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Michel Camilo/Tomatito Duo, KKL Luzern, 7. Mai 2017, besucht von Léonard Wüst

Michel Camilo &Tomatito DuoMichel Camilo, Piano – Tomatito, Gitarre

Grundsätzliche Informationen des Veranstalters:

Aller guten Dinge sind drei: Es begann mit «Spain». Dann kam «Spain Again». Und jetzt kommt – wie könnte es anders sein – «Spain Forever»! Keine Frage: Der Jazz-Pianist Michel Camilo, der auch im Klassik-Bereich Erfolge feiert, und der von Paco de Lucia entdeckte Flamenco-Gitarrist Tomatito sind zwei Vollblutmusiker, die mit einigem Gefühlsüberschwang agieren. Hier haben zwei heissblütige und draufgängerische Mega-Virtuosen zueinander gefunden, die sich beide für neuartige und aufregende musikalische Fusionen begeistern, die nicht nur Jazz und Flamenco, sondern auch Salsa, Merengue, Samba, Tango und Calypso umfassen. Zwischen Camilo und Tomatito fliegen die musikalischen Ideen manchmal so schnell hin und her, dass man als Zuhörer nicht mehr aus dem Staunen herauskommt.

Kurzbiografie Michel Camilo:

Michel CamiloMichel Camilo, 1954 in Santo Domingo in der Dominikanischen Republik geboren, Er nahm am dortigen Nationalen Konservatorium klassischen Klavierunterricht und wurde im Alter von 16 Jahren Mitglied des Nationalen Sinfonieorchesters der Dominikanischen Republik. 1979 zog er nach New York um und besuchte dort auch die „Juilliard School of Music“ wurde u.a. schon mit dem Grammy, dem Latin Grammy und dem Emmy Award ausgezeichnet. Camilo ist auch in der klassischen Musik zuhause.

 

Kurzbiografie Tomatito: Tomatito, am 20. 8. 1958 in Almería  als José Fernández geboren, wurde als junger Gitarrist vom legendären Paco de Lucia (1947 – 2014), dem Großmeister der Flamenco-Gitarre, in einem Flamencolokal entdeckt, von Camarón de la Isla (1950 – 1992), einem sehr bekannten Flamenco-Sänger. gefördert und gilt als einer der Pioniere des Flamenco Nuevo.

Er wurde 1997 mit der von Andalusien offiziell mit der Medalla de Plata“ ausgezeichnet. Für sein Album „Paris 1987“ erhielt er  den Latin Grammy als bestes Flamenco-Album, im Jahr 2000, zusammen mit Michel Camilo, für „Spain“ den Grammy Latino für das beste Jazz-Album, auch schrieb er mit an der Filmmusik für den deutschen Film „Bin ich schön?“ von Doris Dörrie.

Rezension:

TomatitoWas zuerst nach iberischem Musikstil tönt, löst sich schnell auf, findet sich wieder in den Traditionen des Swing Jazz,  einer Fusion aus Flamenco und Oscar Peterson. Handwerklich tadellos, leider etwas eintönig, liess das Set zu Beginn jede Spannung vermissen. Die beiden Künstler performten Songs aus ihren sehr erfolgreichen Alben, ausschliesslich Eigenkompositionen, keine einzige Coverversion anderer zeitgenössischen Musiker. Angekündigt waren auch Variationen von Merengue, Tango, Salsa. In diese Region stiessen aber die beiden nie vor, zu sehr verzettelten sie sich in Kostproben ihrer, unbestrittenen technisch sehr hochstehenden Virtuositäten. Erst wenn sie in langsameren, balladesken Stücken aufeinander eingingen, erahnte man, welch grosses Potential sie brachliegen liessen. Das zeigte sich dann doch noch bei ihrer Version von  Erik Saties (1866 – 1925): Gymnopédie No. 1. Schade, dass sie danach wieder zu seichtem, bedeutungslosen musikalischem Bargeplauder zurückkehrten. Das sachkundige Publikum wär die andere Reise sicher gerne mitgegangen. Seis drum, ein Genuss für die Ohren war es allemal, die Ankündigungen aber hatten mehr versprochen. Am Schluss war das Publikum dennoch zufrieden, bedankte es sich doch mit einer  stehenden Ovation bei den Künstlern.

