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Opéra des Nations Genf, Le Baron Tzigane (Der Zigeunerbaron), 27. Dezember 2017, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Der Zigeunerbaron Foto Carole Parodi
Der Zigeunerbaron Foto Carole Parodi

Produktion und Besetzung:

Direction musicale Stefan BlunierMetteur en scène Christian RäthDécors et costumesLeslie TraversAdaptation des dialogues Agathe MélinandChorégraphie Philippe GiraudeauLumières Simon Trottet  Sándor Barinkay Jean-Pierre FurlanSáffi Eleonore Marguerre Kálmán Zsupán Randall Jakobsh
Sergio Raonic Lukovic***Czipra Marie-Ange TodorovitchOttokar Loïc FélixArsenaMelody Louledjian*Comte Homonay Marc MazuirMirabella Jeannette FischerComte Carnero Daniel DjambazianPaliWolfgang Barta**Quatre SuivantesNicola Hollyman**
Martina Möller-Gosoge**
Céline Soudain**
Marian Vassileva-Chaveeva**  Chœur du Grand Théâtre
Direction Alan Woodbridge Orchestre de la Suisse Romande *Membre de la Troupe des Jeunes solistes en résidence **Membre du Chœur du Grand Théâtre de Genève

 

Rezension:

Zigeunerbaron, Szenenfoto c Carole Parodi
Zigeunerbaron, Szenenfoto c Carole Parodi

«Was für eine verworrene Geschichte» sagte eine Besucherin zu ihrer Begleiterin und legte das Programmheft des «Le Baron Tzigane», welcher über die Festtage im Théâtre des Nations in Genf aufgeführt wird, zur Seite. Die Geschichte dieser Operette von Johann Strauss ist tatsächlich etwas verworren. Der verarmte Sándor Barinkay kehrt aus seinem Exil nach Hause zurück und stellt fest, dass der Besitz seiner Eltern einerseits von einem Schweinezüchter, andererseits von einer Gruppe Zigeuner beschlagnahmt und besetzt worden ist. Nun gilt es, diesen Besitz zurückzuerhalten, zudem geht‘s um einen verborgenen Schatz, natürlich darf die Liebe nicht fehlen, ein Krieg kommt vor, es  gibt ein paar Irrungen und Wirrungen und schlussendlich selbstverständlich ein Happy End.

Johann Strauss vs. Jacques Offenbach

Zigeunerbaron, Szenenfoto c Carole Parodi
Zigeunerbaron, Szenenfoto c Carole Parodi

Regisseur Christian Räth und Dramaturgin Agathe Mélinand haben gemeinsam Dialoge gestrichen und  präsentieren eine gekürzte Version, welche aber immer noch über zwei Stunden dauert, und nicht ganz unwichtig, es wird Französisch gesungen und gesprochen.  Während diese Wahl dem Wunsch entgegen kommt, den Romands diese Operette näher zu bringen, entzieht sie sich damit etwas den Deutschsprechenden. Es wirkt leicht befremdlich, die gängigen Melodien in Französisch zu hören und fühlt sich ein bisschen an, als hätte sich Strauss bei Offenbach bedient oder anders herum.

Zigeunerbaron, Szenenfoto c Carole Parodi
Zigeunerbaron, Szenenfoto c Carole Parodi

Davon abgesehen hat die Produktion im Théâtre des Nations Etliches zu bieten: Die Handlung wird in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts gesetzt und als Gesellschaftsspiel präsentiert. Die Bühne ist ein riesiges, leicht geneigtes Spielbrett, wie man es z.B. von «Monopoly» kennt. Die Spielfelder werden wahlweise als Fensterluken, Verstecke oder Schatzkammern eingesetzt. Grosse Spielkarten dienen als Regieanweisungen fürs Publikum oder für die Sänger. Die Schweinefamilie, welche bei jedem neuen Akt ihren legitimen Platz im Geschehen einnehmen will, wird der Bühne verwiesen mit einer Schweineverbotskarte. Schweine sind nicht erwünscht, obwohl sie im Stück für Reichtum stehen. Das Spielbrett verkommt auch mal zum Kampfring, im dritten Akt stehen verteilt rote Miniaturen diverser Wahrzeichen Wiens, hier ist man definitiv bei «Monopoly» angelangt.

