Zum Hauptinhalt springen

Luzerner Theater,Ein Luzerner Jedermann Freilichtspektakel nach Hugo von Hofmannsthal, Première 25. Mai 2018, besucht von Léonard Wüst

Matthias Schoch (Jedermann), vis a vis Miriam Joya Strübel (Buhlschaft) mit Gefolge Foto Ingo Hoehn
Matthias Schoch (Jedermann), vis a vis Miriam Joya Strübel (Buhlschaft) mit Gefolge Foto Ingo Hoehn

Produktionsteam

Inszenierung und Bühne: Thomas Schulte-Michels Kostüme: Tanja Liebermann Licht: David Hedinger-Wohnlich Dramaturgie: Friederike Schubert

Besetzung:

JEDERMANN
Matthias SchochTEUFEL / GUTER GESELL / MAMMON
Aaron Hitz

TOD
Christian Baus

STIMME GOTTES
Max Christian Graeff

JEDERMANNS MUTTER
Giulietta Odermatt

ANSAGER / SCHULDKNECHT
Adrian Furrer

EINE FRAU
Alina Vimbai Strähler

BUHLSCHAFT
Miriam Joya Strübel

DICKER VETTER
Jakob Leo Stark

DÜNNER VETTER
Michel Kopmann

WERKE
Wiebke KayserGLAUBE
Sofia Elena BorsaniDER KOCH
Alfons LinerDER VERWALTER
Adalbert SpichtigDER HAUSBURSCH
Bernhard Kesseli

BUHLSCHAFTS GEFOLGE

Mascia Altermatt, Sabrina Althaus, Samantha Aquilino, Sofia Elena Borsani, Antonia Bucher Nadja Fanger, Tina Frank, Nesi Haxhimurati, Wiebke Kayser, Nadia Odermatt, Laura Rutz, Anna Rebecca Sehls, Isabelle Siegenthaler, Helena Steffen, Alina Vimbai Strähler

 

NONNEN
Marlies Giger, Lena Krütli, Alma Lichtsteiner, Mariella Pfyffer, Rahel Wüest, Soley Tobler

FESTGÄSTE
Mascia Altermatt, Sabrina Althaus, Melchior Amgarten, Samantha Aquilino, Timo Balzli, Agnes Barth, Josef Blättler, Josef Bühler, Ursula Brunner, Antonia Bucher, Susanna Burger, Nadja Fanger, Marlies Giger, Nesi Haxhimurati, Philip Hecht, Lia Aurelia Kraft, Lena Krütli, Alma Lichtsteiner, Stefan Murmann, Nadia Odermatt, Mariella Pfyffer, Laura Rutz, Liselotte Schleiss, Isabelle Siegenthaler, Verena Stämpfli Meier, Helena Steffen, Soley Tobler, Franz Tschümperlin, Hans Woodtli, Rahel Wüest

 

Rezension:

Ein Frontalangriff auf  Salzburg und seinen seit 1920 jährlich aufgeführten Jedermann? Jesuiten – statt Domplatz?

Grundsätzliches zum „Jedermann“:

Die Macher, v.l.n.r. Christoph Risi, Thomas Schulte-Michels, Benedikt von Peter, Foto Ingo Höhn
Die Macher, v.l.n.r. Christoph Risi, Thomas Schulte-Michels, Benedikt von Peter, Foto Ingo Höhn

Nach dem Vorbild spätmittelalterlicher Mysterienspiele treten im „Jedermann“ Gott, der Tod, der Teufel und andere abstrakte Wesen auf und jagen den Zuschauern gruselig-wohlige Schauer über den Rücken.

Der wohlhabende Jedermann sieht sich mit dem unerwarteten Tod konfrontiert, der ihn vor seinen Schöpfer führen will. Weder sein treuer Knecht noch seine Freunde noch sein Geld wollen ihn ins Grab begleiten; erst der Auftritt seiner Werke und des Glaubens bringen ihn dazu, sich zur Christenheit zu bekennen und als reuiger Bekehrter ins Grab zu steigen.

Start in die erste Jedermann Saison

Regierungsrat Reto Wyss richtete ein paar Worte an das Premierenpublikum
Regierungsrat Reto Wyss richtete ein paar Worte an das Premierenpublikum
Aaron Hitz ( Guter Gesell )
Aaron Hitz ( Guter Gesell )

Der gutgelaunte Intendant des Luzerner Theaters, Benedikt von Peter persönlich, begrüsste das Premierenpublikum bei allerbesten äusseren Bedingungen auf dem Platz vor der Jesuitenkirche. Ebenso richtete der kantonal luzernische Kulturminister, Regierungsrat Reto Wyss einige Worte an die Besucher, die es sich auf der eigens erstellten Tribüne über der Reuss so gut als möglich bequem gemacht hatten.

