Zoltán Fejérvári, Piano, Solist in György Kurtágs … quasi una fantasia … op. 27
Arnold Schönberg (1874–1951) Kammersinfonie Nr. 1 E-Dur für fünfzehn Soloinstrumente op. 9
Ludwig van Beethoven (1770–1827) Klaviersonate Es-Dur op. 27 Nr. 1 Sonata quasi una fantasia
György Kurtág (*1926) … quasi una fantasia … für Klavier und im Raum verteilte Instrumentalgruppen op. 27 Nr. 1
Ludwig van Beethoven (1770–1827) Klaviersonate cis-Moll op. 27 Nr. 2 Sonata quasi una fantasia
György Kurtág (*1926) Doppelkonzert für Klavier, Violoncello und zwei im Raum verteilte Kammerensembles op. 27 Nr. 2
Heinz Holliger (*1939) COncErto? Certo! cOn soli pEr tutti (… perduti? …)! für Orchester
Rezension:
Werke von vier Komponisten standen auf dem Programm, worunter mit Beethoven nur einer aus der Traditionsgarde, während die andern drei doch sehr moderne Komponisten sind, bzw. waren. Dass von den dreien in der Person von Heinz Holliger (*1939) auch noch einer selbst am Dirigentenpult stand, machte die Sache zusätzlich besonders interessant. Dazu gleich drei Solisten aus Ungarn, von denen sich Sir András Schiff der Klaviersonate Es-Dur op. 27 Nr. 1 von Beethoven annahm, während seine Landsleute sich bei den Kompositionen ihres Landsmannes György Kurtág (*1926) in Szene setzen konnten.
Bei Schönberg ist alles anders
Dirigent Heinz Holliger Foto Julieta Schildknecht
Kaum ein anderer Komponist polarisiert mit seiner Musik so wie Arnold Schönberg. Entweder man mag seine Musik, oder eben nicht. Ein Dazwischen ist nicht möglich beim Vater der „Zweiten Wiener Schule“, dem Begründer der atonalen Zwölftontechnik, wobei das an diesem Abend aufgeführte Werk, erst den Aufbruch zu neuen Ufern andeutet, noch nicht ganz so radikal auf seiner kommenden Technik aufbaut.
Arnold SchönbergKammersinfonie Nr. 1 E-Dur
Nebst je einem Kontrabass, Cello, einer Bratsche und 2 Violinen als Streichersektion, waren auf der Bühne noch zehn Bläser platziert, also für die neue Art Musik, die Schönberg vorschwebte, ein deutlich abgespecktes Orchester im Gegensatz zu den damals üblichen zahlenmässig reich bestückten Klangkörpern. Dementsprechend reduziert natürlich das Volumen, was aber der Transparenz der einzelnen Tonfolgen sehr zugute kam, auch eigentlich sonst eher lautere Instrumente, wie z.B. das Horn, tönten schon fast filigran, besonders in hohen Lagen. All dies machte auch den Musikern sichtlich Spass und Heinz Holliger, der Stab führende, leitete das Ganze mit strahlendem Gesicht. Das Auditorium bedankte sich mit langanhaltendem Applaus.
Ludwig van Beethoven Klaviersonate Es-Dur op. 27 Nr. 1
Sir Andras Schiff, Foto Priska Ketterer Lucerne Festival
Der Bösendorfer Konzertflügel, der von Beginn an auf der Bühne stand, wurde nun an seinen „richtigen“ Platz geschoben, dazu zwei Schemel, auf denen nun Sir András Schiff und Zoltán Fejérvári Platz nahmen. Während Schiff die Sonate intonierte, schaute und hörte sein ehemaliger Schüler Fejérvári fasziniert zu wie auch das beeindruckte Auditorium. Dieses spendete denn auch grosszügigen Beifall, der natürlich auch den Protagonisten des vorherigen Werks galt, die sich zu den beiden Ungarn gesellten. Mittendrin der sichtlich erfreute Heinz Holliger.