Unglaubliche Kostümvielfalt

Zigeunerbaron, Szenenfoto c Carole Parodi
Zigeunerbaron, Szenenfoto c Carole Parodi

Die Kostüme (Leslie Travers) – witzig, fantasievoll und voller Anspielungen – sind ein echter Hingucker. Der Schweinezüchter-Clan kommt in zartem Fleischrosa und septischem Weiss daher, die Zigeuner sind Rocker, Biker, mit Lederjacken, Bandanas,  Sonnenbrillen, Nietengürteln, eine wilde Horde. Czipra bewegt sich je nach Szene irgendwo zwischen Uriella, Cher und High-Society Lady in St. Moritz. Sáffis Jugendlichkeit wird unterstrichen durch Schlaghosen, Lockenmähne und Halsketten,  Ottokars Tollpatschigkeit verstärkt durch kurze Hosen, weiss-rosa Kniesocken und rosa Mäntelchen. Die Soldaten sehen aus wie grüne Männchen einer anderen Galaxie und grossartig der Auftritt Arsenas als künftige Verlobte Barinkays: 4 Cheerleader in fleisch-rosa Kostümen kündigen sie an, sie selber erscheint in einem Kleid mit weisser Miss-Wahl-Schärpe, Krönchen im Haar, Nummer am Handgelenk und weissen Metzger-Gummistiefeln. Immer wieder entdeckt man neue Details in diesen Kostümen, die viel zum Slapstick-Charakter der jeweiligen Szene beitragen.

Rückkehr von Christophoros Stamboglis als Kálmán Zsupán

Zigeunerbaron, Szenenfoto c Carole Parodi
Zigeunerbaron, Szenenfoto c Carole Parodi

Musikalisch und stimmlich gesehen hat dieser «Baron Tzigane» ebenfalls Einiges zu bieten: Das Orchestre de la Suisse Romande zeigt viel Spielfreude und bringt den Wienerischen Schmelz und die Verve in Walzern, Polkas und Csárdás mit Leichtigkeit herüber. Der Chor überzeugt einmal mehr auf der ganzen Linie. Jean-Pierre Furlan als Sándor Barinkay braucht etwas Zeit, um den warmen Klang seines Tenors zu entfalten, Eleonore Marguerre ist eine spritzige, junge Sáffi mit einem kräftigen Sopran und einer tollen Bühnenpräsenz, genauso Melody Louledjian (grossartig im 3. Akt mit «on ne connait, étant fillette») Marie-Ange Todorovitch ist eine mehrheitlich überzeugende Czipra mit einigen kleinen Schwächen in den tieferen Stimmlagen. Für diese Aufführung war Christophoros Stamboglis nach seiner Operation nach der Premiere wieder auf der Genfer Bühne und bestritt die gesprochenen Partien. Gerne hätte man ihn auch in den gesungenen gehört, seine sonore Stimme klang sehr vielversprechend. Die gesungenen Partien übernahm Randall Jakobsh von der Bühnenseite her. Lediglich in den sehr schnellen Passagen zeigte er kleine Unsicherheiten. LoÏc Felix brillierte als Ottokar, auch wenn seine Tollpatschigkeit ab und zu doch etwas strapaziert wurde.

Eine gelungene Aufführung mit vielen köstlichen Momenten, mit Slapstick, Satire, etlichen Seitenhieben, trotzdem fehlte es ein klein wenig an jener Leichtigkeit , die Johann Strauss Musik auszeichnet.

Kleine Fotodiashow der Produktion von Carole Parodi:

fotogalerien.wordpress.com/2017/12/27/opera-des-nations-der-zigeunerbaron/

Text: www.gabrielabucher.ch  Fotos: www.geneveopera.ch

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Konstantin Wecker und Band: Poesie und Widerstand KKL Luzern, 18. Dezember 2017, besucht von Léonard Wüst

Konstantin Wecker Foto Thomas Karsten
Konstantin Wecker Foto Thomas Karsten

Besetzung: Konstantin Wecker mit Band, Jubiläumskonzert zum 70. Geburtstag

Poesie und Widerstand

Rezension:

Unermüdlich engagiert präsentierte sich das Urgestein aus Bayern im gut besetzten Konzertsaal des KKL in Luzern. Nachdem sich seine fünf Mitmusiker (darunter eine Dame) auf der Bühne platziert hatten, enterte auch Wecker unter grossem Applaus und Jubel dieselbe. Er greift in die Tasten des Konzertflügels und die rockige Version von „Sage Nein“ ist der fulminante Start ins Konzert, das sich dann, je länger je mehr zu einer musikalischen Lesung der ganz besonderen Art entwickeln sollte. Gleich nach dem Lied begrüsste Wecker das Publikum und erklärte, dass er das, original in D-Moll komponierte Lied, glaubte in eine andere Tonart transponieren zu müssen (und auch tat), da der Grundakkord von D-Moll absteigend, ja aus den drei Tönen A,  F, D bestehe. Dieses Statement quittierte das Publikum mit starkem Applaus.

Der Balance-Akt zwischen ruhigem, zumeist auf dem Piano vorgetragenen Liedgut „Endlich wieder unten, Niemals Applaus“ (Für meinen Vater), „Die weisse Rose“ und Weltmusik -Exzessen im Stile von „Weltenbrand„, meisterte  der Liedermacher-Guru nahtlos und energiegeladen.

Konstantin Wecker c Wilschewski BR
Konstantin Wecker c Wilschewski BR

Es folgte Lied auf Lied, unterbrochen durch Monologe, Anekdoten aus seinem prallgefüllten Leben und natürlich Applaus, viel Applaus. Zwischendurch hatten auch seine Mitmusiker, von denen ein jeder mindestens zwei Instrumente beherrschte, Gelegenheit, mit Soli zu glänzen. So spielte z.B. die Cellistin ebenso gut den Elektrobass, der Violinist beherrschte auch die Leadgitarre ausgezeichnet, usw. Wecker meinte, er habe 50 Jahre darauf gewartet, endlich 70 zu werden, die ersten 20 Lebensjahre könne man ja nicht voll anrechnen. Dann interpretierte er Lieder aus seinem frühen Schaffen, danach sang er sich nach und nach über die jüngste Vergangenheit, z.B. mit „Der alte Kaiser“ (komponiert als Hommage an die Aufständischen auf dem Tahrir-Platz) bis in die Gegenwart. Ein Streifzug durch ein ganzes Künstlerleben, das nicht nur mit Glanzlichtern gesegnet ist, sondern auch grosse Brüche aufweist.

Noch immer mal wütender Rebell, mal zärtlicher Poet

Konstantin Wecker c Ufuk Arslan
Konstantin Wecker c Ufuk Arslan

Wecker kam aber immer gestärkt zurück, nichts konnte seiner Popularität etwas anhaben. Wecker-Fans sind unerschütterlich und treu ergeben. Amüsiert schaut der Künstler zurück. Seinen Karrierestart als Darsteller in Softpornos nutzt er gar, um sein Machoimage zu untermauern. Ein Gehabe, dass sogar seinem verehrten Vater einst die Bemerkung entlockte: „Aha, Männlein will Mann spielen.“

Selbst eine so grosse Künstlerin wie Mercedes Sosa coverte mitIch singe weil ich ein Lied hab“, einen Wecker-Song, das Lied, das sie auch gemeinsam bei einem Konzert 1988 in Wien, zusätzlich ergänzt durch Joan Baez, interpretierten.

Eine unendlich erscheinende Karriere

Über 50 Jahre schon bespielt Wecker die Bühnen Europas, gar der Welt, und es macht nicht den Anschein, als ob er nächstens in Rente geht und sein spätes Familienidyll noch intensiver geniessen will. Unruhig unterwegs ist er noch immer. Vielleicht, Altersweisheit geschuldet, nicht mehr ganz so zornig, nicht aber weniger engagiert. Seinen Anhängern, meist im gleichen Alter, geht es wohl ähnlich. Alt-68er. Von Utopisten zu Realisten mutiert, ohne ihre Träume zu verlieren oder Idealen abzuschwören. Wecker und Band interpretieren Song für Song, ergänzt durch des Meisters Anekdoten und Erinnerungen an musikalische Weggefährten, amüsante und ernste Begebenheiten, Lebensirrtümern, Irrwegen und Verfehlungen. Die späte Rückkehr auf den Pfad der Tugend, unterstützt von seiner damaligen Frau Annik, bereichert durch die beiden gemeinsamen Söhne.

