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Auto/Motor

Mit Plug & Play zum Elektroauto

Die Entwicklung neuer Elektroauto-Modelle ist aufwändig und teuer. Die
Gründer des Start-ups DeepDrive, das an der Technischen Universität
München (TUM) gegründet wurde, wollen das ändern: Die von ihnen
entwickelten modularen Plattformen mit integrierten Batterien und
hocheffizienten Radnaben-Motoren beinhalten Antrieb, Lenkung, Bremsen und
Fahrwerk. Auf dieser Basis können Hersteller schnell neue Modelle aufbauen
und auf den Markt bringen.

„Wir waren schon vor sieben Jahren ein gutes Team“, sagt Felix
Poernbacher. Er und fünf weitere Gründer des Start-ups DeepDrive haben
sich im Wintersemester 2014/2015 im Projekt TUfast an der TUM
kennengelernt. Ihr Ziel war es, einen elektrischen Rennwagen zu bauen und
damit am Konstruktionswettbewerb „Formula Student“ teilzunehmen. „Dieses
Projekt hat uns zusammengeschweißt“, erinnert sich Poernbacher: „In der
entscheidenden Phase vor dem Rennen haben wir alle Tag und Nacht in der
Werkstatt verbracht und – wenn überhaupt – auch dort geschlafen. Das waren
harte Wochen, aber wir haben sehr viel gelernt: über Technik,
Projektmanagement und auch über Menschenführung.“ Beim Rennen auf dem
Hockenheimring gewann das TUM-Team den Wettbewerb in „Engineering Design“.

Bald darauf schloss Poernbacher sein Studium an der TUM School of
Management ab, die anderen Projektleiter machten ihre Abschlüsse in
Elektrotechnik und Maschinenbau an der TUM. Trotz neuer Jobs blieben sie
weiter im Kontakt. Ihre Gespräche kreisten dabei immer wieder um das Thema
Elektromobilität, wie sie die Automobilindustrie verändert und welche
neuen Geschäftsfelder sich dadurch entwickeln.

Eine Plattform für alle Hersteller

„Fakt ist, dass jetzt in Asien, aber auch in Europa viele neue Player auf
den Markt drängen, die sich auf bestimmte Kundengruppen spezialisieren,
deren Bedürfnisse sie sehr genau kennen. Das sind Hersteller, die wollen
ein optimales Fahrzeug beispielsweise für Paketzusteller, für
Shuttleservices oder Handwerksbetriebe bauen“, erklärt Stefan Ender, neben
Poernbacher der zweite Managing Director von DeepDrive. „Bisher sind
solche Entwicklungen sehr teuer, denn man muss für jedes Modell die
Plattform, also den Unterbau mit Antrieb und Batterien, entwerfen,
realisieren und testen. Das brachte uns auf die Idee, eine Plug & Play-
Lösung zu entwickeln – eine Plattform, auf der die Hersteller aller
Fahrzeuge aufbauen können.“ Damit war die Business-Idee für das Start-up
DeepDrive geboren.

Ganz neu war diese freilich nicht: Große Automobilunternehmen haben ihre
eigenen Plattformen, auf die dann verschiedene Modelle montiert werden
können. Die DeepDrive-Gründer wollen jedoch mehr: Die Plattform soll
vollkommen skalierbar werden, also in ihrer Größe anpassbar an die Wünsche
der Kunden, der Antrieb kompakt und leichter als bisherige Modelle.

Materialsparend und leicht

Mit ihrer Idee wandten sich die Absolventen im Frühjahr 2021 an die TUM
Gründungsberatung. Sie nahmen an XPLORE teil, dem Pre-Incubator-Programm
von UnternehmerTUM, dem Zentrum für Innovation und Gründung. Das Programm
bietet Unterstützung dabei, die Unternehmensgründung vorzubereiten, den
Markt zu evaluieren und Kontakte mit potenziellen Kunden zu knüpfen. Kurz
darauf baute das Team den ersten Prototypen – eine Plattform, die an ein
überdimensionales Skateboard erinnert, in dessen flachen Rahmen die
Batterien integriert sind.

