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Sinfoniekonzert 2 musicAeterna , Leitung Teodor Currentzis, Solisten, 7. April 2017, besucht von Léonard Wüst

musicAeterna c Priska KettererBesetzung und Programm:

musicAeterna

Teodor Currentzis  Dirigent

Nuria Rial  Sopran

Paula Murrihy  Mezzosopran

Giovanni Battista Pergolesi (1710–1736)
Stabat Mater f-Moll

Joseph Haydn (1732–1809)
Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze
Fassung für Orchester Hob. XX/1A

Rezension:

Teodor Currentzis  DirigentAlles was dieser unglaubliche Grieche anpackt, wird zu akustischem Gold. Selbst so Nachdenkliches wie „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze“, in der originalen Orchesterfassung von 1787  von Joseph Haydn, wirkt bei Currentzis leicht, fast spielerisch. Obwohl er, als gewiefter Selbstdarsteller und guter Verkäufer, das Ganze irgendwie mystisch düster inszeniert. Am Bühnenrand lässt er brennende Kerzen in Schalen platzieren, den Saal vor Betreten der Bühne völlig abdunkeln. Alle Orchestermitglieder in lange, schwarze, einfache Roben gekleidet (ähnlich jener, die man von Abbildungen des legendenumrankten russischen Mönchs Grigori Jefimowitsch Rasputins kennt). Die Violinistinnen absolvieren den gesamten ersten Konzertteil, der ca. 60 Minuten dauert, stehend.

Intime Nähe und Verbundenheit

Der Dirigent immer sehr nah bei seinen Musikern, als ob da gar kein Dirigentenpult dazwischen stünde. Mit sparsamen, doch klaren Hand – und Fingerbewegungen, Konversation und Anweisungen mittels Kopfgesten und Blicken, inszeniert er das, aus Cádiz in Spanien an Haydn erteilte Auftragswerk, über das der Komponist einmal folgende Aussage machte: „Die Aufgabe, sieben Adagio`s, wovon jedes gegen zehn Minuten dauern sollte, aufeinander folgen zu lassen, ohne den Zuhörer zu ermüden. war keine von den leichtesten.“

Lebendig inspirierende Interpretation

Grigori Jefimowitsch RasputinDie Umsetzung durch die Protagonisten war alles andere als ermüdend, sondern immer spannungsgeladen, ob der dramaturgische Aufbau, die fein herausgearbeiteten Nuancen, das Austarieren der diversen Streicherstimmen, ergänzt durch das Cembalo, instrumentale Passionsmusik in Perfektion, kaum denkbar, dass dies noch steigerungsfähig ist. Bereits die Introduktion, die den sieben Adagio`s vorangestellt ist, deutete an, was uns erwartete. Der Epilog, in diesem Fall „il terremoto“ (das Erdbeben), ist, anders als zum Beispiel bei Bach`s Johannes Passion, durchaus presto e con tutta la forza. Dies nutzte Courrentzis geschickt, um die begeisterten Zuhörer zu überbordendem Applaus und Bravorufen hinzureissen. Man hätte sich selbst eine Zugabe durchaus vorstellen können, was aber wohl so einem Werk nicht angemessen, sogar eher abträglich gewesen wär. Emotional aufgewühlt, begab man sich zur Pause in die Foyers.

Nach der Pause die Kronjuwelen

Mit Pergolesis „Stabat Mater„ erwartete uns, nach dem akustischen Gold vor der Pause, nun gar ein musikalischer Kronjuwel. Komponiert in seinem Todesjahr 1736, erlebte der Komponist, 26jährig gestorben, den Triumphzug seines Werkes durch ganz Europa nicht. Mit einer zu Herzen gehender Schlichtheit traf Pergolesi den Nerv einer Zeit, die er selber nicht mehr erleben sollte, Der Philosoph Jean – Jacques Rousseau bezeichnete das einleitende Duett als „das vollkommenste und rührendste, das je der Feder eines Musikers entflossen ist. Pergolesi schrieb sein Opus ultimum, wie Mozart sein „Requiem“,  als er , erkrankt an Tuberkulose, im Sterben lag, den sicheren Tod vor Augen, in einer von einem aristokratischen Gönner zur Genesung  zur Verfügung gestellten Villa in Pozzuoli am Golf von Neapel.