György Kurtág … quasi una fantasia … für Klavier und im Raum verteilte Instrumentalgruppen op. 27 Nr. 1
Solist am Piano Zoltán Fejérvári
Sehr ungewöhnlich, positiv überraschend, das Klangerlebnis „Raummusik“, bei dem ausser dem Pianisten, den sieben Schlagwerkerinnen, Cimbalonistin, zwei Harfenistinnen und zwei, von der Volksmusik her bekannten Hackbrettern, keine andern Musiker auf der Bühne waren. Diese waren auf beiden Seitengalerien, sowie auf der Galerie vis a vis der Bühne aufgestellt und griffen von dort aus in das Geschehen ein. Kaum hatte man sich auf das Spiel von Zoltán Fejérvári am Piano eingelassen, erklang ein Horn von hinten, das von den Streichern auf den Seitengalerien unterstützt wurde. Dann fügte der Komponist auch noch die bei den Streichern platzierten Bläser, sowie die andern Bühnenmusiker ins Spiel dazu, ein gewohnheitsbedürftiges Klangerlebnis, dem sich das Publikum aber gerne hingab.
Beethoven Sonata quasi una fantasia cis-moll op. 27 Nr. 2 “Mondscheinsonate”
Da auch die andern Musiker für das nachfolgende Kurtag Werk auf der Bühne an ihren Instrumenten Platz genommen hatten und deshalb der Flügel etwas auf die Seite geschoben war, ging die virtuose Darbietung dieses Beethoven Klassikers durch András Schiff leider etwas unter. Nur so kann ich nachvollziehen, dass niemand applaudiert hat, was nicht nur den Solisten sichtlich irritierte. Holliger versuchte den Schaden im Rahmen zu halten und eilte förmlich zum zweiten Kurtag Werk des Abends.
György Kurtág Doppelkonzert für Klavier, Violoncello und zwei im Raum verteilte Kammerensembles op. 27 Nr. 2
Miklós Perényi Violoncello, Foto Szilvia Csibi
Mit in etwa der gleichen Besetzung wie beim ersten Kurtag Stück des Abends, wurde auch das nun folgende aufgeführt. Ergänzt durch Miklós Perényi Violoncello, Mundharmonika, Vibraphon, Xylophonund, ganz speziell, einer Art „Singenden Säge“, die vom Betätiger derselben mal auf der Bühnenhinterseite bei den Schlagwerken, dann wieder fast am Bühnenrand aufgestellt und gespielt wurde. Auch dieses Werk, welches sich auch wiederum auf die Beethoven Sonaten bezog, aber nicht zitierte, gar plagiierte, überzeugte, ja begeisterte das Auditorium, das mit entsprechendem Applaus nicht geizte.
Heinz HolligerCOncErto? Certo! cOn soli pEr tutti (… perduti? …)!für Orchester
Lange, gar zu lange dauerte es, bis die Bühne für das nun in voller Grösse auftretende, ca. 60 Musikerinnen umfassende Chamber Orchestra of Europe hergerichtet war. Dann aber nutze Holliger die Gelegenheit, sein eigenes Werk in seinem Sinn aufzuführen, wie er das am 15. August 2001 zum bisher einzigen Mal in Luzern gemacht hatte. Bei dieser, extra zum 20 Jahr Jubiläum 2000/01 für dieses Orchester komponierte Komposition, haben alle Musiker die Gelegenheit sich mit einem kurzen Solo auszuzeichnen, was alle auch souverän taten. So sind ca. 4o Stücke im Werk verarbeitet, die aber in ihrer Reihenfolge variierend gespielt werden, was natürlich eine aussergewöhnliche Konzentration aller Beteiligten erfordert. Das Publikum bedankte sich bei den Protagonisten mit langanhaltendem, stürmischen Applaus, der die Protagonisten mehrmals auf die Bühne zurückholte. Fazit: Ein wunderschöner Konzertabend, vielleicht mit fast drei Stunden überlang, da diese Art von Musik auch für den Zuhörer intellektuell sehr anspruchsvoll ist.