Das Herzstück der Plattform ist ein neu konzipierter, hocheffizienter
Antrieb. Er besteht aus zwei Radnaben-Motoren mit integrierter
Motorsteuerung, welche die Hinterräder antreiben. Da durch den
Direktantrieb weder Getriebe noch Achse benötigt werden, ist die
Konstruktion materialsparend und damit leicht. Die Motoren haben dank
eines neuen Designs nicht nur einen hohen Wirkungsgrad, sondern sind auch
robust. Mit der Technik, die bereits zum Patent angemeldet wurde, sei es
möglich, die Reichweite um 20 Prozent im Vergleich zum aktuellen Stand der
Technik zu steigern, so Stefan Ender. Bereits im Mai 2021 wurde DeepDrive
offiziell gegründet.

Anbindung an die Spitzenforschung

Das junge Unternehmen wird von den TUM Venture Labs gefördert. Die TUM
Venture Labs bieten Gründungsteams unter anderem eine unmittelbare
Anbindung an die Spitzenforschung, Expertinnen und Experten mit einem
tiefen Verständnis für den spezifischen Markt, technische Infrastruktur
sowie Zugang zu globalen Netzwerken aus Unternehmen und Kapitalgebern.

Mittlerweile ist das Team auf acht Mitglieder gewachsen, die den
Radnabenmotor zur Serienreife bringen und die Plattform weiterentwickeln.
Bis Ende des Jahres soll sich die Zahl der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen auf über 20 erhöhen. Das Interesse der
Automobilunternehmen im In- und Ausland sei groß, berichtet Ender: „Die
Plattform gibt den Herstellern von Elektrofahrzeugen die Möglichkeit, sich
darauf zu konzentrieren, Fahrzeuge zu bauen, die den Wünschen ihrer Kunden
entsprechen, ohne sich um die Antriebstechnik kümmern zu müssen.“
DeepDrive konnte bereits Kapitalgeber für sich gewinnen. Unter anderen hat
der Venture Capital Fonds von UnternehmerTUM, UVC Partners, in das Start-
up investiert.

Mehr Informationen:

Jedes Jahr werden an der TUM 70 bis 80 technologieorientierte Unternehmen
gegründet. TUM und UnternehmerTUM unterstützen Start-ups mit Programmen,
die exakt auf die einzelnen Phasen der Gründung zugeschnitten sind – von
der Konzeption eines Geschäftsmodells bis zum Management-Training, vom
Markteintritt bis zum möglichen Börsengang. Die TUM Venture Labs bieten
Gründungsteams aus bedeutenden Wissenschaftsfeldern ein ganzes Ökosystem
in unmittelbarer Anbindung an die Forschung. Bis zu 30 Teams können Büros
im TUM Incubator nutzen, um sich auf den Start ihres Unternehmens
vorzubereiten. UnternehmerTUM investiert mit einem eigenen Venture Capital
Fonds in vielversprechende Technologieunternehmen und bietet mit dem
MakerSpace eine 1.500 Quadratmeter große Hightech-Werkstatt für den
Prototypenbau. Diese Förderung ist laut „Gründungsradar“ die beste an den
großen deutschen Hochschulen.

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Neue Fertigungs-Prozesskette macht Getriebe für Flugzeugtriebwerke leichter und langlebiger

Die Projektpartner realisierten erstmals eine Prozesskette zur Fertigung der Zahnräder mittels 5-Achs-Fräsen mit anschließendem 5-Achs-Schleifen.  © Fraunhofer IPT
Die Projektpartner realisierten erstmals eine Prozesskette zur Fertigung der Zahnräder mittels 5-Achs-Fräsen mit anschließendem 5-Achs-Schleifen. © Fraunhofer IPT

Der Einsatz doppelschrägverzahnter Planetenradgetriebe macht
Flugzeugtriebwerke effizienter: Die Verzahnungen gewährleisten eine hohe
Lastaufnahme und eine beständige Laufruhe. Konventionelle
Fertigungsverfahren für Verzahnungen können bei diesen Zahnradgeometrien
nur mit großen Abstrichen beim Bauteilgewicht eingesetzt werden. Ein
Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT in
Aachen hat nun in einem Konsortialprojekt eine neue Prozesskette
entwickelt, bei der doppelschrägverzahnte Zahnräder mittels 5-Achs-Fräsen
mit anschließendem 5-Achs-Schleifen gefertigt werden.

