Zum Hauptinhalt springen

Die Walküre, Bayreuther Festspiele, 8. August 2016, besucht von Léonard Wüst

ayreuther Festspiele, Die Walküre c Bayreuther Festspiele Enrico NawrathBesetzung 2016

Musikalische Leitung Marek Janowski
Regie Frank Castorf
Bühne Aleksandar Denić
Kostüm Adriana Braga Peretzki
Licht Rainer Casper
Video Andreas Deinert
Jens Crull
Technische Einrichtung Karl-Heinz Matitschka
 
Siegmund Christopher Ventris
Hunding Georg Zeppenfeld
Wotan John Lundgren
Sieglinde Heidi Melton
Brünnhilde Catherine Foster
Fricka Sarah Connolly
Gerhilde Caroline Wenborne
Ortlinde Dara Hobbs
Waltraute Stephanie Houtzeel
Schwertleite Nadine Weissmann
Helmwige Christiane Kohl
Siegrune Mareike Morr
Grimgerde Wiebke Lehmkuhl
Rossweisse Alexandra Petersamer

 

 

Rezension:

1.Aufzug:

Das Bühnenbild überraschenderweise fast klassisch im Gegensatz zur Inszenierung des „Rheingolds“ am Vortag. Frank Castorf siedelt „Die Walküre“ im Aserbaidschan des späten 19. Jahrhunderts an. Auf der drehbaren Bühne eine sehr hohe Holzkonstruktion mit einem Bohrturm, der aber auch Wachtürmen in Konzentrationslagern und denen der früheren innerdeutschen Grenze ähnelt. Angenehm unaufgeregter auch die Handlung, wodurch die Musik und die Stimmen die ihnen zustehende Bedeutung und Aufmerksamkeit  erhielten. Dadurch verdeutlichte sich auch die Genialität der ganz speziellen Konstruktion des bis zu 12 Meter tiefen Orchestergrabens, der den Klang des verdeckt spielenden Orchesters auf indirektem Weg in den Zuschauerraum entweichen lässt. Etwas ganz Aussergewöhnliches ist auch das Festspielorchester selbst, das sich aus den besten Musikern großer deutscher Orchester zusammensetzt und als bestes Wagnerorchester überhaupt gilt. Der Orchesterklang, vom gewölbten Wall des Grabens zunächst an die Bühnenrückwand geworfen, trägt die Stimmen der Sänger gleichsam hinaus ins Publikum.

 2. Aufzug

Der zweite Aufzug versetzt uns in göttliche Sphären. Zwischen Wotan und Fricka, Wotans Frau, entspinnt sich ein heftiger Streit.

Wotans Plan, den er am Ende des Rheingolds gefasst hatte, war inzwischen weiter umgesetzt worden. Im Kampf gefallene Helden werden von den neun Walküren, Wotans Töchtern, auf die von den Riesen errichtete Burg Walhall gebracht, um Wotans Armee zu bilden und den befürchteten Angriff Alberichs auf die Herrschaft der Götter abzuwehren. Zudem will Wotan verhindern, dass Alberich wieder in den Besitz des Ringes gelangte („dann wäre Walhall verloren“). Er selbst darf aber gegen Fafner, der Goldschatz und Ring in Gestalt eines Drachen hütet, nicht antreten („mit dem ich vertrug, den darf ich nicht treffen“); so wünscht er sich einen unabhängigen Helden, der den Ring für ihn zurückgewinnen könnte. In dieser Rolle sieht er Siegmund. Lieblingstochter Brünnhilde soll diesem im bevorstehenden Kampf mit Hunding beistehen und zum Sieg verhelfen. Fricka verlangt nun jedoch von Wotan, im Zweikampf für Hunding einzutreten, weil Hunding Opfer eines Ehebruchs – noch dazu eines inzestuösen – geworden sei.

3.Aufzug:

Symbolisch eine Ölförderpumpe um den modernen Schatz des Nibelungen zu finden, also seltene Rohstoffe. Im Hintergrund projiziert der Regisseur Bilder einer Grubenkatastrophe in Russland 1942 mit kyrillischer Untertitelung Wotan nimmt bewegt Abschied von seiner Lieblingstochter, sieht ihr zum letzten Mal in die Augen und küsst die Gottheit von ihr. Dann befiehlt er Loge, den Fels mit Feuer zu umgeben, und bestimmt: „Wer meines Speeres Spitze fürchtet, durchschreite das Feuer nie!“ Die beeindruckten Zuschauer spendeten langanhaltenden, kräftigen Applaus für diese eindrückliche Vorstellung. Besonders gefeiert wurde dabei erneut der in Warschau geborene und in Wuppertal aufgewachsene Dirigent Marek Janowski, der dieses Jahr alle Werke des Gesamtrings dirigiert.