Fachkundiges Publikum
Die Luzerner wissen die schrägen Töne der zeitgenössischen Musik seit längerem zu schätzen. Dank dem Engagement von Pierre Boulez (1925 – 2019), finanziell gefördert von Mäzen Paul Sacher (1906 – 1999) hat sich Luzern zu einer veritablen Hochburg für moderne Musik entwickelt. Zudem sind die Innerschweizer, „Lozärner Fasnacht“ und „Guugenmusigen“ sei Dank, auch sonst schräge Töne gewohnt, wenn auch der etwas brachialeren Art.
Auch heuer beeindruckt die Seebühne und das Bühnenbild zu Carmen
Musikalische Leitung Jordan de Souza Inszenierung Kasper Holten Bühne Es Devlin Kostüme Anja Vang Kragh Licht Bruno Poet Video Luke Halls Ton Gernot Gögele | Alwin Bösch Chorleitung Lukáš Vasilek | Benjamin Lack Choreographie Signe Fabricius Stuntchoreographie Ran Arthur Braun Dramaturgie Olaf A. Schmitt
Besetzung
Carmen Gaëlle Arquaz Don José Daniel Johansson Escamillo Andrew Foster-Williams Micaëla Cristina Pasaroiu Frasquita Cornelie Isenbürger Mercédès Judita Nagyova Zuniga Sébastien Soulès Moralès Wolfgang stefan schwaiger Remendado Peter Marsh Dancaïro Adrian Clarke
Stuntmen | Tänzer | Statisten Bregenzer Festspielchor Prager Philharmonischer Chor Kinderchor der Musikmittelschule Bregenz-Stadt Wiener Symphoniker
Rezension: Carmen Wasserballett Bei meinem allerersten Besuch auf der Seebühne 1992 stand ebenfalls „Carmen“ auf dem Programm. Hatte damals die Tribüne fast noch ausgesehen wie ein Baugerüst mit Sitzplätzen, ist heute alles viel mondäner, bequemer, inkl. geeigneter moderner Toilettenanlagen, fast alles, was zur Infrastruktur eines Opernhauses gehört. Die weltgrösste Seebühne (7000 Plätze) wird seit 1947 bespielt, wobei der Standort nicht immer am aktuellen Platz war. Zu Beginn der Festspiele im, Jahr 1946, als die Seebühne aus zwei Kieskähnen im Bregenzer Gondelhafen bestand, gab es ein Konzert mit Werken von Wolfgang Amadeus Mozart auf dem See. Für die „Entführung aus dem Serail“ von W. A. Mozart der ersten Oper, wechselte man im Jahre 1947 ins Strandbad, 1950 Begann dann das Spiel auf der heutigen Seebühne mit der Operette „Gasparone“ von Carl Millöcker. Das Publikum strömt jeden Sommer in Massen an den Bodensee Szenenfoto Carmen Seither pilgern jedes Jahr um die 200000 Zuschauer nach Bregenz, um dieses weltweit einmalige Spektakel zu sehen. Die Aufführungen auf der Seebühne sind faktisch immer ausverkauft, frühzeitig Tickets erstehen ist ein Muss. Während der Festspielzeit werden, nebst der Seebühne, auch noch die folgenden Spielstätten bespielt: Das Festspielhaus und das Opernstudio am Kornmarkt So zählt man Jahr für Jahr total 250000 Festspielbesucher. Welche Bedeutung die Festspiele haben, zeigt die Tatsache, dass diese immer vom österreichischen Bundespräsidenten persönlich eröffnet werden. So tat dies heuer am 19. Juli Alexander van der Bellen. Dabei anwesend war, nebst anderer Prominenz, auch die schweizerische Bundespräsidentin Doris Leuthard. Vergleich der Carmen Darstellerin von 1992 mit der von 2017 Gaëlle Arquez als feurige Carmen Im Jahre 1992 verkörperte Julia Migenes die Titelrolle auf der Seebühne (diese hatte sie 1983 auch im gleichnamigen, sehr erfolgreichen Film an der Seite von Plàcido Domingo und unter der Regie von Francesco Rosi inne). Für mich war damals klar, eine erotischere „Carmen“ gabs vorher noch nie und wird es auch nie mehr geben. Deshalb war ich natürlich auf die diesjährige Titelfigur besonders gespannt und musste mich eines Besseren belehren lassen. Die Französin Gaëlle Arquaz, ein richtiges „Vollweib“, die an diesem Abend die Carmen gab, gelang es auch bestens, knisternde Erotik rüberzubringen und bezirzte so nicht nur die Herren auf der Bühne, sondern auch sehr viele ebensolcher auf der Zuschauertribüne. Auch dieses Jahr ein spektakuläres Bühnenbild Szenenfoto Carmen Beim Bühnenbild im Jahre 1992 bildete die Taverne des Lillas Pastia den Mittelpunkt, heuer lässt es viele Interpretationen zu, die Spielkarten, gehalten von den zwei 20 Meter hohen Händen, stehen symbolisch für das Kartenlegen, das unter Fahrenden (was „Carmen“, als Zigeunerin, im weitesten Sinne ja auch ist), grosse Tradition hat. Nebst den bekannten Arien stachen folgende Aktionen besonders hervor: Eine Balletteinlage, teilweise im Wasser stehend performt. Die Flucht von „Carmen“ mittels Kopfsprung in den See. Die zwei Tänzer, die mit eleganten Bewegungen, einer als Torero, der andere als Stier, einen Stierkampf nachstellten. Das spektakuläre Feuerwerk zum Schluss, das den Bodensee Nachthimmel erleuchtete. Fazit des Abends Don José (Tenor Daniel Johansson) and Carmen (Mezzo Sopranistin Gaëlle Arquez) Ein Feuerwerk als Ganzes war auch die Inszenierung auf der Seebühne, auch dank Mitwirkenden, die man auf der Bühne, ausser über die zwei Monitore, gar nicht sieht, also die Wiener Sinfoniker und die diversen Chorformationen,( alle, wie jedes Jahr, mit grossartigen Leistungen). Ebenso die Techniker, die alles, auch noch so komplizierte, im Griff haben und so auch wesentlich zum Gesamtkunstwerk „Carmen auf der Seebühne“ beitragen. Dies belohnten die 7000 Zuschauer mit langanhaltendem, kräftigem Applaus
In den Jahren 2019 und 2020 wird Verdis "Rigoletto" gegeben, 2012 und 2022 kommt Giacomo Puccini mit "Madame Butterfly" zum Handkuss Text: www.leonardwuest.ch Fotos: bregenzerfestspiele.com/de
Mischa Santora Dirigent (Foto: Mit Genehmigung des Künstlers)
Der Schweizer Dirigent Mischa Santora leitete bereits im März 2018 einige Vorstellungen von Prokofjews «Romeo und Julia» in Boston. Die Zusammenarbeit mit dem weltberühmten Ensemble war ein voller Erfolg. Künstlerischer Leiter Mikko Nissinen äusserte sich über die Wahl des Dirigenten folgendermassen: «Bei Boston Ballet spielt die Musik eine äusserst wichtige Rolle. Wir waren auf der Suche nach einem herausragenden Dirigenten mit Erfahrung im sinfonischen Bereich, da wir neben dem grossen Ballett-Repertoire u. a. Musik von Gustav Mahler, Jean Sibelius, Igor Stravinsky und Leonard Bernstein auf dem Programm haben. Maestro Santora hat die nötige Erfahrung mit Opern und sinfonischen Werken. Er ist ein hochtalentierter, vielseitiger Musiker, der in unsere Programmplanung neue Impulse einbringen wird.»
