Zum Hauptinhalt springen

Silvesterkonzert 2016 des Zürcher Kammerorchesters „Upbeat“ Igudesman & Joo, KKL Luzern, besucht von Léonard Wüst

Upbeat Igudesman und JooBesetzung:

Willi Zimmermann, Konzertmeister
Aleksey Igudesman, Violine
Hyung-ki Joo, Klavier
Zürcher Kammerorchester

 

Rezension:

Das musikalische Talent des Russen Aleksey Igudesman (* 22. Juli 1973 in Leningrad) wurde früh erkannt und so wurde er schon im Alter von 12 Jahren wurde an der Yehudi Menuhin School in London aufgenommen. Heute ist er, nebst seinen Auftritten, vor allem als Komponist tätig und hat schon für so bekannte Orchester wie das New York Philharmonic Werke verfasst, komponierte und arrangierte,teilweise zusammen mit Hans Zimmer, Filmmusik, in Violins of the World, einem Gemeinschaftsprojekt von Gidon Kremer, Julian Rachlin, Janine Jansen und Alexandra Soumm ( alles Spitzenviolinist/innen) werden Aleksey Igudesmans Violinduette aufgeführt und seine Gedichte von Schauspielerlegende Roger Moore vorgetragen. Alles in allem also ein breitgefächertes, sehr vielfältiges Schaffen auf absolutem Weltklasseniveau.

Aleksey IgudesmanAleksey Igudesman und Hyung-ki Joo (auch er absolvierte die Yehudi Menuhin School) kombinieren auf höchstem Niveau Humor mit klassischer Musik und Popkultur. Unterstützt vom spielfreudigen Zürcher Kammerorchester, entführten die beiden in ihrem neuen Programm «Upbeat» das Publikum auf eine Reise durch die musikalischen Epochen von Ravel über Rock bis zur Filmmusik und von Rave bis Hip-Hop.

Mit dem englisch-koreanischen Pianisten Hyung-ki Joo tourt Igudesman weltweit sehr erfolgreich und füllt grosse Konzertsäle. Der österreichisch-deutsche Dokumentarfilm Pianomania über die beiden wurde sogar in den Katalog des Goethe-Instituts aufgenommen.

Dass dies ein aussergewöhnliches Konzert würde, war schon am ungewöhnlichen Outfit des Zürcher Kammerorchesters (ZKO) absehbar. Anstatt das übliche durchwegs schwarze, waren die Musiker/innen teilweise bunt, bis sehr auffällig gekleidet, auch Turnschuhe, gar rote Schuhe waren zu sehen. Eine der Violinistinnen trug ein regenbogenfarben, quergestreiftes Kleidchen und sogar der Konzertmeister Willi Zimmermann leistete sich farbige, karierte Socken. Dann betraten, vor sehr gut besetztem Konzertsaal, die beiden Künstler die Bühne und überprüften, ob tatsächlich alle Musiker am richtigen Platz sassen. Joo stellte sich auf das Dirigentenpult, hob den Taktstock, dann Erstaunen aller im Saal, erklang der Klingelton eines Handys. Den nahmen die Musiker auf und los gings: Download Klingelton Nr. 1, interpretiert  im Mozartstil vom Orchester, download Klingelton Nr. 2 im Schubertstil, download Klingelton Nr. 3 usw. usw. Dann hatte Igudesman genug und schubste den Koreaner vom Dirigentensockel, was sich dieser nicht gefallen liess, sich wehrte, hin und her Geschubse, bis schlussendlich der Russe seinen Kontrahenten am Ohr zog, ihn so definitiv vom Pult entfernte und weitermachte mit den Klingeltondownloads, so im Ravelstil, in Beethoven Manier bis zu jeder nach seinem Gusto.  Danach übte man sich in Einklang, Joo setzte sich an den Flügel, Igudesman behändigte sich seiner Violine und es ging weiter mit der legendären „Pink Panther“ Melodie aus dem gleichnamigen Film von Blake Edwards mit. u.a. Peter Sellers, David Niven, Claudia Cardinale. Kontinuierlich wurde das Thema übersteigert interpretiert, immer eigenwilliger und endete schlussendlich als Csárdás. Weiter ging es mit Melodien, die im Verlaufe umgemodelt wurden. Stark auch, als der koreanische Pianist Wagners „Ritt der Walküre“ startete, sich der russische Geiger aber mit Klezmer Fetzen einmischte (die antisemitische Einstellung des Komponisten andeutend). Es hatte, trotz allem Klamauk, durchaus für Besinnliches Platz, übrigens ein Anliegen von Igudesman, wie er in einem Interview mal erwähnte. Weil aber heutzutage die Klassik fast ausschliesslich zu ernst genommen werde, sei es ihm ein Bedürfnis aufzuzeigen, dass diese Musik auch erfreuend, erheiternd sein kann, dass man damit spielerisch unkompliziert umgehen könne. Dies wäre ja auch im Sinne grosser Komponisten wie Mozart, der sich, so schrieb er einmal seinem Vater Leopold, sehr freute, als das Publikum spontan Zwischenapplaus spendete und nicht, wie üblich, bis zum Ende des Satzes damit wartete.