(Zitat Johann Jahn br-klassik.de):Marek Janowski hat sich von der Abgeklärtheit und Geradlinigkeit im Rheingold freigemacht – schon der Tremolo-Auftakt zu Beginn hat mehr Feuer als die Reise nach Nibelheim einen Tag zuvor. Insgesamt legt er über die gesamte Strecke ein Tempo vor, das es in sich hat. Da gelingen zwar tolle Akzente und Farben zwischen den Instrumentengruppen, was man vorher vermisst hat, Manches aber gerät verwackelt zwischen Graben und Sängern oder lässt keinen Gefühlsteppich zu, frei nach dem Motto: gleich weiter. Aber vielleicht ist das auch sein Ziel: Das, was auf der Bühne passiert, dürfte den Regietheaterfeind Janowski ohnehin wenig interessieren, da will er also die Musik klar trennen, als (von Wagner ja auch so komponierte) Bildersprache für sich. Aber ganz ohne Mitatmen geht’s natürlich auch nicht. (Zitatende)

Das wohl bekannteste Stück des gesamten Rings ist der „Ritt der Walküren“ mit den so typischen Blechbläser Passagen, auch Nichtklassikbewanderten bekannt durch Integrierung als Filmmusik in Francis Ford Coppolas Meisterwerk aus dem Jahre 1979Apocalypse Now“.

 

Bayreuther Festspiele, Die Walküre, Fotodiashow Szenenfotos von Enrico Nawrath

fotogalerien.wordpress.com/2016/09/18/bayreuther-festspiele-die-walkuere-szenenfotos-von-enrico-nawrath-8-august-2016/

Bayreuther Festspiele, Die Walküre Fotos der Protagonisten ab Homepage der Bayreuthrer Festspiele

fotogalerien.wordpress.com/2016/09/18/bayreuther-festspiele-die-walkuere-8-august-2016-fotos-der-protagonisten/

 

„Apocalypse Now“ Walkürenritt über Vietnam

Mit dem Walkürenritt von Richard Wagner ziehen sie in den Vietnam-Krieg: Szene aus „Apocalypse Now“ von Francis Ford Coppola. (Quelle: Apocalypse Now in der Limited Steelbook Edition bei Art House)

www.dailymotion.com/video/x12yhll_apocalypse-now-ritt-der-walkuren-anflug-german_music

Links auf die anderen Artikel des Gesamtrings 2016:

Einführungsartikel Bayreuther Festspiele 2016

https://www.bochumer-zeitung.com/magazin/lifestyle/87226366-besuch-der-bayreuther-festpiele-fuer-den-gesamtring-6-bis-13-august-2016-durch-leonard-wuest

Das Rheingold, 7. August 2016

https://www.bochumer-zeitung.com/magazin/lifestyle/87226800-bayreuther-festspiele-das-rheingold-7-august-2016-besucht-von-leonard-wuest

bayreuth.de/tourismus-kultur-freizeit/veranstaltungen/richard-wagner-festspiele-in-bayreuth/bayreuth-filme/

Siegfried, 10. August 2016

https://www.bochumer-zeitung.com/magazin/lifestyle/87227253-siegfried-bayreuther-festspiele-10-august-2016-besucht-von-leonard-wuest

Götterdämmerung, 12. August 2016

https://www.bochumer-zeitung.com/magazin/lifestyle/87227404-goetterdaemmerung-bayreuther-festspiele-12-august-2016-besucht-von-leonard-wuest

Kleiner Trailer über das Festspielhaus Bayreuth

http://www.bayreuth.de/tourismus-kultur-freizeit/veranstaltungen/richard-wagner-festspiele-in-bayreuth/bayreuth-filme/

Text: leonardwuest.ch

Fotos: bayreuther-festspiele.de/deutsch/deutsch_2.html

Homepages der andern Kolumnisten: www.marvinmueller.ch www.irenehubschmid.ch

www.gabrielabucher.ch Paul Ott:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