Nuria Rial  SopranDieses einleitende Duett bot dann auch den beiden Vokalsolistinnen, die zusammen mit Currentzis die Bühne betraten, Gelegenheit, ihre Fähigkeiten zu entfalten. Das Orchester, nun alle Mitglieder sitzend, breitete der katalanischen Sopranistin Nuria Rial und der irischen Mezzosopranistin Paula Murrihy (Debut am Lucerne Festival) den musikalischen Teppich aus, auf dem sich die beiden souverän bewegen konnten, wobei die Irin Lautstärke mässig, etwas dominierend war. Dies trübte aber den Hörgenuss nur marginal, kratzte kaum am glänzenden Lack dieses Gesamtkunstwerkes, das man sich nicht getraut, „nur“ Konzert zu nennen. Dementsprechend lautstark und heftig wurden die Protagonisten auch gefeiert und die Vorfreude ist gross, diesen feurigen Griechen aus dem „Perm(a)frost“ ein nächstes Mal in Luzern erneut zu erleben.

Paula Murrihy  Mezzosopran

Impressionen des Sinfoniekonzert 2 musicAeterna | Teodor Currentzis | Solisten vom 7. April 2017, Diashow von Peter Fischli, Lucerne Festival:

fotogalerien.wordpress.com/2017/04/08/impressionen-des-sinfoniekonzert-2-musicaeterna-teodor-currentzis-solisten-vom-6-april-2017-diashow-von-priska-ketterer-lucerne-festival/

 

Links auf die andern von mir besuchten Konzerte am Osterfestival 2017

Chorkonzert 3 Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble, Leitung Thomas Hengelbrock, Solisten, 6. April 1017, besucht von Léonard Wüst

https://innerschweizonline.ch/wordpress/chorkonzert-3-balthasar-neumann-chor-und-ensemble-leitung-thomas-hengelbrock-solisten-6-april-1017-besucht-von-leonard-wuest/

Chorkonzert 4 Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Leitung Mariss Jansons, Solisten, 8. April 2017, besucht von Léonard Wüst

https://innerschweizonline.ch/wordpress/chorkonzert-4-chor-und-symphonieorchester-des-bayerischen-rundfunks-leitung-mariss-jansons-solisten-8-april-2017-besucht-von-leonard-wuest/

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch

Homepages der andern Kolumnisten: www.marvinmueller.ch  www.irenehubschmid.ch

www.gabrielabucher.ch  Paul Ott:www.literatur.li

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Chorkonzert 3 Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble, Leitung Thomas Hengelbrock, Solisten, 6. April 1017, besucht von Léonard Wüst

Balthasar-Neumann-Ensemble c Florence GrandidierBesetzung und Programm:

Balthasar-Neumann-Chor und -Solisten

Balthasar-Neumann-Ensemble

Thomas Hengelbrock  Dirigent

Daniel Behle  Evangelist

Markus Butter  Christusworte

Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Johannes-Passion BWV 245
Zweite Fassung von 1725

Rezension:

Grundsätzliches zum Werk

Die Johannes-Passion ist die früheste der heute bekannten Passionsmusiken Bachs. Da im Nekrolog des Komponisten von insgesamt fünf Passionen die Rede ist, von denen außer der Johannes-Passion jedoch nur die Matthäus-Passion erhalten und die Markus-Passion als verschollen nachweisbar sind, gilt es als möglich, dass Bach bei Teilen der Johannes-Passion auf ein früheres Werk zurückgegriffen hat, das ein Biograph des 19. Jahrhunderts auf 1717 datiert, über das jedoch keine sichere Aussage möglich ist. Von der Karfreitag 1724 uraufgeführten ersten Fassung des Werks sind lediglich Einzelstimmen erhalten, die jedoch große Ähnlichkeit mit der heute verbreiteten Fassung aufweisen. Wesentliche Unterschiede sind eine einfachere Satzweise, eine kürzere Fassung von Satz 33, der vom Zerreißen des Vorhangs im Tempel berichtet, und vermutlich noch fehlende Stimmen für Querflöte. Auch war das Werk ursprünglich als Umrahmung einer einstündigen Karfreitagspredigt angedacht, also von den damals Verantwortlichen so quasi als Beigemüse geplant.

Das Balthasar-Neumann-Ensemble immer wieder ein Ohrenschmaus

Immer wieder aufs Neue ein akustischer Hochgenuss sind Konzerte mit dem, von Thomas Hengelbrock 1995 gegründeten, Balthasar-Neumann-Ensemble.

