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Leitlinie Handekzem: Schweregradeinteilung und Therapie-Stufenschema aktualisiert Ausblick auf Potenziale moderner topischer und systemischer Therapeutika

Handekzeme sind häufige entzündliche Hauterkrankungen, die nicht
nur das individuelle Wohlbefinden der Betroffenen einschränken, sondern
oft auch Auswirkungen auf den Beruf haben. Das Handekzem ist die Nummer 1
unter den Berufskrankheiten. Subtypen erkennen, Schweregrad einstufen, die
richtige Therapie und ursachenbezogene Präventionsmaßnahmen einleiten –
das sind die Themen der S2k-Leitlinie „Diagnostik, Prävention und Therapie
des Handekzems“, die unter der Federführung der Deutschen Dermatologischen
Gesellschaft e. V. (DDG) entstanden ist.

Die Schweregradeinteilung und das Stufenschema zur Therapie stehen
besonders im Fokus der aktualisierten Leitlinie. Neue medikamentöse
Behandlungsansätze mit Biologika und „kleinen Molekülen“ und ihre
vielversprechenden Behandlungsmöglichkeiten werden vorgestellt.

Das Handekzem (HE) gehört zu den häufigsten entzündlichen
Hauterkrankungen. 9,1 % der Gesamtbevölkerung sind betroffen (1-Jahres
Prävalenz). Zu den Auslösern/Ursachen gehören wiederholte Schädigungen der
Hautbarriere durch hautreizende und allergieauslösende Stoffe, die in die
Haut eindringen und ein Ekzem auslösen. Es gibt auch eine genetische
Komponente.

Die Haut an den Händen und Handgelenken ist gerötet, es juckt und
schmerzt. Hautrisse, Schwellungen, Bläschen und Entzündungen mit nässenden
Läsionen, die dann Krusten bilden, beeinträchtigen Beruf und Freizeit.
„Für die Betroffenen sind diese Symptome sehr einschränkend und belastend,
denn die Hände sind unsere wichtigsten Werkzeuge. Daher ist es nicht
überraschend, dass das Handekzem eine der verbreitetsten Berufskrankheiten
ist und es die Statistik der gesetzlichen Unfallversicherung anführt“,
sagt Prof. Dr. med. Andrea Bauer, Oberärztin an der Klinik und Poliklinik
für Dermatologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden. Zu
den besonders risikoreichen Branchen mit viel „Feuchtarbeit“ gehören
beispielsweise das Gesundheitswesen, das Friseurgewerbe, die
Metallindustrie, Reinigungsbetriebe oder Berufe in der
Nahrungsmittelindustrie und der Gastronomie.

Der Schweregrad des HE reicht von sehr leichter Ausprägung bis zu schweren
chronischen und schmerzhaften Verläufen, die zu langen Krankschreibungen
und Verlust des Arbeitsplatzes führen können. „Das chronische Handekzem
hat eine hohe gesundheitsökonomische und sozialmedizinische Bedeutung“,
erklärt Bauer, Leitlinienkoordinatorin und stellvertretende Vorsitzende
der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie in der DDG.

In der aktualisierten Leitlinie, die sich in die Bereiche Klassifikation,
körperliche Untersuchung und Diagnostik, Expositionsbewertung, Prävention
sowie Therapie gliedert, werden zwei Aspekte besonders akzentuiert. Die
Definition des Schweregrades und der Chronizität (was für die Auswahl der
Therapieoptionen und den Prozess der Anerkennung als Berufskrankheit
relevant ist) und das Stufenschema der Therapie. „Zur Bewertung der
Handekzemschwere bieten sich ergänzend der sogenannte Hand eczema severity
index (HECS)-Score oder der validierte Photographic guide an“, erläutert
Bauer.

Zur Behandlung des Handekzems stehen zahlreiche topische, physikalische
und systemische Therapieoptionen zur Verfügung, die sich am Schweregrad
orientieren. Einen kompakten Überblick gibt eine Abbildung mit den
wichtigsten Therapieempfehlungen. Topische Glukokortikosteroide mit
niedrigem atrophogenem Potential sind Therapie der ersten Wahl beim
leichten HE (Stufe 1) und beim mittelschweren bis schweren HE (Stufe 2).
Empfohlen wird von den Leitlinienautorinnen und -autoren eine einmal
tägliche Behandlung mit Glukokortikoiden. Sie ist ausreichend und
möglicherweise sogar einer zweimal täglichen Anwendung überlegen. Es habe
sich zudem gezeigt, dass die Wirksamkeit einer systemischen Behandlung mit
Alitretinoin durch eine zusätzliche topische Therapie mit Glukokortikoiden
gesteigert wird. Der Wirkstoff Alitretinoin wird seit Jahren erfolgreich
als orale Therapie bei Stufe 2 und Stufe 3 (persistierendes mittelschweres
und schweres Handekzem) eingesetzt.