Boston Ballet ist eine der führenden Ballett-Kompanien der Welt. Berühmte Choreografen und Tänzer wie George Balanchine, Jerome Robbins, John Cranko und Rudolf Nurejev haben das Ensemble geformt und beeinflusst. Die Nachwuchsförderung wird bei ihnen grossgeschrieben: Mit mehr als 5.000 Schülerinnen und Schüler ist Boston Ballet School die grösste und renommierteste Ausbildungsstätte in den Staaten.
Mischa Santora begann seine Ausbildung an der Akademie für Schul- und Kirchenmusik Luzern und studierte in Berlin Violine als Hauptfach weiter. Anschliessend ging er in die U.S.A., wo er seine Dirigenten-Ausbildung am Curtis Institute of Music in Philadelphia absolvierte. Santora leitete verschiedene renommierte Orchester in Europa, u.a. das Sinfonieorchester Basel, das Luzerner Sinfonieorchester, die ungarische Nationalphilharmonie und das Tonhalle Orchester Zürich. In den Vereinigten Staaten war er 14 Jahre lang Chefdirigent vom Cincinnati Chamber Orchestra. Als Gastdirigent leitete er u.a. das National Symphony Washington, das Minnesota Orchestra, das Seoul Philharmonic Orchestra, das Los Angeles Philharmonic und das Taiwan National Philharmonic. Zur Zeit wirkt er als Musikdirektor beim Minneapolis Music Company und Mac Phail Center for Music. Santora wird seine Tätigkeit als Musikdirektor vom Boston Ballet in November 2018 mit Tschajkovskijs «Nussnacker» aufnehmen. Press release Boston Ballet
Lucerne Festival Orchestra Riccardo Chailly, Dirigent
Lucerne Festival Orchestra: Richard Wagner (1813 – 1883) Ouvertüre zur Oper «Rienzi»
Luzerner Sinfonieorchester: Johannes Brahms (1833 – 1897) Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15 – Antonín Dvořák (1841 – 1904) Sinfonie Nr. 7 d-Moll op. 70
Rezension:
Lucerne Festival Orchestra
Erstmals in der Geschichte traten das Luzerner Sinfonieorchester und das Lucerne Festival Orchestra im gleichen Konzert auf. Ein ganz besonderer Jubiläumsabend, der die Verbundenheit von Lucerne Festival, Luzerner Sinfonieorchester ( im nachfolgenden LSO genannt) und KKL Luzern wunderbar zum Ausdruck bringt. Zugunsten eines möglichst guten Benefizergebnisses verzichten das Lucerne Festival Orchestra mit Riccardo Chailly sowie das Luzerner Sinfonieorchester auf eine Gage.
Doppeltes Heimspiel vor nicht ganz vollbesetzten Rängen
Die Architekten ,mitte,Jean Nouvel, Emmanuel Cattani, rechs, Paris, gewinnen den Architekturwettbewerb für ein neues Konzerthaus in Luzern, mit Stadtpräsident Franz Kurzmeier links
Zuerst gabs eine Begrüssung durch den Luzerner Stadtpräsidenten Beat Züsli, in welcher er die grosse Bedeutung des KKL und ins besonders des darin eingebetteten Konzertsaals für die Stadt Luzern und die Region betonte und den damals weitsichtigen Initianten auf politischer, wie auch privatwirtschaftlicher Ebene ein Kränzchen widmete. Anschliessend richtete der Präsident des Luzerner Sinfonieorchesters, Pierre Peyer, einige Willkommensworte an das gutgelaunte Auditorium gefolgt von einer kurzen Willkommensbotschaft des Stiftungsratspräsidenten des Lucerne Festivals, Dr. Hubert Achermann. Alle drei Redner betonten, welch Bedeutung dieses Meisterstück der Ästhetik und vor allem auch der Akustik (dafür zeichnete der New Yorker Russell Johnson (1924-2007) verantwortlich) für Luzern, die Region, ja für die ganze Schweiz hat. Das Lucerne Festival, vormals Internationale Musikfestwochen (IMF), würde es ohne diesen Saal nicht mehr geben, erläuterte Achermann, Luzern hätte heute nicht eines der weltweit bedeutendsten Festivals der klassischen Musik ohne die Visionen der Initianten und Macher von damals, von vor 30 Jahren. Besonders erwähnte er den damaligen Stadtpräsidenten Franz Kurzmeier und den, 1991 zum Gesamtkoordinator Kulturraum berufenen Unternehmensberater Thomas Held. Für einmal ein „Held“ aus Zürich wie Achermann schmunzelnd einen kleinen Seitenhieb setzte. Der Saal war erstaunlicherweise nicht ganz besetzt, vor allem viele Sitzplätze im obersten Preissegment blieben leer.