Diese Doppelschrägverzahnungen sind leichter und langlebiger als die
bisherigen und damit besser geeignet für den Einsatz in modernen
Flugzeugtriebwerken. Üblicherweise werden Doppelschrägverzahnungen durch
sogenanntes Walzfräsen und Wälzschleifen hergestellt. Die Fräs- und
Schleifwerkzeuge benötigen allerdings große Ein- und Auslaufzonen, die
ihrerseits breite Nuten zwischen den Radteilen erfordern. Das hat zur
Folge, dass Getriebe, die auf diese Weise gefertigt werden,
vergleichsweise schwer sind und große Abstände zwischen den einzelnen
Zähnen aufweisen – beides ist nachteilig für die Verwendung in
Flugzeugtriebwerken.

Erstmals kombinierte Prozesskette aus 5-Achs-Fräsen und 5-Achs-Schleifen

Im Forschungsprojekt »CompactGears4Turbo« hat das Fraunhofer IPT gemeinsam
mit fünf Industriepartnern neue Prozessketten zur Herstellung kompakter
und leichter Zahnräder mit schmalen Nuten für Luftfahrtgetriebe
entwickelt. Die Prozessketten reichen von der digitalen Modellierung der
Zahnräder (CAD) über die computerbasierte Prozessauslegung (CAM) bis zur
Fertigung und der anschließenden Qualitätsprüfung. Die Projektpartner
realisierten erstmals eine Prozesskette zur Fertigung der Zahnräder
mittels 5-Achs-Fräsen mit anschließendem 5-Achs-Schleifen. Das Schleifen
der Bauteiloberfläche ist für den Betrieb des Bauteils von großer
Bedeutung, da eine geringere Oberflächenrauheit die Reibung zwischen den
Zahnflanken im Getriebe vermindert.

Eine besondere Herausforderung war die Integration des Schleifens in die
Prozesskette, denn das 5-Achs-Schleifen von Verzahnungen war bis dahin so
gut wie unerforscht. Die beiden Verfahren – Fräsen und Schleifen – in
einer solchen Prozesskette zu kombinieren, war also Pionierarbeit.
Zunächst waren deshalb umfangreiche grundlegende Untersuchungen
erforderlich, um geeignete Prozessstrategien zu erarbeiten. Besonders die
Identifikation der passenden Werkzeuge für die 5-Achs-Schleifbearbeitung
der Zahnräder war eine große Aufgabe.

CAM-Planungssoftware für die 5-Achs-Bearbeitung von Zahnrädern

Bei den praktischen Untersuchungen stellte sich heraus, dass die 5-Achs-
Fräsbearbeitung die maximal erreichbare Formgenauigkeit der Zahnräder
vorgibt. Das anschließende 5-achsige Schleifen hat keinerlei positive
Auswirkungen auf die Makrogeometrie der Zahnräder, vielmehr wirkt es sich
eher nachteilig aus. Der Schleifprozess muss deshalb so ausgelegt werden,
dass sich die Zahnradgeometrie nur noch geringfügig verändert, die Rauheit
der Zahnradoberfläche dabei aber so weit wie möglich verringert.

Diese und weitere Erkenntnisse für die Auslegung der neuen Prozesskette
flossen als weiteres Projektergebnis in die Entwicklung eines CAM-
Planungssoftwarepakets für Siemens NX ein. Die Software dient zur
Prozessplanung und umfasst auch die Bahnplanung für das Fräsen und
Schleifen der komplexen Doppelschrägverzahnungen.