In der Leitlinie wird zudem ein Ausblick auf zukünftige medikamentöse
Therapieoptionen gegeben. „Die ersten Ergebnisse aus den Phase III Studien
mit Biologika (Anti IL-4/IL-13 Antikörper) in der Indikation atopisches
Hand- und Fußekzem und topischen JAK-Inhibitoren in der Indikation
chronisches Handekzem sind vielversprechend“, betont Bauer. Hier eröffnen
sich neue Behandlungsmöglichkeiten des atopischen und chronischen HE.
Eine Wirksamkeit von Anti-IL-13 Antikörpern beim atopischen Handekzem und
systemische Jak-Inhibitoren beim atopischen und chronischen Handekzem ist
aufgrund der Wirkprinzipien ebenfalls zu erwarten, aber bisher nicht mit
ausreichender Evidenz belegt.

„Wir erhoffen wir uns von der Leitlinie, dass sie hilft, die
Lebensqualität der Patientinnen und Patienten mit Handekzem zu
verbessern“, ergänzt Prof. Dr. med. Silke Hofmann, Chefärztin des Zentrums
für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie, HELIOS
Universitätsklinikum Wuppertal. Für die Beauftragte der DDG-Medienarbeit
ist es zudem denkbar, dass die Krankheitslast insgesamt zurückgeht, da die
Arbeitsfähigkeit von Patientinnen und Patienten mit Handekzem durch eine
leitliniengerechte Therapie gesteigert werden kann und krankheitsbedingte
Fehlzeiten abnehmen.

Die Aktualisierung erfolgte auf Grundlage der europäischen Leitlinie
„Guidelines for diagnosis, prevention and treatment of hand eczema“ aus
dem Jahr 2022. Beteiligt waren neben der DDG, die Arbeitsgemeinschaft für
Berufs- und Umweltdermatologie (ABD) in der DDG, die Deutsche Gesellschaft
für Allergologie und klinische Immunologie e.V. (DGAKI), die Deutsche
Kontaktallergie-Gruppe e. V. (DKG) der DDG, der Berufsverband der
Deutschen Dermatologen (BVDD) und der Ärzteverband Deutscher Allergologen
(AeDA).

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Literatur:
Bauer A et al. S2k-Leitlinie Diagnostik, Prävention und Therapie des
Handekzems. https://derma.de/fileadmin/user_upload/Leitlinien/013
-053l_S2k_Diagnostik-Praevention-Therapie-Handekzem_2023-05.pdf

Bauer, A, Worm, M. Neue Leitlinie und neue Therapiemöglichkeiten beim
Handekzem. Dermatologie 74, 425–429 (2023).
https://doi.org/10.1007/s00105-023-05143-4

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Neuer Therapieerfolg bei Alzheimer – dennoch bleibt die Prävention wichtig

Eine gestern in JAMA publizierte Studie zeigt: Donanemab kann die
Progression der Alzheimer-Erkrankung um 35 Prozent verlangsamen. Besonders
gut scheint die Therapie in den sehr frühen Krankheitsstadien zu wirken,
was die Frage nach einfach handhabbaren Alzheimer-Frühtests aufwirft. Doch
auch die neue Therapie ist nicht nebenwirkungsfrei und darüber hinaus
müsse eine gesamtgesellschaftliche Debatte über die Kosten geführt werden.
Nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) bleibt die
Prävention eine wichtige Säule im Kampf gegen Alzheimer: 40 Prozent der
Erkrankungsfälle könnten dadurch verhindert werden.

