Fallserie im Deutschen Ärzteblatt zeigte keinen Effekt der Immunadsorption bei Long-/Post-COVID
Wenn Long-/Post-COVID, wie u. a. vermutet wird, von einer überschießenden
Immunreaktion ausgeht, könnte die Immunadsorption, ein Verfahren, das
krankheitsauslösende Antikörper entfernt, eine wirksame Therapie
darstellen. Eine Fallserie [1] aus Jena zeigte keinen Effekt. Allerdings
handelte es sich dabei nicht um eine beweisbringende Studie, wie sie
derzeit an mehreren Universitätsstandorten durchgeführt werden. Solange
die Ergebnisse dieser Erhebungen nicht vorliegen, gibt es keinen
Wirkungsnachweis für das Verfahren. Die DGfN bekräftigt daher ihre
Empfehlung aus dem Vorjahr, Immunadsorptionsbehandlungen nicht außerhalb
von klinischen Studien durchführen zu lassen.
Die Immunadsorption gehört zu den Blutreinigungsverfahren, die in der
Regel von Nephrologinnen und Nephrologen durchgeführt werden. Bei dieser
Therapie werden Antikörper bzw. Autoantikörper aus dem Blut entfernt, die
in Verdacht stehen, Krankheiten bzw. Krankheitssymptome zu verursachen.
Die Ursache des Long-/Post-COVID-Syndroms, das sich häufig durch eine
Erschöpfung (sog. Fatigue) äußert und die Lebensquaität der Betroffenen
stark einschränkt, ist nach wie vor nicht bekannt. Vermutet wird neben
chronischen Entzündungsgeschehen im Körper auch eine Bildung von
Antikörpern gegen G-Protein-gekoppelte Neurotransmitterrezeptoren als
Erklärung der rätselhaften Krankheit. Rationale verschiedener Studien ist
daher, die Wirksamkeit der Immunadsorption bei Long-/Post-COVID zu testen.
Derzeit laufen an verschiedenen Kliniken (z.B. Universitätsmedizin Mainz)
randomisierte Studien mit einem Vergleichsarm, bei dem auch ein
„Scheinverfahren“ durchgeführt wird.
„Diese sog. verblindeten und randomisierten Studien sind außerordentlich
wichtig, da nur sie beweisbringend sind. Denn nur bei diesem Studiendesign
kann kein ‚Placeboeffekt‘ zum Tragen kommen, der das Ergebnis verfälscht“,
erklärt Prof. Dr. Julia Weinmann-Menke, Pressesprecherin der Deutschen
Gesellschaft für Nephrologie (DGfN). „Das Problem: Die Durchführung
solcher Studien dauert lange, erste Ergebnisse werden wir nicht vor Ende
des Jahres haben.“
Solange rät die DGfN – wie auch verschiedene andere medizinische
Fachgesellschaften – Betroffenen davon ab, außerhalb von klinischen
Studien Immunadsorptionsverfahren durchführen zu lassen, die sie dann in
der Regel aus eigener Tasche bezahlen müssen. „Derzeit gibt es keinen
Beleg für die Wirksamkeit des Verfahrens“, erklärt Weinmann-Menke.
Eine Immunadorption könnte womöglich auch gar nicht helfen. In der
aktuellen Printausgabe des Deutschen Ärzteblatts wurde eine Fallserie von
Jenaer Nephrologinnen und Nephrologen veröffentlicht, die bereits Ende
März online publiziert worden war [1]. Die Serie zeigte, dass die Therapie
mit fünf Immunadsorptionsbehandlungen zwar die Antikörperspiegel
reduzierte, aber nicht lange: nach einem Follow-up von vier Wochen lagen
diese erneut über dem Referenzwert. Was besonders entmutigte: weder
unmittelbar nach den Behandlungen noch vier Wochen später zeigte sich eine
eine klinisch relevante Veränderung der physischen und psychischen
Gesundheit der Betroffenen.
„Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass es sich dabei nur um eine
Fallserie handelt, die per se keine Beweiskraft hat. Hinzu kommt, dass die
Behandlung in dieser Serie nur bei zehn Patientinnen und Patienten
durchgeführt wurde. Zudem gibt es auch positive Einzelfallberichte, die
Datenlage ist derzet also höchst heterogen. Daher möchten und können wir
kein abschließendes Urteil über die Wirksamkeit des Verfahrens fällen,
sondern müssen die Ergebnisse der großen randomisierten,
placebokontrollierten Studien abwarten“, so das Fazit der Mainzer
Nephrologin und DGfN-Pressesprecherin.
[1] Ruhe J, Giszas B, Schlosser M et al. Immunadsorption zur Therapie des
Fatigue-dominanten Long-/Post-COVID-Syndroms. Dtsch Arztebl International,
DOI 10.3238/arztebl.m2023.0073.
Abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/int
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