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Migros-Kulturprozent-Classics: Tournee IV der Saison 2016/2017, Budapest Festival Orchestra, 7. März besucht von Paul Ott

Budapest Festival Orchestra c Marco BorggreveBesetzung  und Programm:

Budapest Festival Orchestra

Dirigent  Iván Fischer, Francesco Piemontesi, Solist am Piano

Ludwig van Beethoven

Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21

Ludwig van Beethoven

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58

Felix Mendelssohn-Bartholdy

Sinfonie Nr. 4 A-Dur op. 90 „Italienische“

 

Rezension:

Ein Orchester-Chor singt Fanny Mendelssohn

Ein Dienstagabend im ausverkauften Kultur Casino Bern. Im Rahmen der Migros-Kulturprozent-Classics spielt anlässlich der Tournee IV das Budapest Festival Orchestra unter der Leitung von Iván Fischer. Das 1983 als Projektorchester für junge Talente gegründete Ensemble ist nach wie vor mit vielen jungen Musikerinnen und Musikern bestückt. Interessant ist die Platzierung der Bässe hinten auf dem Podium, das lässt einen etwas tiefer gestaffelten Klang entstehen.

Dirigent Ivan Fischer c Marco BorggreveDas von seiner Programmierung und von der Spielfreude des Orchesters her publikumsfreundliche Konzert beginnt mit Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21, uraufgeführt am 2. April 1800 im Wiener Hofburgtheater. Schon hier entsteht der Eindruck, dass für dieses kompakte Orchester, das mit viel Leidenschaft spielt, das Kultur Casino ein beengender Raum ist. Man würde sich eine solche Aufführung einmal in der Sommerfrische in einem Musikpavillon wünschen.

Mit Ludwig van Beethovens Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 58 betritt der junge Schweizer Pianist Francesco Piemontesi die Bühne. Es ist ein stimmungsvolles Konzert, das neben zwei längeren Solopassagen ein überzeugendes Miteinander von Solist und Orchester begünstigt. Herauszugrübeln, wann allenfalls etwas nicht ganz gestimmt hat, ist Mäkeln auf hohem Niveau. Möglicherweise gab es in den ersten drei Minuten gewisse Abstimmungsprobleme zwischen dem jungen Pianisten und dem Orchester. Das ging beim engagierten Spiel jedoch schnell vergessen, und das Publikum dankte es mit grossem Applaus.

Solist am Piano Francesco Piemontesi c Felix BroedeAls Solozugabe intonierte Francesco Piemontesi ein Stück, das wir wieder einmal nicht kennen, möglicherweise war es eine der Préludes von Chopin, die der Pianist als CD herausgebracht hat.

Nach der Pause spielte das Budapest Festival Orchestra die Sinfonie Nr. 4 A-Dur op. 90 „Italienische“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Der Komponist meinte bei der Entstehung: „Sie ward das lustigste Stück, das ich je gemacht habe.“ Iván Fischer führt sein Orchester zu einer wie beim ganzen bisherigen Abend schön gespielten Interpretation. „Ungarn spielen einen jüdischen Deutschen, der sich Italien vorstellt“, meinte mein Begleiter. Aus der Italiensehnsucht entsteht weniger südliche Leichtigkeit als vielmehr östliche Schwermut und glühende Leidenschaft.
Originell und witzig dann die Zugabe. Das Orchester stellt sich zu einem Chor zusammen und singt ein Lied von Fanny Mendelssohn. Ein professioneller Chor hätte es wohl besser gemacht. Geschenkt. Wann hat man so etwas schon erlebt! Ein herzliches Danke an Iván Fischer und sein Budapest Festival Orchestra!

Text: Paul Ott/Paul Lascaux:www.literatur.li

 

Fotos: www.migros-kulturprozent-classics.ch/de/home und Wikipedia

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Genf, Opéra des Nations, Wozzeck von Alban Berg, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Opéra des Nations Wozzeck c Carole ParodiOpéra des Nations Wozzeck  Opera in 3 acts and 15 scenes by Alban Berg  Libretto based on the drama Woyzeck by Georg Büchner. First performed at the Staatsoper (Unter den Linden), Berlin on 14 December 1925.  Production Lyric Opera of Chicago

Rezension:

Als Alban Berg Büchners Drama Woyzeck auf der Bühne sah, war er tief beeindruckt und schrieb darauf seine Oper Wozzeck in 3 Akten mit 15 Szenen. Diese wurde 1925 in Berlin uraufgeführt und ist in diesen Tagen (noch am 6./8./10./12. und 14. März) im Grand Theatre de Genève in der Inszenierung des Schottischen Regisseurs David Mc Vicar  zu sehen.