1. Konzertteil mit der Ouvertüre aus Rienzi von Richard Wagner
Chefdirigent Riccardo Chailly
Die Mitglieder des, von Claudio Abbado und Festivalintendant Michael Häfliger im Jahre 2003 gegründeten Luzerner Vorzeigeorchesters, des „Lucerne Festival Orchestra“, kamen auf die Bühne, in langem zeitlichen Abstand gefolgt vom Chefdirigenten Riccardo Chailly.
Eingeleitet von einem Schicksal verkündenden Fanfarenruf, der einmal wiederholt wird, führen die Streicher im Piano das Hauptthema ein: das pathetische Heldenmotiv mit dem aufsteigenden Sextsprung, der absteigenden Kadenz und dem Wiederaufschwung, der auf dem Dominantseptakkord in Quintlage erwartungsvoll stehen bleibt. Besonders eindrucksvoll wirkt diese Passage durch den nuancierten Einsatz von crescendo und decrescendo sowie das starke Vibrato der Streicher. Das Festival-Orchester unter Riccardo Chailly gab mit der zur packenden, aufwühlenden Brillanz gesteigerten «Rienzi»-Ouvertüre eine Andeutung darauf, in welche Richtung es in Zukunft weiter gehen könnte. Das begeisterte Auditorium belohne die Künstler mit kräftigem, stürmischem Applaus, inklusive Extraapplaus für die einzelnen Register.
Als das Orchester die Bühne verlassen hatte, wurde der Konzertflügel hereingerollt und die Stühle für das nun auftretende LSO hergerichtet.
Kurzfristige Umbesetzung des Solisten am Klavier
Numa Bischof Ullmann, der umtriebige Intendant des Luzerner Sinfonieorchesters betrat kurz die Bühne und informierte, dass anstelle der vorgesehenen Solistin am Piano, Hélène Grimaud, die erkrankt sei, dank guten Kontakten und mit etlichem Aufwand, der Wiener Altmeister Rudolf Buchbinder, in Luzern von diversen Auftritten her bestens bekannt, verpflichtet werden konnte.
Grundsätzliches zum 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms
Luzerner Sinfonieorchester c Christian Fierl
Brahms hat sich schwer getan mit dieser “Konzert-Sinfonie”, über drei Jahre lang. Der glühend verehrte Beethoven warf einen langen Schatten über das Werk, das tatsächlich als Sinfonie Nr. 1 konzipiert war, in vier (statt jetzt drei) Sätzen. Damals war Brahms einundzwanzig Jahre alt und fühlte sich noch nicht firm im Orchestersatz – so jedenfalls wollte er dem Geiste des verstorbenen Meisters nicht begegnen. Also verarbeitete er das Material in einer Sonate für zwei Klaviere, was er dann aber doch als “allzu bescheiden” empfand. Er ließ das depressive Scherzo der Sonate weg, ersetzte das ursprüngliche Finale durch ein Rondo – und endlich auf der Welt war das Schmerzenskind, dessen dunkles Pathos (im Sinne von: Leiden) gewiss auch über den Selbstmordversuch (1854) des geliebten Robert Schumann klagt, über dessen Verdämmern und Tod in der Nervenklinik zu Endenich.
