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Herzchirurgie: Praxisseminar „Frauen trainieren Frauen“ ein voller Erfolg

Herzchirurgische Fachgesellschaft DGTHG fördert den weiblichen Nachwuchs.

Patient:innen mit Herzerkrankungen können immer schonender durch minimal-
invasive Techniken operiert werden. Die Herzchirurgie benötigt dabei
moderne Konzepte in der Weiter- und Fortbildung, wie zum Beispiel das
Lernen und Training am Modell. Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-,
Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) bietet vielfältige Seminare und
Fortbildungsveranstaltungen an. Eins dieser Angebote fokussiert auf die
Unterstützung und Förderung von Herzchirurginnen. Das Fehlen
berufsspezifischer Rollenvorbilder und Frauen-Netzwerken gelten als
wichtige Gründe für die Unterrepräsentanz von Ärztinnen in der
Herzchirurgie. Daher fördert die herzchirurgische Fachgesellschaft
insbesondere den weiblichen Nachwuchs.

Das nun schon zum dritten Mal angebotene DGTHG-Seminar „Frauen trainieren
Frauen“ bietet operatives Skills Training am Tierherzen und an Simulatoren
durch ausschließlich weibliche Trainerinnen. Das speziell auf den
weiblichen ärztlichen Nachwuchs zugeschnittene Konzept impliziert auch
Soft Skills Trainings, in denen Kommunikation, Personal Branding und
Karriereplanung adressiert werden. „Die Fachgesellschaft im Allgemeinen
und ich im Besonderen als Herzchirurgin möchte Talente fördern. Der
Einsatz für eine größere Diversität in den Führungspositionen der
Herzchirurgie ist daher ein wichtiger Schritt“, sagt Prof. Dr. med. Sabine
Bleiziffer, eine der Trainerinnen des Seminars.

„Das Training herzchirurgischer Fertigkeiten außerhalb des
Operationssaales ist ein Muss, wenn man die zunehmende Komplexität unserer
Patient:innen betrachtet und die Therapie mit schonenden, minimal-
invasiven Operationsmethoden erfolgt“, ergänzt Seminarleiterin und
Initiatorin der Praxisseminare, PD Dr. med. Gloria Färber. Das persönliche
Networking ist ein essenzieller Bestandteil aller Seminare und ergibt sich
aus der DGTHG-Gesamtkonzeption. „Der Bedarf ist groß; alle Kurse sind im
Handumdrehen ausgebucht“, so das Resümee der DGTHG.

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Regelmäßig Blutdruck messen bedeutet effiziente Prävention und optimale Therapieüberwachung

Wer Bluthochdruck rechtzeitig diagnostiziert und behandelt, senkt effektiv
die hohe Last an Herz- und Gefäßerkrankungen. Bluthochdruck zu
diagnostizieren, ist im Prinzip sehr leicht. Denn Blutdruckmessungen geben
einen guten Anhaltspunkt. Doch nur wenige Menschen nehmen die Messangebote
in Praxen oder Apotheken wahr. Am aussagekräftigsten ist ohnehin die
Selbstmessung zu Hause. Doch die wird, wenn überhaupt, nur von Menschen
mit bestätigter Bluthochdruckdiagnose durchgeführt. Die
Blutdruckselbstmessung sollte daher als wichtige Vorsorgemaßnahme
bekannter gemacht werden, so die Forderung der Deutschen Hochdruckliga,
die dabei auf politische Unterstützung hofft.

