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Auto/Motor

Pionierarbeit im automobilen IT-Dschungel

Projekt „Software-defined Car“ (SofDCar) soll neue Methoden und Prozesse
für das Auto der Zukunft und seine effektive Datennutzung entwickeln.

Konsortialführer Bosch entwickelt das Software-definierte Fahrzeug.  BOSCH
Konsortialführer Bosch entwickelt das Software-definierte Fahrzeug. BOSCH

In Fahrzeugen sind heute teilweise über 100 Steuergeräte verbaut. Die hohe
Komplexität der elektrischen und elektronischen Systeme und ihrer
Architektur nimmt künftig weiter zu, muss gleichzeitig aber beherrschbar
bleiben. 13 Unternehmen und Forschungseinrichtungen, darunter die
Universität Stuttgart, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das
Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKSF)
sowie das FZI Forschungszentrum Informatik wollen im Projekt „Software-
Defined Car“ (SofDCar) nun gemeinsam standardisierte Regeln und Prozesse
schaffen, damit die elektronischen Komponenten im Fahrzeug reibungslos
zusammenspielen, jederzeit aktualisierbar und damit sicher bleiben.

Ziel des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten
Projekts „SofDCar“ ist es, dass künftig alle Software-Updates und
-Upgrades Regeln und Prozessen folgen, durch die sie kontrollierbar sind
und dem Einsatz einer konsequenten Methodik für funktionale und IT-
Sicherheit unterliegen. Das stellt sicher, dass sich einzelne Programme
nicht gegenseitig stören und im System fehlerfrei arbeiten. Dies ist die
Voraussetzung dafür, dass neue Funktionen im und um das Fahrzeug künftig
schneller entwickelt werden und sicher zu den Autofahrern kommen – ein
Fahrzeugleben lang. Zu den Projektpartnern aus der Industrie zählen neben
Konsortialführer BOSCH BooleWorks GmbH, ETAS GmbH, Mercedes-Benz AG, P3
digital services GmbH, T-Systems International GmbH, Vector Informatik
GmbH, ZF Friedrichshafen AG sowie als assoziierter Partner die
Landesagentur e-mobil BW GmbH.

„Das Großprojekt SofDCar ist ein Paradebeispiel dafür, wie Digitalisierung
in der Fahrzeugtechnologie vorangetrieben wird – in enger Zusammenarbeit
von Unternehmen unterschiedlicher Branchen mit Partnern aus der
Wissenschaft“, sagt die baden-württembergische Wissenschaftsministerin
Theresia Bauer. „Der InnovationsCampus Mobilität der Zukunft (ICM) an der
Universität Stuttgart und dem KIT bietet mit dem Schwerpunkt ‚Software-
defined Mobility‘ die ideale Kooperationsumgebung für SofDCar, denn hier
sind exzellente Forschung, wirtschaftliche Umsetzung und akademische
Qualifizierung eng miteinander verzahnt. Genau diese enge Verknüpfung
streben wir im Land mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft BW an.“

Prof. Peter Middendorf, Prorektor Wissens- und Technologietransfer der
Universität Stuttgart, betont: „Die Bewilligung des BMWi Projekts
Software-defined Car ist auch für die Universität Stuttgart und das KIT
ein großartiger Erfolg, da zum einen die Initiative des gemeinsamen
Konsortiums mit dem FKFS und FZI sowie natürlich den starken
Industriepartnern aus dem Innovationscampus Mobilität der Zukunft kam und
zum anderen mit dem thematischen Schwerpunkt des Projekts eine geradezu
ideale Anknüpfung an das neue Strategiefeld „Software-defined Mobility“
des ICM besteht.“

„Wir wollen mit innovativen Ideen den Transformationsprozess hin zu einer
umweltfreundlichen, vernetzten und automatisierten Mobilität vorantreiben.
Mit der Förderung von SofDCar kommen wir dieser Vision einen großen
Schritt näher“, sagt Professor Thomas Hirth, Vizepräsident für Innovation
und Internationales des KIT. „Der Innovationscampus Mobilität der Zukunft
bietet eine hervorragende Plattform, um exzellente, innovative und
interdisziplinäre Forschung zu betreiben.“