www.michelcamilo.com/

Ein Konzert von: www.allblues.ch in Zusammenarbeit mit dem Jazz Club Luzern

Text: www.leonardwuest.ch

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Luzerner Theater, Tanz 24: Timeless, Première 6. Mai 2017, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Tanz 24 Foto , Gregory BatardonProduktionsteam und Besetzung:

Choreographie: Crystal Pite Choreographie: Bryan Arias Choreographie: Tsai Po-Cheng Tanz Luzerner Theater: Martina Consoli, Zach Enquist, Rachel P. Fallon, Shota Inoue, Carlos Kerr Jr., Rachel Lawrence, Olivia Lecomte, Dor Mamalia, Sada Mamedova, Salome Martins, Aurelie Robichon, Enrique Saez Martinéz, Tom van de Ven, Dario Dinuzzi, Andrea Thompson

 

Rezension:

Die Ballettfreunde hatten sich eingefunden letzten Samstag, gespannt darauf, was Tanz 24:Timeless bringen würde. Die Erwartungen waren hoch nach den vergangenen hervorragenden Produktionen. Drei verschiedene Choreografien standen auf dem Programm, zwei Uraufführungen und eine Schweizer Erstaufführung. Eine Herausforderung fürs Ensemble, wie die Dramaturgin Simone Günzel in ihrer Einführung erklärte, ein Glücksfall fürs Publikum, wie sich herausstellte.

Action Movie auf der Bühne

Im ersten Stück «Niflheim», »Nebelheim» auf Deutsch, liess sich der junge Taiwanesische Choreograph Po-Cheng Tsai von asiatischer Mythologie und Action-Filmen inspirieren. Beides ist spür-, hör- und sichtbar. Die Tänzer tragen alle dieselben schwarzen Kleider, Masken und weisse Zöpfe. Gesichter erkennt man keine und mit der speziellen Beleuchtung verschmelzen die Kleider oft mit dem schwarzen Hintergrund, sodass man vor allem tanzende Arme und Beine sieht. Das erzeugt einen ganz speziellen Effekt, magisch bereits in den ersten Minuten. Die Figuren erinnern gleichzeitig an Hexen, Feen und asiatische Krieger und es entstehen unglaublich dichte, stimmungsvolle, starke Gruppenbilder. Die Musik stammt von Ming-Chien Li, eines in ganz Asien bekannten Filmkomponisten. «Action auf der Bühne» wolle er, habe der Choreograph dem Komponisten erklärt, und die gibt es auch. Mal wähnt man sich auf in einer Waldlichtung, wo bei Nacht und Nebel eine Beschwörung stattfindet. Die zeitlupenartigen Bewegungen haben gleichzeitig etwas Samtweiches und doch unglaublich Kraftvolles. Mal liefern sich die Krieger Kraftdemonstrationen und wenn sie dann im letzten Teil mit wallenden, schwarz-goldenen Röcken über die Bühne wirbeln wie Derwische, ist die Magie perfekt, das Bild betörend schön, vollkommene Eleganz. Das Publikum war hin und weg und der Applaus langanhaltend.

Unabwendbares Ende

Das zweite Stück «A picture of you falling» stammt von der preisgekrönten Kanadierin Crystal Pite. Sandra Marin Garcia, welche den männlichen Part selber schon getanzt hat, hat es mit dem Luzerner  Ensemble einstudiert. Es ist, wie im Programm beschrieben, die Dekonstruktion einer Beziehung. Mann und Frau  bewegen sich anfänglich einsam in Lichtkegeln, treffen dann aufeinander, suchen sich, erinnern sich, suchen Erlösung und Befreiung. Dies zu einer Frauenstimme, die immer wieder dieselben Sätze wiederholt, die Stimmung beschreibt. Und wenn sie vom offenen Fenster erzählt, vom Wind, von den Vorhängen und dem Geruch nach Salz, spürt und sieht man das selber, fühlt sich aber gleichzeitig als Voyeur, der durch eben dieses Fenster den beiden zuschaut. Man leidet mit ihnen und begleitet sie im Scheitern. Beklemmend schön und wunderbar interpretiert von Aurélie Robichon und Zach Enquist, mit einer gewissen Distanz und gleichzeitig einer unglaublichen Intensität.