Wozzeck ist ein Verlierer auf der ganzen Linie. Er wird herumkommandiert, missbraucht für medizinische Experimente, seine Lebensgefährtin Marie betrügt ihn, man trampelt auf ihm herum, schlägt ihn zusammen, führt ihn vor und zieht ihn im wahrsten Sinn des Wortes aus bis auf die Unterhosen. Er hat keine Chance in dieser Welt voller Egoisten, Neurotiker, Sadisten und aufgeplusterten Gockeln. Er, der durch und durch Mensch ist, geht zu Grunde, wird depressiv, verfällt dem Wahnsinn und tut schlussendlich, was er nicht mehr lassen kann: Er tötet seine Marie und geht danach selber ins Wasser. «Da ertrinkt einer», sagt der sich in der Nähe befindende Doktor zum Kapitän, dann gehen sie von dannen.

Dies in Kürze die Geschichte der Oper Wozzeck. Genf zeigt eine Wiederaufnahme der Inszenierung von Davic McVicar, ein wahrer Glücksfall, denn sie überfällt den Besucher nicht mit schrillen Figuren oder überladenen Bildern. Sie ist präzise und klar, lässt den Gefühlen und Stimmungen Platz und erlaubt es dem Zuhörer, sich voll auf die Musik zu konzentrieren. Man muss nicht kontinuierlich versuchen, Aussagen zu verstehen, die Bilder sind von einer unglaublich Dichte und verstehen sich von selbst.

In der Mitte der Bühne steht ein riesiges Kriegsdenkmal, wie ein Mahnfinger, darum herum spielen sich die 15 Szenen ab. Die vielen Bildwechsel geschehen durch zwei Vorhänge, welche von unsichtbaren Händen gezogen werden. Das erlaubt einen schnellen Wechsel von der Soldatenstube zu Maries Zimmer, von der Doktorstube zur Strasse. Einzig der Wechsel nach dem 3. Akt ist schleppend und so lautstark, dass man leider vorübergehend etwas aus dem Bann des Geschehens fällt.  Die verschiedenen Bilder sind in ihrer ganzen Trostlosigkeit aber grossartig; Maries karges Zimmer, die Doktorstube, mehr Folterkammer, mit dieser riesigen Lupe, die die Betroffenheit Wozzecks ins beinahe Unermesslich vergrössert. Mit Lichteffekten von weichem Sepia bis hin zu Grellweiss werden Stimmung und Dramatik atmosphärisch verstärkt.

Das ganze Ensemble überzeugt, allen voran Mark Stone als sehr glaubwürdiger Wozzeck, unverfälscht, menschlich, verzweifelt. Mit seinem expressiven Bariton beherrscht er alle Facetten der Rolle und wird allen Ansprüchen gesanglicher Art gerecht: Er brilliert genauso im Gesang wie im Sprechgesang und in der Deklamation. Die Mezzo-Sopranistin Jennifer Larmore als Marie bringt die ganze Bandbreite ihrer Gefühle zum Ausdruck, hin- und hergerissen zwischen Schuld, Leidenschaft und Angst. Wunderschön und berückend die Szenen zwischen ihr und ihrem kleinen Sohn. Einzig die Verführungsszene mit dem Tambourmajor (Charles Workman, Tenor) kommt nicht wirklich glaubhaft herüber, scheint gefühllos, kalt, beinahe unbeholfen. Zu erwähnen neben den ebenfalls sehr überzeugenden Tom Fox (Bariton) als Doktor und Stephan Rügamer (Tenor) als Kapitän ist auch Alexander Milev als Erster Lehrling mit seinem wunderschön sonoren Bass.