  • Aufrufe: 767

Bayreuther Festspiele, Das Rheingold, 7. August 2016, besucht von Léonard Wüst

Bayreuther Festspiele 2016 Rheingold Szenenfoto Enrico NawrathBesetzung 2016

Musikalische Leitung Marek Janowski
Regie Frank Castorf
Bühne Aleksandar Denić
Kostüm Adriana Braga Peretzki
Licht Rainer Casper
Video Andreas Deinert
Jens Crull
Technische Einrichtung Karl-Heinz Matitschka
 
Wotan Iain Paterson
Donner Markus Eiche
Froh Tansel Akzeybek
Loge Roberto Saccà
Fricka Sarah Connolly
Freia Caroline Wenborne
Erda Nadine Weissmann
Alberich Albert Dohmen
Mime Andreas Conrad
Fasolt Günther Groissböck
Fafner Karl-Heinz Lehner
Woglinde Alexandra Steiner
Wellgunde Stephanie Houtzeel
Floßhilde Wiebke Lehmkuhl

Grundsätzliches:

Das Festspielhaus verfügt über 1974 Sitzplätze, ist über 40 Meter hoch, mit einem Bühnenausschnitt von 12 x 12 Metern, dazu kommt noch eine 12 Meter hohe Unterbühne. Es sind zeitweise bis zu 80 Bühnenarbeiter im Einsatz. Der Raum ist architektonisch so konzipiert, mit den drei Proszenien, den seitlich versetzten Säulen, den ansteigenden Sitzreihen usw., dass er wie ein schwingender Geigenkasten wirkt, was die weltweit einmalige Akustik ausmacht. Die Obermaschinerie, über der bis zu 24 Meter hohen Bühne, beherbergt den sogenannten Bayreuther Schnürboden, mit dem sich tonnenschwere Bühnenelemente auf die Bühne abseilen lassen. Eine ausgeklügelte Konstruktion, deren Funktion laufend erweitert, verbessert und verfeinert wird. Die Orchesterproben vor den Festspielen finden praktischerweise im Festspielrestaurant statt, da man dieses ja erst mit Beginn der Festspiele braucht.

Auftakt:

Das Werk beginnt mit einem etwa vierminütigen Vorspiel (136 Takte), in dem sich aus einem tiefen Es-Dur-Akkord Themen des wogenden Rheins entwickeln. Erst danach beginnt die eigentliche Handlung, in der zunächst die Rheintöchter Floßhilde, Wellgunde und Woglinde auftreten. Diese sind naive Naturwesen, die einen zauberhaften Schatz besitzen und in der Tiefe des Flusses hüten – das Rheingold.

Ein tätowierter Altrocker (Wotan) trifft auf drei  Hollywood Blondinen (die Rheintöchter Floßhilde, Wellgunde und Woglinde), die das Rheingold hüten. Dies im „Golden Motel“ in einer der Poollandschaft, eine Grillparty zelebrierend. Regisseur Frank Castorf bringt „American Graffiti“ auf den grünen Hügel, sehr gewagt und vor allem äusserst anspruchsvoll und anstrengend. Castorf verschachtelt sehr viel, die unterschiedlichen Handlungen laufen teilweise gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen. Die Live Projektionen auf eine Leinwand über der Bühne verwirren zusätzlich. Mehrere Kameramänner filmen auf der Bühne, in die Handlung integriert, was natürlich Ansichten aus den verschiedensten Perspektiven ermöglicht. Durch diese, fast Überinszenierung, verkommt das eigentlich Wesentliche, Wagners Musik, fast zur Nebensache. Dass alle Rollen sehr gut besetzt sind und das Festspielorchester unter der Leitung von Marek Janowski Musik vom Feinsten zelebriert, ist in Bayreuth ja völlig klar, ich werde deshalb nicht auf die diversen Charaktere eingehen, sondern beschränke mich auf den Rahmen dieser Inszenierung. Da bleibt noch Zeit, einen von einer Rockergang inszenierten Tankstellenüberfall einzufügen, die Gier des Menschen nach dem Schatz, dem Reichtum symbolisierend. Alberich erobert sich schlussendlich den begehrten Ring des Nibelungen, der nur Unheil bringen soll. Auch lässt er sich vom Schmiede eine Tarnkappe anfertigen, die ihn unsichtbar macht, so er den Häschern entkommen kann. Zusammen mit Loge macht sich Wotan auf den Weg nach Nibelheim, in die Tiefe der Erde, und es gelingt ihnen durch List, Alberich den Nibelungenschatz samt dem Tarnhelm und Ring (dem Schlüssel zu Macht und Reichtum) abzunehmen, worauf Alberich den Schatz und den Ring verflucht. (Zitat Alberich: „Wer ihn besitzt, den sehre die Sorge, und wer ihn nicht hat, den nage der Neid“).