Grossartiges Ensemble

Beim letzten Stück «Viewpoints» des amerikanischen Choreographen Bryan Arias tragen die Tänzer am Anfang riesige Masken. Darunter scheinen die Körper wie jene von Puppen. Ihre synchronen Bewegungen zum Lied «it seems a mighty long time» erinnern an eine Seniorentruppe, die einen Tanz einstudiert hat. Die riesige, blaue Wolke über ihren Köpfen verstärkt die Komik der Szene.

Dann platzt die Wolke, die Masken fallen und es folgen verschiedene Solis, Pas de Deux und Gruppensequenzen. Die Bühne erinnert an eine grosse, leere Fabrikhalle, die Musik besteht aus Geräuschen, Rhythmen, teilweise wie Maschinenlärm. Und wenn die Tänzerinnen und Tänzer sich ineinander verweben, sich winden und drehen, ohne den kleinsten Bruch in den Abläufen, wenn dies alles fliessend ineinander übergeht, erinnert das an ein kunstvolles Räderwerk, wo jeder Teil den anderen in Bewegung hält, antreibt, weiterbringt. Gerade in diesem Stück kann das Ensemble sein ganzes Können zeigen und beweist, dass es auch in dieser vor noch nicht allzu langer Zeit erneuerten Besetzung wieder zu einem unglaublich homogenen Ganzen zusammengewachsen ist. Die Erwartungen wurden erfüllt, einmal mehr, das Premierenpublikum zeigte sich begeistert.

Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Gregory Batardon, Luzerner Theater:

fotogalerien.wordpress.com/2017/05/06/luzerner-theater-premiere-tanz-24-timeless-samstag-6-mai-2017/

Kurzer Trailer der Produktion und Interviews:

http://www.luzernertheater.ch/timeless

 

Text: www.gabrielabucher.ch  Fotos: luzernertheater.ch

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Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia KKL Luzern, 5. Mai 2017, besucht von Léonard Wüst

Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa CeciliaBesetzung und Programm:

Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Sir Antonio Pappano (Leitung)
Yuja Wang (Klavier)

Konzertprogramm

Programm Zürich und Luzern
Gioacchino Rossini
Ouvertüre zur Oper „Die Belagerung von Korinth“
Peter Tschaikowski
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23
Ottorino Respighi
Fontane e Pini di Roma

Rezension:

Sir Antonio Pappano (Leitung)Zum Auftakt die Ouvertüre zu Rossini`s „Die Belagerung von Korinth“, die nicht grad zu den bekanntesten Werken des Komponisten gehört, aber die unverkennbar  typische Orchestrierung des Italieners beinhaltet. Es war denn auch eine Art lockerer Aufgalopp, souverän vom gutgelaunten Orchester dargeboten, vom Auditorium mit freundlichem Applaus bedacht. Einstimmung des Publikums auf den unbestrittenen Star dieses Abends, die chinesische Ausnahmepianistin Yuja Wang. Für diese wurde denn auch der Konzertflügel an den richtigen Platz gerückt, dessen Stimmung durch den Konzertmeister nochmals kurz überprüft. Dann, mit etwas Spannung steigernder Verzögerung, betrat die Künstlerin, gewandet in ein sehr enges, hellgrünes Abendkleid, die Bühne. Dirigent Sir Antonio Pappano schloss sich mit Augenkontakt kurz mit der Chinesin, geleitete dann das Orchester in das Konzert mit dem so bekannten Leitmotiv zu dem dann Yuja Wang die mächtigen Harmonien setzte, später die präzisen, perlenden Läufe folgen liess, sich wieder einzubinden wusste in den Schoss des Orchesters, besonders eindrücklich in den Dialogen mit den Bläsern nach ca. fünf Minuten des ersten Satzes, bevor sie die, von Tschaikowsky eingefügten Solosequenzen nutzte, um ihre stupende Technik zu demonstrieren. Der Komponist äusserste sich nur ein einziges Mal zu diesem Werk, in einem Brief an seine Gönnerin Ndjeschda von Meck sah er das Verhältnis von Klavier und Orchester als „Kampf zweier ebenbürtigen Kräfte“ in diesem Ringen stecke viel Poesie und eine Unmenge verführerischer Kombinationsmöglichkeiten. Diese Kombinationsvarianten ermöglichten den Protagonisten denn auch eine differenzierte, sehr persönliche Interpretation dieses Meisterwerks der Musikliteratur. So bediente sich die Pianistin zu Beginn des zweiten Satzes selten des Pedals, wahrscheinlich wollte sie damit die Arpeggien nicht verwischen. Yuja Wang, früher eher ein vor Vitalität sprühendes Energiebündel, ist gereift, ordnet sich ein, wirkt nie überaus dominant. Sie setzt die Ausrufezeichen nicht mehr nur mit ihrer Technik, beweist viel Einfühlungsvermögen, stellt die Harmonie mit dem Orchester ins Zentrum. Dadurch erschliesst sich eine perfekte Klangwelt, ermöglicht auch durch das souveräne römische Orchester.

Solistin am Piano Yuja Wang Photo © Felix BroedeDas Auditorium zollte diesem eindrücklichen Hörgenuss denn auch kräftigen stürmischen Applaus, der in einer stehenden Ovation endete. Yuja Wang zeigte sich mit zwei kurzen Zugaben dafür erkenntlich und verabschiedete sich mit einem strahlenden Lächeln vom Publi

2. Konzertteil: Römer für Rom

Mit “Fontane e Pini di Roma“ von Ottorino Respighi packte das Römer Orchester die Gelegenheit, Werke dieses, zu Unrecht verkannten italienischen Komponisten, nachdrücklich in Erinnerung zu rufen und diese acht kurzen Kompositionen im rechten Licht zu positionieren. Dabei liefen Orchester und Dirigent zu absoluter Höchstform auf. Besonders eindrücklich bei „Pinien neben den Katakomben“, mit den tiefen Streicherklängen, überführend in eine, an gregorianischen Chorgesang erinnernde Trompetenmelodie, die vergangene Zeiten aufleben lässt. Bei „Pini del Gianicolo“, wo auch, zu ganz zarten Violin Trillern,  original Nachtigallengesänge ab Tonband zugespielt werden. Gekrönt mit dem finalen „Pinien der Via Appia“, beginnend mit dumpfen Paukenschlägen, ergänzt mit tiefen Klavier – und Kontrabasstönen, entwickelt sich ein triumphaler, empirischer Marsch, der, Zitat des Komponisten, dem Zuhörer vor dem inneren Auge, den Ruhm des alten Rom aufleben lassen soll. Den besonderen Effekt erreicht Pappano, indem er Bläser paarweise auf die zwei Balkonseiten und ebenso auf der Orgelempore platziert. Unter deren Geschmetter, ähnlich altrömischen Posaunen (Buccinen), naht ein Konsul mit seinem Heer, um im Glanz der neuen Sonne zur Via Appia und im Triumph aufs Kapitol zu ziehen. Die Intentionen des Komponisten und dessen Visionen umzusetzen, gelingt den Musikern auf unnachahmliche Art. Das Orchester, so massgebende Kritiker, hat sich unter Pappano zu einem der besten, wenn nicht gar zum besten, italienischen Klangkörper entwickelt. Fazit, um beim Römischen zu bleiben: Quod erat demonstrandum. Das Publikum war dezidiert auch dieser Meinung und applaudierte die Künstler zu einer Zugabe, gewährt in Form von  „La valse triste“ von Jean Sibelius. Die Zuhörer gaben sich noch nicht zufrieden und spendeten so lange Applaus, bis noch die furiose Ouvertüre des „Wilhelm Tell“ zum krönenden Konzertabschluss intoniert wurde.