Angesichts des demographischen Wandels ist die Demenz ein wachsendes
Gesundheitsproblem in unserer Gesellschaft. In Deutschland gibt es
jährlich ungefähr 244.000 Neuerkrankungen [1]. Die Demenz-Prävalenz nimmt
mit dem Lebensalter zu: Bis zu 10% der über 65-Jährigen und bis zu 40% der
über 80-Jährigen leiden an einer Demenz [2]. Demenzen sind chronisch-
neurodegenerative Erkrankungen, die zu kognitiven Störungen,
Verhaltensauffälligkeiten und anderen, beispielsweise neuropsychiatrischen
Symptomen, führen. Die Mehrzahl der Betroffenen, etwa 70-80%, hat eine
Alzheimer-Erkrankung (AD), die typischerweise durch spezielle
neuropathologische Merkmale nachweisbar ist. Dies sind eiweißhaltige
Ablagerungen (Proteinaggregate) im Gehirn, sogenannte Alzheimer-Plaques
aus Beta-Amyloid sowie Alzheimer-Fibrillen (Fasern) aus Tau-Protein. Diese
Ablagerungen bilden Angriffspunkte neuer Therapien, sei es mit Antikörpern
oder „small molecules“. Erste Antikörper sind bereits in USA auf dem Markt
und zugelassen. „Die Wirkstoffe sind wirksam, aber bisher hatten wir noch
nicht das Gefühl, dass sie echte ‚Gamechanger‘ im Bereich der
Alzheimertherapie sind. Der Nutzen war oft nicht so hoch wie erhofft und
die Nebenwirkungen mitunter beträchtlich“, erklärt Prof. Dr. Lars
Timmermann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN).

Nun scheint sich das Blatt zu wenden. Gestern erschien eine Phase-III-
Studie zu Donanemab [3], die eine hohe Effizienz dieses Antikörpers
zeigte, der sich gegen Beta-Amyloid richtet. 1.736 Patientinnen und
Patienten im Alter von durchschnittlich 73 Jahren wurden randomisiert und
erhielten über einen Zeitraum von 72 Wochen verblindet alle vier Wochen
intravenös den Antikörper oder ein Placebo. Die Patientinnen und Patienten
waren im Frühstadium der Erkrankung, sie wiesen bei Einschluss in die
Studie nur leichte klinische Alzheimersymptome (milde kognitive
Einschränkungen) auf sowie bildgebend Beta-Amyloid-Ablagerungen und eine
Tau-Pathologie (unterteilt in Gruppen: mild/medium und hoch). Die Amyloid-
Pathologie wurde mittels 18F-Florbetapir13- oder 18F-
Florbetaben14-Positronenemissionstomographie (PET), die Tau-Pathologie
mittels 18F-Flortaucipir-PET erfasst.  Der primäre Endpunkt war der
Unterschied im Ergebnis auf der „integrated Alzheimer Disease Rating
Scale“ (iADRS), eine Skala, die sich besonders für die Erfassung der
Progression in frühen Demenzstadien eignet [4].

Im Ergebnis zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen den
Gruppen: In der gesamten Studienpopulation hatte der Wert auf der iARDS in
der mit Donanemab behandelten Gruppe in Woche 76 um 10,2 abgenommen, in
der Placebogruppe um 13,1 (p < 0,001). Betrachtete man nur die
Patientinnen und Patienten mit geringer und mittlerer Tau-Pathologie, war
der Unterschied sogar noch etwas höher: Die Abnahme auf der Skala betrug
6,02 in der Verumgruppe und 9,27 unter Placebo. Somit konnte die
Progression der Erkrankung um 35,1% verlangsamt werden.

Auch verschiedene sekundäre Endpunkte bestätigten den Therapievorteil: Die
Amyloid-Plaques verringerten sich (87,0 Centiloide in der Donanemab-Gruppe
gegenüber 0,67 in der Placebogruppe). Betrachtete man nur die Patientinnen
und Patienten mit zum Studieneinschluss geringer und mittlerer Tau-
Pathologie, zeigte sich unter der Antikörper-Therapie ein deutlicher
Rückgang der Amyloid-Plaques, während diese in der Placebogruppe zunahmen.
Auf die Tau-Pathologie hatte die Therapie keinen Einfluss.