Auftakt im Stile einer „Commedia dell`arte“.

Alle Gäste des Jedermann sitzen am Tisch und warten aufs Festmahl
Alle Gäste des Jedermann sitzen am Tisch und warten aufs Festmahl

Zum Auftakt bevölkern viele Gaukler, darunter zwei Jongleure, drei Einradfahrer und ein Feuerspucker, die Szenerie, im Stil einer „Commedia dell`arte“. Dazu passend, erklangen Drehorgelähnliche Orgelklänge (Musik Christov Rolla). Dann hält einer der Akteure eine Ansprache an die, inzwischen ebenfalls die Bühne bevölkernde andere Jedermann Entourage. (Die Hauptdarsteller agieren mit Kopf Mikrophonen). Dazu wird lautstark gesungen: „So ein Tag, so wunderschön wie heute“. Dem Herrn im Himmel scheint das bunte Treiben der Jedermann Truppe zu missfallen und so meldet er sich denn auch mit lauter Stimme um dem Spass Einhalt zu gebieten. Ebenso hat der Tod seinen ersten kurzen Auftritt versinnbildlicht, indem sich darauf alle Akteure des Geschehens eine Totenmaske überstülpen und verstummen. Dann entert der rotgewandete Macho Jedermann (Matthias Schoch) im Gareth Bale Look mir Rossschwänzchen, die Szenerie und ordnet an, alles für ein üppiges Festmahl herzurichten, das er zu geben gedenke.

Der laute Ruf Gottes schallt über das Gelände

Der Tod,Christian Baus
Der Tod,Christian Baus

Nun schallt es aber laut über den Jesuitenplatz das JEEEEDERMAAAAANN, JEEEEDERMAAAAANN, JEEEEDERMAAAAANN.

Matthias Schoch (Jedermann)
Matthias Schoch (Jedermann)

Noch aber scheint sich der so aufgerufene nicht im Klaren zu sein, was das bedeuten soll. Das versucht ihm dann der auf die Bühne zurückgekehrte Tod (Christian Baus) zu erläutern, indem er ihn auffordert, mit ihm in das Jenseits zu reiten, da sein irdisches Dasein sofort, aufgrund des liederlichen Lebenswandels, beendet werde. So langsam, aber sicher dämmert es dem Lebemann und Tunichtgut, dass die Sache ernst ist und er sucht Beistand bei Weggefährten und Gefolgsleuten. Diese aber, ihm sonst treu ergeben, wenn es lustig zu und hergeht, verweigern ihm die Gefolgschaft in den Tod, wenden sich jetzt gar von ihm ab. Erst als Jedermann merkt, dass er diesen Weg wohl allein beschreiten muss, wird er sich der ganzen Tragweite voll bewusst und ersucht beim Tod um Aufschub, zuerst ein paar Tage, wird abgelehnt, ein Tag, ebenso verweigert, dann, ebenfalls nicht gewährt ein paar Stunden, schlussendlich um 60 Minuten. Diese erhält er, um seinen Nachlass einigermassen zu ordnen und vor allem, um Abbitte zu leisten. Zu dem Chorgesang „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ räumen der Tod und Jedermann vorerst die Bühne.

Der grosse Auftritt der Buhlschaft

Miriam Joya Strübel (Buhlschaft) mit Gefolge
Miriam Joya Strübel (Buhlschaft) mit Gefolge

Aus der Jesuitenkirche auf die Bühne schreiten dann die Buhlschaft (Miriam Joya Strübel) mit Gefolge unter Intonation des Whitney Houston Megahits „I always love you“ als die recycelten „Göttinnen des Pop“. Jedermanns Geliebte zieht alle Register ihrer Verführungskunst um ihren Lover zu becircen, ihn noch mehr in ihren Bann zu schlagen und ihre Errungenschaften zu verteidigen.

Das grosse Fressen findet doch noch statt

Jakob Leo Stark (Dicker Vetter) und Michel Kopmann (Dünner Vetter)
Jakob Leo Stark (Dicker Vetter) und Michel Kopmann (Dünner Vetter)

Die Szenerie beherrschen jetzt wieder die Vasallen, die Fans und die Entourage von Jedermann, die sich über die üppig hergerichtete Tafel her machen. Die engsten Freunde des Jedermann, weibliche und männliche geben dann noch Statements ab, u.a. die beiden Vettern und der Gute Gesell. Der „Schuldknecht“(Adrian Furrer) gibt noch einen Abriss darüber, was er unter dem Drangsal des Jedermann und dessen Willfährigkeit alles erdulden musste, weshalb dieser den Tod mehr als verdient hätte.