Zahnräder sind leichter und haben eine längere Lebensdauer

Testreihen mit mehreren gefertigten Zahnrädern ergaben, dass das
zusätzliche 5-Achs-Schleifen die Lebensdauer der Zahnräder deutlich
verbessert. Dies ist auf die verringerte Oberflächenrauheit
zurückzuführen. Die neue Prozesskette mitsamt der CAM-Planungssoftware
ermöglichen es, langlebigere Zahnräder für Planetengetriebe in
Luftfahrtanwendungen kompakter und leichter herzustellen. Das Fraunhofer
IPT plant, in Folgeprojekten seine Kompetenzen in diesem Bereich weiter zu
vertiefen.

Projektförderung

Das Forschungsprojekt »CompactGears4Turbo – Innovative Prozesskette zur
Herstellung von kompakten und leichten Zahnrädern für Luftfahrtgetriebe
mittels 5-Achs-Fräsen und 5-Achs-Schleifen« wurde mit Mitteln des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.

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Für die Umwelt: Hanauer Straßennetz gedoubelt

Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke  U.Wolf
Prof. Dr. Kai-Oliver Schocke U.Wolf

Forschungsprojekt SimCityNet stellt digitalen Zwilling zur Konzeption und
Bewertung von E-Fahrzeugen in kommunalen Flotten her
Sollte in E-Fahrzeuge investiert werden und wenn ja, in welche Art von
Fahrzeugen konkret? Welche Vorteile ergeben sich für die kommunale Flotte?
Um diese und weitere Fragen zu beantworten hat das Research Lab for Urban
Transport (ReLUT) der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt
UAS) in den vergangenen zwei Jahren das Forschungsprojekt SimCityNet
wissenschaftlich begleitet. Das vom Land Hessen geförderte Projekt wurde
im Verbund mit mehreren Partnern der Stadt Hanau umgesetzt.
Kooperationspartner waren die Hanauer Straßenbahn GmbH (HSB), Hanau
Infrastruktur Service (HIS) und die Hanau Wirtschaftsförderung GmbH (HWG)
sowie als Konsortialführerin die in Hanau ansässige
Simulationsdienstleisterin SimPlan AG. Im Projekt wurde ein digitaler
Zwilling des Hanauer Straßennetzes erstellt, mit dem sich die Potenziale
von alternativ angetriebenen Fahrzeugen im öffentlichen Personennahverkehr
und kommunalen Entsorgungsbetrieben simulieren lassen.

„Die Elektromobilität ist eine der sich am dynamischsten
weiterentwickelnden Innovationsthemen. Der öffentliche Verkehr sowie
kommunale Entsorgungsbetriebe bieten bei der Verkehrswende eine große
Chance, da sich die täglichen Laufleistungen der Fahrzeuge sehr gut
abschätzen lassen“, erläutert Prof. Dr. Josef Becker vom Fachbereich
Architektur, Bauingenieurwesen, Geomatik der Frankfurt UAS und im ReLUT-
Team zuständig für Schienenverkehrswesen und öffentlichen Verkehr. Im
Schienenpersonennah- und Fernverkehr wird die Elektromobilität bereits
seit mehreren Jahrzenten betrieben. Das Projekt SimCityNet erweiterte den
Einsatz von Elektromobilität auf den straßengebundenen öffentlichen
Verkehr und setzte gezielt auf die Potenziale von batterieelektrisch
betriebenen Bussen und Brennstoffzellenbussen im Linienverkehr sowie
entsprechenden Nutzfahrzeugen in städtischen Entsorgungsbetrieben.