Das Orchestre de la Suisse Romande unter der Leitung von Stefan Blunier begeistert sowohl in den sanften, expressiven Soli als auch in den getriebenen, explosiven, stürmischen Tutti. Leider werden aber dabei die Sänger ab und zu etwas übertönt. Ob es am – provisorischen – Saal liegt?

Alles in allem ist dieser Wozzeck eine sehr gelungene, eindrückliche und auch bedrückende Produktion und man verlässt die Oper mit Bildern, die einen nicht so schnell loslassen. Die Zuschauer spendeten langanhaltenden Applaus und Bravo-Rufe.

Text: www.gabrielabucher.ch  Fotos: Carole Parodi          www.geneveopera.ch

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Abdullah Ibrahim «Ekaya», KKL Luzern, 4. März 2017, besucht von Rolf Winz

Abdullah IbrahimBesetzung:

Abdullah Ibrahim, piano – Lance Bryant, tenor – Andrae Murchison, trombone – Alex Harding, bari sax – Cleave Guyton, alto aax/flute – Noah Jackson, bass/cello – Will Terrill, drums

 

Rezension:

«Ekaya» bedeutet Heimat und tatsächlich hat die Formation Ekaya, die 1983 von Abdullah Ibrahim gegründet wurde, mit seinen Melodien das Publikum im vollen Konzertsaal des KKL in die Weite und Schönheit seiner südafrikanischen Heimat entführt. Dem 7-köpfigen Jazzensemble, das aus seinem Trio und einem Bläsersatz besteht, ist es gelungen, die von Abdullah Ibrahim komponierten Stücke in einen meditativen Klangteppich zu verwandeln, immer äusserst präzise und harmonisch gespielt, reduziert auf eine beruhigende und schlichte Einfachheit, frei von künstlicher, demonstrativer Virtuosität.

Zugleich zeigte aber der Künstler Abdullah Ibrahim das breite Spektrum seiner musikalischen Heimat. Der heute 82-jährige, aufgewachsen als Adolf Johannes Brand in einem Township von Kapstadt, begann schon als siebenjähriger Junge Klavier zu spielen. 1962 wurde er mit seinem «Dollar Brand Trio» von Duke Ellington entdeckt und in der Folge stark von ihm und später den Pianisten Thelonious Monk und Keith Jarrett beeinflusst. All diese Einflüsse sind verwoben und vernetzt in der Musik von Ekaya wieder zu finden, in einer ruhigen Einheit, kontemplativ und in sanften Legato.

Das Konzert begann mit einem eindrücklichen Solo von Abdullah Ibrahim, gefolgt von einer Trio Einlage zusammen mit Cello und Flöte. Hier blitzen immer wieder aus der sonst sehr erdig wirkenden Musik einige Flammen mit spröden kantigen Akkorden auf. Schliesslich wurde das Trio ergänzt mit den Bläsern und dem Schlagzeuger und liess damit ein farbiges, gewirktes Muster an Klangfolgen entstehen. Die einzelnen Soli, streng überwacht vom Meister am Flügel, variierten dieses Muster, sehr strukturiert, beherrscht und harmonisch. Fast hätte man sich einen Ausbruch gewünscht, eine Überraschung, ein Chaos gar, wie es eben auch und gerade auf einem afrikanischen Marktplatz stattfinden könnte. Aber an diesem Abend blieben die Akkorde wohlselektiert und angenehm zu hören für das Ohr und führten den Zuhörer nach innen, in seine Träume und Vorstellungen von eigener Heimat.

Die Künstler wurden am Schluss mit stehender Ovation gefeiert, wobei der Meister im Hintergrund blieb und seine Musiker mit klaren Handbewegungen zu ihren Verbeugungen und zum Entgegennehmen des Applauses aufforderte. Erst nach einer äusserst grosszügigen Zugabe, die zudem zum Besten gehörte, was an diesem Abend gespielt wurde, verneigte sich auch der grosse Meister Abdullah Ibrahim vor seinem Publikum und schritt anschliessend sehr würdevoll von der Bühne. Ein eindrücklicher und bereichernder Abend für ein sehr aufmerksames und dankbares Publikum!