Später gabs noch den Abgesang für ihren Gönner und Gastgeber in Form des Chorals „Ich hatt einen Kameraden“.

Matthias Schoch (Jedermann) und Giulietta Odermatt (Jedermanns Mutter)
Matthias Schoch (Jedermann) und Giulietta Odermatt (Jedermanns Mutter)

Parallel dazu hatte Jedermanns Mutter (Giulietta Odermatt), mit den ihr ergebenen Nonnen im Schlepptau, noch vergeblich versucht, ihren Sohn wieder in den Schoss von Mutter Kirche zurück zu holen.

Jedermann muss erkennen, dass der Tod einsam macht

Miriam Joya Strübel (Buhlschaft) vereint mit Matthias Schoch (Jedermann)
Miriam Joya Strübel (Buhlschaft) vereint mit Matthias Schoch (Jedermann)

Der Geschockte will immerhin noch sein Vermögen mit ins Jenseits nehmen, aber der aus seiner Geldtruhe entstiegene, aufgeplusterte  Mammon erklärt sich auch nicht bereit, mit ihm zu gehen, da er ihm, Jedermann, nur geliehen war und jetzt dem nächsten dienen müsse. Nun ist Jedermann völlig einsam und der Verzweiflung nahe. Da hört er aus dem Hintergrund eine leise Stimme, die seinen Namen ruft. Als er sich umdreht, sieht er eine gebrechliche Frau, die ihm sagt, dass sie seine „guten Taten“ (Werke, Wiebke Kayser) sei und ihn gern ins Jenseits begleiten will. Sie ist aber zu schwach, da er sie immer so vernachlässigt hat. Sie ist aber bereit, ihre Schwester, den Glauben (Sofia Elena Borsani) darum zu bitten. Der Glaube weist Jedermann nun auf die unendliche Liebe Gottes hin und rät ihm, den Herrn um Gnade zu bitten. Jedermann ergreift die letzte Hoffnung auf Rettung und versucht nach Jahren der Ungläubigkeit, wieder zu Gott zu finden, wobei ihm ein Mönchhilft.

Wiebke Kayser als Werke
Wiebke Kayser als Werke

Inzwischen kommt der Teufel, um die schuldbeladene Seele Jedermanns, derer er sich ganz sicher ist, zu holen und mit ihr zur Hölle zu fahren, doch er muss zu seinem Verdruss sehen, dass sie ihm durch die Gnade Gottes entrissen wurde. Wenig später kehrt Jedermann völlig gereinigt zurück und kann nun mit ruhigem Gewissen in Begleitung des Glaubens und der guten Werke vor Gottes Richterstuhl treten.

Fazit des Abends auf dem Jesuitenplatz

Dank sehr guten Leistungen des Ensembles, ob Profis oder Laien, des stimmungsvollen Bühnenbildes, der passenden Musik und entsprechenden Kostümen ist der Jedermann an der Reuss ein weiteres starkes Ausrufezeichen des neuen Intendanten und ein erneuter, sehr grosser Schritt in die Zukunft  und die von ihm angestrebte weitere Öffnung und näher zum Volk Doktrin.

Als „Primus inter Pares“ besonders erwähnenswert die Parforceleistung von Aaron Hitz in allen seinen drei Rollen, ob als guter Gesell, Mammon oder Teufel.

Effizientes, dennoch wirkungsvolles Bühnenbild

Christian Baus und Ensemble
Christian Baus als Tod und Ensemble

Eine Open Air Bühne, die äusserst effizient hergerichtet war u.a. mit einigen nebeneinander platzierten Infanterie-Wagen, die mit abklappbaren Treppen bestückt waren, sodass daraus eine temporäre Bühne gemacht werden konnte, oder, bei Bedarf, hochgeklappt und mit weissen Tischtüchern belegt, eine festliche Tafel für des Jedermann Gäste und Saufkumpane hergerichtet wurde. Leider ist der Jesuitenplatz etwas zu klein, um optisch das Maximum zu erzielen, verfügt halt nicht über die ideale Grösse, hat zu wenig Tiefe um ein Totalpanorama zu sehen von der Zuschauertribüne aus. Man sitzt zu nah, praktisch vis a vis der Kirche, kann so deren räumliche Dimensionen visuell gar nicht erfassen.

Wird der Luzerner Jedermann zu einer Institution wie in Salzburg?

Matthias Schoch, Miriam Joya Strübel
Matthias Schoch, Miriam Joya Strübel

Wenn ja, werden sich Schauspieler/innen in Zukunft auch darum buhlen, in Luzern als Jedermann, Tod oder Buhlschaft auf der Bühne zu stehen? Eine Ehre, die in Salzburg nur den allerbesten und berühmtesten Bühnenschauspielern zuteil wird.