Die Konzeption eines Simulationsmodells erforderte zunächst eine
umfassende Analyse und Datenerhebung der aktuell bestehenden Prozesse
beider Hanauer Praxispartner. Hierbei wurden u.a. Routenplanungen und
Fahrpläne optimiert und Einsparpotenziale im Bereich von lokalen
Emissionen identifiziert. Darauf aufbauend wurden entsprechende Soll-
Konzepte entwickelt, die den möglichen Einsatz alternativ angetriebener
Fahrzeuge für die Zukunft beschreiben. Mittels der gewonnenen Erkenntnisse
wurden die Prozesse in das Verkehrsmodell implementiert und validiert. Für
die Simulation von unterschiedlichen Szenarien erfolgt eine
Parametrisierung einflussnehmender Parameter durch den Modellnutzer.
Hierzu zählt u.a. die zu simulierende Flottengröße, Antriebstechnologie,
Ladeinfrastruktur, Lademanagement und Witterung. Da bei heutigem Stand der
Technik die Reichweite der batterieelektrischen Fahrzeuge teilweise nicht
ausreicht, um alle planmäßigen Fahrten des Busses an einem Tag ohne
zwischenzeitliches Laden zu absolvieren, wurden mittels Algorithmen neue
Umläufe im Abgleich mit der gewählten Referenzreichweite der
Fahrzeugmodelle ermittelt. Neben der Visualisierung der Prozesse beider
Betriebe im Verkehrsmodell wurden während der Simulationsberechnung
permanent Auswertungen und Statistiken zu den gefahrenen Umläufen/Touren
und Fahrzeugen (z.B. Energieverbrauch, gefahrene Strecke, Ladezustand)
erfasst. Damit konnten nicht nur die Fahrten simuliert werden, sondern
auch die Ladevorgänge. Somit konnten auch notwendige Hinweise zur
Dimensionierung der Energieversorgung aufgezeigt werden.

„Die Ergebnisse zeigen, dass die Umstellung der Flotte von konventionellen
Antrieben auf eine Brennstoffzellen-Flotte zu keiner betrieblichen
Veränderung gegenüber dem Ist-Ablauf führt, aufgrund ausreichender
Fahrzeugreichweiten sowie vergleichbar kurzen Tankzeiten. Die
Implementierung einer größeren Anzahl an Brennstoffzellenfahrzeugen ist
allerdings auch mit einem erheblichen finanziellen Mehrbedarf verbunden,
sowie der Frage nach einer überhaupt ausreichend verfügbaren Anlieferung
und Speicherung von Wasserstoff auf dem Betriebshof“, so Prof. Dr. Kai-
Oliver Schocke vom Fachbereich Wirtschaft und Recht der Frankfurt UAS und
im ReLUT-Team zuständig für Logistik und Produktionsmanagement. Um den
Busbetrieb mit batterieelektrischen Fahrzeugen aufrecht zu erhalten, ist
eine Anpassung der Einsatzpläne der einzelnen Fahrzeuge zwingend
erforderlich. „Kurz- bis mittelfristig können eine Vielzahl der
bestehenden Umläufe von batterieelektrischen Fahrzeugen übernommen werden.
Die begrenzten Reichweiten führen langfristig allerdings zu einem
signifikanten Mehrbedarf an Fahrzeugen“, so Schocke. „Bei den
Abfallbetrieben wird bei einem Mix von Elektro- und Wasserstoffantrieb die
Anzahl der Fahrzeuge allerdings nicht verändert.“

„Der digitale Zwilling wurde so erstellt, dass er grundsätzlich auf andere
Anwendungsfälle bzw. Kommunen übertragbar und um andere Aspekte (z. B.
Logistik) erweiterbar ist“, gibt Becker einen Ausblick in die Zukunft.
Becker bettet das Hanauer Projekt zudem in den Gesamtzusammenhang der
deutschen Klimaziele ein, die Treibhausgasemissionen deutlich zu
reduzieren. Große Potenziale lägen dabei im Verkehrssektor und speziell in
der Elektrifizierung von Kraftfahrzeugantrieben. Weit schwieriger als der
Test einzelner Fahrzeuge sei es zu bewerten, wie sich ein umfassender
Umstieg von größeren Teilen oder gar der gesamten Flotte eines
Verkehrsunternehmens von Dieselbussen auf solche mit alternativen
Antrieben auswirke. „Während die drängende Frage nach den
Emissionseinsparungen mit herkömmlichen Verfahren noch beantwortbar
scheint, sind Fragestellungen des operativen Betriebs bislang in weiten
Teilen unbeantwortet. Mit dem Zwilling können wir diese Wissenslücke
schließen.“

Weitere Informationen zum Projekt und Ergebnisse im Abschlussbericht unter
Veröffentlichungen auf: <www.relut.de/>.