Dem Festspielpublikum schien das Ganze, im Gegensatz zu früheren Castorf Inszenierungen, zu gefallen. Zur Musik, respektive dem Dirigat: Es gab schon ein paar Wackler aufgrund der speziellen Akustik im Festspielhaus. Brav bei den Einsätzen, vieles klingt da wohl durchdacht und sauber, fast zu Lehrbuchhaft. Marek Janowski erwies sich als ausgewiesener Kenner der Partitur, leider zu grundsolide. Bleibt zu hoffen, dass sich im weiteren Verlauf des Rings noch etwas ändert und er das Orchester aktiver voranreibt. Trotzdem bekam der Dirigent den größten Beifall.

Fotodiashow Szenenbilder Rheingold, Bayreuther Festspiele c Enrico Nawrath

fotogalerien.wordpress.com/2016/09/11/das-rheingold-bayreuther-festspiele-7-august-2016-besucht-von-leonard-wuest/

Fotos der Protagonisten

fotogalerien.wordpress.com/2016/09/17/bayreuther-festspiele-das-rheingold-7-august-2016-fotos-der-protagonisten/

Einführungsartikel Bayreuther Festspiele 2016:

https://www.bochumer-zeitung.com/magazin/lifestyle/87226366-besuch-der-bayreuther-festpiele-fuer-den-gesamtring-6-bis-13-august-2016-durch-leonard-wuest

Die Walküre, 8. August 2016

https://www.bochumer-zeitung.com/magazin/lifestyle/87227034-die-walkuere-bayreuther-festspiele-8-august-2016-besucht-von-leonard-wuest

Siegfried, 10. August 2016

https://www.bochumer-zeitung.com/magazin/lifestyle/87227253-siegfried-bayreuther-festspiele-10-august-2016-besucht-von-leonard-wuest

Götterdämmerung, 12. August 2016

https://www.bochumer-zeitung.com/magazin/lifestyle/87227404-goetterdaemmerung-bayreuther-festspiele-12-august-2016-besucht-von-leonard-wuest

Kleiner Trailer über das Festspielhaus Bayreuth

bayreuth.de/tourismus-kultur-freizeit/veranstaltungen/richard-wagner-festspiele-in-bayreuth/bayreuth-filme/

Text: leonardwuest.ch

Fotos: bayreuther-festspiele.de/deutsch/deutsch_2.html

Homepages der andern Kolumnisten: www.marvinmueller.ch www.irenehubschmid.ch

www.gabrielabucher.ch Paul Ott:www.literatur.li

Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst

  • Aufrufe: 889

Luzerner Theater: Prometeo Eine Tragödie des Hörens von Luigi Nono, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Prometeo_Luzerner_Theater_©_David_RoethlisbergerProduktionsteam und Besetzung:

Musikalische Leitung: Clemens Heil Szenische Einrichtung: Benedikt von Peter Bühne: Natascha von Steiger Kostüme: Ulrike Scheiderer Kostüme: Andrea Pillen Video: Bert Zander Licht: David Hedinger Einstudierung Chor: Mark Daver Dramaturgie: Brigitte Heusinger Dirigent: Clemens Heil Dirigent II: Matilda Hofmann Dirigent II: Joachim Enders

Aki Hashimoto (Sopran I), Diana Schnürpel (Sopran II), Susanne Otto (Alt I), Karin Torbjörnsdóttir (Alt II), Denzil Delaere (Tenor), Caroline Vitale (Sprecherin), Robert Maszl (Sprecher), Roberto Fabbriciani (Flöte) (09.09. / 11.09. / 12.09.), Maruta Staravoitava (Flöte) (15.09. / 18.09. / 24.09. / 30.09. / 29.09. / 08.10. / 09.10. / 15.10.) , Andrea Nagy (Klarinette / Kontrabassklarinette), Jean-Philippe Duay (Posaune), Jozsef Bazsinka (Tuba / Euphonium)