Ein neuer Digitaler Zwilling für die Fahrzeugarchitektur der Zukunft

Teil des Projekts ist die Entwicklung eines erweiterten Digitalen
Zwillings, also eines virtuellen Abbilds der Entwicklungs- und
Laufzeitdaten eines Fahrzeugs. Dieser Zwilling umfasst künftig die im
Fahrzeug und in der Cloud verteilten Daten – von der Herstellung eines
Fahrzeugs bis zu seiner Verschrottung. Damit geht dieser deutlich über das
bisher unter dem Begriff Digitaler Zwilling gefasste Bild hinaus, da er
erstmals den gesamten Lebenszyklus eines modernen Fahrzeugs umfasst und
auch die Domänen Cloud, Apps, Backend- sowie Entwicklungssysteme
einschließt. Das Projekt will damit sicherstellen, dass sich der
Informationsfluss von Fahrzeugdaten und Softwareversionen wie ein roter
Faden durch alle Datenbanken und Server zieht. Aktualisierungen der
Software und neue digitale Funktionen und Dienste lassen sich somit zu
jeder Zeit einfacher und vor allem schneller umsetzen.

5G-Teststrecke auf dem Campus der Universität Stuttgart

Seitens der Universität Stuttgart bringen sich unter Leitung von Prof. Dr.
Michael Weyrich vom Institut für Automatisierungstechnik und
Softwaresysteme acht Arbeitsgruppen aus drei Fachbereichen in die Arbeiten
an der Software-definierten automobilen Zukunft ein. Ein wesentlicher
Beitrag ist dabei der Aufbau des hybriden Demonstrators „Campus
Vaihingen“: Mittels einer Echtzeit-5G-Teststrecke auf der Ringstraße des
Campus können unter realitätsnahen Bedingungen Testfahrzeuge und andere
Testaufbauten aller Partner auf und abseits der Straße getestet werden.
Prof. Weyrich betont: „An der Universität Stuttgart werden wir uns mit den
Kollegen aus Karlsruhe mit einer IT-Referenzarchitektur für die Fahrzeuge
der Zukunft befassen. Dabei geht es um den Einsatz von Software im so
genannten Edge-Backend, also Informationsknotenpunkten außerhalb der
Fahrzeuge in der zukünftigen IT-Infrastruktur. Anhand des Digitalen
Zwillings sowie des Echtzeit-5G-Campusnetzes können wir die
Referenzarchitekturen für einen kontinuierlichen und beidseitigen
Datenaustausch für neue Funktionen in den Fahrzeugen der Zukunft
konzeptionieren.“

Das FKFS erarbeitet Im Projekt Software Defined Car Technologien zur
Optimierung des Kundennutzens vernetzter Automobile: Im europaweit
einzigartigen Stuttgarter Fahrsimulator werden mit Versuchspersonen aus
der Bevölkerung die Auswirkungen von Online-Softwareupdates auf das
Fahrerlebnis untersucht. Beispiele sind neue Funktionen zur Verbesserung
des Komforts und der Fahrsicherheit von teil- und vollautonomen
Fahrzeugen. „Mit intelligenten Funktionen in der Cloud wird die
Früherkennung und Abwendung drohender Defekte von Komponenten in
Elektrofahrzeugen erforscht“, sagt Prof. Hans-Christian Reuss,
Vorstandsmitglied des FKFS und Inhaber des Lehrstuhls
Kraftfahrzeugmechatronik an der Universität Stuttgart. „Dadurch wird ein
„Liegenbleiben“ des Fahrzeugs in vielen Fällen verhindert, was sich
positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirkt.“

