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Ich mag alles, was mich herausfordert“ Cristina Pasaroiu singt als Micaëla eine Arie in 20 Metern Höhe

Cristina Pasaroiu singt als Micaëla eine Arie in 20 Metern Höhe Foto Dietmar Mathis
Cristina Pasaroiu singt als Micaëla eine Arie in 20 Metern Höhe Foto Dietmar Mathis

53 Stufen auf drei fast senkrechten Leitern. Das ist der Weg auf die „Hand Lindau“, genauer gesagt, zur kleinen Plattform, auf der Micaëla im dritten Akt ihre ergreifende Arie „Je dis que rien ne m’épouvante“ singt. Mit der will sie Don José zurückerobern. Wie fühlt sich das an, dort oben, 20 Meter über den 7.000 Zuschauern zu stehen?

Bevor ich mich mit einer der Micaëla-Darstellerinnen treffe, mache ich selbst den Test – und mein Respekt wächst mit jeder Stufe, die ich erklimme. Mein Puls steigt mit mir, zum einen wegen der steilen Treppe, zum anderen wegen des Blicks nach unten. Und dabei spielt Lampenfieber bei mir keine Rolle, singen muss ich dort oben ja nicht. Natürlich ist man dort oben gesichert, nämlich mit einem Sicherheitsgürtel und zwei Seilen. Dennoch: Es gibt kein Geländer zum Festhalten. Das muss man aushalten können, zumal wenn es zur Vorstellung dunkel und vielleicht windig ist.

Blick auf den Mond
Wie schätzt Cristina Pasaroiu diese Situation ein? Die 30 Jahre alte Bukarester Sopranistin ist heuer die Premierenbesetzung der Micaëla. „Nur bei meiner allerersten Probe vor einem Jahr hatte ich das Gefühl, das ich das nie schaffen werde. Mir hat einfach der Atem gefehlt“, sagt sie in fließendem Deutsch. Danach hat sie sich schnell an diese Herausforderung gewöhnt und gelernt, die „besondere Atmosphäre“ sogar zu genießen: „Ich liebe es, die Natur und die Lichtspiegelungen im See zu beobachten.“ Besonders galt das vor wenigen Tagen bei der Mondfinsternis, als sie auf der Bühne stand: „Ich war die Glücklichste von uns drei Micaëla-Besetzungen.“ Trotz der starken Scheinwerfer sehe sie das Publikum besser als in normalen Opernhäusern.

Willensstark
Situationen, die nicht jeder mag, reizen sie, beispielsweise Bungee Jumping. Kurz gesagt: „Ich mag alles, was mich herausfordert.“ Daher ist sie in Bregenz genau richtig, sowohl in künstlerischer als auch in sportlicher Hinsicht: „Man muss hier eine sehr gute Kondition haben. Die Bühne ist riesig, man läuft einfach mehr.“ Kurz vor ihrer großen Arie nimmt sie sich daher etwas Zeit, um zur Ruhe zu kommen.

Nach diesem Moment gibt es eine weitere spektakuläre Szene ihrer Figur. Doch den Part, bei dem Micaëla über eine der „Flying Cards“ klettert und sich abseilt, übernimmt eine Stuntfrau. „Das würde ich auch gerne machen, wenn ich dürfte“, erklärt sie lachend. Sie ist hart im Nehmen. Im vergangenen Jahr brach sie sich während der Proben für die Oper Manon am Staatstheater Wiesbaden den Fuß und trat dennoch auf. Eine spezielle Gipsschiene und vor allem ein großer Wille machten es möglich. Diese Robustheit und Disziplin kommen ihr auf der Seebühne zugute.

Untypische Interpretation
Die Darstellung der Micaëla in der Bregenzer Inszenierung gefällt ihr besonders: „Sie ist zwar ein einfaches Bauernmädchen. Aber ich habe immer versucht, sie stark zu interpretieren und Klischees zu vermeiden. Mit dem Regisseur Kasper Holten habe ich neue Farben in ihr gefunden.“ Die Bregenzer Festspiele insgesamt erlebt sie als „besonderen Kosmos mit tollen, sehr professionellen Kollegen.“

Höhenangst kennt Cristina Pasaroiu nicht. Doch ein kleines Problem gab es schon, als sie im Vorjahr erstmals zu den Bregenzer Festspielen kam: Sie konnte nicht schwimmen. Doch schnell fand sich eine Lösung, man organisierte ihr einen Schwimmkurs. Nun liebt sie es, ihre freien Tagen draußen zu verbringen. Sie wandert gerne auf den Pfänder, um noch mehr Höhenluft zu schnuppern und weiter an ihrer Fitness zu arbeiten – und gerade an diesen heißen Tagen ist ein Bad im See nun auch für sie eine attraktive Option. www.bregenzerfestspiele.com/ www.leonardwuest.ch Für Nachrichten und Kultur aus der Innerschweiz besuchen Sie diewww.innerschweizonline.ch Für Nachrichten und Kultur aus dem Ruhrgebiet besuchen Sie die www.bochumer-zeitung.com