Research Lab for Urban Transport (ReLUT)
Im Research Lab for Urban Transport (ReLUT) der Frankfurt University of
Applied Sciences forscht ein interdisziplinäres Team aus Wissenschaft und
Praxis zu aktuellen und zukünftigen Herausforderungen des Verkehrs im
städtischen Raum. Dabei konzentriert es sich u.a. auf die Entwicklung von
wirtschaftlichen und ökologischen Last-Mile-Lösungen für Liefer- und
Frachtdienste aus dem Kurier-Express-Paket-(KEP)-Bereich. Weitere
Informationen unter: <https://www.relut.de>.

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Der Beweis ist erbracht: Das erste Automobil der Weltgeschichte fährt

In der Vergangenheit gab es viele Tüftler, die sich an der Konstruktion
eines selbstfahrenden Objekts versuchten. Doch der wohl Erste, der es
schaffte, war Ferdinand Verbiest im Jahr 1675. Studierende der Technischen
Hochschule Ingolstadt haben das Fahrzeug in mühevoller Konstruktionsarbeit
nachgebaut und damit bewiesen, dass Verbiests Modell tatsächlich fuhr. Die
Beschreibung fanden sie in einem historischen Büchlein aus Dillingen.

Der 29. Januar 1886 gilt als die Geburtsstunde des Automobils. An diesem
Tag erhielt Carl Benz das Patent für sein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor.
Ein Ereignis, das den Lauf der Geschichte verändert sollte. Aber wirklich
der Erste, der ein Automobil, also ein selbstfahrendes Objekt (von „autos“
= selbst und „mobilis“ = beweglich) erfunden hatte, war Carl Benz nicht.

1870 hatte beispielsweise Siegfried Marcus einen Kraftwagen mit
Benzinmotor in Bewegung gesetzt, Isaac de Rivaz verwendete Anfang des 19.
Jahrhunderts einen Gasmotor, um seinen Wagen anzutreiben und Nicolas
Joseph Cugnot war noch ein bisschen früher dran. Er baute 1769 einen
Dampfwagen. In der Geschichtsschreibung fanden die Tüftler kaum Erwähnung.
Genauso wie Ferdinand Verbiest (1623-1688). Der Belgier konstruierte vor
knapp 350 Jahren ein selbstfahrendes Gerät und gilt damit als
tatsächlicher Erfinder des Automobils.

Mitfahren konnte man in dem etwas skurril anmutenden Gefährt nicht. Es war
60 Zentimeter lang, 30 Zentimeter breit und hatte zwei Achsen mit vier
Rädern. Ein fünftes diente zum Lenken, ähnlich einem Ruder bei einem
Schiff. Der Transport von Menschen und Lasten war auch gar nicht das Ziel
von Ferdinand Verbiest. Dem Jesuitenpater ging es um den Beweis, dass das
Prinzip des „Selbst-Bewegers“ mit Dampf funktioniert. 1675 war das eine
Sensation – auch wenn sie es als solche nicht in die Weltöffentlichkeit
schaffte. Das kleine Gefährt drehte damals in Peking seine Runden und
sollte dem chinesischen Kaiser imponieren. Es sollte zeigen, zu welch
technischen Leistungen der Westen fähig war, erklärt Dr. Gerd Treffer.

Dem Jesuitenpater ging es um den Beweis des "Selbst-Bewegers"