Richard Hyung-ki JooWeiter im Konzert. Da führten die Protagonisten auch von Zorbas feurig über in den Säbeltanz von Aram Chatschaturjan, den ein paar Streicher auf der Bühne auch grad mit ihren Geigenbogen ausfochten. Igudesman streute auch ab und zu Breakdance Einlagen, samt Kopfstand ein.

Natürlich sind die beiden überdurchschnittlich gute Musiker, sonst würde die Show wohl eher lächerlich wirken, so aber ist es ein absoluter Hammer, ein Genuss für Augen, Ohren und vor allem auch fürs Gemüt. Magistral unterstützt vom Zürcher Kammerorchester, boten Ingudesman & Joo eine genial zu nennende Performance.

Einzig der sehr lange, zu überzeichnet gespielte „Lachanfall“ von Joo wirkte doch aufgesetzt kindisch.

Schlussendlich zeigte sich das Auditorium von dieser Art der Klassik aber überzeugt, bekundete dies auch mit starkem, langanhaltendem Applaus. Einmalig auch der Abgang der Musiker, die unbeirrt auf ihren Instrumenten weiterspielend, die Bühne verliessen.

Trailer Der perfekte Jahreswechsel mit Igudesman & Joo

youtube.com/watch?v=OumYF_bbDKc

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Wikipedia und  zko.ch

 

Homepages der andern Kolumnisten: www.irenehubschmid.ch

www.marvinmueller.ch www.gabrielabucher.ch
Paul Ott/Paul Lascaux:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

  • Aufrufe: 633

Luzerner Theater, Die Zauberflöte, Oper von Wolfgang Amadeus Mozart Première, 17. Dezember 2016, besucht von Léonard Wüst

Die Zauberflöte, Luzerner Theater, Foto Ingo HöhnProduktion und Besetzung:

Musikalische Leitung: Clemens Heil Musikalische Leitung: Gabriel Venzago (29.12. / 02.01. / 21.01. / 06.01. / 08.01. / 04.01.) Musikalische Assistenz & Nachdirigat: Gabriel Venzago Inszenierung: Wouter Van Looy Bühne: Wouter Van Looy Bühne: Freija van Esbroeck Kostüme: Johanna Trudzinski Video: Kurt D’Haeseleer Einstudierung Chor: Mark Daver Dramaturgie: Laura Schmidt Licht: David Hedinger

Mit: Vuyani Mlinde (Sarastro), Diana Schnürpel (Königin der Nacht), Magdalena Risberg (Pamina), Maja Bader (Papagena), Denzil Delaere (Tamino), Bernt Ola Volungholen (Papageno), Rebecca Krynski (Erste Dame), Karin Torbjörnsdóttir (Zweite Dame), Sarah Alexandra Hudarew (Dritte Dame), Robert Maszl (Monostatos), Jason Cox (Sprecher / Zweiter Geharnischter), Kihun Koh (Priester / Erster Geharnischter) Luzerner Sängerknaben, Chor des LT, Luzerner Sinfonieorchester