Thomas Hengelbrock  Dirigent  c Florence GrandidierDas Orchester, ca. 3o Musiker (Kammermusikgrösse) betrat zuerst die Bühne, gefolgt vom Chor, bestehend aus 10 Sängerinnen und 13 Sängern. Hengelbrock, der auch das Eröffnungskonzert in der Elbphilharmonie in Hamburg leitete, betrat darauf die Bühne in Begleitung von Daniel Behle (Evangelist) und Markus Butter (Christusworte) sichtlich gut gelaunt, gewohnt locker –  selbstsicher und nahm seine Arbeit unverzüglich auf, ohne Taktstock, nur mit den Fingerspitzen das Orchester und den Chor führend. Da das Orchester auch mit Gambe und Laute bestückt war, ergab sich ein wunderbares, schon fast barockes Klangbild, dessen Feinheiten der Dirigent immer wieder heraus kitzelte.

Bemerkenswertes  bei den Alt – Arien

Die Arien in der Alt Stimmlage wurden alle von Carlos Mena, einem Sänger vorgetragen, nicht von einer der Altistinnen.

Daniel Behle  Evangelist  c Marco BorggreveDas Zusammenwirken von Orchester und Chor, singend kommentiert von „Evangelist“ Daniel Behle (Debut am Lucerne Festival) und dem ehemaligen „Wiener Sängerknaben“ Markus Butter als Vortragender der „Christusworte“, hätte nicht perfekter sein können, alle agierten auf absolutem Weltklasseniveau, keinerlei Anstrengungen sich anmerken lassend bei diesem Monumentalwerk.

Jede/r einzelne des Chorensembles hätte an einer renommierten Bühne ein Engagement als Solist auf sicher

Die Sängerinnen des Ensembles glänzten bei den von ihnen vorgetragenen Arien auch als Solisten, die den Vergleich mit gestandenen dieser Gattung nicht zu scheuen brauchen. Ein besonderer Genuss waren die Mono – und Dialoge die „Pilatusverkörperer“, der Bass Manfred Bittner, auf dem ersten Balkon darbot. Die Sängerinnen traten bei ihren jeweiligen Soli ein paar Schritte aus dem Gesamtchor, sodass jederzeit die jeweils agierende gut zu sehen war. Exzellent auch die klar verständliche Artikulation aller Protagonisten.

Markus Butter  Christusworte  c Matthias CreutzigerAm Schluss der Passion langanhaltende Stille, dann aber starker stürmischer Applaus für die Protagonisten des Abends. Da die Johannes Passion ja nicht mit einem furiosen Finale endet, wie eine Sinfonie, sondern eher nachdenklich leis – ruhig, realisierte der Grossteil des Publikums erst gar nicht, dass es (das Werk) „vollbracht war“.

Impressionen  des Chorkonzertes 3 vom 6. April 2017, Diashow von Peter Fischli, Lucerne Festival.

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Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch Peter Fischli

Links auf die andern von mir besuchten Konzerte am Osterfestival 2017

 

Sinfoniekonzert 2 musicAeterna , Leitung Teodor Currentzis, Solisten, 7. April 2017, besucht von Léonard Wüst

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Chorkonzert 4 Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Leitung Mariss Jansons, Solisten, 8. April 2017, besucht von Léonard Wüst

 

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«Ein Luzerner Jedermann», Bericht der Medienkonferenz von Gabriela Bucher – Liechti

Theaterplatz Luzern Symbolbild c Zentralplus arupAnlässlich der Medienkonferenz von Dienstag, 4. April informierte der Intendant des Luzerner Theaters Benedikt von Peter über das Projekt «Ein Luzerner Jedermann»: In Kooperation mit den Freilichtspielen Luzern wird ab dem 25. Mai 2018 auf dem Jesuitenplatz dieses Freilichtspektakel nach Hugo von Hofmannsthal aufgeführt. Bis Ende Juni 2018 sind 21 Aufführungen vorgesehen.

v.l.n.r.Christoph Risi, Thomas Schulte-Michels, Benedikt von Peter, Foto Ingo Höhn

 