Johannes BrahmsKonzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15
Gastdirigent Peter Oundjian
Nun entern die Musikerinnen des LSO die Bühne, kurz darauf gefolgt vom kanadischen Gastdirigenten Peter Oundjian und vom Solisten Rudolf Buchbinder. Dieser setzt sich auf den Schemel, in sich versunken, fast kauernd, trotzdem angespannt und lauscht sehr interessiert dem Intro, dem „Maestoso“ mit welchem das Werk beginnt. Fast vier Minuten lässt Brahms uns warten, bevor er die ersten Noten für das Soloinstrument, in diesem Fall für das Klavier, in die Partitur hineingeschrieben hat.
Begleitet nur von leisen Pizzicato und Tupfern der Trompeten, Hörner und Pauken, entfaltet sich das herrliche Thema, piano und espressivo. Durch die Tonart und den 6/4-Takt versteckt, ist es den Eingangstakten von Beethovens 4. Klavierkonzert verblüffend ähnlich. Mit den charakteristischen Zweierbindungen von Achteln findet es in Terzen und Sexten erst in der rechten, dann auch parallel in der linken Hand zu majestätischer Größe. Nach 19 Takten ist das wuchtige Kopfthema mit den gefürchteten Oktavtrillern erreicht.
Wandlungsfähiger Solist am Piano
Solist am Piano Rudolf Buchbinder Foto Marco Borggreve
Rudolf Buchbinder, ob dieser Mann die Akkorde auf die Tasten knallt, einen filigranen Lauf setzt, bei den Tremolo feinfühlig nuanciert oder wie er sich ins Orchester einbettet, quasi unterordnet im Dienst der Sache, dieser Virtuose ist immer ein Ereignis für sich. Dass er nicht nur Beethoven kann, demonstrierte er einmal mehr eindrücklich und begeisterte das Publikum, das seinem Spiel gebannt lauschte. Das war nicht die süsse Romantik, da war Pfeffer und Dramatik, topmodern intoniert, unterstützt von einem kongenialen Orchester und magistralen Dirigat. Diese Interpretation überzeugte das sachkundige Publikum, welches denn auch nicht mit Applaus sparte, was wiederum den bald 70jährigen Österreicher sichtlich berührte.
2. Konzertteil mit Dvořáks Sinfonie Nr. 7 d-Moll op. 70
Jubiläums-Applaus für Pianist Rudolf Buchbinder (vorne), Dirigent Peter Oundjian und das Luzerner Sinfonieorchester, Foto Priska Ketterer - Kopie
Anstatt beim Jubiläumskonzert etwas zu wagen, bewegte sich das LSO mit der 7. Sinfonie, einem Repertoirestück, auf ausgetretenen Pfaden. Dies allerdings auf höchstem künstlerischen Niveau und bestätigten so ihren Aufstieg in die Gilde der Orchester von Weltruf, der eng verbunden ist mit dem Konzertsaal des KKL Luzern und ohne diesen kaum möglich gewesen wäre. Das Publikum belohnte das Residenzorchester des KKL denn auch mit langanhaltendem Applaus, für den sich die Künstler in Form einer Zugabe, der Tchaikovsky – Polonaise, aus „Eugen Onegin“ erkenntlich zeigten.
Abschliessend beurteilt, wär es dramaturgisch und von der Spieldauer her geschickter gewesen, zuerst nur das Klavierkonzert von Brahms anzusetzen und im zweiten Konzertteil Wagners Rienzi Ouvertüre und Dvořáks Sinfonie, oder umgekehrt nur das Klavierkonzert im zweiten Konzertteil und die beiden anderen Werke im ersten.