Mit dem Impulspapier „Früherkennung und Versorgung von Herz-Kreislauf-
Erkrankungen“ vom 5. Oktober 2023 [1] lenkt das
Bundesgesundheitsministerium den Fokus auf Krankheiten des Herz-Kreislauf-
Systems und unterbreitet Vorschläge für eine verbesserte Prävention.
Allein ein Drittel aller Todesfälle in Deutschland gehen auf ihr Konto,
hinzu kommt: Mit rund 57 Milliarden Euro verursachten Krankheiten des
Kreislaufsystems im Jahr 2020 die höchsten Kosten für das
Gesundheitssystem. In dem Papier des Ministeriums wird daher der Ausbau
von Präventionsmaßnahmen vorgeschlagen und in diesem Kontext auch das
Potenzial der Blutdruckmessung betont.
Zum einen wird auf die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über
die Gesundheitsuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten verwiesen.
In den „Check-up-Untersuchungen“ bei Erwachsenen hat die Blutdruckmessung
bereits einen fest verankerten Platz. Nun soll sie auch in die
Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen implementiert
werden. Darüber hinaus wird in dem Papier angeregt, Apotheken im Rahmen
von Vorfelduntersuchungen zu den Check-ups einzubinden und auch dort –
neben anderen Früherkennungstests – Blutdruckmessungen durchführen zu
lassen.

Diese Vorhaben unterstützt die Deutsche Hochdruckliga. „Die
Blutdruckmessung ermöglicht ein sehr effektives Screening. Sie ist relativ
kostengünstig und kann viele Fälle von Bluthochdruck aufdecken, dessen
Dunkelziffer noch immer hoch ist. Da ein unbehandelter Bluthochdruck
gefährliche kardiovaskuläre Erkrankungen nach sich zieht, ist die
Blutdruckmessung als Ausgangspunkt zentral für jedes Bemühen, die Rate an
Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken. Wer Bluthochdruck rechtzeitig
diagnostiziert und behandelt, senkt effektiv die hohe Last an Herz- und
Gefäßerkrankungen. Die Deutsche Hochdruckliga steht hier mit Rat und Tat
zur Seite – sie hat bereits vor Jahren damit angefangen, auch das
Apothekenpersonal in Sachen Blutdruckmessung zu schulen“, erklärt Prof.
Dr. Markus van der Giet, Vorstandsvorsitzender der Deutschen
Hochdruckliga. „Doch noch wichtiger ist die regelmäßige
Blutdruckselbstmessung.“

Warum ist die regelmäßige Selbstmessung zu Hause wichtig?
Für Menschen, die an einer arteriellen Hypertonie leiden und
blutdrucksenkende Medikamente einnehmen, ist die regelmäßige Selbstmessung
obligat und gehört zu den wichtigen Therapieempfehlungen: Nur so kann
sichergestellt werden, dass die Medikamente optimal eingestellt sind.

Doch auch für die Erstdiagnose hat die Selbstmessung eine hohe Bedeutung,
wie auch in den aktuellen Leitlinien der European Society of Hypertension
[2] dargelegt wird. Sie kann bluthochdruckbedingte Organschäden,
kardiovaskuläre Folgekrankheiten und sogar die kardiovaskuläre Mortalität
besser vorhersagen als die Messungen in der Praxis, da gerade auch die
Blutdruckvariabilität eine prognostische Aussagekraft hat. Darüber hinaus
können durch die regelmäßigen Heimmessungen auch die Weißkittelhypertonie
und die sog. maskierte Hypertonie entlarvt werden. Bei Erstgenannter sind
die Blutdruckwerte nur in der Arztpraxis erhöht, aber sonst eher nicht –
bei der maskierten Hypertonie handelt es sich um das gegenteilige
Phänomen: Die Ärztin/der Arzt misst normale Werte, aber außerhalb des
Praxisumfelds (oft auch nachts) sind die Werte dauerhaft erhöht. „Problem
ist, dass diese Form des Bluthochdrucks bei alleinigen Praxismessungen
nicht erkannt und behandelt wird und die Betroffenen dann ein hohes
kardiovaskuläres Risiko haben. Daher ist die regelmäßige Messung zu Hause
nicht nur ein Tool für das Therapiemonitoring von Menschen mit
diagnostiziertem Bluthochdruck, sondern auch für das Erkennen der
ansonsten stummen Erkrankung“, betont Prof. van der Giet.