„Wir haben nun den Nachweis, dass die Amyloid-Plaques ein ‚driver‘ der
Erkrankung und damit ein klinisch effektives Therapietarget sind und nicht
nur ein ‚Begleitprodukt‘ der Alzheimer-Pathogenese. Die klinische
Befundung der Patientinnen und Patienten und die Biomarkerbefunde stimmen
überein“, erklärt Prof. Lars Timmermann. „Eine weitere wichtige Erkenntnis
ist, dass insbesondere Betroffene in frühen Erkrankungsstadien von der
Therapie profitieren.“ Wie der Experte weiter ausführt, mache das
deutlich, wie wichtig Biomarker für das frühe Erkennen der Erkrankung
seien. „Es ist nun wichtig, dass wir zeitnah einen Frühtest, vorzugsweise
einen einfachen Bluttest, auf Alzheimer bekommen.“ Erste Tests sind
bereits für die Anwendung in klinischen Studien zugelassen, ein Test wurde
von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität in Bochum
entwickelt: Er erkennt erste Fehlfaltungen den Beta-Amyloid bereits, bevor
es zu den krankheitsauslösenden Ablagerungen kommt und hat somit
prognostischen Wert, wie eine kleinere Studie zeigte [5]. Derzeit befindet
sich der Test in der Evaluierung anhand von größeren Kohorten. „Wenn wir
einen validen Frühtest haben, der sich auch für Massen-Screenings eignet,
und eine Therapie, die in den Frühstadien hocheffektiv ist, kann das die
Alzheimer-Therapie revolutionieren“, freut sich der DGN-Präsident.
Allerdings gibt er zu bedenken, dass auch andere Ursachen als Amyloid-
Ablagerungen zur Krankheitsprogression beitragen können. „Die Alzheimer-
Krankheit ist mit dieser Therapie noch nicht heilbar.“

Darüber hinaus gibt es auch noch Herausforderungen zu lösen: So ist die
Therapie nicht nebenwirkungsfrei. In der Behandlungsgruppe traten drei
Todesfälle auf, die im Zusammenhang mit der Therapie stehen (vs. einem
Todesfall in der Placebogruppe). Auffällig häufiger ließen sich bildgebend
kleine Hirnblutungen (sog. zerebrale Mikrohämorrhagien) nachweisen - mit
26,8 Prozent in der Verumgruppe und 12,5 Prozent in der Placebogruppe.

„Eine weitere Limitation im klinischen Alltag werden die hohen
Therapiekosten sein“, erklärt DGN-Generalsekretär Prof. Dr. Peter Berlit.
„Angesichts der hohen und aufgrund des demographischen Wandels noch weiter
ansteigenden Prävalenz stellt sich die Frage, wie und ob unser
Gesundheitssystem einen flächendeckenden Einsatz finanzieren kann und
will. Dazu brauchen wir einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs auf
wissenschaftlicher Basis, den unsere Fachgesellschaft gern begleitet.“

Wie der Experte betont, dürfe die Aussicht auf eine erfolgreiche Therapie
auf keinen Fall das Bemühen um die Prävention behindern. Etwa 40 % aller
Demenzerkrankungen könnten vermieden oder ihr Fortschreiten verlangsamt
werden, wenn die entsprechenden Lebensstilfaktoren angegangen würden. Dazu
gehören vor allem eine ausgewogene, bevorzugt mediterrane Ernährung, die
Vermeidung von Übergewicht, die Gesunderhaltung der Darmflora, regelmäßige
geistige, körperliche und soziale Aktivität, Erhalt bzw. Korrektur des
Hörvermögens durch ein Hörgerät, ein erholsamer Schlaf, die Vermeidung von
übermäßigem Stress, ein Blutdruck im Normalbereich und der maßvolle Umgang
mit organ- und hirnschädigenden Substanzen wie Alkohol und Nikotin. „Die
DGN versucht gemeinsam mit der Deutschen Hirnstiftung, diese wichtige
Präventionsbotschaft in der Bevölkerung verankern. Am kommenden Samstag
ist ‚Brain Health Day‘ [6], und mit weltweiten Aktionen soll die
Gehirngesundheit stärker in den Mittelpunkt gerückt werden.“

Literatur
[1] Deuschl G, Maier W et al. S3-Leitlinie Demenzen. 2016. In: Deutsche
Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie
in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am
18.07.2023)
[2] Hacke, Werner (Hrsg.) Neurologie. Springer-Verlag 2016. S. 648 ff.
[3] Sims JR, Zimmer JA, Evans CD, Lu M, Ardayfio P, Sparks J, Wessels AM,
Shcherbinin S, Wang H, Monkul Nery ES, Collins EC, Solomon P, Salloway S,
Apostolova LG, Hansson O, Ritchie C, Brooks DA, Mintun M, Skovronsky DM;
TRAILBLAZER-ALZ 2 Investigators. Donanemab in Early Symptomatic Alzheimer
Disease: The TRAILBLAZER-ALZ 2 Randomized Clinical Trial. JAMA. 2023 Jul
17. doi: 10.1001/jama.2023.13239. Epub ahead of print. PMID: 37459141.
[4] Wessels AM, Andersen SW, Dowsett SA, Siemers ER. The Integrated
Alzheimer's Disease Rating Scale (iADRS) Findings from the EXPEDITION3
Trial. J Prev Alzheimers Dis. 2018;5(2):134-136. doi:
10.14283/jpad.2018.10. PMID: 29616706.
[5] Stockmann J, Verberk IMW, Timmesfeld N, Denz R, Budde B, Lange-
Leifhelm J, Scheltens P, van der Flier WM, Nabers A, Teunissen CE, Gerwert
K. Amyloid-β misfolding as a plasma biomarker indicates risk for future
clinical Alzheimer's disease in individuals with subjective cognitive
decline. Alzheimers Res Ther. 2020 Dec 24;12(1):169. doi:
10.1186/s13195-020-00738-8. Erratum in: Alzheimers Res Ther. 2021 Jan
15;13(1):25. PMID: 33357241; PMCID: PMC7761044.
[6] https://hirnstiftung.org/2023/07/world-brain-day-2023-praevention-ist-
das-a-o-des-brain-health-konzepts/