 

Rezension:

Grundsätzliches zum Werk
Prinz Tamino und Pamina, fast noch Kinder, werden sowohl von Sarastro wie von der sternflammenden Königin der Nacht manipuliert: Pamina, Tochter der Königin, wurde von Sarastro entführt. Die zwei Machtinhaber vertreten das Männliche und das Weibliche und kämpfen, von der absoluten Richtigkeit ihrer jeweiligen Systeme überzeugt, um den siebenfachen Sonnenkreis, Symbol der alleinigen Vormachtstellung in der Welt. Die beiden jungen Menschen aber kämpfen vor allem um eins – um ihre Liebe. Papageno, Taminos Begleiter bei der gefährlichen Mission und von Beruf Vogelfänger in Stellung bei der Königin, sorgt als Vertreter alles Irdischen mit Witz und Charme für Bodenhaftung und, glücklich vereint mit Papagena, für Nachwuchs.

Emanuel Schikaneder hat als Vorlage u.a. das Märchen „Prinz Lulu oder die Zauberflöte“ von August Jacob Liebeskind verwendet. Sein Libretto und insbesondere Mozarts Musik fordern ein Theater, das die verwandelnde Kraft der Liebe offenbart und eines, das die Grenzen scharf beleuchtet, wenn die Liebe sich nicht durchzusetzen vermag. Obwohl die Oper bereits 1791 uraufgeführt wurde, hat diese Thematik einen

–leider– hoch aktuellen Bezug. In „Die Zauberflöte“ sind es diese diametralen Reiche und ihre Machthaber, des weibliche verkörpert durch die Königin der Nacht, auf der andern Seite das männliche, durch Sarastro und seine Ausführungsgehilfen.

Die Luzerner Inszenierung:
Die Inszenierung von Wouter Van Looy versucht, laut seiner Aussage in der Luzerner Zeitung, vor allem die Machtstruktur des dominierend Männlichen zu betonen, was aber nur in Ansätzen gelingt. Da sind zum Glück die ausgezeichneten gesanglichen und schauspielerischen Leistungen, die überzeugen. Primus inter pares der norwegische Bariton Bernt Ola Volungholen als Papageno“, der mit der aufgestellten Maja Bader (geborene Luzernerin) als „Papagena“ spielerisch, witzig interagierte.

Die Spannung und Dynamik von Mozarts Meisterwerk wirkte irgendwie gefangen in den vielen Käfigen, die auf der Bühne hin und her bewegt wurden. Da herrschte keine Bewegung, alles viel zu statisch und zähflüssig, da war man schon froh, wenn Papageno als „Gag“, als er sich einsam und verloren fühlte das „Wolgalied“ aus der Operette „Der Zarewitsch“ zum Besten gab. ( Allein, wieder allein. Hast du dort oben vergessen auch mich). Etwas mehr Bewegung nach der Pause durch starke Leistungen der, von Sarastro angeführten „Bösen“. Glanzleistung des bewährten Ensemblemitgliedes Robert Maszl als Monostatos“, der mit seiner Dreizack Schere als einer der wenigen, für etwas Bewegung sorgte.

Und da ist ja auch immer noch, quasi als Lebensversicherung, das Luzerner Sinfonieorchester, das unter der Leitung von Clemens Heil einmal mehr überzeugte, den Sängern nicht dominant, sondern ergänzend Support bot. Der Schlussapplaus war langanhaltend, nicht aber begeistert überbordend.  Wenn es gelingt, wie von Wouter van Looy angekündigt, die Charaktere noch mehr auszuarbeiten, mehr Kontroversen zu schaffen, klar und deutlich abzugrenzen (Bei der Königin der Nacht und bei Sarastro ist das gelungen) und die andern Figuren auch solche, klarere Konturen erhalten, kann das Ganze noch richtig gut werden, so ist es aber leider nicht genug konsequent um vollständig zu  überzeugen oder gar zu fesseln.