Text von Rolf Winz

Fotos: www.allblues.ch  und Homepage des Künstlers: abdullahibrahim.co.za/

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veranstaltet von: www.allblues.ch und www.migros-kulturprozent.ch/de/schwerpunkte/kultur/migros-kulturprozent-jazz

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La ciudad de las mentiras, Oper von Elena Mendoza, Welturaufführung,Teatro Real Madrid, 23. Februar 2017, besucht von Léonard Wüst

La ciudad de las mentirasBesetzung:

Musical theatre in fifteen scenes
Music by Elena Mendoza (1973)
Libretto and musical collaboration by Matthias Rebstock, after the short stories Un sueño realizado, El álbum, La novia robada and El infierno tan temido by Juan Carlos Onetti

Principal Orchestra of the Teatro Real
(Orquesta Sinfónica de Madrid)

 

Rezension:

Zum 200sten Geburtstag des Teatro Real wurde u.a. das Musical in 15 Szenen  „La ciudad de las mentiras“ der jungen spanischen Komponistin Elena Mendoza (*1973)  uraufgeführt. Das Libretto stammt von Matthias Rebstock und erzählt die Geschichte von vier Frauen (zwei Sängerinnen, einer Akkordeonistin und einer Violinistin).

Die Oper der spanischen Musikerin, basierend auf vier Geschichten von Juan Carlos Onetti (Un sueño realizado, El álbum, La novia robada y El infierno tan temido), erzählt die Geschichte von einer Miniatur-Stadt, in der vier Frauen, die ein Paralleluniversum, durch Träume und Geschichten erschaffen um selbst aus der Realität zu entfliehen und die Lügen (las mentiras) stehen als Grundlage der sozialen Beziehungen.

Das Teatro Real ist ein wahrhaft königliches Haus an der Plaza de Isabel II, im Zentrum der spanischen Hauptstadt, ganz im Stil des klassischen Theaters.Auch das Interieur, viel Bordeaux, Gold und Stuck. Umso überraschender dann das relativ schlicht gehaltene Bühnenbild in grau, schwarz – weiss, darstellend drei Ebenen eines Hauses: das Parterre, das Hochparterre und die erste Etage, die dann auch abwechselnd, manchmal auch miteinander  bespielt wurden. Ebenso ungewöhnlich, dass die meisten, oder zumindest die dominierenden Instrumente, von den Darstellern auf der Bühne gespielt wurden und nicht im Orchestergraben, wo das Hausorchester ((Orquesta Sinfónica de Madrid) platziert war. Die Musik war denn auch sehr aussergewöhnlich, fast atonal chaotisch schräg, passte aber perfekt zur surreal anmutenden Handlung des Librettos. Instrumental phänomenal die Protagonisten. Absoluter Höhepunkt ein Perkussionssolo des Barman, wozu dieser ausschliesslich die Utensilien einer gutbestückten Bar gebrauchte, also Shaker, Eiskübel, Barlöffel, Zuckerdose usw.

Etwas später ahmten ihn die Barbesucher mit ihren Spielutensilien (Pokerkarten, Dominosteinen, Würfelbechern usw.).grandios nach. Deren Rhythmus übernahmen darauf die diversen Blasinstrumente, ergänzten ihn mit queren Harmonien, krönten das Ganze mit brillanten Soli. Ungewöhnlich für ein Musical: sängerisch passierte nicht viel, getanzt wurde gar nicht. Die Performance erinnerte an ein musikalisches Kammerspiel, inspirierend beeinflusst von Luis Buñuel (1900 – 1983) und Salvador Dali (1904 – 1989), den beiden grossen kompatriotischen Phantasten und Visionären der Komponistin. Die wenigen Gesangsstücke aber waren von hervorragender Qualität, dargeboten von Sängerinnen, die den Ansprüchen dieses traditionellen Hauses jederzeit gerecht wurden.

Das Publikum zeigte sich sehr offen für diese neuartigen Töne und feierte das Ensemble mit dem entsprechenden langanhaltenden Applaus.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.teatro-real.com/en/

Kleine Fotodiashow der Produktion von © Javier del Real | Teatro Real:

fotogalerien.wordpress.com/2017/02/13/la-ciudad-de-las-mentiras-teatro-real-madrid-23-februar-2017-besucht-von-leonard-wuest/

fotogalerien.wordpress.com/2017/03/03/la-ciuidad-de-las-mentiras-teatro-real/

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