalle Sursee, 17.März 2015: Gianna Nannini als Special Guest, besucht von Léonard Wüst

https://innerschweizonline.ch/wordpress/rock-meets-classic-stadthalle-sursee-17-maerz-2015-gianna-nannini-als-special-guest-besucht-von-leonard-wuest/

Support Act The Weight Trailer:

https://www.youtube.com/watch?time_continue=6&v=Gqb9nn-wmk8

Status Quo The Last Night Of The Electrics

https://www.youtube.com/watch?v=8oGGP2Aou94

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Ruedy Hollenwäger & Léonard Wüst

http://www.abc-production.ch/index

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José González & Band , Volkshaus Zürich, 25. September 2018, besucht von Léonard Wüst

Besetzung:

José González, Vocals & Guitar & Band/Gothenborg String Theory Orchestra, conducted by PC Nackt

José González, Vocals & Guitar
José González, Vocals & Guitar

Rezension:

Eigentlich erinnert sein Sound normalerweise stark an einen andern José, nämlich an den grossen Puerto-Ricaner José Feliciano (*1945). Jener stammt aber aus weit wärmeren Gefilden als der 1978 in Göteborg geborene Schwede mit argentinischen Wurzeln. Auch ist er eher bekannt für seine leisen Töne, für seine ruhige schöne Stimme, die eine Tröstlichkeit transportiert, die man eigentlich nur von Singer-/Songwriter-Veteranen á la Cat Stevens oder eben José Feliciano gewohnt ist. Die zweite gemeinsame Tour mit tatkräftiger Unterstützung des Göteborger Orchesters The String Theory ließ aber schon erwarten, dass der Meister der leisen Töne diesmal etwas lauter daher kommen würde. Im sehr gut besuchten Konzert im  Volkshaus waren eher sphärische, teilweise metallische Klänge zu vernehmen, etwas aufgebauschte Versionen von Songs seines grossen Repertoires und einige Cover Versions.

Dirigent Patrick Christensen, alias PC Nackt
Dirigent Patrick Christensen, alias PC Nackt

José González betrat als letzter die Bühne, winkte bescheiden, fast scheu in den Saal, wurde selbst in der allerletzten Reihe an seinem schwarzen Lockenkopf erkannt und mit noch lauterem Applaus empfangen. Komponist, Multitalent und Dirigent des Orchesters ist Patrick Christensen, alias PC Nackt, der seinen Platz einnahm, um das mehr als 20-köpfige Ensemble und González durch den Abend zu leiten. Der Mann, der normalerweise alleine mit seiner Gitarre auf der Bühne sitzt, hatte jetzt also einen beschwingten, energischen Dirigenten neben sich stehen und mehr als 20 Musiker im Rücken. Sogleich erfolgte der Start ins Set und schon die ersten Töne liessen erahnen, dass Ungewohntes bevorstand, somit der Pop Poet neue Klangsphären ausloten würde.

Etwas überlange Interpretationen der einzelnen Songs

José González auf dem ZMF in Freiburg (2017)
José González auf dem ZMF in Freiburg (2017)

Des Weiteren stellte sich heraus, dass die neuen, aufgepeppten Versionen doppelte Länge im Vergleich zum Original besitzen. Ja, hier passieren viele Dinge. Aber manchmal wäre weniger auch einfach mehr. Wenn ungefähr die Hälfte der Konzertzeit ohne Gesang auskommt, ist das zwar atmosphärisch äußerst positiv, schlaucht aber auch gewaltig, wenn gefühlt kein Stück unter acht Minuten auskommt. Die Set List hingegen war ausgewogen und natürlich mit eigenen Klassikern versehen, aber auch mit beliebten Covers à la „Teardrop“ oder „Heartbeats“. Und als letzter zu erwähnender Aspekt: Dirigent PC Nackt agierte mit Extravaganz, was per se nicht schlecht war. Wenn es aber stets von dem eigentlichen Act ablenkt vielleicht doch etwas zu viel!