Nachtrag:

Vielleicht ging Respighi nebst den Erneuerern Schönberg und der „Neuen Wiener Schule“, Igor Strawinsky und den französischen Avantgardisten wie etwa Claude Debussy oder  Maurice Ravel etwas unter mit seinen der Tradition verpflichteten Werken.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/de/Home

Link auf Lucerne Festival am Piano 2011, 2. Klavierrezital mit Yuja Wang, 23.11.2011

innerschweizonline.ch/wordpress/lucerne-festival-am-piano-2011-2-klavierrezital-mit-yuja-wang-23-11-2011/

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Luzerner Sinfonieorchester, Himmelhoch jauchzend , 3. Mai 2017, besucht von Léonard Wüst

LSO Luzerner Sinfonieorchester (c)Christian FlierlBesetzung undProgramm:

Luzerner Sinfonieorchester

Constantinos Carydis, Leitung  Chen Reiss, Sopran

Thomas Quasthoff, Sprecher, Peter Schweiger, Sprecher

Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
Musik zu Goethes Trauerspiel «Egmont» op. 84

Arnold Schönberg (1874 – 1951)
«Ode to Napoleon Buonaparte» op. 41

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543

 

Rezension:

Constantinos Carydis, GestdirigentVor dem Konzert fand eine höchst interessante Einführung durch Mariel Kreis, unter Mitwirkung des Ensembles „Helix“ der Hochschule Luzern statt. Kreis erklärte die atonale Musik Arnold Schönbergs anhand von konkreten Beispielen, die von der Pianistin Ju Ting intoniert wurden. Schönberg war ja keinesfalls der erste, der diesen Weg einschlug, das hatten vor ihm auch schon ganz grosse Komponisten getan, berühmteste Beispiele wohl Gustav Mahlers 9 Ton Akkord in der 10. Sinfonie, Franz Liszt  „Bagatelle ohne Tonart“ und wegweisend Richard Wagners legendärer „Tristan Akkord“ im 2. Takt der Einleitung zu „Tristan und Isolde“. Aber im Gegensatz zu seinen Vorgängern, löste Schönberg die Harmonien schlussendlich nicht auf, führte sie also nicht in die gewohnten Dur- oder Molltonarten wohlgefällig zurück, sondern liess sie im Raum stehen und aushallen. Fast etwas Unerhörtes, vor allem aber Revolutionäres, in der damaligen spätromantischen Kompositionsphase. Und der Erneuerer und suchend Angetriebene beliess es nicht dabei, sondern entwickelte sein Schaffen weiter, was schlussendlich zu der sogenannten Zwölftonmusik führte.

Die israelische Sopranistin  Chen ReissZuerst erfuhren wir, wie Akkorde um ca. 1910 entstanden und erklangen, schlussendlich durch die Intonation des 2. Streichquartetts, dessen Uraufführung in Wien einen grösseren Skandal, ja Tumulte auslöste, die beinahe in eine Massenschlägerei mündeten.

Mit den beiden, um eine Singstimme erweiterten Sätzen drei und vier griff Schönberg im Grunde eine Zeittendenz auf, die durch Mahlers Sinfonien einerseits, durch Kammermusikwerke mit Singstimme andererseits gekennzeichnet war. Komponisten der Jahrhundertwende versuchten das Spezifische der Kammermusik bzw. Sinfonik “zur Sprache zu bringen”, im Wortausdruck der Singstimme zu überhöhen. Zusammengefasst: In diesem Werk kommt alles zusammen: Ein handfester Skandal bei der Uraufführung 1908, eine (mitvertonte) Liebesaffäre der Ehefrau des Komponisten mit dem Maler Richard Gerstl, eine Musik an der Grenze zur Atonalität – und ein zum Motto gewordener Satz in der Gesangsstimme: «Ich fühle Luft von anderem Planeten». Dem Visionär Schönberg, wie auch seinen Schülern, u.a. Alban Berg und Anton Webern, schwebte gar vor, dass man ihre Kompositionen in nicht allzu ferner Zukunft auf Wiens Strassen pfeifen werde. Ein Traum, der sich, wie man heute weiss, nicht erfüllen sollte. Noch heute stehen diese Kompositionen des, nebst Igor Strawinsky, wohl grössten und bedeutendsten Komponisten des beginnenden 20. Jahrhunderts sehr „schräg“ in der Landschaft, haben halt nichts Liebliches wie eine Brahms Sinfonie, romantisches wie eine Schubert Melodie. Trotzdem haben sie heute einen festen Platz im Repertoire der grösseren Orchester und ermunterten auch nachfolgende Komponisten, wie z.B. Pierre Boulez, neue Wege zu beschreiten im Schaffen zeitgenössischer Musik.