Chor des Luzerner Theaters, Experimentalstudio des SWR, Luzerner Sinfonieorchester, Statisterie des Luzerner Theaters

 

Rezension:

Neu, ungewohnt, anders, faszinierend – so war der Auftakt der neuen Saison des Luzerner Theaters letzten Freitag anlässlich der Premiere des Werkes «Prometeo» von Luigi Nono. Bereits die Einführung zeigte, dass nichts mehr so ist wie es war: Anstatt im engen Gang des Obergeschosses fand sie  in der «Box» statt, mit Blick aufs Theater, auf die Menschen auf der Strasse, aufs Leben. Der «Einstieg» – im wahrsten Sinn des Wortes – erfolgt über die grosse Holztreppe vor dem Theater durchs Fenster ins Foyer. Durchs Fenster steigen sonst allenfalls Schauspieler auf der Bühne, nicht das Publikum, aber wie gesagt, nichts ist hier so wie es war.  Vor dem Einlass werden die Schuhe gegen Socken eingetauscht, das setzt schon mal alle irgendwie gleich, in den Saal, oder eben auf die Bühne, gelangt man durch Türen, die einen sonst verschlossen bleiben. Vorbei an Regiepulten und durch Gestänge kommt man an Orten vorbei, wo man normalerweise nie Einblick hat und findet sich voller Staunen im «Globe», dem Schiffsbauchähnlichen Raum, der so rein gar nichts mit dem üblichen Theatersaal zu tun hat. Jeder sucht sich seinen Platz, die Matratzen sind schnell belegt, man sitzt, hockt und liegt verteilt über den ganzen Theaterraum. Sogar der Geräuschpegel ist anders als sonst, teilweise auch verfremdet durch die Live-Elektronik des Experimentalstudios des SWR. Das einzig Bekannte dann kurz vor Beginn das Einstimmen der Instrumente. Dann wird es dunkel, Musiker und Sänger schälen sich aus dem Dunkel oben in den Balkonen, sitzen wie in einem Guckkasten dort, wo sonst das Publikum sitzt.

Anfänglich hat das Ungewohnte etwas Anstrengendes, man muss sich zuerst finden in der Sitzsituation, der Anordnung, muss klarkommen mit all diesen Leuten, die da kreuz und quer verteilt herumsitzen, muss sich einlassen auf diese langsame, beinahe durchscheinende Musik, dem «Nichtgeschehen». Dann aber verliert man sich je länger je mehr in den Tonlandschaften dieser Tragedia d’Ascolta, dieser Hörtragödie. Stimmen übergeben an Instrumente, überlagern sich, fliessen ineinander und in die Stille. Mal flüstern die Instrumente, mal keuchen, schnarren, heulen sie. Sirrende, sphärische Instrumentalstücke wechseln mit glasklaren Stimmen und man versteht den Hinweis im Programm, dass die Sänger sich nur «mit einem halben Stimmband durch die Komposition bewegen». Unglaublich, dass man so leise und gleichzeitig so präsent, so präzise und trotzdem so ausdrucksvoll singen kann. Die Musik scheint sich um sich selber zu drehen, fliesst durch’s Rund der oberen Ränge des «Globes», eine beinahe pausenlose, zweieinhalb Stunden dauernde Klanglandschaft. Zwei Mal kann man die Position wechseln, ab und zu bieten schwarz-gekleidete Frauen Wasser in weissen Plastikbechern an, legen Militär-Decken über nackte Beine, fürsorglich, mit unglaublich langsamen Bewegungen, entschleunigt wie die Musik.

Verstehen tut man wenig, das Lesen der eingeblendeten Texte ist kaum möglich, schieben sie sich doch über die Holzverkleidung, kriechen den Säulen entlang in die Höhe, umschlingen sie, legen sich als Tapete auf die Wände, um danach wie ein Wasservorhang in sich selber zu verfallen. Buchstabenteppiche legen sich über das Publikum und es entstehen faszinierende Zufallsbilder, ein «O» perfekt über dem Ausschnitt einer Zuschauerin, ein «he» auf dem Hemd ihres Nachbars, ein Streifenmuster auf einem schwarzen T-shirt.