Denn wie der Experte weiter erklärt, führt Bluthochdruck meistens zu
keinerlei Beschwerden und selbst Symptome wie Schwindel oder Kopfschmerzen
werden oft auf andere Ursachen, wie z. B. Überarbeitung oder Stress,
zurückgeführt. Die eigentliche Ursache bleibt dann über eine lange Zeit
unerkannt und unbehandelt. Die Blutdruckmessung zu Hause sollte daher nach
Ansicht der Deutschen Hochdruckliga als wichtige Vorsorgemaßnahme
bekannter gemacht werden – „hier ist auch die Gesundheitspolitik gefordert
und wir hoffen, dass sich das Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung
in der Medizin (BIPAM), das derzeit aufgebaut wird, dieser Aufgabe
annehmen wird“, erklärt Prof. van der Giet.

Selbst Blutdruck messen – so geht’s!
Die Messung zu Hause ist also wichtig, muss aber auch korrekt durchgeführt
werden. Eine wichtige Voraussetzung ist dabei ein zuverlässiges Messgerät,
die Deutsche Hochdruckliga hält eine Liste aller durch sie zertifizierten
Geräte vor [3]. Darüber hinaus bietet die Deutsche Hochdruckliga Material,
das die Messung anschaulich erklärt – vom Erklärvideo [4] über das
Infoblatt „Richtig messen in 5 Schritten“ bis hin zu einer Kurzanleitung
im „Blutdrucktagebuch“ (im Anhang dieser Pressemeldung als PDF).

Wichtig zu wissen ist, dass eine Blutdruckmessung nicht jeden Tag
durchgeführt werden muss, auch nicht von Menschen, die an Bluthochdruck
erkrankt sind. Es reicht, einmal pro Monat an sieben aufeinanderfolgenden
Tagen zu messen, morgens und abends jeweils zwei Messungen. Dann soll aus
allen Werten (die Messungen von Tag 1 sollen verworfen werden, da sie
meist höher liegen) der Mittelwert berechnet werden. Liegt er unter dem
Zielwert, ist alles in Ordnung, liegt er darüber, sollte ärztlicher Rat
eingeholt werden.

Der Zielwert liegt lt. ESH-Leitlinie [2] bei älteren Menschen ab 65 Jahren
unter 140/80 mm Hg und bei Menschen zwischen 18 und 64 Jahren unter 130/80
mm Hg. Diese in den Leitlinien angegebenen Werte beziehen sich immer auf
die Messung in der Arztpraxis. Wer zu Hause misst, muss von beiden Werten,
dem oberen und dem unteren, jeweils 5 mm Hg abziehen.

„Mit der einen ‚Messwoche‘ pro Monat gibt die Leitlinie eine
alltagstaugliche Empfehlung, auch die Orientierung an einem Mittelwert aus
allen Messungen ist pragmatisch und sorgt dafür, dass ‚Ausreißer‘ nicht
überbewertet werden. Wir hoffen, dass viele Menschen dieser Empfehlung
folgen und auch die Gesundheitspolitik an die regelmäßige Messung
erinnert“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Hochdruckliga
abschließend.

[1] https://www.bio-m.org/fileadmin/Webdata/digimed/Dokumente/2023-11-08
-hke-impuls-d.pdf

[2] Mancia G et al. 2023 ESH Guidelines for the management of arterial
hypertension. The Task Force for the management of arterial hypertension
of the European Society of Hypertension: Endorsed by the International
Society of Hypertension (ISH) and the European Renal Association (ERA). J
Hypertens. 2023 Dec 1;41(12):1874-2071. doi: 10.1097/HJH.0000000000003480.
Epub 2023 Sep 26. PMID: 37345492.
[3] https://www.hochdruckliga.de/betroffene/blutdruckmessgeraete
[4] https://www.youtube.com/watch?v=YwYG_eiTn6s

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Gender- und altersspezifische Aspekte von Bluthochdruck

Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit. Dennoch tritt sie nicht in allen
Altersklassen gleich häufig auf, die Prävalenz steigt mit dem Alter. Auch
das Geschlecht spielt eine Rolle und führt zu einem unterschiedlichen
Risikoprofil. Viele verschiedene Faktoren begünstigen die Erkrankung,
einige liegen sogar vor der Geburt. Dennoch wird Bluthochdruck einem nicht
als unabwendbares Schicksal in die Wiege gelegt, sondern das Risiko für
Bluthochdruck lässt sich beeinflussen. Die Prävention sollte aber so früh
wie möglich beginnen.