Sicherheit und Verlässlichkeit von Fahrzeug-Software

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des KIT betrachten innovative
Entwicklungsmethoden und Qualitätssicherungsansätze für die
Automobilindustrie, insbesondere mit Blick auf die IT-Sicherheit. „Neben
der engen Zusammenarbeit mit den anderen Forschungspartnern zur IT-
Referenzarchitektur, liegen unsere Schwerpunkte im Bereich Sicherheit und
Verlässlichkeit“, sagt Prof. Ralf Reussner vom KASTEL – Institut für
Informationssicherheit und Verlässlichkeit des KIT. „Wir untersuchen
beispielsweise, wie nach dem Kauf eines Fahrzeugs Software-
Funktionalitäten einfach, sicher und verlässlich aktualisiert und dabei
die verschiedensten kundenspezifischen Fahrzeugvarianten berücksichtigt
werden können.“ Außerdem wollen die Forschenden des KIT die
Informationsverwaltung und Sicherheitsprüfungen verbessern,
Datenanalysealgorithmen und Datenschutzanalysen entwickeln, sowie
Identitäts- und Zugriffsverwaltungssysteme, Update-Methoden und
Absicherungsstrategien bereitstellen.

Neben diesen Aspekten befassen sich die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler am FZI Forschungszentrum Informatik mit der Absicherung,
Verifikation und Konsistenzhaltung von Fahrzeugvarianten. Besondere
Berücksichtigung finden hier das Erkennen von Einschränkungen und
Schwachstellen in der Fahrfunktion, die Evolution sowohl von Varianten als
auch einzelner Funktionalitäten sowie das Verwalten der entstehenden
Versionen mit Hilfe des digitalen Zwillings. Durch die Identifikation und
Extraktion von Prozessen und weiteren Leistungsdaten sollen weiterhin
qualitätsgesicherte Anwendungsprozesse über die Fahrzeuggrenzen hinweg
ermöglicht werden. Das Kompetenzzentrum IT-Sicherheit am FZI untersucht
zusätzlich angewandte Fragestellungen zur IT-Sicherheit wie etwa die
Security-Absicherung von Fahrzeugkomponenten mit Methoden der Künstlichen
Intelligenz und auch mit praktischen Sicherheitstests an ausgewählten
Komponenten.
„Gemeinsam erproben wir zudem im Testfeld Autonomes Fahren Baden-
Württemberg verschiedene Aspekte im Bereich Software-over-the-Air,
Absicherung und Robustheitssteigerung. Hierbei kommen auch unsere
Testfahrzeuge zum Einsatz“, ergänzt Prof. J. Marius Zöllner, Vorstand des
FZI sowie Professor am KIT. „Unser Ziel ist es, die Sicherheit von KI-
basierten Funktionalitäten laufend zu verbessern, auch mit den wertvollen
Evaluierungsmöglichkeiten durch das Testfeld.“

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Feinstaub: Drohnen-Messungen am Flughafen Berlin Brandenburg

ALADINA im Landeanflug nach einem erfolgreichen Messflug am Flughafen BER.  Bildnachweis: Falk Pätzold/TU Braunschweig
ALADINA im Landeanflug nach einem erfolgreichen Messflug am Flughafen BER. Bildnachweis: Falk Pätzold/TU Braunschweig

Ein Modellflugzeug in der Nähe der Landebahn vom Flughafen BER?
Tatsächlich zu sehen war die Drohne ALADINA (Application of Light-Weight
Aircraft for Detecting In-situ Aerosol). Dabei handelt es sich um ein
unbemanntes Forschungsflugzeug des Instituts für Flugführung der
Technischen Universität Braunschweig. Mit der Drohne wurde die Verteilung
von Feinstaub untersucht. Im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) wird im
Projekt ULTRAFLEB (Ultrafeinstaubbelastung durch Flughäfen in Berlin)
analysiert, wie sich die Feinstaubbelastung durch die Eröffnung des neuen
Flughafens BER verändert.

Dazu gibt es langfristige Messungen an ausgewählten Standorten in der
Umgebung vom Flughafen BER sowie Messungen der räumlichen Verteilung am
Boden mit Fahrzeugen sowie in der Höhe. Die Daten gehen in Modelle ein,
mit denen die Luftqualität im Raum Berlin analysiert wird.

Wenig Feinstaubdaten an Flughäfen

An Flugplätzen gibt es bisher wenig Informationen über die Verteilung von
Feinstaub in der Höhe. Sie ist stark abhängig von meteorologischen
Bedingungen wie turbulente Durchmischung, Sonnenstrahlung und Wind.
Außerdem kann sich Feinstaub unter Temperatur-Inversionen anreichern.
ALADINA bietet die Gelegenheit, hierzu wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen.