Von Peter erzählte, wie erstaunt er gewesen sei über die Dichte der Laientheater auf der Luzerner Landschaft, ein ungehobener Schatz, meinte er. Mit diesem «innerstädtischen Freilichtspiel» möchte er eine Plattform schaffen für eine Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land und den existierenden Graben zuschütten. Schauspieler/-innen des Ensembles, Gäste (keine unbezahlbaren Stars, bekräftigte er) und unzählige Laienschauspieler/-innen aus Stadt und Land werden mitwirken. Es soll eine Mischung aus Mundart und Hochsprache, aus Musik und Akrobatik werden, «etwas zwischen heiligem Geist und Spass», scherzte er. Der Hauptdarsteller, dessen Namen noch nicht verraten wurde, ist unüblicher Weise erst 30-jährig, denn es sei viel erschreckender, wenn ein Junger abgeholt werde.

v.l.n.r.Christoph Risi, Thomas Schulte-Michels, Benedikt von Peter, Foto Ingo Höhn

 

Von Peter und Christoph Risi der Freilichtspiele Luzern bestätigten, dass sie gut unterwegs seien. Es habe zwar Überzeugungsarbeit gebraucht, aber sie hätten den Zuspruch der Stadt. Der Jesuitenplatz mitten in der Innenstadt ist insofern ideal, als er einerseits so zentral gelegen ist und nahe beim Theater, welches als Ausweichmöglichkeit bei Schlechtwetter dienen wird. Zudem sind etliche Infrastrukturen bereits vorhanden und müssen nicht neu erfunden werden. Dass es einige Bedenken aus dem Weg zu räumen galt ist verständlich, denn die geplante Tribüne wird in die Reuss ragen. Die Zuschauer auf den obersten Rängen sitzen also über dem Wasser. Das sei ein vorübergehender Eingriff in das Stadtbild, auch wenn man bemüht sein werde, dieses Podest so zu gestalten, dass es sich optimal einbette in die Kulisse der Altstadt. Dass die Stadt sich damit einverstanden erklärt habe, sei sehr lobenswert.

Als Regisseur hat Benedikt von Peter den in Basel lebenden Thomas Schulte-Michels gewinnen können. Dieser erklärte seine Motivation, bei dieser Produktion mit dabei zu sein auf äusserst unterhaltsame und humorvolle Weise. Anfänglich sei er skeptisch gewesen, habe prüfen wollen ob die Chemie stimme zwischen ihm und von Peter. Dass sie dies durchaus tut zeigte die sehr lockere Stimmung an der Medienkonferenz. Sie wünschen sich nun beide, den Schwung, den sie verspüren, zur gegebenen Zeit auf das Ensemble und die Laienschauspieler übertragen zu können. Auch Schulte-Michels lobte die Stadt Luzern für ihre nicht selbstverständliche Bereitschaft und ihren Mut, das Projekt zu unterstützen.

Im Herbst werden die Ausschreibungen vorgenommen, von Peter wird sich aber bereits in den kommenden Wochen diverse regionale Produktionen anschauen.

www.luzernertheater.ch  www.freilichtspiele-luzern.ch

www.gabrielabucher.ch

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Luzerner Theater, La Traviata Oper von Giuseppe Verdi, Première 2. April 2017, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

La Traviata, Ingo Höhn, Luzerner TheaterProduktionsteam & Besetzung

Musikalische Leitung: Clemens Heil Inszenierung: Benedikt von Peter Bühne: Katrin Wittig Kostüme: Geraldine Arnold Licht: David Hedinger Einstudierung Chor: Mark Daver Dramaturgie: Sylvia Roth Dramaturgie: Brigitte Heusinger

Mit: Nicole Chevalier (Violetta Valéry), Diego Silva (Alfredo Germont), Claudio Otelli (Giorgio Germont), Karin Torbjörnsdóttir (Flora Bervoix), Sarah Alexandra Hudarew (Annina), Robert Maszl (Gastone), Jason Cox (Baron Douphol), Bernt Ola Volungholen (Marchese d’Obigny), Vuyani Mlinde (Dottore Grenvil) Chor und Extrachor des LT, Luzerner Sinfonieorchester

 

Rezension:

Benedikt von Peter hat seine Inszenierung der «La Traviata», welche er für die Staatsoper Hannover entwickelt hat, nach Luzern geholt. Die amerikanische Sopranistin Nicole Chevalier, der die Inszenierung auf den Leib geschrieben ist, steht in dieser Produktion allein auf der Vorbühne des Theaters, ganz nahe am Publikum.