Die arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) ist eine häufige Erkrankung. Die
Gesamtprävalenz beträgt etwa 30 Prozent, insgesamt sind in Deutschland
also 20–30 Millionen Menschen betroffen. Die Krankheitshäufigkeit ist
allerdings stark altersabhängig, die Zahl der Erkrankten steigt mit den
Lebensjahren. In jungen Jahren ist die Hypertonie (noch) sehr selten, nur
etwa 3 Prozent der Kinder sind betroffen, bei betagten Seniorinnen und
Senioren über 80 Jahren liegt die Rate bei bis zu 80 Prozent [1].

Bei den meisten Kindern besteht eine sog. sekundäre Hypertonie, also ein
Bluthochdruck, der Folge einer anderen Erkrankung ist. Erst mit dem
Schulalter und bei Jugendlichen tritt dann die primäre (essenzielle)
Hypertonie in den Vordergrund, ein Bluthochdruck, der „einfach so“
entsteht und nicht Folge einer anderen Krankheit ist.

Hypertonie – die Vorsorge kann nicht früh genug beginnen!
Das Blutdruckniveau im Kindes- und Jugendalter ist prädiktiv für die
Blutdruckgesundheit im Erwachsenenalter. Das bedeutet: Kinder mit
Hypertonie nehmen ihre hohen Blutdruckwerte meistens mit ins
Erwachsenenalter [2]. Die Schlussfolgerung, die Frau Prof. Elke Wühl,
Heidelberg, Kongresspräsidentin des 47. Wissenschaftlichen
Jahreskongresses der Deutschen Hochdruckliga 2023, daraus zieht, lautet:
„Man kann mit der Vorsorge nicht früh genug beginnen.“

Erst recht, wenn man weiß, dass es verschiedene Einflussfaktoren gibt, die
bereits vor der Geburt die Weichen auf „Bluthochdruck“ stellen können.
Dazu zählen ein niedriges Geburtsgewicht, Frühgeburtlichkeit, mütterliche
Risikofaktoren während der Schwangerschaft, wie z. B. eine Präeklampsie,
Bluthochdruck, Übergewicht oder Nikotinkonsum der Mutter, aber auch
genetische Faktoren. Dadurch, dass das kardiovaskuläre Risiko teilweise
intrauterin festgelegt wird, haben Kinder bereits bei ihrer Geburt
unterschiedliche Startpunkte, was ihre Gesundheitsperspektive angeht [3].
„Wer ungünstige Voraussetzungen hat und später nicht dagegenarbeitet, hat
ein großes Risiko, dass es zu frühzeitigen kardiovaskulären Ereignissen
kommt. „Gerade wenn es um die Themen gesunde Ernährung, Rauchentwöhnung
und Bluthochdruck geht, müssen wir junge Frauen dafür sensibilisieren,
dass sie damit nicht nur in die eigene, sondern auch in die Gesundheit
ihrer Kinder investieren“, erklärte Prof. Wühl. Die Kongresspräsidentin
verwies auch auf entsprechende Beiträge zum Thema „Hypertonie in der
Schwangerschaft“ auf dem Kongress, da immer noch Unsicherheit bzgl. der
Blutdruckeinstellung und Blutdrucktherapie in der Schwangerschaft bestehe.