Sicherheit der Flüge überwacht

Für die Durchführung der Flüge wurde ein Stück Wiese als Landeplatz gemäht
und eine Schotterstraße als Startbahn präpariert. Zur Abstimmung mit den
Fluglotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS) wurde ALADINA mit einem
sogenannten Transponder ausgerüstet, der das Gerät für Fluglotsen und
andere Luftverkehrsteilnehmer sichtbar macht. Damit ist ALADINA auch für
die Öffentlichkeit auf der Website Flightradar24 sichtbar. Mit der DFS
wurde vorab genau das Fluggebiet abgesprochen, so dass die Drohne
ausreichend Sicherheitsabstand zur Verkehrsfliegerei einhält.

„Der Betrieb einer Drohne in der Kontrollzone bei laufendem Flugbetrieb
ist eine neue Situation. Die Absprache mit den Lotsen hat sehr gut
geklappt, und viele interessierte Anwohner sind vorbeigekommen, um sich
über das Projekt zu informieren“, berichtet Dipl.-Ing. Lutz Bretschneider,
der als Sicherheitspilot für Start und Landung sowie die Überwachung der
Flüge verantwortlich war.

Ultrafeinstaub

Ultrafeinstäube sind die kleinsten Partikel des Feinstaubs. Sie sind
kleiner als 100 Nanometer (= 0,1 Mikrometer). Und damit bedeutend kleiner
als die üblicherweise betrachteten Feinstäube PM10 oder PM2.5, die jeweils
10.000 Nanometer bzw. 2.500 Nanometer maximale Größe aufweisen. Durch die
geringe Größe können Ultrafeinstaubpartikel besonders leicht in die Lunge
eindringen und sogar in den Blutkreislauf gelangen.

Projektdaten:

Das Projekt ULTRAFLEB (FKZ 3720 52 201 0) wurde vom Umweltbundesamt in
Auftrag gegeben und befasst sich von November 2020 bis Ende 2024 mit der
Veränderung der Luftqualität durch die Inbetriebnahme des Flughafens BER.
Das Projekt wird von mehreren Partnern unter Koordination des Leibniz-
Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) gemeinsam durchgeführt.

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Druck auf Lkw-Bordwände überschreitet Grenzwerte Forschende der FH Dortmund überprüfen Regeln für Lkw-Aufbauten / Bund unterstützt Verbundprojekt „Cargo Sec“ mit 270.000 Euro

Die Regeln für die Stabilität von Lkw-Seitenwänden sind laut Forschenden der Fachhochschule Dortmund womöglich unzureichend. Gerade bei wechselnden Straßenoberflächen und witterungsbedingten Fahrbahn-Beschaffenheiten könne der Ladungsdruck auf die Bordwände der Lkw und ihrer Anhänger deutlich über den geltenden Maximalwerten liegen, zeigen erste Analysen. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) fördert nun ein Forschungsprojekt, um die Vorgaben für Fahrzeugaufbauten zu überprüfen. Die FH Dortmund und ihre Partner leisten damit einen Beitrag für mehr Sicherheit auf den Straßen.

 

Hält der sogenannte Fahrzeugaufbau den Belastungen nicht stand, so kann dies zu Unfällen durch herabfallende Ladung und Fahrzeugteile führen bis hin zum Umkippen des Lkw. Eine akute Gefahr für alle Verkehrsteilnehmenden. Damit das nicht passiert, gibt es Richtlinien und Normen, wie viel Druck die Konstruktion der Gespanne aushalten muss. Doch diese sind womöglich nicht mehr ausreichend. Moderne Lkw verfügen über höhere Zug- und Bremskräfte, was den Anhängern mehr abfordert. „Wir haben konkrete Anzeichen, dass bei Unebenheiten und wechselnden Fahrbahngriffigkeiten die Drucklast auf die Aufbauten erheblich höher sind als aktuell erlaubt“, sagt Prof. Dr. Vinod Rajamani vom Fachbereich Maschinenbau der FH Dortmund.

