Neue Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Asthma speziell für Fachärztinnen und -ärzte veröffentlicht
Es gibt ab sofort eine verbesserte Entscheidungshilfe für eine gezielte,
moderne Asthma-Therapie, die auch relevante Themen wie Berufswahl und
digitale Unterstützungssysteme neu berücksichtigt: Die jetzt
veröffentlichte und umfassend überarbeitete S2k-Leitlinie „Fachärztliche
Diagnostik und Therapie von Asthma“ richtet sich in erster Linie an
pneumologisch tätige Fachärztinnen und -ärzte und wird heute im Rahmen des
Pneumologie-Kongresses in Düsseldorf präsentiert. Auf Basis neuester
wissenschaftlicher Erkenntnisse wurden bestehende Kapitel der letzten
Leitlinien-Fassung aus dem Jahr 2017 umfassend ergänzt und überarbeitet,
etwa zum Einsatz von Biomarkern in der Asthma-Diagnostik oder zur
Anwendung von Biologika in der Asthma-Therapie. Die aktualisierten
Empfehlungen ergänzen die nationale Versorgungsleitlinie Asthma in
sinnvoller Weise: „Während die S3-Leitlinie aus dem Jahr 2020 für die
allgemeine Asthma-Versorgung in der Breite gedacht ist, richtet sich
unsere neue S2k-Leitlinie durch ihre Detailtiefe insbesondere an die
Bedürfnisse pneumologisch tätiger Fachärztinnen und Fachärzte“, erklärt
Leitlinien-Koordinator Professor Marek Lommatzsch, leitender Oberarzt der
Abteilung Pneumologie an der Universitätsmedizin Rostock. Federführende
Fachgesellschaft dieser Arbeit ist die Deutschen Gesellschaft für
Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), elf weitere (Fach-)Gesellschaften
aus Deutschland und Österreich waren an der intensiven Überarbeitung
beteiligt.
Gleich zu Beginn der Leitlinie – auch das ist neu – werden explizit zwei
wichtige Punkte hervorgehoben. Der erste Punkt bezieht sich auf den
Paradigmenwechsel in der Asthma-Therapie. „Vor einigen Jahren noch galt
noch das Paradigma der Symptom-Bekämpfung: Wenn ein Patient bestimmte
Symptome hatte, wurden Medikamente zur Symptomlinderung eingesetzt. Das
hat sich fundamental geändert. In der modernen Asthma-Therapie gilt das
Paradigma der Symptomprävention: Das heißt, wir können mit den modernen
Medikamenten verhindern, dass überhaupt erst Symptome entstehen. In der
breiten ärztlichen Versorgung ist dieser Paradigmenwechsel teilweise
leider noch nicht angekommen, hier wird Asthma oft immer noch allein mit
Bedarfsmedikamenten behandelt, welche die zugrundeliegende
Atemwegsentzündung nicht nachhaltig verringern“, so Lommatzsch. Damit im
Zusammenhang steht die zweite wichtige Neuerung der Leitlinie: die
erstmalige Benennung der sogenannten Asthma-Remission als Therapieziel.
Das bedeutet: Mithilfe verschiedener Medikamente, die möglichst
nebenwirkungsarm und nachhaltig die Atemwegsentzündung verhindern, wird
die Asthma-Erkrankung langfristig „schlafen gelegt“, also in Remission
gebracht. „Zuvor gab es nur das Therapieziel der kurzfristigen Asthma-
Kontrolle. Dieses Ziel wird durch die Asthma-Remission ergänzt. An den
Therapiezielen orientiert sich individuell die Auswahl der Medikamente“,
erklärt Lommatzsch.
Kleine Revolution in der Diagnostik: Biomarker-Test als unverzichtbar
bezeichnet
Während sich bisherige Leitlinien in puncto Asthma-Diagnostik sehr stark
auf die Lungenfunktionsmessung fokussierten, werden in der vorliegenden
Leitlinie auch drei Biomarker als Diagnose-Tools in den Vordergrund
gerückt. Insbesondere dem sogenannten FeNO-Test, bei dem der Gehalt an
Stickstoffmonoxid (NO) in der ausgeatmeten Luft gemessen wird, kommt dabei
eine besondere Bedeutung zu. „Der Test ist mittlerweile so genau, dass
auch geringste Mengen NO sicher gemessen werden können – und das kann ein
wichtiger Indikator sein: Je höher der Stickstoffanteil in der
Ausatemluft, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient oder
die Patientin Asthma hat. Und desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit,
dass er oder sie auf bestimmte Symptom-präventive Medikamente anspricht“,
erklärt Lommatzsch. Dennoch wird der FeNO-Test in Deutschland bisher nicht
von den Krankenkassen finanziert und ist dementsprechend noch nicht weit
verbreitet in der Praxis. „Auf Basis der erdrückenden wissenschaftlichen
Evidenz haben wir die FeNO-Testung als unverzichtbaren Bestandteil der
fachärztlichen Diagnostik in dieser Leitlinie bezeichnet. Wir wollen mit
dieser klaren Positionierung auch politische Entscheidungsträger und
Kostenträger davon überzeugen, den Test für eine breitere Anwendung
zugänglich zu machen. Das ist schon eine kleine Revolution für eine
Leitlinie: einen Test als unverzichtbar zu bezeichnen, der von den
Krankenkassen bislang gar nicht bezahlt wird“, so Lommatzsch.
Neuheiten in der Therapie: Gezielter Einsatz von Biologika
Auch im Bereich Asthma-Therapie enthält die aktualisierte Leitlinie
zahlreiche Neuheiten und Überarbeitungen. Im Zusammenhang mit schwerem
Asthma etwa gibt es neben einer neuen Grafik zur Definitionsklärung auch
eine konkrete Handlungsanweisung zum Einsatz von sechs Biologika, also
Medikamenten aus biologischen Substanzen. „Die Kolleginnen und Kollegen
können so genau ableiten, für welchen Patienten oder welche Patientin sich
welches Biologikum individuell eignet und so ganz gezielt behandeln. Das
gab es vorher in dieser Form nicht“, erläutert der Pneumologe. Ein neues
Kapitel gibt es auch zum Umgang mit Nebennieren-Insuffizienz, einer
Nebenwirkung durch langjährige Therapie mit Prednisolon – einem
Medikament, das früher bei schwerem Asthma eingesetzt wurde.
Asthma im Kontext: Von Berufswahl über Schwangerschaft bis hin zu
Digitalisierung
Zu ganz unterschiedlichen und relevanten Themenfeldern, die Asthma
tangieren, wurden komplett neue Kapitel verfasst. Zum Beispiel ein
Kapitel, in dem es um die Berufswahl von Jugendlichen mit Asthma geht. Ein
weiteres neues Kapitel behandelt speziell die Situation von Schwangeren
mit Asthma. Ein anderes befasst sich mit Begleiterkrankungen, die den
Erfolg der Asthma-Therapie erheblich mit beeinflussen. Dabei wird auch das
Wechselspiel zwischen Asthma und Psyche thematisiert. Hinzugefügt hat das
Autorenteam um Professor Lommatzsch außerdem ein eigenes Kapitel zu
digitalen Unterstützungssystemen in der Diagnostik und Therapie von
Asthma. „Hier haben wir die Evidenz zusammengetragen, welche Bedeutung und
Wertigkeit Apps haben zur Selbstkontrolle, zum Monitoring oder zur
Kommunikation mit der Ärzteschaft“, erklärt er.
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