 

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100 aussergewöhnliche Frauen in der Schweiz, ein Bericht von Anna Rybinski

Mona Vetsch Radio- und Fernsehprofi, Foto SRF
Mona Vetsch Radio- und Fernsehprofi, Foto SRF

Das Projekt ist selbst aussergewöhnlich: Die Autorin und Journalistin Fatima Vidal möchte eine Reihe von Frauenporträts zu einem virtuellen Buch zusammenfügen. Ihr Vorhaben ist, 100 Persönlichkeiten vorzustellen, die ihre Bestimmung gefunden und ihre Träume verwirklicht haben. Auch, wenn sie sich ganz besondere Ideen und Wünsche in den Kopf setzten. Um Hüttenwartin, Erfinderin, Lokführerin, Schmiedin zu werden oder eine spezielle Sportart auf Weltniveau auszuüben: Den Frauen in unserer Gesellschaft ist alles möglich, wenn der Wille da ist.

Fatima Vidal Autorin und Verlegerin, Eigenaufnahme

Fatima Vidal Autorin und Verlegerin, Eigenaufnahme

Jeder Werdegang ist einmalig; die Suche nach den Interviewpartnerinnen geht quer durch das Land, in allen Schichten und Berufen. Die Seite ist für alle zugänglich und für uns alle lehrreich. http://100frauen.ch/

Die Autorin Fatima Vidal schreibt über Ihr Projekt:

Geplant sind 100 kurze Porträts und Interviews von bemerkenswerten Frauen, die in der Schweiz leben oder einen starken Bezug zur Schweiz haben. Stellungnahmen von heutigen Frauen, die in Politik, Sport, Kultur, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft eine wichtige Rolle spielen: junge oder alte, Akademikerin, Handwerkerin, Ausländerin, Schweizerin, Pilotin oder Seefahrerin. Frauen mit besonderen Lebensläufen und in all ihrer Vielfalt. Texte, die Mut machen, den eigenen Weg konsequent zu gehen.

Zu einem späteren Zeitpunkt soll zusätzlich ein gedrucktes Buch erscheinen.

Trägerverein des Projektes ist der Verein «Frauen in der Schweiz».

Text: annarybinski.ch/

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Oper Schloss Hallwyl, «La Cenerentola» von Gioacchino Rossini, Première, 27. Juli 2018, besucht von Léonard Wüst

Oper Schloss Hallwyl, «La Cenerentola» von Gioacchino Rossini, Foto Ingo Hoehn
Oper Schloss Hallwyl, «La Cenerentola» von Gioacchino Rossini, Foto Ingo Hoehn

Besetzung:

Argovia Philharmonic, Musikalische Leitung   Markus Hein, Douglas Bostock

Angelina
Wioletta Hebrowska

Don Ramiro                   
John-Colyn Gyeantey

Dandini
Alexandre Beuchat

Alidoro
Yoshiaki Kimura

Don Magnifico
Noe Colin Arvizu

Clorinda
Leonor Amaral

Tisbe
Anna Nero

Rezension:

v.r.n.l.Dirigent Douglas Bostock, Regisseur Johannes Pölzgutter, Kostüme Janina Ammon und Bühne Manuel Kolip
v.r.n.l.Dirigent Douglas Bostock, Regisseur Johannes Pölzgutter, Kostüme Janina Ammon und Bühne Manuel Kolip

„La Cenerentola“, die zauberhafte musikalische  Märchenerzählung des Aschenputtels von Gioacchino Rossini wird in ebenso märchenhafter Kulisse gespielt. Das Schloss Hallwyl, ein Wasserschloss, befindet sich auf zwei Inseln im Aabach bei Seengen im Luzerner Seetal, ist seit 1925  öffentlich zugänglich und seit 1994 im Besitz des Kantons Aargau und so auch Teil des Museums Aargau. Seit 2012 führt der Verein Oper Schloss Hallwyl alle drei Jahre eine Oper im Hof der Burg auf. Bis jetzt kamen folgende Werke auf die Schlossbühne:

2003 | Mozarts “Die Entführung aus dem Serail”

2006 | Bizets “Die Schöne von Perth”

2009 | Bedřich Smetanas “Die verkaufte Braut”

2012 | Il Barbiere di Siviglia von Gioachino Rossini

2015 | Die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart

Schwungvolle Inszenierung im Schlosshof

Argovia Philharmonic
Argovia Philharmonic

Regisseur Johannes Pölzgutter inszeniert zügig, was den durchwegs quirligen Akteuren in die Karten spielt. Diese überzeugen denn auch, nebst mit gesanglichem Können, durch aussergewöhnliche schauspielerisch – komödiantische Talente.