Des Teufels letzte Worte, nachdem er den Jedermann nicht bekommen hat: Die Welt ist dumm, gemein und schlecht Und geht Gewalt allzeit vor Recht, Ist einer redlich, treu und klug, Ihn meistern Arglist und Betrug.

Dieser Luzerner Jedermann ist wohl kaum ein Frontalangriff auf die Bastion Salzburg, scheint eher ein „Ausloten“, was in dieser Richtung alles möglich sein könnte. Ein bisschen zu brav, zu wenig dramatisch aber mit zugefügten, witzigen und auch zeitgemässen Dialogen.

Blick auf die Jesuitenkirche Foto Ingo Hoehn
Blick auf die Jesuitenkirche Foto Ingo Hoehn

Zur Spielstätte: Der Jesuitenplatz verfügt halt nicht über die ideale Grösse, hat zu wenig Tiefe um ein Totalpanorama zu sehen von der Zuschauertribüne aus. Man sitzt zu nah, praktisch vis a vis der Kirche, kann so deren räumliche Dimensionen visuell gar nicht erfassen.

Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Hoehn:

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.luzernertheater.ch

Homepages der andern Kolumnisten: annarybinski.ch  https://noemiefelber.ch/

www.gabrielabucher.ch  Paul Ott:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

  • Aufrufe: 962

Lucerne Festival Strings, 3. Saisonkonzert Konzert Reihe Luzern KKL Konzertsaal, Bernard Haitink, Leitung, 23. Mai 2018, besucht von Léonard Wüst

Lucerne Festival Strings
Lucerne Festival Strings

Besetzung und Programm:

Lucerne Festival Strings, Bernard Haitink, Leitung

  • Robert Schumann: «Manfred» op. 115, Ouvertüre zu Lord Byrons gleichnamigem Schauspiel
  • Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 86 D-Dur Hob. I:86
  • Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98

 

Rezension:

Bernard Haitink dirigiert erstmals im Konzert die Festivals Strings Lucerne im KKL Luzern, Foto Eveline Beerkircher
Bernard Haitink dirigiert erstmals im Konzert die Festivals Strings Lucerne im KKL Luzern, Foto Eveline Beerkircher

Konzerte mit Altmeister Bernard Haitink, der am 20. August 2016  beim Lucerne Festival sein 50. Luzerner Bühnenjubiläum feiern durfte, sind immer ein ganz spezieller Genuss. Der Ehrendirigent des Königlichen Concertgebouw Orchesters Amsterdam und langjährige Chefdirigent des London Philharmonic Orchestra (1967 – 1979) ist in Luzern alles andere, als ein Unbekannter, leitete er doch u.a. auch das Eröffnungskonzert am Lucerne Festival im Sommer 2015 mit dem Lucerne Festival Orchestra.

1.Konzertteil mit Robert Schumann und Joseph Haydn

Auftakt ins Konzert mit Manfred op. 115, Ouvertüre von Robert Schumann zu Lord Byrons gleichnamigem Schauspiel. Etwas „ganz Neues und Unerhörtes“ werde das Publikum geboten bekommen, schrieb Robert Schumann Ende 1851 an Franz Liszt und bezog sich auf die Uraufführung seines „Dramatischen Gedichts“ Manfred.

Das Orchester, diesmal, ergänzt durch Musiker der Staatskapelle Dresden und dem Gewandhausorchester Leipzig, für einmal in grösserer  Besetzung, hatte sich auf der Bühne eingerichtet, unter Anleitung von Konzertmeister Daniel Dodds die Instrumente justiert. Dann betrat, unter grossem Applaus des zahlreich anwesenden Publikums, der 89jährige Bernard Haitink die Szene und übernahm unverzüglich das Kommando.

Schumanns «Manfred» op. 115, Ouvertüre zu Lord Byrons gleichnamigen Schauspiel

Nach dem wuchtigen Auftakt, den filigranen Klängen der Holzbläser, ergänzt von den behutsamen Streichern, führte der Maestro im Kammermusik Stil durch die Partitur, lässt den ausgezeichneten Solostimmen ausreichend Raum zu deren Entfaltung, führt diese immer wieder sensibel, gar zärtlich, ins Ganze zurück. Die „Strings“ fühlen sich sichtlich wohl und geniessen scheinbar genauso wie die Zuhörer. Aus einem Guss, in der gleichen musikalischen Sprache, als hätten sie schon immer zusammen musiziert, zelebrierten Orchester und Leiter diesen „Manfred“, sehr gefühlsbetont, aber nie larmoyant, energisch, aber keinesfalls wuchtig, sondern ausgewogen, mit fein herausgearbeiteten Nuancen, immer spannend und teilweise gar überraschend.