Fasziniert, gefangen im Zuhören, ergibt man sich immer mehr, vergisst Ort und Zeit. Und wenn das Ohr zum Zentrum geworden ist, wie Benedikt von Peter erklärt, erreicht man eine Art Durchlässigkeit, eine Entrücktheit, eine Läuterung. Im letzten Stück «In der Wüste sind wir unüberwindbar» bleiben die Stimmen wie eine Fata Morgana flirrend und transzendent im Rund hängen und wenn der Dirigent langsam seinen Taktstock senkt und das Licht ausgeht, wirkt der aufbrausende Applaus anfänglich wie eine Ernüchterung und der Freitagabendrummel und der Autolärm draussen irgendwie unwirklich.

Es braucht etwas Zeit und Offenheit, um sich auf diesen «Prometeo» einzulassen, dann ist das Hörerlebnis aber einzigartig und in dieser Form, wenn überhaupt, wohl lange nicht mehr möglich.

Impressionen vom Entstehen der benötigten Infrastruktur:

vimeo.com/181510639?from=outro-embed

vimeo.com/180170993?from=outro-embed

Fotodiashow von DavidRoethlisberger Luzerner Theater

fotogalerien.wordpress.com/2016/09/10/luzerner-theater-promoteofotodiashow-von-davidroethlisberger/

Text: www.gabrielabucher.ch  Fotos: luzernertheater.ch

Homepages der andern Kolumnisten: www.leonardwuest.ch
Autoren- und Journalisten-Siegel von European News Agency - Nachrichten- und Pressedienst
  • Aufrufe: 912

Lucerne Festival zieht erfreuliche Bilanz mit 90 Prozent Auslastung

Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim c Peter FischliAm heutigen Sonntagabend endet das diesjährige Lucerne Festival im Sommer. Insgesamt kamen 77ʼ900 Besucher aus 49 Ländern zum Sommer-Festival nach Luzern, das über vier Wochen und fünf Wochenenden vom 12. August bis 11. September unter dem Motto «PrimaDonna» 88 künstlerische Zahl- und 24 Gratis-Veranstaltungen präsen­tierte. Die 88 Verkaufsveranstaltungen waren zu 90 Prozent ausgelastet und verzeichneten 64ʼ900 Besucher, 25 der Veranstaltungen waren ausverkauft. Zu den 24 Gratis-Veranstaltungen kamen 13ʼ000 Interessierte. Die Auslastung der 29 Sinfoniekonzerte betrug durchschnittlich 94 Prozent. Sehr beliebt war der Erlebnistag am 21. August mit 4ʼ800 verkauften Karten, zur Gratis-Reihe «40min» kamen 4ʼ600 Interessierte ins KKL Luzern, das Eröffnungskonzert verfolgten insgesamt 1ʼ500 Personen beim Public Viewing auf dem Inseli.

Grosser Festival-Abschluss am kommenden Wochenende
Mit einem vielfältigen künstlerischen Konzert-Wochenende geht das Festival morgen und über­morgen zu Ende: Am heutigen Abend tritt Simone Rubino, der Gewinner des diesjährigen «Credit Suisse Young Artist Award», als Solist des zweiten Konzerts der Wiener Philharmoniker auf, es dirigiert Tugan Sokhiev. Die Premiere von Luigi Nonos Prometeo, die diesjährige Kooperation mit dem Luzerner Theater, findet ebenfalls heute Abend statt. Am Samstag feiert um 11 und 15 Uhr die neue Young Performance-Produktion «Divamania» Premiere, das Spyros-Klaviertrio ist um
11 Uhr und die Berliner Philharmonikerinnen sind um 16 Uhr im MaiHof zu erleben, Daniel Barenboim dirigiert die Staatskapelle Berlin am Samstagabend im KKL Luzern. Beim Abschluss­konzert am Sonntag um 17 Uhr steht die monumentale Turangalîla-Sinfonie von Olivier Messiaen auf dem Programm: Der Pianist Jean-Yves Thibaudet und Cynthia Miller sind die Solisten des Konzerts des Simón Bolívar Symphony Orchestra of Venezuela, das von Gustavo Dudamel geleitet wird.