Dass diese «Traviata» nicht ganz alltäglich sein würde, war von Anfang an klar und die Spannung war gross. Würde die Umsetzung klappen mit lediglich Nicole Chevalier als Violetta auf der Bühne, würde sie die Spannung halten können über ganze zweieinhalb Stunden und dies ohne Pause? Und wie werden Schauplätze und Szenen umgesetzt und erzählt?

Exzellente Sängerin und Schauspielerin

Es waren magische Momente, die die Premierenbesucher am Sonntag im Luzerner Theater erlebten, hochemotional und aussergewöhnlich! Auf der Bühne stehen lediglich eine mobile Türe, ein Tisch, zwei Stühle und ein Spiegel, später noch ein Fenster. Und Nicole Chevalier als Violetta. Was sie dem Publikum bietet ist schlichtweg genial. Da ist ihre unglaubliche Stimme, die sie in jedem Ausdruck, in jeder Modulation, in jeder Gefühlslage absolut und mühelos im Griff hat. Sie singt ihr Weinen, ihr Lachen, sie singt ihre Verliebtheit, ihre  Verzweiflung, ihre Verbitterung. Sie singt tanzend, liegend, auf Spitzen balancierend und über Stuhlreihen kletternd. Und sie singt nicht nur, sie spielt dies alles auch, mit einer unglaublichen Intensität und Innigkeit.

Kleine szenische Mittel mit grosser Wirkung

Sie schaut zurück, erzählt ihre Geschichte, ein bisschen so, als würde ihr Leben kurz vor dem Tod nochmal vor ihrem inneren Auge ablaufen. In ihren Zwiegesprächen mit einem imaginären Alfredo oder Germont bewegt sie oft ihre Lippen als würde sie den Text in ihrer Erinnerung mitsprechen. Die szenischen Mittel sind einfach aber effizient, meist nur wie Fingerzeige: Eine Perücke, Lippenstift, Sektgläser, Wollsocken und Servietten und Besteck, das Plakat «vendesi» nicht nur fürs Landhaus sondern vor Violettas Körper. Alfredos Geldscheine, die sie aus ihrem Slip klaubt, das aufgehängte Kleid als Symbol ihrer Selbstaufgabe.

Ungewohnter Hörgenuss

Dass das Orchester auf Augenhöhe hinter einem halbdurchsichtigen Vorhang auf der Bühne spielt  und die übrigen Sänger/-innen im zweiten Rang verteilt sind  hat zur Folge, dass die Zuhörer mitten im Geschehen sitzen, mitten in der Musik, in den Emotionen. Das erzeugt intime Momente von unglaublicher Intensität. Der Szenenapplaus fällt oft nur ganz spärlich oder total aus, was nichts mit den gesanglichen Leistungen zu tun hat. Im Gegenteil. Aber man möchte nicht stören, nicht zeigen, dass man zuschaut und mithört bei etwas, das so unheimlich privat ist.

Das Orchester auf der Bühne ist viel unmittelbarer, die leisen Stellen, die Duette zwischen Soloinstrumenten und Stimme prägnanter, wunderbar abgestimmt und wenn die Türen ins Foyer geöffnet werden und die Karnevalsmusik von draussen erklingt, erzeugt das noch einmal einen zusätzlichen neuen Hörgenuss.

Unglaubliche Violetta

Nicole Chevalier hat die Spannung gehalten, mehr als das, sie hat verzaubert, zu Tränen gerührt, bewegt, Mitleid, Mitgefühl und Trauer ausgelöst. Der letzte Ton war kaum verklungen, der letzte Atemzug kaum getan da stand schon der ganze Saal und applaudierte frenetisch. Die Begeisterung war riesig, die spontane Freude Nicole Chevaliers – und aller anderen – über den Erfolg herzerwärmend.

Erwähnenswert – trotz physischer Absenz – der wunderbare Tenor Diego Silvas (Alfredo) und der wuchtige und bewegende Bass von Claudio Ottelli (Germont).

Benedikt von Peters Rechnung ist aufgegangen, auch Luzern ist dieser Traviata verfallen!

Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Höhn, Luzerner Theater:

fotogalerien.wordpress.com/2017/03/29/luzerner-theater-la-traviata-oper-von-giuseppe-verdi-2-april-2017-besucht-von-gabriela-bucher-liechti/

 

Text: www.gabrielabucher.ch  Fotos: luzernertheater.ch

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