Joseph Haydns „Französische Sinfonie“

Bei der Sinfonie Nr. 86, eine der sogenannten „Pariser Sinfonien“ handelt es sich um ein Auftragswerk für das Pariser Le Concert de la Loge Olympique“. Nach einem einfachen Dreiklangs Motiv im sanften Piano entwickelt sich ein ab Takt 2 angedeutetes Auftaktmotiv. Für den gesamten Satz ist die hämmernde Wiederholung von Achtel – Staccato charakteristisch, wodurch sich eine energisch vorwärts treibende Kraft entwickelt. Eine Energie, die Haitink mitnimmt, da des Öftern gewisse Motive resolut wiederholt werden. das darauf folgende Motiv geht über in Synkopen und eine Bassbewegung aus Vierteln und halben Noten. Die den ersten Satz abschliessenden Reprise, beginnt wie die Exposition, allerdings mit Einwürfen von Fagott und Oboe bei Motiv 1. Beim zweiten Auftritt von Motiv 1  ist neben dem Fagott auch die Flöte mit einer Floskel beteiligt. Ansonsten ist die Reprise weitgehend ähnlich der Exposition strukturiert. Exposition sowie Durchführung und Reprise werden wiederholt. Haitink leitet mit ruhigen, weitausholenden Gesten und strahlt eine absolute Souveränität und Ruhe aus, was sich auch auf seine Mitmusiker überträgt.

Durch die Beschränkung auf die Grundharmonien (G-Dur – D-Dur Septakkord – G-Dur) macht der zweite Satz einen wenig melodiösen, eher nachdenklichen Eindruck und endet schlussendlich mit dem Beginn vom Hauptmotiv (aufsteigender Dreiklang in G-Dur) und einem Akkord auf G.

Das relativ lange und umfangreiche Menuett der dritte Satz, schließt mit seinem kräftig-pompösen Charakter an den ersten Satz an. Der erste Teil ist aus drei viertaktigen Abschnitten aufgebaut. Es entspricht eher einer  Miniatur-Sonatenform, als dem seinerzeit üblichen Tanzmenuett.

DanielDodds Foto DorotheeFalke
DanielDodds Foto DorotheeFalke

Waren die vorherigen Sätze alle im 3/4, wechselt der Komponist beim vierten, dem Allegro con spirito,  zum 4/4 Takt. Ein zweitaktiges Motiv prägt den Satz, zuerst mit einer fünffachen Tonwiederholung, dann mit einer fallenden Figur. Bei Takt 138 wechselt Haydn überraschenderweise abrupt nach B-Dur, das über eine Kadenz mit ganzen Noten von d-Moll zurück zur Tonika D-Dur führt. Die Schlussgruppe ist ähnlich wie in der Exposition, aber um eine Coda mit Orgelpunkt auf D verlängert. Die Durchführung ist somit recht knapp gehalten, die Reprise dafür durchführungsartig erweitert. Durchführung und Reprise werden wiederholt. Haitink verdichtet, im kongenialen Konsens mit dem Orchester, bleibt aber immer klar und präzis, variiert auch perfekt in den Lautstärken

2.Konzertteil mit Johannes Brahms Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98

Der erste Satz folgt dem konventionellen Schema der Sonatensatzform, ist geprägt von einer Folge absteigender Terzen die im Verlauf der gesamten Sinfonie mehrfach variiert werden.

Das Intro der Hörner zu Beginn des zweiten Satzes gemahnt mich immer an das „Munotsglöckchen“, ein Motiv, das vom gesamten Ensemble in diversen Variationen übernommen und schlussendlich im Finale von den Bässen akzentuiert wird, bevor die Streicher das Ganze weich ausfliessen lassen, das von der Querflöte noch veredelt wird.

Sehr resolut der dritte Satz, Allegro giocoso. Abrupt geht es in einer trubelartigen C-Dur-Stimmung weiter, ebenso in einer, für Brahms, eher ungewöhnlichen Instrumentierung, mit zusätzlicher Piccoloflöte, Triangel sowie C-Klarinetten. Gegen Ende  des Satzes klingt das Hauptthema des Finalsatzes an, bevor der lärmende Trubel sein Ende findet.

Der finale Satz startet mit schönen Hornklängen, unterstützt vom Paukisten, der von den Trompeten unterstützt wird, bevor das ganze Orchester wieder zu einer Einheit findet.

Zum Ende duellieren sich die Streicher mit der Pauke, bevor sich die Querflöte und peu a peu die andern Bläser dazugesellen, über alles erheben sich die Blechbläser, die ihrerseits von den Streichern wieder etwas zurückgebunden werden, bevor sich alle zum furiosen Ausklang wieder vereinen.