 

Gemeinsam mit den Projektpartnern – dem Forschungszentrum F&T LaSiSe in Selm, der LOG4-Consult GmbH aus Lünen und Ewers Karosserie- und Fahrzeugbau aus Meschede – startete nun ein Forschungsprojekt, um nötige Anpassungen wissenschaftlich zu begründen und in bestehende Regeln und Normen einfließen zu lassen. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Verbundprojekt „Cargo Sec“ mit mehr als einer Viertelmillion Euro.

 

Nicht nur bei Unebenheiten, sondern vor allem beim Wechsel von glattem Fahrbahnuntergrund zu griffigem haben die Forschenden der FH Dortmund Belastungsspitzen bei ausbrechenden Fahrzeugen gemessen. „Das kann etwa in Kreisverkehren, in bergigen Regionen, aber auch bei einem Spurwechsel auf der Autobahn auftreten“, erklärt Prof. Rajamani. Dabei würden Kräfte freigesetzt, die die Lkw-Aufbauten beschädigen und zu Ladungsverlusten führen können – mitunter ohne dass die Fahrer dies bemerken. Denn anders als die Zugmaschinen mit ihrer Vielzahl an Assistenzsystemen fehle den Anhängern entsprechende Sensorik. Prof. Rajamani betreut das Projekt gemeinsam mit Alexander Lampkowski, Maschinenbau-Masterstudent und wissenschaftlicher Mitarbeiter der FH Dortmund.

 

Mit dem Projektstart können die Wissenschaftler*innen nun konkrete Fahrszenarien konstruieren, simulieren und anschließend im Forschungszentrum F&T LaSiSe überprüfen. Sie sind überzeugt, dass die Voruntersuchungen bestätigt werden. „Ziel ist es, unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse den Verantwortlichen für Regeln und Normen zur Verfügung zu stellen und an möglichen Vorgabenänderungen mitzuarbeiten“, sagt Prof. Rajamani. „Diese im Projekt gewonnenen Daten sollen zugleich auch als Grundlage für künftige Assistenzsystem dienen, einen Beitrag zur Sicherheit beim autonomen Fahren leisten und für die Ladungssicherung weitereichende Grundlagen bieten“, betont Ralf Damberg, Geschäftsführer des Projektpartners LOG4-Consult.

 

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Supraschmierung verbannt Reibung aus Motoren

Auf dem Weg zur Supraschmierung spielen extrem harte »Diamor«-Schichten auf Kohlenstoff-Basis eine Schlüsselrolle.  © Jürgen Jeibmann/Fraunhofer IWS Dresden
Auf dem Weg zur Supraschmierung spielen extrem harte »Diamor«-Schichten auf Kohlenstoff-Basis eine Schlüsselrolle. © Jürgen Jeibmann/Fraunhofer IWS Dresden

»Prometheus« und »Chephren«: Fraunhofer IWS arbeitet an Maschinen, die
kaum noch Energie als Abwärme vergeuden

Damit Elektrofahrräder künftig mit einer Akkuladung weiter kommen als
bisher und Industriemaschinen nicht mehr so viel Strom in Form von Reibung
und Abwärme vergeuden, arbeitet das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und
Strahltechnik IWS Dresden gemeinsam mit Industrie- und Forschungspartnern
an nahezu reibungsfreien Motoren und Getrieben. Im Rahmen der
Verbundprojekte »Prometheus« und »Chephren« wollen die Forschenden durch
verbesserte superharte Kohlenstoffbeschichtungen die Energie- und
Ökobilanz von Autos und anderen Maschinen deutlich verbessern.

Die wirtschaftlichen, technischen und ökologischen Potenziale sind
erheblich: Beim konsequenten Einsatz von »Supraschmierung« in Motoren und
Getrieben von Autos, Bussen und Lastkraftwagen sowie im allgemeinen
Maschinenbau könnte der globale CO2-Ausstoß um mehrere hundert Millionen
Tonnen pro Jahr sinken. Verschleißschäden sowie Wartungs- und
Schmiermittelkosten würden sich deutlich verringern. »Technologische
Fortschritte, insbesondere mit extrem gleitfähigen Kohlenstoffschichten,
sollen es nun endlich ermöglichen, Reibung fast vollständig aus
technischen Systemen zu verbannen«, betont Dr. Volker Weihnacht, der am
Fraunhofer IWS die Abteilung für Kohlenstoffschichten leitet. »Wir wollen
dabei besonders umweltfreundliche Schmierstoffe einsetzen. Miteinander
kombiniert können diese Technologien einen wichtigen Beitrag leisten,
damit Fahrzeuge und andere Maschinen effizienter arbeiten und weniger
Ressourcen verschwenden.«