Fazit des Konzertabends:

Für Hardcore-Fans sicher ein absolutes Spektakel. Der Abschiedsapplaus nach fast 100 Minuten Spielzeit war wirklich euphorisch, es reichte gar zu einer „Standing Ovation“, welche mit einer Zugabe belohnt wurde. Für eher neutrale Hörer wie mich aber dann doch ein wenig langatmig und zu episch, gar anstrengend.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Léonard Wüst, www.allblues.ch und http://jose-gonzalez.com/

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Lucerne Festival, Sinfoniekonzert 27 Boston Symphony Orchestra | Andris Nelsons | Baiba Skride, 12. September 2018, besucht von Léonard Wüst

Boston Symphony Orchestra Andris Nelsons Baiba Skride Foto Patrick Huerlimann LucerneFestival
Boston Symphony Orchestra Andris Nelsons Baiba Skride Foto Patrick Huerlimann Lucerne Festival

Besetzung und Programm:

Leonard Bernstein (1918–1990)
Serenade (nach Platos Symposium) für Violine, Streichorchester, Harfe und Schlagzeug
Dmitri Schostakowitsch (1906–1975)
Sinfonie Nr. 4 c-Moll op. 43

 

Rezension:

Eine reizvolle Programmation erwartete die sehr zahlreich erschienen Besucher. Einerseits „Serenade“ des Jahrhundertkomponisten Leonard Bernstein über den Arthur Rubinstein einst sagte: Bernstein ist «der grösste Pianist unter den Dirigenten, der grösste Dirigent unter den Komponisten und der grösste Komponist unter den Pianisten». Andererseits Schostakowitschs erschütterndste Sinfonie Nr. 4 c-Moll op. 43. Also einerseits hier der quirlig -lebenslustige, trotzdem nachdenkliche 1918 geborene Bernstein, da der eher schwermütige, vom Stalin Regime drangsalierte und jahrelang in Todesfurcht lebende, vom Leben gezeichnete, 1906 geborene Sankt Petersburger Schostakowitsch. Zudem waren mit der Solistin und dem Dirigenten gleich zwei lettische, beide in Riga geborene, Protagonisten an diesem Konzert vertreten.

Der Chefdirigent des Boston Symphony Orchestra

Andris Nelsons Foto Marco Borggreve
Andris Nelsons Foto Marco Borggreve

Andris Nelsons ,1978 in Riga geboren, wuchs in einer Musikerfamilie auf und begann seine Karriere als Trompeter an der Lettischen Nationaloper. Parallel dazu bildete er sich als Dirigent fort, studierte diese Disziplin bei Alexander Titov in St. Petersburg und nahm Privatunterricht bei Mariss Jansons. Das Lucerne Festival ehrte ihn 2012 mit der Ernennung zum «artiste étoile» und betraute ihn 2014 und 2015 mit der Leitung mehrerer Konzerte des Lucerne Festival Orchestra worauf er prompt als Kronprinz in Nachfolge des im Januar 2014 verstorbenen Claudio Abbado als Chefdirigent dieses Orchesters gehandelt wurde. Wie wir wissen, wurde dann aber Riccardo Chailly diese Ehrung zuteil.

Die Solistin des Abends

Baiba Skride Solistin Violine Foto Patrick Hürlimann
Baiba Skride Solistin Violine Foto Patrick Hürlimann

Die 1981 geborene lettische Geigerin Baiba Skride begann ihr Studium in ihrer Heimatstadt Riga. 1995 wechselte sie an die Musikhochschule Rostock, um ihre Ausbildung bei Petru Munteanu fortzusetzen. Als Siegerin beim «Concours Reine Elisabeth» in Brüssel eröffnete sie 2001 ihre internationale Karriere, die sie mittlerweile zu zahlreichen Orchestern von Weltrang geführt hat.

Leonard Bernstein: Serenade nach Platons «Gastmahl»

Sich auf bequemen Liegen räkeln, Wein trinken und über die Liebe plaudern. Das ist in etwa das Setting des «Symposion» (oder «Gastmahls»). Einer Sammlung hochstehender Dialoge zwischen verschiedenen Philosophen. Bernsteins Serenade zeichnet dieses Zusammentreffen in fünf Sätzen nach. Die Violine nimmt dabei die Rollen der anwesenden Erotik-Spezialisten ein bis hin zur Hauptfigur dieses Gespräches: Sokrates selbst. Was erzählen uns die Interpreten in Bernsteins Musik? Und wie anregend ist der Dialog für die Sologeige jeweils mit dem Orchester?