Bernard Haitink scheint noch immer topfit zu sein, setzte er sich doch  erst gegen Ende des Konzertes kurz auf den Schemel, ohne aber weniger engagiert zu leiten.

Das Auditorium feiert die Musiker und den Dirigenten mit einer lang anhaltenden nicht enden wollenden Stehenden Ovation, eine Zugabe gibt’s dann aber nicht mehr. Das war zu verschmerzen, hatte man doch zuvor einen zweistündigen Ohrenschmaus geniessen dürfen.

Text: www.leonardwuest.ch Fotos http://www.festivalstringslucerne.org/de/home

Homepages der andern Kolumnisten: annarybinski.ch  www.noemiefelber.ch

www.gabrielabucher.ch  Paul Ott:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

  • Aufrufe: 261

Luzerner Theater, «Neue Formen» – die Spielzeit 18/19 wartet mit zahlreichen Experimenten auf, notiert von Gabriela Bucher . Liechti

Intendant Benedikt von Peter Luzerner Theater Foto Vanessa Puentener
Intendant Benedikt von Peter Luzerner Theater Foto Vanessa Puentener

Intendant Benedikt von Peter hat am Dienstagvormittag in der Box des LT gemeinsam mit den Künstlerischen Leiterinnen das Programm der Spielzeit 18/19 mit dem Thema «Neue Formen» vorgestellt.

Das Theater Luzern widmet sich in der kommenden Spielzeit ganz dem Thema «Neue Formen»: Spezielle Lesarten, eigenwillige Handschriften und mutige Positionen. Intendant Benedikt von Peter und sein Team sehen sich ermutigt, diesen Weg zu verfolgen, da sie die Luzernerinnen und Luzerner als neugieriges Publikum erleben.

Gestartet wird die Saison gemeinsam mit dem 21st Century Orchestra am 7. September mit einer spartenübergreifenden Slapstick-Oper von Klaus von Heydenaber «Amt für Todesangelegenheiten». Die Musikinstallation «Kindertotenlieder» unter der Mitwirkung des Soundkünstlers Matthew Herbert komplettiert das Eröffnungswochenende mit einem weiteren Opernexperiment.

Neue Formen – neues Team

Künstlerische Leitung Luzerner Theater Foto Vanessa Puentener
Künstlerische Leitung Luzerner Theater Foto Vanessa Puentener

Das Thema «Neue Formen» wird auch von neuen Menschen am Luzerner Theater geprägt. Johanna Wall kommt von der komischen Oper Berlin und wird Operndirektorin. Für sie ist das LT eine schillernde Spieldose, in welcher die Produktionen durch ihre räumliche Nähe und Intimität eine grosse Qualität bekommen. Sandra Küpper ist die neue Künstlerische Leiterin des Schauspiels und kommt vom Hamburger Thalia Theater. Sie bringt international agierende Gruppen mit dem lokalen Ensemble zusammen und wünscht sich, im besten Fall ein Künstlerhaus zu sein, in dem die Kreativität an höchster Stelle steht und es Raum für Innovatives gibt. Sibylle Grüter und Jacqueline Surer leiten ab der kommenden Spielzeit das Figurentheater und beleben so die vierte Sparte des LT. Kathleen McNurney, die Künstlerische Leiterin Tanz, welche ihren Vertrag bis 20/21 verlängert hat, freut sich auf die Jubiläumsgala im Mai, ihr ganz persönliches Highlight. Sie feiert 10 Jahre «Tanz Luzerner Theater» mit «Crescendo!» Das Ensemble zeigt darin Ausschnitte aus den beliebtesten Produktionen der letzten 10 Jahre, gemischt mit Filmclips aus dem Archiv.

Auch der Musikdirektor Clemens Heil hat seinen Vertrag bis 20/21 verlängert und setzt mit der Wiederaufnahme von «La Traviata» entscheidende musikalische Akzente.

Einzigartige regionale Anbindung

Luzerner Theater Foto Vanessa Puentener
Luzerner Theater Foto Vanessa Puentener

Die Spielzeit 18/19 wartet mit zahlreichen Highlights auf. Die Luzerner Sopranistin Regula Mühlemann wird als Juliette in Charles Gounods Oper «Roméo et Juliette» zu hören sein. Sie singt ihre erste Juliette in der Stadt, in der sie lebt und aufgewachsen ist, und auf der Bühne, auf der sie ihr erstes Profi-Engagement hatte. Für Benedikt von Peter ein absoluter Glücksfall: Kunst auf höchstem Niveau mit einer einzigartigen regionalen Anbindung.