Pressekontakt
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
c/o Dr. Bettina Albers, albersconcept, Jakobstraße 38, 99423 Weimar
Tel.: +49 (0)36 43 77 64 23
Pressesprecher: Prof. Dr. med. Peter Berlit
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der
gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren über 11.500 Mitgliedern die
neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu
verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre,
Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der
gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden
gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

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Neue Hypertonie-Leitlinien: Was bedeuten sie für die Bluthochdruck- Behandlung?

Zielwerte, individuelles Risikoprofil, Krankheitsstadium: Herzstiftungs-
Experte ordnet Neuerungen der neuen Leitlinien für Betroffene mit
Bluthochdruck ein

Bluthochdruck ist einer der wesentlichen Risikofaktoren für Herz- und
Gefäßerkrankungen. So kann ein dauerhaft unzureichend oder nicht
behandelter Bluthochdruck zu Herzerkrankungen wie Herzschwäche und
Vorhofflimmern oder zu schwerwiegenden Komplikationen wie Gehirnblutung,
Schlaganfall, Herzinfarkt oder Nierenversagen führen. Über 20 Millionen
Menschen haben in Deutschland einen hohen Blutdruck, etwa jeder dritte
Erwachsene. Zwar ist die gesundheitliche Gefahr, die von dauerhaft
erhöhten Werten ausgeht, hinlänglich bekannt. Dennoch ist die Zahl derer,
die ihren Blutdruck kontrollieren und ihre Werte kennen, vergleichsweise
gering. In Deutschland schätzen Experten, dass das etwa bei jedem fünften
Erwachsenen der Fall ist. Neue Leitlinien der Europäischen Gesellschaft
für Hypertonie (ESH) [1], die im Juni 2023 vorgestellt wurden,
berücksichtigen die individuellen Aspekte einer Hochdrucktherapie, z. B.
die Einteilung nach Krankheitsstadien des Bluthochdrucks oder eine
Vereinfachung der Blutdruckzielwerte, die es den Patienten erleichtert,
therapeutische Maßnahmen für ihren Schutz vor Komplikationen besser
nachzuvollziehen und zu akzeptieren. „Das ist wichtig. Denn zum einen
verursacht Bluthochdruck zunächst einmal keine Beschwerden, Stichwort
,stiller Killer‘. Zum anderen, sind Patienten oft verunsichert, wenn sie
die Diagnose Bluthochdruck erhalten“, betont Prof. Dr. Thomas Voigtländer,
Vorstandsvorsitzender der Herzstiftung und Ärztlicher Direktor des
Agaplesion Bethanien-Krankenhauses Frankfurt am Main, in einer Einordnung
der neuen Hypertonie-Leitlinien unter https://herzstiftung.de/leitlinie-
hypertonie-2023
„Die neuen Leitlinien geben konkrete Antworten auf häufige
Fragen wie: Ab welchen Blutdruckwerten sollte ich tatsächlich Medikamente
nehmen? Und auf welchen Wert muss mein Blutdruck möglichst sinken, damit
das Herz effektiv geschützt ist?“