Vielseitigkeit ist ein Markenzeichen von Konstantin Wecker

Konstantin Wecker und Hannes Wader Foto Thomas Karsten
Konstantin Wecker und Hannes Wader Foto Thomas Karsten

Er singt nicht nur seine Lieder. Er textete und komponierte auch für andere, wirkte als Schauspieler in vielen Gastrollen mit, komponierte Filmmusik, schrieb gar ganze Musicals, u.a., das Hundertwasser-Musical, zusammen mit Christopher Franke das Musical Ludwig, usw. Seit dem Wintersemester 2007/2008 hat Wecker an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg einen offiziellen Lehrauftrag angenommen. Immer wieder engagiert er sich politisch und auch sozial an vorderster Front, wurde und ist eine Ikone der antifaschistischen Bewegung

Unterstützung durch grossartige Mitmusiker

Unterstützt von seiner grossartigen Band  erlebten wir eine, auch instrumental, begeisternde Performance. Im ersten, rund 90-minütigen Konzertteil bestand für einen kurzen Moment die Gefahr, dass Wecker etwas allzu lange den „Moralapostel“ in sich raus lässt, aber da er dies immer mit grosser Glaubwürdigkeit und nicht als Phrasendrescher macht, wirkte es nie peinlich oder belehrend. Am stärksten und berührendsten immer die Momente, wenn der Künstler von ihm geschriebene Poesie rezitierte, meist mit feiner Backgroundmusik seiner Band unterlegt

Auch beeindruckend der zweite Konzertteil

Nach der Pause gings nahtlos weiter mit berührenden Texten und eindrücklichen Melodien des rebellischen Poeten (oder doch eher des poetischen Rebellen?) und seinen Mitmusikern. Gar einen „Wehdam“, den bayerischen Blues, packten sie aus, den sie dann ausführlich zelebrierten mit vielen Soli, einem antreibenden, fordernden Wecker und der zum Schluss mit viel Drive fast in eine Art Mix von Rock`n Roll/Boogie Woogie mündete.

Glanzlicht des zweiten Konzertteils war „Niemals Applaus“, eine rezitierte Hommage an seinen nicht sehr erfolgreichen als Opernsänger tätigen Vater, unterlegt mit der Puccini-Arie „Nessun dorma“ aus der Oper „Turandot“.

Als erste Zugabe setzte der weise reifere Herr mit „Ich habe einen Traum“ ein weiteres markantes Ausrufezeichen, worauf sich das Publikum erhob und ihrem so vertrauten, langjährigen Begleiter und seinen exzellenten Mitmusikern eine tosende, nicht endende „Standing Ovation“ bereitet. Dafür wurden wir mit einer weiteren Zugabe belohnt.

Der Ausnahmekünstler animierte das Auditorium noch zum Mitsingen der „Ode an die Freude“, welche er auf „weckersche Art“ intonierte und textete. Er verliess die Bühne, singend, streifte durch die Sitzreihen, umarmte diese und jenen, feierte seine Fans, die wiederum feierten ihn, kehrte schlussendlich auf die Bühne zurück und genoss mit seinen Mitmusikern eine langanhaltende stehende Ovation. Wecker bleibt Wecker, immer ein aussergewöhnliches Erlebnis.

Konstantin Wecker – Mercedes Sosa – Joan Baez – Ich singe weil ich ein Lied hab – Wien 1988:

www.youtube.com/watch?v=LhHAaJqjVhc

Konstantin Wecker: „Sage Nein!“

www.youtube.com/watch?v=aZtmfCJRErY

Ich hab einen Traum:

youtu.be/CfJawNZm-rQ

Niemals Applaus (Für Meinen Vater)

laut.de/Konstantin-Wecker/Songs/Niemals-Applaus-Fuer-Meinen-Vater-966835

Der Wehdam (Bayrischer Blues)

www.youtube.com/watch?v=ghAD319gpas

Ein Konzert von: www.abc-production.ch/

Fotos: www.abc-production.ch/ und Wikipedia und Homepage von

www.wecker.de/de/start.html

Text: www.leonardwuest.ch

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www.gabrielabucher.ch
www.annarybinski.ch
Paul Ott:www.literatur.li

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Luzerner Theater, Dance Box Kleine Choreographien von und mit dem Tanzensemble, 15. Dezember 2017, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Luzerner Theater Dance Box, Foto Copyright Olivia Lecomte
Luzerner Theater Dance Box, Foto Copyright Olivia Lecomte

Dance Box» zeigt kleine, hausgemachte Choreographien. Im Bühnenbild der aktuellen Produktion entstehen unterschiedliche Kurzstücke – von und mit dem Ensemble von «Tanz Luzerner Theater».