Doch auch wenn das Risiko für Bluthochdruck bereits in die Wiege gelegt
wird, kann man trotzdem viel dagegen tun, betonte Prof. Wühl. „Durch
äußere Umstände kann die Aktivierung des Erbguts beeinflusst werden, man
nennt das Phänomen epigenetische Modifikation. Wir können mit der
richtigen Lebensführung Einfluss darauf nehmen, ob eine bestimmte
Erbinformation vermehrt oder vermindert ausgelesen wird.“ Für das
Hypertonierisiko heißt das: Wer vorbelastet ist, kann z. B. durch
Ernährung und Bewegung gegensteuern.

Ein weiteres Thema auf dem Kongress ist daher auch die kardiovaskuläre
Prävention bei Kindern und Jugendlichen, u. a. wird die neue AWMF-
Leitlinie [4] diskutiert. Da mit Zunahme der Prävalenz von Übergewicht
auch das Hypertonierisiko bei Kindern zunimmt, ist es wichtig, frühzeitig
gegenzusteuern. Zu den Kernempfehlungen gehören u. a. ausreichend
körperliche Bewegung, eine gesunde Ernährung (mit 2–3 Portionen Gemüse und
Obst pro Tag), ausreichend Schlaf (9–12 Stunden) sowie ein auf 30–60
Minuten täglich begrenzter Medienkonsum.

Auch syndromale Erkrankungen, wie z. B. das Turner-Syndrom, sowie
genetische Krankheiten, die zu einer Hypertonie führen können, sind
Gegenstand des Kongresses. Denn oft ist unklar, welche Diagnostik
erforderlich ist. Perspektivisch ist eine genaue Diagnose wichtig, da
zielgerichtet behandelt werden sollte. „Bei monogenetischen
Bluthochdruckerkrankungen sehen wir beispielsweise, dass die klassischen
Antihypertensiva gar nicht wirken. Zum Beispiel beim Liddle-Syndrom: Dabei
handelt es sich um einen Bluthochdruck aufgrund einer Funktionsstörung der
Nierenkanälchen, die mit einem Diuretikum wie Amilorid behandelt werden
sollte.“

Genderspezifische Aspekte von Bluthochdruck
Die Hypertonieprävalenz ist außer vom Alter auch abhängig vom Geschlecht.
In jungen Jahren sind deutlich mehr Männer als Frauen betroffen, doch in
den mittleren Lebensjahren holen die Frauen auf. Nach den Wechseljahren
sind gleich viele Frauen wie Männer betroffen, im höheren Alter sind dann
sogar die Frauen in der Überzahl [1].

Man unterscheidet zwischen biologischem Geschlecht (engl. „sex“) und
sozialem Geschlecht („gender“) – und beide können Einfluss auf die
Entstehung und den Verlauf kardiovaskulärer Erkrankungen nehmen. Während
das biologische Geschlecht Frauen sogar einen Vorteil verschafft – sie
haben bis zum 75. Lebensjahr z. B. weniger Gefäßverkalkungen als Männer
und weniger kardiovaskuläre Risikofaktoren –, sind es die „Gender-
Faktoren“, die das Pendel in die andere Richtung ausschlagen lassen: Die
Krankheitspathophysiologie ist bei Frauen schlechter untersucht, die
Diagnose- und Behandlungsstrategien sowie die medikamentösen Therapien
sind oft nicht auf Frauen ausgelegt. Daher erhalten Frauen immer wieder
eine schlechtere medizinische Behandlung mit weniger invasiven und
intensivmedizinischen Behandlungen [5]. Auch die Studien zu den
etablierten Bluthochdruckmedikamenten sind an mehr männlichen Patienten
als weiblichen Patientinnen durchgeführt worden. „Wir streben eine
personalisierte Medizin an, haben aber lange Zeit nicht einmal nach
Geschlecht differenziert. Zum Glück hat hier nun ein Umdenken eingesetzt“,
erklärte Prof. Elke Wühl abschließend.