Pragmatische Zielsetzung erleichtert die Kommunikation
Insgesamt ähneln die neuen Empfehlungen den bisherigen. Doch die
Blutdruckzielwerte wurden zum Beispiel vereinfacht. Ganz pragmatisch gilt
nun offiziell die Empfehlung, dass jeder Patient, jede Patientin im Alter
zwischen 18 und 79 Jahren auf Werte unter 140 mmHg systolisch und 90 mmHg
diastolisch (mmHg: Millimeter-Quecksilbersäule) eingestellt werden sollte.
Diese Empfehlung gilt auch für Patienten über 80 Jahre, wenn das vertragen
wird. Denn damit könnte die bluthochdruckbedingte Gesundheitsgefahr
insgesamt deutlich verringert werden, betonen die Leitlinien-Autoren. Die
Empfehlung kommt somit der Behandlungsrealität nahe und dient als eine Art
Zielkorridor, der Anpassungen an die individuelle Situation eines
Patienten durchaus zulässt. Denn das heißt nicht, dass niedrigere Werte
nicht gut wären. Als bestätigt gilt ein Bluthochdruck im Allgemeinen, wenn
bei mindestens zwei bis drei Praxisbesuchen in Abständen von ein bis vier
Wochen erhöhte Werte ab 140/90 mmHg vorliegen oder eine deutliche
Blutdruckerhöhung (≥180/110 mmHg) beziehungsweise hohe Werte bei bereits
bekannter Herzerkrankung.
Eine Senkung auf Werte unter 130/80 mmHg ist in der Regel mit noch
besseren Therapieergebnissen verbunden, vor allem bei Patienten mit
bereits bestehender Herzerkrankung – ist aber für manche Patienten auch
mit unerwünschten Effekten verbunden. Schwindel oder verstärkt
Nebenwirkungen der Blutdrucksenker bei intensiver Therapie sind möglich.
„Das bestätigt, was auch die Deutsche Herzstiftung immer geraten hat. Eine
Blutdrucktherapie nutzt nur, wenn sie auch vom Patienten vertragen wird
und die Medikamente regelmäßig eingenommen werden“, so Prof. Voigtländer.
„Wichtig ist auch, dass klargestellt wird: Werte unter 120/70 mmHg sollten
bei einer Blutdrucktherapie vermieden werden.“

Bei Hochbetagten mehr Spielraum für Therapiebeginn – „individuelle
Entscheidung“
Für Patienten über 80 Jahre gilt entsprechend der neuen Leitlinien eine
spezielle Empfehlung: Während generell eine medikamentöse Therapie ab
einem beim Arzt gemessenen durchschnittlichen systolischen Wert über 140
mmHg und einem diastolischen Blutdruckwert über 90 mmHg ratsam ist, kann
bei den Älteren auch ein systolischer Wert bis 160 mmHg toleriert werden.
Zielwert ist dann ein systolischer Blutdruck wenigstens zwischen 140-150
mmHg, er darf aber auch niedriger sein. Vorsicht ist dann geboten, wenn
bereits sehr niedrige diastolische Werte unter 70 mmHg vorliegen. „Die
Entscheidung, ab welchem Blutdruck bei Hochbetagten mit einer Therapie
begonnen wird, ist immer eine individuelle Entscheidung. Dabei spielen vor
allem die allgemeine Gebrechlichkeit und weitere Begleiterkrankungen eine
wichtige Rolle“, erläutert Voigtländer. Ebenfalls wichtig: Eine schon
früher begonnene Blutdrucktherapie sollte auch bei Hochbetagten möglichst
fortgesetzt werden.

Medikamente: Kombinationstherapie effektiver als Monotherapie
Die Empfehlungen zur medikamentösen Therapie sind im Wesentlichen
unverändert. „Eine Zweierkombination aus ACE-Hemmer oder Sartan plus
Kalziumantagonist oder Diuretikum ist hier in der Regel der erste Schritt
zur Blutdrucksenkung“, erläutert der Frankfurter Kardiologe. Reicht das
nicht, sollte eine Dreierkombination aus diesen Wirkstoffklassen versucht
werden. Auf der dritten Stufe kommen weitere Substanzen ins Spiel. Wie
bisher sind die Aldosteron-Antagonisten (Spironolacton/Eplerenon) als
wichtige Substanzklasse bei der Behandlung der schwer einstellbaren
Hypertonie genannt. Neu ist bei diesen Patienten der Einsatz des
Kombinationspräparates aus Neprilysinantagonist und Sartan (ARNI,
Angiotensin-Receptor-Neprilysin-Inhibitor) als Empfehlung zur
Blutdrucksenkung. Wenn dieses Kombinationspräparat eingesetzt wird, müssen
allerdings der ACE-Hemmer beziehungsweise das Sartan aus der bisherigen
Therapie abgesetzt werden. Bei Patienten, die bereits Nierenschäden
aufweisen, wird die Therapieempfehlung zudem um Wirkstoffe aus der Gruppe
der sogenannten SGLT-2-Inhibitoren (Gliflozine) ergänzt wie Empagliflozin.
„Wir haben inzwischen ein neues Verständnis, wie der Bluthochdruck
reguliert wird beziehungsweise durch eine Funktionsstörung aus vielen
Mechanismen entsteht, bei der verschiedenste Faktoren ineinandergreifen.
Das erklärt auch, warum wir mit der Kombination von Medikamenten, die ganz
unterschiedlich wirken, den Blutdruck viel effektiver senken können als
durch eine Monotherapie“, so Voigtländer.
Bei Patienten mit niedrigem bis mittlerem kardialen Risiko und mit einem
Blutdruck im hohen Normalbereich (130-139 mmHg systolisch und 85-89 mmHg
diastolisch) besteht die Empfehlung, keine blutdrucksenkende medikamentöse
Therapie einzuleiten. Bei diesen Patienten sollte sich die Intervention
vorerst auf eine Lebensstilberatung beschränken.