Dies im, von Manuel Kolip konzipierten, farbenfrohen Bühnenbild, in passenden, von Janina Ammon ausgewählten Kostümen bei besten äusseren Bedingungen vor einem gutgelaunten Auditorium auf der vollbesetzten, ca. 550 plätzigen Tribüne.

La Cenerentola, Bühnenbild
La Cenerentola, Bühnenbild

Dass Bühnenbild ist zweistöckig, oben das Schloss des Prinzen, also eh die Ebene der Elite, unten das Zuhause des verarmten Adeligen „Don Magnifico“ (Noé Colin Arvizu) mit seinen zwei Töchtern Clorinda (Leonor Amaral) und Tisbe (Anna Nero), sowie Cenerentola (der ev. dritten Tochter).

Verwirrspiel im Dienst der höfischen Brautschau

Cenerentola, Szenenfoto von Ingo Hoehn
Cenerentola, Szenenfoto von Ingo Hoehn

Um unerkannt eine geeignete Braut auszusuchen, bedient sich  der Prinz „Don Ramiro“ (John-Colyn Gyeantey) der Identität seines Dieners „Dandini“ (Alexandre Beuchat), der seinerseits, wenn auch widerwillig, in die Rolle des Prinzen schlüpft.

Cenerentola, Szenenfoto von Ingo Hoehn
Cenerentola, Szenenfoto von Ingo Hoehn

Der Prinz lädt zu einem Empfang, um nach geeigneten Kandidatinnen Ausschau zu halten. Unter den geladenen u.a. auch Don Magnifico mit seinen beiden heiratswilligen überkandidelten Töchtern. Während diese sich kosmetisch, Frisur technisch und Kleidermässig auf  Hochglanz aufpeppen und stylen, muss sich  deren Stiefschwester Cerentola (Wioletta Hebrowska) mit Hausarbeiten abmühen und Dienstmagd spielen. Nachdem ihr Vater Don Magnifico ihrem Wunsch, ebenfalls mit zu kommen auf das Schloss, nicht entsprochen hat, schleicht sie sich heimlich in die Nähe des Fürstensitzes und trifft dort zufällig auf den als Diener getarnten Prinzen. Die beiden sind sich sofort mehr als sympathisch, womit das Märchen so richtig beginnen kann.

„Alidoro“ (Yoshiaki Kimura), der Mentor des Prinzen, schleust Cenerentola, verkleidet als geheimnisvolle Unbekannte, ins Geschehen auf dem Schloss ein.

Castingshow der heiratswilligen Damen

Cenerentola, Szenenfoto von Ingo Hoehn
Cenerentola, Szenenfoto von Ingo Hoehn

„Dandini“, der vermeintlich Heiratswillige, hatte sich inzwischen der aufdringlichen Avancen der beiden Schwestern erwehrt, die sich ihm an den Hals werfen wollten und schlägt ihnen als möglichen Bräutigam seinen Kammerdiener vor, was diese aber, da nicht ihrem Stande gemäss, empört zurückweisen. Daraufhin gesteht Cenerentola dem falschen Prinzen, dass sie seinen Kammerdiener liebt. Besagter „Don Ramiro“, der unter all den brautwilligen Damen nichts ihm zusagendes entdeckt hatte,  hört dies und erwidert das Liebesgeständnis. Noch dauert es aber seine Zeit, bis alle Fäden entwirrt sind und schlussendlich alles für alle  ein gutes Ende findet.

Souveränes Orchester in einem ungewöhnlichen Orchestergraben

Dirigent Douglas Bostock
Dirigent Douglas Bostock

Dirigent Douglas Bostock, mit seinem Orchester, der „Argovia Philharmonic“, unter der Bühne platziert, leitet souverän durch die Partitur, bereitet so den Sängern/Schauspielern das Terrain, auf dem diese glänzen können. Das zügige variantenreiche Spiel animierte die Akteure auf der Bühne zu Höchstleistungen. Das Ensemble agierte mit überschäumender Spielfreude, viel Schalk und ausdrucksstarker Mimik und Gestik.