Der Ingolstädter Historiker hat eine Ausstellung über den Friedhof der
jesuitischen Missionare in Peking kuratiert. Dabei stieß er auf das Grab
von Verbiest und beschäftigte sich mit dessen Biografie. In dem Buch
„Astronomia Europaea“, das in Dillingen gedruckt wurde, fasste Verbiest
für seine Ordensoberen alle wissenschaftlichen Leistungen der Jesuiten in
China zusammen. Es enthält eine sehr exakte Beschreibung eines kleinen
Wagens. „In seine Mitte stellte ich ein Becken voller glühender Kohlen und
über dieses Behältnis eine Aeolopile (= Dampfturbine); mit der Achse der
Vorderräder verband ich ein bronzenes Zahnrad, dessen Zähne, quer liegend
und horizontal, in ein anderes kleines Rad eingriffen, das an einer -
senkrecht zum Horizont stehenden - Achse befestigt, dergestalt wirkte,
dass sich, wenn sich die letztgenannte Achse drehte, der Wagen bewegte",
schrieb der Jesuit. Denn dieser Achse habe er ein weiteres Rad beigefügt,
das außen mit paarweisen kleinen Tuben bestückt war. „Auf sie drückend
drehte der von einer engen Düse der Aeolopile ausgestoßene Wind das ganze
Rad und trieb zugleich den Wagen an, der eine Stunde und mehr in ziemlich
rascher Art fuhr.“

Eine Zeichnung oder einen Bauplan gab es nicht. Aber Treffers Interesse
war geweckt. Er wollte wissen, ob sich dieses Fahrzeug tatsächlich
fortbewegen konnte. Den Beweis dazu lieferten nun Studierende der
Technischen Hochschule Ingolstadt (THI). Prof. Dr. Thomas Suchandt nutzte
zusammen mit seinen Studentinnen und Studenten die Beschreibungen aus
Verbiests Buch, um die Konstruktionspläne für das Automobil zu erstellen.
Zunächst bauten sie das Modell aus modernen Materialien, um zu überprüfen,
ob es überhaupt fährt. Sie suchten nach der passenden Holzart,
experimentierten mit dem richtigen Druck und der Wassermenge.
Experimentieren war die Devise. „Einige Teile flogen uns um die Ohren“,
erzählt der Maschinenbau-Ingenieur, der an der THI als Vizepräsident für
Forschung und Transfer zuständig ist. Die Holzarbeiten fertigten Schüler
der Ingolstädter Montessori-Schule. Zeitgleich war das ganze Projekt eine
Reise in die Geschichte der Technik, sagt Prof. Dr. Thomas Suchandt: „Wir
haben uns mit Dingen beschäftigt, die seit Jahrhunderten nicht mehr in
Gebrauch waren.“

Das Objekt bewegt sich durch Wasserdampf

Doch es hat funktioniert, die erste Ausfahrt glückte, und damit war der
Beweis erbracht: Das Objekt kann sich selbst mit Wasserdampf fortbewegen.
Eine Sensation, wie Treffer findet, auch wenn sie die Geschichtsschreibung
über das erste Automobil nicht verändern wird. „Der Rückstoß mit Hilfe von
Wasserdampf war schon den alten Ägyptern bekannt“, berichtet Suchandt.
Doch diese Wärmekraftmaschine, Aeolipile genannt, galt damals als Kuriosum
ohne praktischen Nutzen. „Das Spektakuläre an Verbiests Entwicklung ist,
dass sich das Objekt selbst bewegen kann“, so der Professor.

Rund 100 Jahre nach Verbiest hatte der Physiker Johann Lorenz Böckmann das
Gefährt schon einmal nachgebaut, wie Gerd Treffer recherchiert hat: „Er
verwendete es damals zu Demonstrationszwecken in seinem Unterricht als
Professor am Lyzeum in Karlsruhe.“ In der Lehrsammlung wurde es
aufbewahrt, ging dann aber verloren, erzählt der Historiker. Ein
unbekannter Zeichner hat wohl davon eine Skizze angefertigt. Gerd Treffer
hat sie als Deckblatt für seine Publikation der Geschichte von Verbiest
und dem Gefährt verwendet.

Initiiert und finanziert wurde das Projekt vom Audi Konfuzius Institut
Ingolstadt (AKII), an dem Treffer der Leiter historischer Projekte ist.
Nun wollen die Studierenden das Fahrzeug mit historischen Materialien
nachbauen.

Info: Dr. Gerd Treffers Publikation „Das erste auto-mobile der
Weltgeschichte. Des Jesuitenprofessors Ferdinand Verbiests Erfindung für
den Kaiser von China (1676/1678)“ kann im Audi Konfuzius Institut
Ingolstadt erworben werden.

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