Regelmäßige Blutdruckmessung kann Hypertonie aufdecken
„Zu begrüßen ist auch, dass in den Leitlinien nochmals auf die Wichtigkeit
einer regelmäßigen Blutdruckkontrolle verwiesen wird. So wird betont, dass
bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf das Vorliegen eines
Bluthochdrucks gescreent werden sollte“, so der Herzstiftungs-Vorsitzende.
„Bei Menschen über 40 Jahren heißt das: Lassen Sie sich einmal pro Jahr
beim Hausarzt den Blutdruck checken.“ Risikopatienten wird dieses Vorgehen
bereits in jüngeren Jahren empfohlen. Hier werden in den neuen Leitlinien
auch Frauen nach der Menopause und Frauen mit einer Vorgeschichte von
Schwangerschaftsbluthochdruck und Schwangerschaftskomplikationen wie einer
Präeklampsie hervorgehoben.
Voigtländer rät: „Wer an sich gesund ist und nicht zum Hausarzt muss,
sollte zumindest die Gelegenheit nutzen, sich immer mal wieder in der
Apotheke den Blutdruck messen zu lassen. Das kann ebenfalls einen Hinweis
auf einen bisher unentdeckten Bluthochdruck liefern.“ Je früher ein
Bluthochdruck entdeckt wird, desto besser lassen sich die genannten Folgen
für Herz und andere Organe wie Gehirn und Nieren vermeiden.

Neue Stadieneinteilung anhand von Organschäden
Sinnvoll ist ebenfalls, dass neben der bisherigen Einteilung nach
Blutdruckwerten (z.B. optimal, normal, hochnormal) drei Krankheitsstadien
des Bluthochdrucks systematisch hervorgehoben werden. „Denn damit lassen
sich besser die fortschreitenden Schäden an Organen wie Herz, Hirn und
Nieren bei einem unbehandelten Bluthochdruck vor Augen führen“, wie Prof.
Voigtländer betont. „Wir möchten Patienten im Gespräch keine Angst machen.
Dennoch unterschätzen viele die Folgen ihres Bluthochdrucks – bis es zu
spät ist und zum Beispiel ein Herzinfarkt eingetreten ist oder die Nieren
schwer geschädigt sind“, so der Kardiologe. Das ist die Einteilung:

- Stadium I: unkomplizierte Erkrankung, bei der noch keine merklichen
Organschäden vorliegen (gilt auch bis zu einer Nierenerkrankung Grad 1 und
2)
- Stadium II: leichte Organschäden sind erkennbar, etwa der Beginn einer
chronischen Nierenerkrankung (Grad 3), oder das zusätzliche Vorliegen von
Diabetes mellitus
- Stadium III: es liegen bluthochdruckbedingte kardiovaskuläre
Erkrankungen vor oder eine fortgeschrittene chronische Nierenerkrankung
(Grad 4 und 5)

„Die Stadieneinteilung kann in der Kommunikation helfen, dass Betroffene
die Notwendigkeit von Lebensstiländerungen und gegebenenfalls einer
medikamentösen Behandlung verstehen und akzeptieren“, so der Kardiologe
und Intensivmediziner.
(ne)

Service-Tipp:
Bluthochdruck durch Schlafstörungen, Migräne und Lärm – Yoga und Kalium
als natürliche Senker? Was in den Hypertonie-Leitlinien noch neu und
wichtig ist, stellt der Herzstiftungs-Beitrag mit einer Experten-Einordung
durch Prof. Voigtländer unter https://herzstiftung.de/leitlinie-
hypertonie-2023 vor.
Infos rund um Bluthochdruck bietet die Herzstiftung kostenfrei telefonisch
unter 069 955128-400, per Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. oder auf
der Homepage unter: https://herzstiftung.de/bluthochdruck