Wioletta Hebrowska als Cenerentola
Wioletta Hebrowska als Cenerentola

Das begeisterte Publikum belohnte diese aussergewöhnliche Parforceleistung denn auch mit viel Szenenapplaus nach fast jeder Arie und einem Beifallssturm zum Schluss der die Protagonisten sichtlich erfreute und strahlen liess. Für einen Extraapplaus gesellten sich auch noch Dirigent, Regisseur usw. zu den Bühnenakteuren und liessen sich zu Recht feiern.

Video 1

www.youtube.com/watch?v=eR0yzOSyd2U&feature=youtu.be

Kleine Fotodiashow der Produktion Probenfotos Emanuel Wallimann:

fotogalerien.wordpress.com/2018/07/21/oper-schloss-hallwyl-la-cenerentola-von-gioacchino-rossini-premiere-27-juli-2018-besucht-von-leonard-wuest/

Text und Videos: www.leonardwuest.ch

Fotos:

Léonard Wüst und https://www.operschlosshallwyl.ch/

Homepages der andern Kolumnisten:

www.gabrielabucher.ch https://annarybinski.ch/ https://noemiefelber.ch/

Paul Ott/Paul Lascaux:www.literatur.li

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Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, So stellen die Bregenzer Festspiele die “Carmen”-Aufführungen sicher

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Der erste Ton der Aufführung des Vortags ist noch nicht einmal erklungen, beginnt schon der Countdown für die darauf folgende Carmen-Vorstellung. Um das Bregenzer Spiel auf dem See sicherzustellen, gilt unter anderem für alle Mitwirkenden eine vertragliche 50-Kilometer-Regel. Aus guten Gründen sind die Rollen mehrfach besetzt.

Während ihres Engagements bei den Bregenzer Festspielen sollen sich Künstler nur innerhalb eines 50-Kilometer-Radius um Bregenz aufhalten. „Fällt jemand kurzfristig aus, soll der Ersatz schnell hier sein“, erklärt Operndirektorin Susanne Schmidt, „viele mieten sich für ihre Zeit in Bregenz ein Fahrrad – das empfehlen wir auch –, weil das die schnellste Art ist, sich zwischen Lochau–Bregenz–Hard zu bewegen.“

Steigender Adrenalinspiegel

Passieren kann immer was und das Zeitfenster knapp werden. Selbst wenn man weiß, wo sich die gesuchte Person in der Nähe aufhält. Susanne Schmidt: „Vergangenes Jahr hatten wir so etwas erlebt. Eine Sängerin hatte sich zwei Stunden vor Beginn warm gesungen und gemerkt, dass die Stimme nicht ganz ansprach. Ihre Kollegin, die einspringen sollte, war für uns bei einem Sponsoring-Event auf der Hohentwiel weit auf dem Bodensee. Keine Handy-Verbindung. Unser Bühnenmeister erreichte dann den Kapitän über Funk. So konnte sich die Sängerin innerlich schon darauf einstellen, dass Kostüm und Maske bereits auf sie warten, sobald sie am Steg anlegt. Das sind Vorkommnisse, die möchte man nicht zu oft haben. Da steigt dann schon das Adrenalin.“

Zu den Vorkehrungen gilt für das Spiel auf dem See folgende Daumenregel: Wer große Arien und Duette hat, wird dreifach besetzt, die anderen Rollen werden zweifach besetzt. „Selbst wenn alles glatt läuft, möchten wir nicht, dass jemand die großen Rollen jeden Abend singen soll. Das wäre zu belastend. Das muss man auf mehrere Schultern verteilen. Mal ist es eine sehr trockene Nacht, mal kann es kalt werden, und die Künstler wissen, bei uns wird am Ende getaucht… sie werden richtig nass! Deshalb kann es immer vorkommen, dass sich jemand verkühlt. Dann brauche ich einen Puffer.“

„Unser Masterplan“

Es ist eine riesige Excel-Tabelle („Unser Masterplan“, Schmidt), auf der vor 14 Tagen die Einsätze aller Künstler fixiert wurden. Im Verlauf des Probenprozesses wurden dazu für die drei Hauptrollen feste Trios gebildet und gleichmäßig auf die Festspielsaison verteilt: „Der gleiche Don José singt mit der gleichen Carmen und der gleichen Micaëla.“ Soweit die Theorie. Sie geht nicht immer auf, wenn eine Künstlerin oder ein Künstler zwischendurch zu einem Konzert, zu einem Vorsingen oder einer CD-Aufnahme muss. Die Kernfrage für die Operndirektorin lautet dann, tauscht man dann das ganze Trio auf einen anderen Platz oder nimmt man nur die eine Person heraus? „Carmen und Don José tausche ich lieber gemeinsam, weil sie für den Sterbeakt, die Ertränkungsszene gut aufeinander eingespielt sind.“ Geprobt wird dennoch auch über Kreuz, damit alle aneinander gewöhnt sind.