[1] Versorgungsatlas.de; Diagnoseprävalenz der Hypertonie in der
vertragsärztlichen Versorgung.
[2] Theodore RF, Broadbent J, Nagin D et al. Childhood to Early-Midlife
Systolic Blood Pressure Trajectories: Early-Life Predictors, Effect
Modifiers, and Adult Cardiovascular Outcomes. Hypertension
2015;66(6):1108-15
[3] Kruger R, Gafane-Matemane LF, Kagura J. Racial differences of early
vascular aging in children and adolescents. Pediatr Nephrol
2021;36(5):1087-1108
[4] S2k-Leitlinie „Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen im Kindes- und
Jugendalter“. AWMF-Registernummer 023–049. Abrufbar unter:
https://www.awmf.org/service/awmf-aktuell/praevention-kardiovaskulaerer-
erkrankungen-im-kindes-und-jugendalter

[5] Regitz-Zagrosek V, Gebhard C. Gender medicine: effects of sex and
gender on cardiovascular disease manifestation and outcomes. Nat Rev
Cardiol 2023;20(4):236-247

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Eine frühe Diagnose kann den Unterschied machen: Neue S3-Leitlinie Demenz erschienen

1,6 Millionen Menschen sind in Deutschland aktuell an einer Demenz
erkrankt. Ihnen die optimale Therapie zu ermöglichen, ist das Ziel der
jetzt neu erarbeiteten Behandlungsempfehlungen. Die neue S3-Leitlinie
Demenzen wurde unter gemeinsamer Federführung von DGN und DGPPN
erarbeitet. Sie umfasst insgesamt 109 Empfehlungen zur Diagnostik und
Behandlung von Demenzen.

Oft betrifft eine Demenz zunächst das Gedächtnis – erst das Kurz- und dann
das Langzeitgedächtnis. Betroffene haben aber auch Probleme mit
Aufmerksamkeit, Sprache, Denkvermögen und Orientierungssinn. Aktuell sind
1,6 Millionen Menschen in Deutschland an einer Demenz erkrankt, bis zum
Jahr 2050 könnten es 2,8 Millionen sein. Mit einem Anteil von etwa 65 %
ist die Alzheimer-Krankheit die häufigste Form der Demenz. Etwa 15% sind
vaskulär, d. h. gefäßbedingt. Bei einem Teil der Betroffenen liegt eine
Kombination dieser Erkrankungen vor. Seltener sind frontotemporale
Demenzen, sie betreffen meist Personen, die jünger sind als 65 Jahre.

Eine Demenz ist nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die
Angehörigen eine große Belastung. Sie ist nicht heilbar. Mit der optimalen
medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Versorgung kann ihr
Fortschreiten aber verlangsamt und die Lebensqualität der Betroffenen und
ihrer Angehörigen verbessert werden.

Wissenschaftlich basierte Therapieempfehlungen

Die jetzt neu erschienene S3-Leitlinie Demenzen fasst die Empfehlungen für
eine optimale Versorgung zusammen. Sie wurde unter gemeinsamer
Federführung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der
Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik
und Nervenheilkunde (DGPPN). Dafür wurden alle relevanten Untersuchungen
und Studien zum Thema zusammengetragen und gesichtet. Mehr als 30
Delegierte aller Fachrichtungen sowie Angehörige und Betroffene haben die
Ergebnisse anschließend diskutiert und gemeinsame Empfehlungen formuliert.