Infobox - Laser-ArcTM und Diamor
Auf dem Weg zur Supraschmierung spielen extrem harte »Diamor«-Schichten
auf Kohlenstoff-Basis eine Schlüsselrolle. Das Fraunhofer IWS hat diese
Technologie sowie die dafür nötigen Anlagen über viele Jahre hinweg
entwickelt und verbessert. Dabei platziert der Maschinenbediener die
Bauteile in Vakuumkammern von Laser-ArcTM-Anlagen, die mit
Vakuumlichtbögen arbeiten. Darin entzündet ein Laser an Graphit-Elektroden
ein Plasma aus heißen Ionen und Elektronen. Elektrische und magnetische
Felder lenken diese feine Wolke aus geladenen Kohlenstoffteilchen auf das
Bauteil. Auf dessen Oberfläche entsteht dann eine wenige Mikrometer
(Tausendstel Millimeter) dünne Schicht aus »tetraedrisch amorphem«
Kohlenstoff, abgekürzt ta-C. Diese Schichten sind sehr hart und nach einer
mechanischen Politur auch sehr glatt. Sie ähneln Diamanten – daher auch
der Name Diamor.

»Prometheus«-Tech für weniger CO2-Ausstoß am »Verbrenner«
Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Projekt »Reibungs-
Optimierung von Motoren durch Einsatz von triboaktiven
Hochleistungskohlenstoff- sowie Eisenbasisschichten und Schmierstoffen«
(»Prometheus«) baut auf der Kohlenstoff-Schichttechnologie des Fraunhofer
IWS auf und zielt auf besonders effiziente ultraschmierende Motoren für
Autos, Busse und Lastkraftwagen sowie sehr reibungsarme Gasmotoren. Die
Partner im Konsortium repräsentieren daher auch einen breit gefächerten
Ausschnitt der deutschen Industrie und industrienahen Forschung. Dazu
gehören neben dem Konsortialführer Federal Mogul und dem Fraunhofer IWS
beispielsweise BMW, MAN, MTU, Fuchs Schmierstoffe, VTD Vakuumtechnik
Dresden und die TU Dresden.

Das Konzept: Die Ingenieure versetzen die bereits reibungsarmen Diamor-
Schichten im Motor zusätzlich mit Fremdatomen zum Beispiel aus Molybdän
oder Bor. Dafür ersetzen sie beim Vakuumbogen-Verdampfen die bisherigen
reinen Graphit- mit neuen Komposit-Elektroden. Im Motor verbinden sich die
Dotiermaterialien dann chemisch mit bestimmten Schmierstoffmolekülen und
erzeugen im laufenden Betrieb ultraschmierende Grenzflächen. Im Vergleich
zu heutigen Lösungen sollen sie die Reibung im Motor halbieren. Die
Forschungsgruppe schätzt, dass reibungsärmere Motoren allein in
Deutschland jährlich bis zu zwei Terrawattstunden Energie und damit rund
520 Kilotonnen CO2 einsparen könnten. Das entspricht in etwa der Energie,
die 800 000 Zweipersonenhaushalte in einem Jahr verbrauchen. Die ersten
ultraschmierenden Prometheus-Motoren treiben voraussichtlich ab etwa 2025
Serienfahrzeuge an.

»Mit heutigen Schmierstoffen ist allerdings noch keine Supraschmierung in
Verbrennungsmotoren möglich«, räumt Volker Weihnacht ein. »Aber wir sind
zuversichtlich, dass sich das in Zukunft mit besonders umweltfreundlichen
neuen Schmierstoffen auf Basis von Fettsäuren oder Wasser ändert.«

Infobox - Ultraschmierung und Supraschmierung
Durch »Ultraschmierung« lassen sich die Reibungsverluste in
Verbrennermotoren im Vergleich zum heutigen Stand der Technik halbieren.
Der Reibungskoeffizient liegt dann zwischen 0,01 und 0,05. Das entspricht
etwa der Reibung von ganz glattem Stahl, der auf Eis rutscht.