Kleine Fotodiashow der Produktion von Ingo Höhn:

fotogalerien.wordpress.com/2016/12/16/kleine-fotodiashow-die-zauberfloete-luzerner-theater-fotos-ingo-hoehn/

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.luzernertheater.ch

Homepages der andern Kolumnisten: www.irenehubschmid.ch

www.marvinmueller.ch www.gabrielabucher.ch
Paul Ott/Paul Lascaux:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

  • Aufrufe: 704

Luzerner Sinfonieorchester, Musikalische Spätromantik, KKL Luzern, 8. Dezember 2016, besucht von Léonard Wüst

Kirill Gerstein, Solist am Klavier

Kirill Gerstein, Solist am KlavierBesetzung und Programm:

Luzerner Sinfonieorchester James Gaffigan, Leitung  Kirill Gerstein, Klavier

Joseph Haydn (1732 – 1809)
Sinfonie Nr. 60 C-Dur «Il Distratto»

Ferruccio Busoni (1866 – 1924)
«Romanza e Scherzoso» f-Moll op. 54 für Klavier und Orchester

Richard Strauss (1864 – 1949)
Burleske d-Moll für Klavier und Orchester

Franz Schubert (1797 – 1828)
Sinfonie Nr. 5 B-Dur D 485

 

Rezension:

Für den Auftakt des Konzertes, hatte James Gaffigan die Sinfonie Nr. 60 von Joseph Haydn gewählt. Dabei handelt es sich ursprünglich um ein als Schauspielmusik geschriebenes Werk über einen zerstreuten Liebhaber, der seine eigene Hochzeit vergisst, also optimale Gelegenheit für den Dirigenten, auch sein komödiantisches, schauspielerisches Können aufzuzeigen, bestens unterstützt von seinen Mitmusikern. Das Publikum wusste denn auch diese pointierte, witzige Darbietung mit viel Applaus zu würdigen.

Dann wurde der Konzertflügel in die Mitte der Bühne gerollt, der Solist Kirill Gerstein betrat, in Begleitung des Dirigenten, die Szene. Musikalische Spätromantik, aber mit Mozartʼscher Leichtigkeit serviert – so hat sich Busoni sein subtil verspieltes, kleines Klavierkonzert «Romanza e Scherzoso» vorgestellt und der Solist am Piano, Kirill Gerstein, war gleicher Meinung und interpretierte dieses relativ kurze Werk auch dementsprechend. Busoni, enger Freund von u.a. Jean Sibelius, war zu seiner Zeit bekannter als Klaviervirtuose und Salonlöwe, denn als Komponist, ganz in der Tradition eines Franz Liszt, der ungefähr eine Generation vor ihm gelebt und gewirkt hatte. Deshalb wohl auch seine technisch äusserst fordernden Kompositionen, mit denen man natürlich als Pianist besonders brillierte und effektvolle Konzerte inszenieren konnte.

Solist Kirill Gerstein wurde 1979 Im russischen Woronesch geboren, begann seine Ausbildung im Alter von drei Jahren und wurde als 14-Jähriger an das Berklee College in Boston aufgenommen. Nach seinem Studienabschluss an der Manhattan School of Music bildete er sich bei Dmitri Bashkirov in Madrid und bei Ferenc Rados in Budapest weiter.

Weiter ging es im zweiten Konzertteil mit der Burleske für Klavier und Orchester von Richard Strauss.

Die von Strauss schon im Alter von 21 Jahren geschriebene Komposition ist technisch so schwierig, dass er für die Uraufführung durch Eugen d`Albert am 21. Juni 1890, auf dessen ausdrücklichen Wunsch, einige Kürzungen und Erleichterungen vornahm.