Rezension:

Foto Copyright Olivia Lecomte
Foto Copyright Olivia Lecomte

Einmal pro Jahr versuchen sich die Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles «Tanz Luzerner Theater» in eigenen Choreografien, das nennt sich «Dance-Makers» und spielt sich jeweils im Südpol ab. Sozusagen die kleine Schwester davon ist «Dance-Box». Es sind dieselben Vorgaben, die Tänzer erarbeiten ihre eigenen Stücke und präsentieren diese in der Box beim Luzerner Theater. Die Stücke sind kurz, ein Miniatur-Format, frei von jeglichen Vorgaben, in das sie viel Herzblut stecken und sich als Choreografen ausprobieren und entfalten können.

Kleines Format – grosse Gefühle

Foto Copyright Sade Mamedova
Foto Copyright Sade Mamedova

Fünf Miniaturen waren es, Choreografien von Tom van de Ven, Giovanni Insaudo, Dor Mamalia, Zach Enquist und Carlos Kerr Jr., jedes Stück anders. Im ersten «I Have Never Felt» gehen und rennen 4 Tänzer im Quadrat um ihr Leben, rund um 4 Paar Schuhe, die verteilt auf der Bühne liegen. Das hat etwas roboterhaft Koordiniertes und gleichzeitig Orientierungsloses, Gehetztes. Dann bleibt nur noch eine fragile junge Frau auf der Bühne (Aurélie Robichon), die sich in erratischen Bewegungen zu befreien sucht. Ganz anders «Sandra» von Giovanni Insaudo. Sandra Salietti Aguilera tanzt zu Maria Nazionales «Ragione e sentimento», mal mit ihrem Handstaubsauger, mit dem sie sich Bewegungen aus Hals, Beinen und Füssen saugt, mal ganz allein. Lasziv, verführerisch und doch irgendwie tieftraurig in ihrem hauchdünnen Negligé tanzt sie das neapolitanische Lied über Vernunft und Gefühl, versetzt mit Stimmengewirr – Träumereien einer sehnsuchtsvollen Hausfrau. Dor Mamalia präsentiert «Bump», in welchem drei Tänzer/-innen ab und an aneinander prallen, wie es der Titel des Stücks andeutet. Die Choreografie von Carlos Kerr Jr. hat etwas leicht Beängstigendes, auch ausgelöst durch die Musik von Sontag Shogun & Masayoshi Fujita; repetitive Bewegungen, Körper verkrümmen sich, bäumen sich auf. Am Eindrücklichsten und mit viel Potential «Salou» von Zach Enquist. Ein Mann sitzt am Boden und beschreibt die Umgebung, eine Wohnungsbesichtigung oder –beschreibung? Eine Frau versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Sie nähert sich ihm, klebt sich an ihn, windet sich um ihn herum wie eine Schlange, imitiert seine Bewegungen, während er unbehelligt weiterspricht. Dann geht er langsam auf sie ein, fängt an, mit ihr zu spielen, als wäre ihr Kopf ein Ball, lässt diesen unter sich durch rollen, über seine Arme und Schultern, zwischen seinen Beinen. Da kreiert Enquist starke Bilder, welche Sade Mamedova und Louis Steinmetz gekonnt umsetzen.

Foto Copyright Olivia Lecomte
Foto Copyright Olivia Lecomte

Ein kleines, feines Format, die «Dance-Box». Einerseits kommt man den Tänzerinnen und Tänzern ganz nahe, näher noch als bei «Dance-Makers», andererseits bekommt man einen Einblick in das, was sie ganz persönlich interessiert und bewegt. Bleibt zu hoffen, wie es sich auch die künstlerische Leiterin Kathleen Mc Nurney wünscht, dass dieses Format wieder vermehrt zu sehen sein wird in der Box.