Thomas Quasthoff, SprecherZum Konzert, das von der Programmation und Besetzung her Aussergewöhnliches erwarten liess. Der ehemalige Bass – Bariton Thomas Quasthoff als Sprecher der „Egmont Texte“, dem griechischen Gastdirigenten Constantinos Carydis und der israelischen Sopranistin Chen Reiss, nebst dem Luzerner Sinfonieorchester, das im gut besetzten Konzertsaal natürlich einmal mehr ein „Heimspiel“ hatte. Quasthoff erwies sich als äusserst einfühlsamer Rezitator der Goethe Texte, die Beethoven ganz im Sinne des Dichterfürsten vertont hat. Sanft, mit sparsamen Gesten führte der Dirigent das Orchester an den Sprecher heran, ermöglicht so einen spannenden Dialog der Protagonisten auf gleicher Ebene. Auf diesem hohen Niveau gesellte sich später auch die Sopranistin mit den Liedern „Clärchens“ dazu, In den Zwischenakten blieb für die Luzerner Sinfoniker genug Platz, um ihre aussergewöhnlich hohe musikalische Qualität zu beweisen, mal einfühlsam schlank, dann wieder vehement voluminös aufbrausend, wie dies das Werk Beethovens einfordert, dem auch der Dirigent mehr als gerecht wurde, indem er sich einordnete in diesen Klangkörper und das Ganze über die Individualität stellte. Das Publikum verdankte diesen akustischen Genuss mit einem langanhaltenden Applaus, entliess aber die Musiker dann doch in die wohlverdiente Pause.

2. Konzerthälfte der Erneuerer Schönberg steht dem Traditionalisten Mozart gegenüber.

Peter Schweiger, SprecherAuftritt für den zweiten Sprecher des Abends Peter Schweiger, der Schönbergs „Ode an Napoleon Buonaparte“ rezitierte, eingebettet in die Harmonien oder vielmehr Dissonanzen des Werkes. Diese Anklage an den korsischen Tyrannen bot dem Komponisten ausreichend Gelegenheit, Schmerz, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit musikalisch umzusetzen, einen Appell wider Unterdrückung, Krieg und das daraus entstehende Elend zu statuieren. Das Auditorium beeindruckt nachdenklich, würdigte auch diese Interpretation mit grossem Applaus. Zum Abschluss eher Versöhnliches, noch ein Schaulaufen des Orchesters mit Mozarts Sinfonie Nr. 39 in Es-Dur. Hier war Dirigent Carydis deutlich aktiver mit Gesten, Gesamtkörpereinsatz und Kopfgesten in Richtung Mitmusikern. Gelegenheit auch für die verschiedenen Sektionen des Orchesters, ihr grosses Können aufschimmern zu lassen, besonders erwähnt die Bläser, dazu die Möglichkeit für das Schlagwerk, einmal tüchtig auf die Pauke zu hauen. Mozarts Partitur führt scheinbar in ein furioses Finale, endet aber abrupt, um anschliessend die Spannung wieder langsam aufzubauen. Eine neckische Irreführung durch das Salzburger Musikgenie, der sich darob sicherlich köstlich amüsiert haben dürfte. Auch dieses Werk interpretierten die Künstler souverän und durften dafür einen langanhaltenden stürmischen Schlussapplaus als verdiente Belohnung entgegen nehmen.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: sinfonieorchester.ch/home

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