Zitat von Hans von Bülow, dem Strauss das Werk ursprünglich widmete: Das Werk ist unklaviermässig, für mich viel zu weitgriffig, bei jedem Takt eine andere Handstellung, glauben Sie, Strauss, ich setze mich vier Wochen hin, um so ein widerhaariges Stück zu studieren? All diese Herausforderungen schienen aber den Weltklasse Pianisten eher anzustacheln, denn zu beeindrucken, gar hemmen. Als wärs die leichteste Sache der Welt packte er die Sache an, entspannt, locker, dennoch hochkonzentriert. In absoluter Harmonie mit dem Orchester interpretierte er die Burleske fast nonchalant, selbstsicher, trotzdem mit der Fähigkeit,  der Komposition seinen ganz individuellen Ausdruck zu verleihen. Diese Massarbeit wurde vom Auditorium mit langanhaltendem, stürmischem Applaus belohnt, zur sichtlichen Freude des grossgewachsenen Künstlers. Nach dieser virtuosen Demonstration folgte zum Abschluss des Konzertes mit der Sinfonie Nr.5 eine der frühen Sinfonien von Franz Schubert, die Johannes Brahms mit folgender Bemerkung an den Verleger  für die Veröffentlichung autorisierte: „Ich meine, derartige Arbeiten oder Vorarbeiten sollten eigentlich nicht veröffentlicht werden“. Diese Einschätzung Brahms hat massgeblich zur anfänglichen Geringschätzung der Sinfonien Nr. 1 bis Nr. 6 beigetragen.

James Gaffigan, LeitungMit dem virtuosen Vortragen eben dieser Sinfonie, strafte Das LSO unter souveräner Leitung von James Gaffigan diese Skeptiker Lügen und bewies einmal mehr, dass es zu den besten Klangkörpern  Europas gehört.

Das Publikum, im fast ausverkauften Konzertsaal,  feierte die Protagonisten denn auch mit wahren Applauskaskaden und beorderte damit Gaffigan zur wiederholten Rückkehr auf die Bühne. Dieser wiederum forderte die einzelnen Sektionen, Bläser, Schlagwerke usw. auf, sich zu erheben, um einen Sonderapplaus abzuholen. Einmal mehr ein eindrückliches Konzerterlebnis des ältesten Sinfonieorchesters der Schweiz, das  bereits im Jahre 1806 seine ersten Auftritte absolvierte.

 

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: sinfonieorchester.ch/home

Homepages der andern Kolumnisten: www.irenehubschmid.ch

www.marvinmueller.ch www.gabrielabucher.ch
Paul Ott/Paul Lascaux:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

  • Aufrufe: 611

Luzerner Theater, Tanz 23: Kinder des Olymp Tanzstück von Fernando Melo nach dem Filmklassiker «Les Enfants du Paradis» – Uraufführung, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Tanz 23 Gregory BatardonProduktion und Besetzung:

Musikalische Leitung: Rolando Garza Rodríguez Choreographie: Fernando Melo Bühne und Kostüme: Patrick Kinmonth Licht: David Hedinger Dramaturgie: Simone Günzel Künstlerische Leitung: Kathleen McNurney Künstlerische Mitarbeit: Shumpei Nemoto

Tanz Luzerner Theater: Martina Consoli, Zach Enquist, Rachel P. Fallon, Shota Inoue, Carlos Kerr Jr., Rachel Lawrence, Olivia Lecomte, Dor Mamalia, Sada Mamedova, Salome Martins, Aurelie Robichon, Enrique Saez Martinéz, Isaac Spencer, Tom van de Ven, Dario Dinuzzi Luzerner Sinfonieorchester

Rezension:

Eines gleich vorweg: «Kinder des Olymp» ist kein Ballettabend im üblichen Sinn. Diese Produktion lässt sich in keine Schublade stecken. Es ist gleichzeitig Theater, Film, Tanz und Pantomime, man sieht Bilder, wie man sie noch nie gesehen hat und erlebt Momente, wie man sie noch nie erlebt hat