„Die neue Leitlinie macht umfassende Empfehlungen für die ganzheitliche
Behandlung der erkrankten Menschen“, erläutert der Psychiater Prof. Dr.
Frank Jessen, der für die DGPPN als Koordinator an den Leitlinien
gearbeitet hat. „Die Empfehlungen berücksichtigen biologische,
psychologische und soziale Aspekte und richten sich mit Hinweisen zu
Diagnostik, Therapie, Betreuung und Beratung an alle Fachleute, die mit
Menschen mit Demenzen zu tun haben, sowie an Betroffene und Angehörige.“

Frühe Behandlung dank früher Diagnose

Die wichtigste Neuerung der Leitlinie ist Frank Jessen zufolge die
Möglichkeit, die Diagnose bereits in einem früheren Stadium der Erkrankung
zu vergeben. „Bislang musste für die Diagnose Demenz die Selbstständigkeit
der Menschen deutlich beeinträchtigt sein, was eine echte Frühdiagnostik
erschwert. Mit der Diagnose der leichten kognitiven Beeinträchtigung, des
‚mild cognitive impairment bei einer Alzheimer-Krankheit‘, können wir den
Betroffenen künftig deutlich früher Behandlungsangebote machen und so
hoffentlich das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.“

Um diese Diagnose zu stellen, muss aber gesichert sein, dass die
Beeinträchtigung tatsächlich auf die Alzheimer-Krankheit zurückzuführen
ist. Die neue Leitlinie empfiehlt, dafür u. a. per Liquordiagnostik
Biomarker zu bestimmen. Der Neurologe Prof. Dr. Richard Dodel, für die DGN
Koordinator  der Leitlinie, erläutert: „Über die Rückenmarksflüssigkeit
können Pathologien im Bereich der Amyloide und der Tau-Proteine
nachgewiesen werden, die ursächlich für die Alzheimer-Erkrankung sind. So
kann Alzheimer diagnostiziert werden, auch wenn die Symptomatik noch nicht
voll ausgeprägt ist.“

Digital und dynamisch

Die neue Leitlinie wird erstmals nicht nur als Textdokument
veröffentlicht, sondern auch in digitaler Form in der nicht kommerziellen
Web-Plattform „MAGICapp“. Via „MAGICapp“ werden aktuell schon mehr als 200
internationale Leitlinien präsentiert. Die digitale Darstellung ermöglicht
es allen Interessierten, unmittelbar auf die Leitlinie und jede einzelne
Empfehlung zuzugreifen. Auch die Studien, die den Empfehlungen zugrunde
liegen, können direkt aus der App aufgerufen werden. Ein weiterer Vorteil
der digitalen Leitlinie: Neue Erkenntnisse können in die Empfehlungen
schnell aufgenommen werden, sobald ihre Wirksamkeit nachgewiesen ist.

Betroffene können dann künftig schon früher mit neuartigen Therapien
behandelt werden. Die Haupt-Autoren der Leitlinie, Frank Jessen und
Richard Dodel, sind zuversichtlich, dass auch die derzeit rasanten
Fortschritte in der Diagnostik und Behandlung der Alzheimer-Demenz schon
bald in die digitale Leitlinie einfließen werden.

Hintergrund

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik
und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN)

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,
Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) ist die größte deutsche
medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft auf dem Gebiet der
psychischen Gesundheit. Sie bündelt die Kompetenzen von mehr als 11.200
Fachärztinnen und Fachärzten, Therapeutinnen und Therapeuten sowie
Forschenden. Die DGPPN vertritt die Interessen ihrer Mitglieder in
Versorgung, Wissenschaft, Lehre, Aus-, Fort- und Weiterbildung und bringt
sich aktiv in die Gesundheitspolitik ein. Immer steht die ganzheitliche
Sicht auf den Menschen mit allen individuellen psychischen, körperlichen
und sozialen Aspekten im Zentrum. Die Fachgesellschaft engagiert sich in
der Erforschung psychischer Erkrankungen, stellt hierzu Netzwerke zum
Austausch bereit und informiert über die neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnisse – unter anderem beim DGPPN Kongress, der jährlich im November
in Berlin stattfindet. Darüber hinaus gibt die DGPPN Leitlinien zur
Sicherung der Qualität bei der Diagnostik und Therapie psychischer
Erkrankungen heraus und entwickelt Richtlinien für ethisches Verhalten in
Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)

sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der
gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren 12.000 Mitgliedern die
neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu
verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre,
Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der
gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden
gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

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