In der Box und auf der Bühne werden die Produktionen «Schuld» und «Sühne» in der Inszenierung von Ene-Liis Semper und Tiit Ojasoo ganz im Sinne des Raumtheaters gleichzeitig gezeigt. In «Biedermann und die Brandstifter» werden gar Luzerner Wohnungen geentert. «Cybercity» wird als Folgeproduktion von «No Future Forever» in der Viscosistadt erarbeitet und das diesjährige Kinderstück «Grosse Bären weinen auch» von Miet Warlop wird eine bunte Mischung aus Theater und bildender Kunst. Mit «Tanz 30: Orfeo ed Euridice» wird C.W. Glucks Oper als Ballett zusammen mit dem LSO in einer Choreographie von Marcos Morau uraufgeführt. In Zusammenarbeit mit dem B-Sides Festival beschwört das LT in «Zappa on the Hill» mit Musikern der Band «Faber» den unsterblichen Geist Frank Zappas.

Benedikt von Peters erachtet es als persönliches Highlight, wiederum die Möglichkeit zu haben, mit verschiedenen Kulturpartner vor Ort zusammenzuarbeiten. So etwas werde nur in wenigen Städten Wirklichkeit, sei aber auf dem Kulturplatz Luzern möglich. Diese Zusammenarbeiten schaffen vor allem eins: «Neue Formen» für das Theater. Die Begeisterung Benedikt von Peters und seines Teams für die kommende Spielzeit des LT war deutlich spürbar an der Medienorientierung und wirkte ansteckend.

www.gabrielabucher.ch  Fotos: luzernertheater.ch

Homepages der andern Kolumnisten: www.leonardwuest.ch
 
 
Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst
  • Aufrufe: 354

Mnozil Brass, KKL Luzern, 10. Mai 2018, besucht von Léonard Wüst

Mnozil Brass
Mnozil Brass

Besetzung:

Thomas Gansch, trumpet/flügelhorn – Robert Rother, trumpet/flügelhorn – Roman Rindberger, trumpet/flügelhorn – Leonhard Paul, trombone/bass trumpet – Gerhard Füssl, trombone – Zoltan Kiss, tenor/alto trombone – Wilfried Brandstötter, tuba

Rezension:

Grundsätzliches über die Formation:

Mnozil Brass Gruppenfoto-mit-Plakat Cirque
Mnozil Brass Gruppenfoto-mit-Plakat Cirque

Die Musiker lernten sich als Studenten an der Musikuniversität Wien beim Musikantenstammtisch im „Mnozil“, einem ehemaligen Wirtshaus im 1. Bezirk in Wien, kennen. 1992 entwickelte sich aus der losen Musikantenstammtisch-Spielerei diese Formation. Das Repertoire des Bläserseptetts umfasst typische Blasmusik, Schlager, Jazz und Popmusik bis hin zu Oper und Operette. Ihre Auftritte werden durch komödiantische Einlagen sowie durch Gesangsdarbietungen im Stile eines Musik-Kabaretts ergänzt. Mnozil Brass, die laut Eigenbeschreibung „lustigste Brass Band der Welt“, in jedem Fall Vorreiter in der zu dieser Zeit anlaufenden Welle Grenz- und Genre-überschreitender Bläsercombos. „Kein Ton zu hoch, keine Lippe zu heiß und keine Musik zu minder“, lautete ihr Schlachtruf des Septetts, den sie seither umfänglich mit Leben erfüllen. Mit musikkabarettistischen Nummernrevuen wie „Zimt“, „Smoke“ oder „Seven“, für die sie von Kritikern den Titel „Monty Pythons der Blasmusik“ und Preise wie den „Salzburger Stier“ bekamen, mit den Operetten- und Opernparodien „Das trojanische Boot“ (für die Ruhrtriennale geschrieben), „Irmingard“ und „Hojotoho“ (bei den Bayreuther Festspielen uraufgeführt), mit dem Krimi-Dramolett „Blofeld“ oder mit dem Soundtrack zum Kinofilm „Freundschaft“.

Cirque“, das aktuelle Programm ist, wie der Name schon andeutet,   eine Revue

Mnozil Brass
Mnozil Brass

„Cirque“ heißt der neueste Streich der sieben Blechbläser von Mnozil Brass, die – wie immer die Grenzen ihrer Instrumente auslotend – die Manege betreten, um dem Affenzirkus des Alltags Musik und Humor entgegen zu setzen und ihn so in einen kleinen, feinen Flohzirkus zu verwandeln und sei es nur für wenige Stunden…Die Welt ist rund. Der Mensch lacht. Kurz: Die Welt ist ein Zirkus. Eben un Cirque. Hört sich besser an.

Musik gemixt mit Slapstick, geht das?