Total amerikanische Musik, inzwischen, auch Gershwin sei Dank, doch schon recht vertraute Laute. Das Werk, „Orchestermässig“, eingerichtet nur für die Streicher, ohne Bläser, dazu das Schlagwerk, die Harfe und als Soloinstrument die Violine. Trotz dieser Reduzierung schuf Bernstein ein sehr differenziertes, auch volles Klangbild. Nicht zu überhören sind deutliche Einflüsse von Jazz und jüdischer Musik. Zwar erkennt man  wiederauftretende melodisch-rhythmische Elemente gut, die Melodien selbst sind jedoch eher kurz. Die lettische Solistin spielte das Werk auswendig, technisch, speziell rhythmisch und sehr sicher, den hellen Klang ihrer Stradivari „Yfeah Neaman“ voll ausspielend.

Ihr Landsmann am Dirigentenpult führte das Orchester äußerst sicher, begleitete aufmerksam durch die zahllosen Takt- und Tempowechsel und rhythmischen Verschiebungen. Sichtlich liegen dem Orchester diese Jazz-Elemente.

Teile der Tonabfolge des Intro verwendete Bernstein  ein paar Jahre später im Lied „Maria“ in  der „West Side Story“, seinem wohl bekanntesten Werk überhaupt. Die Musiker, insbesonders Solistin Baiba Skride wurden für ihre Interpretation mit langanhaltendem Applaus bedacht.

Schostakowitschs verdeckte Rebellion mittels Noten

Boston Symphony Orchestra
Boston Symphony Orchestra

Da zitiert Schostakowitsch relativ lang und unverblümt Rossinis Wilhelm Tell Ouvertüre. Dieses musikalische Zitat war für Dmitri Schostakowitsch eine heimliche Waffe, um seine wahren Gedanken auszudrücken, ähnlich wie der Widerstand Tells gegen die anmassende, verhasste Obrigkeit, einfach musikalisch, nicht mit der Armbrust, ausgedrückt. Dies höchstwahrscheinlich als Antwort auf den Artikel «Chaos statt Musik», der am 28. Januar 1936 in der «Prawda» erschien, in dem die Oper «Lady Macbeth» und das Ballett «Der helle Bach» abqualifiziert wurden. Schostakowitsch traf dies im Zentrum seines Schaffens: «Der Artikel auf der dritten ‹Prawda›-Seite veränderte ein für allemal meine ganze Existenz. Er trug keine Unterschrift, war also als redaktionseigener Artikel gedruckt. Das heisst, er verkündete die Meinung der Partei. In Wirklichkeit die Stalins, und das wog bedeutend mehr.» Nach diesem Aufführungsverbot unter dem Aspekt eines «Klassenfeindes» musste sich Schostakowitsch erst wieder zurechtfinden und dabei Verhaftungen und die Ermordung von Bekannten und sogar Freunden erleben.

Schostakowitsch hatte erstaunlicherweise schon sehr modern instrumentiert, u.a. auch mit Kastagnetten, die viele Komponisten in später entstandenen Werken der amerikanischen Musik auch sehr oft verwendet.

Bei der Werkinterpretation  punktete der Dirigent mit  Präzision, klaren dynamische Konturen und klaren rhythmischen Wechseln, konnte sich dabei auf ein virtuoses Orchester mit präziser Koordination, Transparenz, hervorragendem Blech und ausgewogenem, oftmals intensivem Streicherklang verlassen. Dabei liess Nelsons, trotz der Grösse des Orchesters auch feinste Pianissimi als solche stehen, lotete  aber auch die Fortissimi voll aus. Ohne die Leistung der andern Musiker zu schmälern, seien doch noch speziell erwähnt das äusserst virtuose Klarinettensolo und das Fagott beim Beginn des Finale, ein Finale, dessen Spannung vom Dirigenten konsequent und präzis über dem monotonen Grundton  aufgebaut wurde. Dies, bis die Musik plötzlich erstirbt, ohne dass sich die Spannung gelöst hätte, und in eine Coda mündet, die fantastischer nicht sein könnte. Man scheint verstört durch eine zerstörte Landschaft zu schreiten, Rauch steigt auf, Donnergrummeln in
der Ferne, eine Trompete erweist die letzte Ehre. Die himmlischen Töne
der Celesta gehen durch Mark und Bein und führen ins Nichts und provozierte eine schon fast gespenstische Stille, bevor eine Applauskaskade losbrach  und die Protagonisten so entsprechend gewürdigt wurden. Natürlich fehlten auch die Sonderakklamationen für die diversen Register nicht, gewürzt mit vereinzelten Bravorufen. Andris Nelsons scheint eine besondere Affinität zu Schostakowitschs Musik zu haben und die vermittelt er seinen Mitmusikern ebenso wie den Zuhörern auf ganz intensive Weise.

 

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch

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