Festival-Thema «PrimaDonna»
Lucerne Festival rückte unter dem Motto «PrimaDonna» die Rolle der Frau in der Musik in den Mittelpunkt: Von elf Dirigentinnen, die das Festival im Sommer-Programm vorstellte, traten allein fünf beim grossen Erlebnistag am 21. August auf: Konstantia Gourzi, Mirga Gražinytė-Tyla, Anu Tali, Maria Schneider und Elena Schwarz. Der Erlebnistag stiess auf höchstes Interesse: Rund 4ʼ800 Karten konnten bei den sechs Konzerten und den zwei «Young»-Veranstaltungen ver­zeichnet werden, rund 200 Interessierte kamen zum Diskussions-Panel am Nachmittag. Olga Neuwirth war «composer-in-residence» des Sommers 2016, sieben ihrer Werke waren in sechs Konzerten zu erleben. Bedeutende Komponistinnen der letzten Jahrhunderte wie Ethel Smyth, Fanny Mendelssohn oder Clara Schumann wurden im Laufe des Festivals vorgestellt. Als «artistes étoiles» standen alle weiblichen Künstlerinnen im Fokus des Sommers, darunter Iveta Apkalna, Martha Argerich, Cecilia Bartoli, Isabelle Faust, Sol Gabetta und Anne-Sophie Mutter, die gleich mit drei Konzerten ihr 40-jähriges Luzerner Bühnenjubiläum feierte. In der weiblich besetzten Debut-Reihe stellten sich Tianwa Yang, Asya Fateyeva, Harriet Krijgh, das Trio Rafale, Hagar Sharvit und das Quatuor Zaïde vor. Mit Elim Chan debutierte zum ersten Mal eine junge Dirigentin. Weitere Projekte wie «Soundzz.z.zzz…z», die Kooperation mit dem Kunstmuseum Luzern, oder das NZZ-Podium mit Martin Meyer stellten ebenfalls das Thema «PrimaDonna» in den Mittelpunkt.

Sinfonieorchester-Höhepunkte und Antritt von Riccardo Chailly
Bei den 29 Sinfoniekonzerten der weltweit renommiertesten Orchester betrug die durchschnitt­liche Auslastung 94 Prozent. Insgesamt waren elf dieser Konzerte ausverkauft, darunter die beiden eröffnenden Abende mit dem Lucerne Festival Orchestra unter der Leitung des neuen Chefdirigenten Riccardo Chailly, die beiden Konzerte des West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim, der Auftritt des Mahler Chamber Orchestra unter Barbara Hannigan, die beiden Konzerte der Berliner Philharmoniker unter Sir Simon Rattle und das Konzert des Or­chesters der Lucerne Festival Academy unter der Leitung von Alan Gilbert mit Anne-Sophie Mutter als Solistin. Mit Emmanuelle Haïm dirigierte erstmals eine Frau die Wiener Philharmoniker in Luzern, Marin Alsop leitete das São Paulo Symphony Orchestra. Die renommiertesten männ­lichen Dirigenten traten ebenfalls aufs Podium, so zum Beispiel Bernard Haitink, der sein
50. Luzerner Bühnen-Jubiläum feierte. Ausserdem waren Daniele Gatti, Kirill Petrenko, Valery Gergiev, Yannick Nézet-Séguin, Herbert Blomstedt und Tugan Sokhiev zu erleben.

Start der neuen Ära der Lucerne Festival Academy
An der diesjährigen Lucerne Festival Academy nahmen 129 Orchestermusiker aus 28 Nationen im Alter zwischen 17 und 32 Jahren, zwölf junge Komponisten, fünf Nachwuchs-Dirigenten und
zwölf Alumni teil. Erstmals fand die Akademie unter der Leitung ihres neuen Künstlerischen Leiters Wolfgang Rihm statt, der ein neues Composer Seminar ins Leben rief. Matthias Pintscher, der neue Principal Conductor der Lucerne Festival Academy, dirigierte die Eröffnung mit dem Ensemble intercontemporain und leitete das Akademie-Orchester in einem Programm mit Werken von György Ligeti, Mark Andre und Igor Strawinsky. Dieses Konzert wurde am 6. September als Eröffnungskonzert der Hamburger Elbphilharmonie in der Laeiszhalle wiederholt. Alan Gilbert leitete einen Meisterkurs Dirigieren und Susanna Mälkki erarbeitete mit dem Orchester Olga Neuwirth’s Uraufführung Trurliade-Zone Zero (Roche Commissons). Die Teilnehmer der Aka­demie waren in insgesamt 14 Konzerten zu erleben, darunter in vier «40min»-Konzerten und in drei Sinfoniekonzerten.