 

vorne Rachel P. Fallon  hinten Rachel Lawrence und «Tanz Luzerner Theater»Die Geschichte basiert auf dem Film «Les enfants du paradis» von Marcel Carné. Es geht um die schöne Garance im Paris des 19. Jahrhunderts und um die vier Männer, welche sich im leidenschaftlichen Beziehungskarussell um sie drehen: der Pantomime Baptiste, der Schauspieler Frédéric Lemaître, der Graf Eduard von Monteray und der Gauner Lacenaire. Es ist eine Geschichte über Liebe, Schicksal, Hoffnung und Enttäuschung, über Träume und Erinnerungen und der brasilianische Choreograf Fernando Melo, welcher im 2014 mit seinem «Don Juan» begeistert hatte, erzählt sie auf seine ganz eigene Weise

«Tanz Luzerner Theater»Der erste Akt hat etwas tief Melancholisches. Garance sitzt auf ihrem Bett und kämmt ihr Haar mit dem Rücken zum Publikum. Gleichzeitig spiegelt sie sich, zusammen mit dem ganzen Theatersaal, auf einer lichtdurchlässigen Folienwand. Auf und durch diese spielen sich in der Folge magische Momente ab. Wenn sich ihr Körper in der Erinnerung – und Spiegelung – unter den imaginären Berührungen Baptistes aufbäumt, ist das Poesie und Zauber zugleich. Möglich wird dies durch eine hochkomplexe Licht- und Spiegelungstechnik, aber auch durch eine unglaubliche Präzision und Abstimmung der Bewegungen der Tänzer vor und hinter der Wand. Zwischen Tagträumen und Erinnerungen greift Melo kurze Film-Szenen auf. Erzählt werden diese von den Tänzern zwischen schwarzen Bahnen, welche hinter der Spiegelfolie hin- und hergeschoben werden. Damals und jetzt, Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen und überlagern sich, wie die schwarzen Bahnen

Der zweite Akt beginnt im Théâtre des Funambules. Hier wird die Spiegelung auf die Spitze getrieben: Die Tänzer führen ihre Bewegungen auf dem Boden liegend aus, eine Kamera filmt sie dabei und die Szenen werden auf eine grosse Leinwand projiziert. Die Artisten zeigen waghalsige Kunststücke, fliegen anmutig durch die Luft, balancieren halsbrecherisch auf Stäben, klettern Leitern hoch, dies alles hochpräzise und zugleich mit einer schwebenden Leichtigkeit. Sähe man die Tänzer nicht auf dem Bühnenboden, könnte man meinen, es handle sich um eine Filmeinspielung. Die Bilder sind so ungewöhnlich, die Szenen so märchenhaft, dass das noch etwas unter der Dramatik des 1. Aktes stehende Premieren-Publikum immer gelöster wurde und sich schliesslich prächtig amüsierte

Rachel P. Fallon, Shota Inoue und «Tanz Luzerner Theater»Der Tanz bleibt im Hintergrund bei dieser Produktion, es sind lediglich kurze Begegnungen, Kontakte, Berührungen. Die Tänzer verdoppeln sich, fallen in sich zurück, wachsen aus sich heraus, das alles ist eine lichttechnische Meisterleistung, aber auch eine Meisterleistung der Präzision. Jede Bewegung muss stimmen, muss abgestimmt sein, damit der Fluss, die Stimmung, die Magie der Bilder nicht gestört oder gebrochen wird. Das gelingt und begeistert in jeder Hinsicht. Gekonnt untermalt mit Werken von Peteris Vasks und Chopin, interpretiert von Musikern des LSO unter der Leitung von Rolando Garza Rodriguez ist dieser «Tanz 23» ein aussergewöhnliches Erlebnis mit ganz neuen Dimensionen.

Kurzer Trailer der Produktion:

www.vimeo.com/193148345

vlnr Zach Enquist, Rachel Lawrence, Dario Dinuzzi, Shota Inoue, Rachel P. FallonText: www.gabrielabucher.ch  Fotos: luzernertheater.ch

Homepages der andern Kolumnisten: www.leonardwuest.ch
Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst
  • Aufrufe: 713