Von »Supraschmierung« sprechen Fachleute dagegen erst, wenn der
Reibungskoeffizient unter 0,01 sinkt. Um das zu veranschaulichen, kann man
sich einen fünf Tonnen schweren Elefanten vorstellen, der auf einer Platte
steht. Ist diese suprageschmiert, könnte ein Mensch diesen Elefanten
mühelos davonschieben.

»Chephren«: Auf dem Weg zur reibungsfreien Maschine
Das noch junge Verbundprojekt für die »Chemisch-Physikalische Reduzierung
der ReibungsENergie« (»Chephren«) geht noch einen Schritt weiter als
Prometheus und zielt auf eine echte »Supraschmierung« ab. Der Fokus liegt
hier weniger auf Verbrennungsmotoren, sondern auf jeglichen technischen
Systemen. Dazu gehören beispielsweise die Getriebe und Lager
batterieelektrischer Autos und Fahrräder ebenso wie Antriebsketten von
Mähdreschern oder die Vielzahl der beweglichen Komponenten in
Werkzeugmaschinen. Um bis zur Supraschmierung vorzustoßen, wollen die
Partner bessere Schmierstoffe einsetzen, vor allem aber die Qualität der
Kohlenstoffschichten noch einmal deutlich verbessern. In Zukunft sollen
diese Schichten selbst ohne Nachpolierschritte frei von Defekten und
Unebenheiten sein. Bisher entstehen solche Rauheiten noch durch
unerwünschte Nebeneffekte bei der Lichtbogenverdampfung: Neben dem feinen
Plasma, das nur einzelne Ionen und Elektronen enthält, löst die
Bogenentladung auch mikrometergroße Kohlenstoffstücke aus den Elektroden.
Die erzeugen dann eine zwar mikroskopisch kleine, aber eben nicht
superglatte Hügellandschaft auf dem Bauteil. Dagegen entwickelt das
Fraunhofer IWS nun im Zuge des »Chephren«-Projekts neue Plasma-
Superfilter: Statt das Plasma von der Elektrode direkt auf die Bauteile zu
schießen, bewegt sich das entzündete Gemisch aus Plasma und Partikeln
zunächst in eine andere Richtung der Vakuumkammer. Elektrische Felder
lenken dann nur die geladenen Teilchen – eben die feinverteilten Ionen im
Plasma – zum Ziel, während die größeren, ungeladenen Partikel in eine
andere Richtung fliegen.

Etwa gegen Ende des Jahrzehnts sollen die supraschmierenden
»Chephren«-Bauteile serienreif sein. Bereits jetzt ist das Interesse aus
der Wirtschaft groß. Das lässt sich auch an der breiten Beteiligung am
Verbundprojekt ablesen. Mit an Bord sind unter anderen BMW, WITTENSTEIN
SE, VTD Vakuumtechnik Dresden, IWIS München und Fuchs Schmierstoffe aus
Mannheim sowie als Fördermittelgeber das Bundeswirtschaftsministerium.

Tribologische Ehrung für Wissenschaftler des Fraunhofer IWS
Auch in der wissenschaftlichen Fachwelt stoßen die Dresdner Fortschritte
in der angewandten Reibungslehre (»Tribologie«) auf große Resonanz. Ein
Beispiel: Den renommierten »GfT Förderpreis 2021« der Gesellschaft für
Tribologie in der Kategorie Dissertation erhält in diesem Jahr Dr. Stefan
Makowski, Gruppenleiter für Schichtcharakterisierung im Fraunhofer IWS. In
seiner Promotion hatte Makowski die Wechselwirkung von tetraedrisch
amorphen Kohlenstoffschichten mit fettsäurebasierten Schmierstoffen
untersucht. Damit trug er zu einem tieferen Verständnis von
Supraschmierung und tribochemischem Verschleiß bei, die in den Projekten
»Prometheus« und »Chephren« eine Schlüsselrolle spielen.

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