Mnozil Brass
Mnozil Brass

Das funktioniert nur, wenn es so gekonnt gemacht wird, wie das die sieben  Wiener Blechbläser von „Mnozil Brass“ tun, sonst kann das schnell mal ins Lächerliche kippen. Stühle liegen verstreut auf der Bühne, da betritt ein Gelb – belatzthoster die Bühne, die Trompete in der einen, eine Baccararose in der andern Hand. Während er die Rose so entblättert, nach dem Ritus: Sie liebt mich, sie liebt mich nicht, entern die andern sechs Bandmitglieder die Bühne. Sie tun dies unter Intonation der „Melodie in F“ von Franz Liszt. Alle Musiker in äusserst schrägen Outfits und mit skurrilen Bewegungsabläufen und teils akrobatischen Verrenkungen.

Die Leitmelodie von „Der dritte Mann“ aus dem gleichnamigen, in Wien spielenden Film, dient als Parodiegrundlage für die nun folgenden chaotischen Aktionen, Turbulenten und Verwirrungen auf der Bühne. es folgen noch weitere, weniger bekannte Melodien, zu denen die einzelnen Musiker ihr individuelles Können demonstrieren können.

2. Konzertteil: Eine grandiose Version der „Fledermaus“ von Johann Strauss.

Mnozil Brass
Mnozil Brass

Fulminant geht es nach der Pause weiter, mit einem Leitmotiv der „Fledermaus“ erhalten die Protagonisten auch die Gelegenheit, ihr hohes musikalisches Niveau unter Beweis zu stellen und das Publikum zu begeistern. Und dass sie ihre Instrumente meisterhaft beherrschen, demonstrieren sie Stück für Stück, daneben garnieren sie diese auch noch mit viel gutem Klamauk, auch mal Ironie und gar Poesie. Beispielweise mit dem Tanz der Seifenblasen, ein ganz starker Moment der Show, die wahrlich nicht arm an Höhepunkten ist.

Musikalisch komödiantisch hochstehender Zirkus, gewürzt mit etwas Poesie

„Cirque“ ist, wie der Name schon andeutet, wieder mal eine Revue, in der die halbe Musikgeschichte verwirbelt und in Bilder und Geschichten aus der Zirkuswelt gekleidet wird. Ein „Erkennen Sie die Melodie“ in der Manege sozusagen, angespielt von einigen der weltbesten ihres Fachs, die sonst in renommierten klassischen und Jazz-Ensembles spielen. Pantomime, Slapstick und viel Clownerie verbinden sich mit der Musik, etwa wenn die Band ein imaginäres Grammophon einschließlich Leiern und Springen der Platte nachahmt. Hochvirtuos, hochkomisch und auch mal tief berührend, zum Beispiel,  wenn zum Abschluss der Trompeter Thomas Gansch als weißer Clown vergeblich versucht, ein Zauberer zu sein.

Zum Schluss setzen sie die Musiker noch an den Bühnenrand, blödeln und spielen noch etwas, werden lange gefeiert und beklatscht und gewähren noch eine Zugabe.

Trompeter Thomas Gansch als weißer Clown,Foto DANIELA MATEJSCHEK)
Trompeter Thomas Gansch als weißer Clown,Foto DANIELA MATEJSCHEK)

Einer nach dem andern verlässt das Rampenlicht, übrig bleibt der weisse Clown, der sich jetzt mit seinen Zaubertricks einen Extraapplaus ergattern möchte, aber eben, er  versucht vergeblich, den Trick nachzuahmen, den sein Kollege vorher so spielerisch einfach hingezaubert hat. Das Publikum leidet mit bei seinen unzähligen vergeblichen Versuchen, nur der auf die Bühne zurückgekehrte richtige Zauberer zeigt unverhohlen seine Schadenfreude und kann es nicht lassen, den Trick nochmals zu demonstrieren, seine vermeintliche Überlegenheit zur Schau zu stellen. Ein letztes Mal entern die Blechbläsercomedians die Bühne und geben noch eine fulminante Zugabe, die auch den weissen Clown zu trösten vermag. Diesen versöhnlichen Ausklang feiert das Auditorium erneut mit grossem, langanhaltendem Applaus, teilweise sogar mit stehender Ovation, zu der es von den Protagonisten mittels Gesten demonstrativ aufgefordert wurde.

Trailer: MNOZIL BRASS – CIRQUE // Teatro Nuevo Apolo (Madrid)

www.youtube.com/watch?v=yM7ydPhn880

www.youtube.com/watch?v=SgbNSUjAeug

www.youtube.com/watch?v=EU5nGBzNUzA

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.allblues.ch

und http://mnozilbrass.at/

Ein Konzert von www.allblues.ch und https://www.kkl-luzern.ch/de/

  • Aufrufe: 479