Video „Wie messe ich meinen Blutdruck richtig?“ mit Prof. Dr. Thomas
Voigtländer: https://www.youtube.com/watch?v=6cQZaQskJJc

Quelle:

[1] 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. The
Task Force for the management of arterial hypertension of the European
Society of Hypertension Endorsed by the European Renal Association (ERA)
and the International Society of Hypertension (ISH). J Hypertens. 2023 Jun
21. doi: 10.1097/HJH.0000000000003480. Epub ahead of print. PMID:
37345492.
https://journals.lww.com/jhypertension/Abstract/9900/2023_ESH_Guidelines_for_the_management_of_arterial.271.aspxv

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Stellungnahme zu Alzheimer-Wirkstoff Donanemab

Der Pharmakonzern Lilly hat gestern neue Daten aus der
Phase-3-Studie TRAILBLAZER-ALZ 2 zum experimentellen Alzheimer-Wirkstoff
Donanemab vorgestellt. Die Studienergebnisse waren mit Spannung erwartet
worden, nachdem der Pharmakonzern bereits im Mai erste Studienergebnisse
veröffentlicht hatte. Diese haben eine moderate Wirksamkeit von Donanemab
bei Alzheimer-Patient*innen im Frühstadium belegt. Die neuen Daten wurden
auf der Alzheimer-Konferenz Alzheimer's Association International
Conference in Amsterdam präsentiert und in der Fachzeitschrift „JAMA“
veröffentlicht.

Dr. Linda Thienpont, Leiterin Wissenschaft der gemeinnützigen Alzheimer
Forschung Initiative, bezieht wie folgt Stellung:
Die aktuellen Ergebnisse bestätigen die erfreuliche Wirkung von Donanemab
erneut, allerdings auch die bedenklichen Nebenwirkungen. Donanemab
entfernt die schädlichen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn und verlangsamt
den Krankheitsverlauf. Die aufgetretenen Nebenwirkungen wie
Hirnschwellungen und Hirnblutungen sind weiterhin besorgniserregend und
erfordern im Falle einer Zulassung, eine engmaschige medizinische
Betreuung. Erfreulich ist, dass die Proband*innen auch nach dem Absetzen
des Wirkstoffes von der Wirkung profitierten.

Bei fast der Hälfte (47 %) der Studienteilnehmer*innen im frühesten
Krankheitsstadium, die Donanemab erhielten, kam es nach einem Jahr zu
keiner klinischen Verschlechterung mehr. Das bedeutet allerdings auch,
dass es bei der anderen Hälfte (53%) trotz Donanemab-Gabe, dennoch zu
einer Verschlechterung des Krankheitsverlaufs kam. Klar ist, dass
Donanemab nicht für alle Alzheimer-Patient*innen das Mittel der Wahl sein
wird.

Die drei Todesfälle, die bereits im Mai vom Hersteller Eli Lilly genannt
wurden, gelten nun als behandlungsbedingt und werden demnach der
Behandlung von Donanemab zugeschrieben.

Weitere Informationen zu Donanemab
http://www.alzheimer-forschung.de/forschung/aktuell/donanemab/

Kostenfreies Fotomaterial
http://www.alzheimer-forschung.de/presse/fotos-videos/

Weitere Informationen zur Alzheimer-Krankheit
http://www.alzheimer-forschung.de/alzheimer

Über die Alzheimer Forschung Initiative e.V.
Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) ist ein gemeinnütziger
Verein, der das Spendenzertifikat des Deutschen Spendenrats e.V. trägt.
Seit 1995 fördert die AFI mit Spendengeldern Forschungsprojekte
engagierter Alzheimer-Forscherinnen und –forscher stellt kostenloses
Informationsmaterial für die Öffentlichkeit bereit. Bis heute konnte die
AFI 360 Forschungsaktivitäten mit 14,5 Millionen Euro unterstützen und
über 925.000 Ratgeber und Broschüren verteilen. Interessierte und
Betroffene können sich auf http://www.alzheimer-forschung.de fundiert über
die Alzheimer-Krankheit informieren und Aufklärungsmaterial anfordern.
Ebenso finden sich auf der Webseite Informationen zur Arbeit des Vereins
und allen Spendenmöglichkeiten. Botschafterin der AFI ist die Journalistin
und Sportmoderatorin Okka Gundel.

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