Text: www.gabrielabucher.ch  Fotos: luzernertheater.ch

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Lucerne Festival, Der Cellist Kian Soltani erhält den Credit Suisse Young Artist Award 2018

Cellist Kian Soltani
Cellist Kian Soltani

Den Credit Suisse Young Artist Award 2018 bekommt der Cellist Kian Soltani. Die Jury unter Vorsitz von Michael Haefliger, Intendant von Lucerne Festival wählte den Preisträger nach der gestrigen Audition im Wiener Musikverein. Der Award ist mit CHF 75ʼ000 eine der höchstdotierten Auszeichnungen der Branche und wird 2018 zum zehnten Mal verliehen. Der Preis beinhaltet ein Konzert mit den Wiener Philharmonikern im Rahmen des Sommer-Festivals. Dieses findet am 8. September 2018 unter der Leitung von Franz Welser-Möst im Konzertsaal des KKL Luzern statt.

Der Cellist Kian Soltani stammt aus einer persischen Musikerfamilie. Er wurde 1992 im österreichischen Bregenz geboren und begann im Alter von zwölf Jahren sein Cellostudium bei Ivan Monighetti an der Musik-Akademie Basel. Überdies nahm er an Meisterkursen unter anderem von Sol Gabetta, und Jens Peter Maintz teil und schloss sein Studium als «Junger Solist» bei Frans Helmerson an der Kronberg Academy ab. 2013 gewann Soltani den Ersten Preis bei der «International Paulo Cello Competition» in Helsinki; 2014 wurde ihm dann der Luitpold-Preis des Kissinger Sommers verliehen. Beim Schleswig-Holstein Musik Festival erhielt er den «Leonard Bernstein Award». Als Stipendiat wird er von der Anne-Sophie Mutter Stiftung gefördert. Soltani konzertierte als Solist mit dem NDR-Sinfonieorchester, dem Helsinki Philharmonic, der London Sinfonietta, dem Sinfonieorchester Basel und dem Tonhalle-Orchester Zürich. 2015 und 2017 trat Kian Soltani als Solocellist mit dem West-Eastern Divan Orchestra unter Leitung von Daniel Barenboim bei Lucerne Festival auf. Die Veröffentlichung seines Debut-Albums mit Werken für Cello und Klavier von Schubert, Schumann und Reza Vali ist für Anfang 2018 geplant.

Der Credit Suisse Young Artist Award ist eine Initiative von Lucerne Festival, den Wiener Philharmonikern, der Gesellschaft für Musikfreunde Wien sowie der Credit Suisse Foundation. Herausragende junge Musikerpersönlichkeiten erhalten den Preis für ausserordentliche Leistungen. Die Preisträger erhalten Mittel und eine Auftrittsmöglichkeit im Rahmen von Lucerne Festival. Der Preis ist mit CHF 75ʼ000 dotiert und wird alle zwei Jahre vergeben (alternierend mit dem Prix Credit Suisse Jeunes Solistes zur Förderung hochbegabter junger Musikerinnen und Musiker in der Schweiz). Das Höchstalter beträgt 30 Jahre. Die Einladung zur Teilnahme erfolgt auf dem Weg der Berufung durch Fachpersonen. Neben dem Vorsitzenden Michael Haefliger sind Professor Alexander Steinberger, Vize-Vorstand der Wiener Philharmoniker, Dr. Thomas Angyan, Intendant der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, sowie Dr. Peter Hagmann, Musikkritiker, und Pamela Rosenberg, Intendantin Emeritus der Berliner Philharmoniker, in der Jury. Die bisherigen Preisträger waren Quirine Viersen (Violoncello/2000), Patricia Kopatchinskaja (Violine/2002), Sol Gabetta (Violoncello/2004), Martin Helmchen (Klavier/2006), Antoine Tamestit (Viola/2008), Nicolas Altstaedt (Violoncello/2010), Vilde Frang (Violine/2012), Sergey Khachatryan (Violine/2014) und Simone Rubino (Schlagzeug/2016). Die Credit Suisse ist seit 1993 Hauptsponsor von Lucerne Festival im Sommer und unterstützt die jährlichen Konzerte der Wiener Philharmoniker.

Weitere Informationen zum Künstler: kiansoltani.com

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