Mit 4’600 Besuchern sehr beliebt waren auch in diesem Sommer die «40min»-Konzerte im Lu­zerner Saal des KKL Luzern. Durchschnittlich kamen rund 460 Besucher pro Abend, drei waren bis auf den letzten Platz belegt. Die Hälfte der «40min»-Veranstaltungen präsentierte zeitge­nössische Musik. Im Foyer des KKL Luzern wurde das «Interval» eingeweiht – in der neuen Lounge, die als Begegnungsort für Publikum und Musiker gestaltet wurde, trafen sich Musik­interessierte sowohl vor als auch nach den Konzerten.

Die 20 Konzerte der Reihe «Young» waren mit insgesamt 91 Prozent Auslastung sehr gut besucht, präsentiert wurden insgesamt fünf Produktionen. 14 Termine waren ausverkauft, da­runter die Sitzkissenkonzerte der Produktion «Goldmädchen»und acht Vorstellungen der «Aufziehprinzessin», der diesjährigen Kooperation mit dem Figurentheater Petruschka. «Divamania», die neue Young Performance-Produktion mit sechs Musikern und zwei Tänzern, wird am kommenden Samstag, um 11.00 Uhr und um 15.00 Uhr uraufgeführt. Im Frühjahr 2017 geht die Produktion dann auf Schweiz-Tournee nach Verscio, Zug, Chur, Genf, Solothurn und Zürich. Rund 2ʼ350 Schülerinnen und Schüler aus 120 Schulklassen kamen darüber hinaus zu den 18 Schulvorstellungen und vier Workshops.

Als ein Highlight im Bereich Moderne war die Uraufführung des burlesken Musiktheaters Die Künstliche Mutter von Michel Roth zu erleben. Beide Vorstellungen waren voll belegt. Von insge­samt 15 Uraufführungen, die im Rahmen des Sommer-Festivals im Programm standen, erklangen acht Uraufführungen junger internationaler Komponisten im Rahmen des Kompositionswettbe­werbs des Schweizerischen Tonkünstlervereins. Am Erlebnistag dirigierte Konstantia Gourzi die Premiere eines eigenen neuen Werks für das Orchester der Lucerne Festival Academy. Der Perkussionist Victor Hanna spielte das neue Schlagzeugkonzert Trurliade-Zone Zero von «composer-in-residence» Olga Neuwirth.

Bereits zum vierten Mal fand in Kooperation mit dem Kunstmuseum Luzern der Wettbewerb «Soundzz.z.zzz…z» statt. Gespräche mit Künstlerinnen bilden die Basis des experimentellen dokumentarisch-künstlerischen Projekts von Sophia Martell und Silke Strahl zum Festival-Thema «PrimaDonna», das am kommenden Sonntag um 15 Uhr im Kunstmuseum erneut zu erleben ist.

Sehr gut frequentiert mit rund 5ʼ300 Personen war das Festival «In den Strassen» vom 23. bis 28. August mit acht Weltmusik-Ensembles. Rund 300 Besucher kamen zu den zwei Konzerten an der Freiluft-Bar auf dem Inseli «Zu Gast bei der Buvette».

Radio SRF2 Kultur zeichnete 23 Konzerte auf, die zum Teil weltweit übertragen wurden und sen­dete sechs dieser Konzerte live, darunter das Eröffnungskonzert am 12. August, das auch zeit­versetzt am gleichen Abend auf SRF1 gezeigt wurde und als Live-Stream bei arte.tv zu erleben war. Das zweite Konzert der Berliner Philharmoniker unter Sir Simon Rattle am 31. August wurde ebenfalls live auf concert.arte.tv gestreamt. Die 52-minütige TV-Dokumentation Maestras von SRF/Accentus Music, die während des Sommer-Festivals gedreht wurde, wird am Sonntag,
9. Oktober 2016, auf SRF1 in der Sendung Sternstunde Musik um 11.55 Uhr und um 23.20 Uhr zu sehen sein.

Hauptsponsoren      Credit Suisse | Nestlé AG | Roche | Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG

Themensponsor       Vontobel

Konzertsponsoren    Bucherer AG | Clariant | Franke | Givaudan | KPMG AG | Ringier AG

Aktuelle Filme zu Lucerne Festival auf Youtube unter www.youtube.com/lucernefestival

Background-Informationen und Berichte im Lucerne Festival Blog unter blog.lucernefestival.ch

  • Aufrufe: 431