Bei Anruf „under the weather“

Um Carmen glatt über die Bregenzer Seebühne zu bringen, stehen an Aufführungstagen rund 400 Personen im Einsatz. Der organisatorische Aufwand im Hintergrund ist entsprechend groß. Allein auf der Seebühne müssen etwa 250 Mitwirkende, Techniker und „gute Geister“ zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. „Unsere Bibel“, erläutert Susanne Schmidt, „ist der ,Tagesprobenplan’, der soll idealerweise bis 15 Uhr für den Folgetag rausgehen.“ Erfahrene Künstler merken sehr früh, dass sich eine Erkältung anschleicht und rufen schon am Vortag an. Dann wird ein Kollege oder eine Kollegin auf „Stand-by“ gesetzt. Hier kommt wieder die 50-km-Regel ins Spiel. „Ansonsten heißt es, sie sollen sich bis 12 Uhr am Tag der Aufführung melden, ob sie sich unwohl fühlen, ,under the weather’, wie man englisch sagt. Ansonsten gehen wir davon aus, dass die geplante Besetzung abends singt.“

Dass das Räderwerk schon mehr als 24 Stunden in Gang gesetzt wird, „ist dann besonders wichtig, wenn wir einen wirklich dauerhaft kranken Sänger haben und vielleicht einen neuen einfliegen und ihn nachproben müssen.“ Eine absolute Ausnahme, aber auch sie gab es schon. In einem solchen Fall muss man mit dem Team besprechen, wann man ihn am nächsten Vormittag, Mittag oder Nachmittag einstudiert.

„Sie sind sehr basic, das ist alles andere als glamourös“, sagt Susanne Schmidt. Auch die Statisten und Choristen werden auf der Seebühne vorbereitet, nachdem sie sich Kontaktperson für die Künstler ist die Company Managerin. Sie schaut auch dazu, ob alle pünktlich in der Maske sind und hakt notfalls nach. Eigene WhatsApp-Gruppen dämpfen den Stresspegel. Maskentermin für die meisten großen Rollen ist etwa zwei Stunden vor Beginn im Festspielhaus. Für Feindetails sowie aufwändige Kostüme wird in den kleinen Garderoben auf der Seebühne Hand angelegt. Dort gibt es keine Klimaanlage oder Heizung. in einem schalterähnlichen Minibüro angemeldet haben. So wird sichergestellt, dass niemand fehlt. Am längsten Zeit haben die Wiener Symphoniker und der Prager Chor. Sie agieren im Festspielhaus und kommen bereits in ihrer Arbeitskleidung. Für sie ist Deadline eine halbe Stunde vor der Ouvertüre.

Dann, wenn alle, die am See singen, über den Steg sein müssen. Das Publikum soll vom Gewusel, das einer so großen Produktion vorangeht, unbehelligt bleiben.

Standleitungen zu den Wetterwarten

Die Operndirektorin ist in der Regel ab 19 Uhr im Areal. 20 Uhr ist Fixtermin in einem zum See offenen Fensterraum, den die Bregenzer Festspiele „Wetterküche“ getauft haben. Über die Bildschirme laufen Wetterprognosen und es existiert eine Telefonverbindung zur Wetterwarte Nach Zürich. Von ihnen lässt sich das Team bestätigen, ob man die Radarbilder richtig interpretiert hat. „Wenn das Wetter ruhig ist, zerstreuen wir uns alle noch einmal, gehen unseren Sachen nach, rufen in der Maske ,Toi! Toi! Toi!’. Ist es unruhig, dann kleben wir oft in der Wetterküche fest. Dann muss man die Platzsprecherin informiert halten, den Abendspielleiter und natürlich das Publikumsservice“, schildert Susanne Schmidt die wenigen Abende, die eine À-la-minute-Entscheidung erfordern, ob gespielt werden kann oder nicht. Gewitter und eine bestimmte Windstärke sind No-gos.

Fahrplan für Alternative

Carmen ist open-air. Das beeinflusst auch den Ablauf in Details wie diesen: Tritt der Torero heute Abend im Boot stehend auf oder einfach von links auf der Bühne? Das hängt vom vorausgesagten Wellengang ab. Auch für diese Entscheidung ist der Zeitpunkt in einem eigenen Fahrplan für die alternative Regie festgesetzt.

www.bregenzerfestspiele.com/ www.leonardwuest.ch

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