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Behandlung von Müdigkeit in der Hausarztpraxis

Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)
hat ihre S3-Leitlinie „Müdigkeit“ umfassend überarbeitet. Wie bisher liegt
der Fokus der Leitlinienempfehlungen beim Symptomkomplex Müdigkeit auf
einer biopsychosozialen Vorgehensweise in der Hausarztpraxis. Neu hingegen
sind die Empfehlungen zu ME/CFS, die nun deutlich umfangreicher ausfallen
und auch andere Schwerpunkte setzen.

Müdigkeit ist ein häufiger Beratungsanlass in der Hausarztpraxis. Das gilt
umso mehr in Zeiten von Long- und Post-COVID. Die DEGAM warnt davor, den
hohen Leidensdruck der Patientinnen und Patienten zu unterschätzen. Die
Behandlung des Beschwerdebildes Müdigkeit ist äußerst komplex. Umso
wichtiger, dass sich niedergelassene Hausärztinnen und Hausärzte mit
Leitlinien im Praxisalltag gut orientieren können, welche Diagnose- und
Therapieoptionen am sinnvollsten sind.

Diese Orientierung vermittelt die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft
für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), die nun überarbeitet und
im Januar 2023 erneut veröffentlicht wurde. „Die Leitlinie hilft den
Hausärztinnen und Hausärzten, das richtige Maß an Medizin zu finden: Das
Gute und Richtige zu tun und das Unnötige und gegebenenfalls sogar
Schädliche zu unterlassen“, kommentiert Prof. Dr. med. Martin Scherer,
Präsident Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin.
Ziel sei es, die betroffenen Patientinnen und Patienten bestmöglich zu
versorgen.

Wie in der bisherigen Version spricht sich die Leitlinie für eine
biopsychosoziale Vorgehensweise aus. Gleichzeitig werden der hohe
Stellenwert der ausführlichen Anamnese und der umfassenden
primärärztlichen Versorgung bei Müdigkeit erneut betont: Die Behandlung in
der Hausarztpraxis ist laut Leitlinie der beste Schutz vor nicht-
indizierter überzogener Diagnostik und Therapie.

Die umfassendsten Änderungen gibt es im Leitlinien-Update im Kapitel
Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS): „Es
gibt bisher keine deutschsprachige eigene Leitlinie zu ME/CFS, aber nun im
Rahmen der Gesamtleitlinie aktuelle wissenschaftliche Informationen mit
entsprechend fundierten Handlungsempfehlungen für Hausärztinnen und
Hausärzte in Deutschland“, erklärt Prof. Dr. med. Erika Baum von der
DEGAM, die die Überarbeitung der Leitlinie federführend betreut hat.

Das neue Kapitel zu ME/CFS orientiert sich am Stand der internationalen
Forschung sowie an internationaler Evidenzrecherche und -bewertung.
Allerdings gibt es noch viele offene Forschungsfragen. Auch deswegen
spricht sich die DEGAM in der Leitlinie für mehr Forschungsanstrengungen
zu diesem komplexen Krankheitsbild aus.

Da die Ursache von ME/CFS nach wie vor ungeklärt ist und sowohl
physiologische als auch psychosomatische Mechanismen in Betracht kommen,
wird eine langfristig angelegte und biopsychosoziale Betreuung durch die
Hausarztpraxis empfohlen. Nur die Hausarztpraxis kann den Blick aus
unterschiedlichen Perspektiven gewährleisten. „Gerade Hausärztinnen und
Hausärzte können gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten am besten
erkennen, welche Interventionen und Belastungen individuell tolerabel
sind, um Fehlbelastungen zu vermeiden und die Therapie anzupassen. Bei
guter Kenntnis der Informationen aus der Leitlinie und kontinuierlich-
vertrauensvoller Betreuung können Betroffene adäquat versorgt werden,“ so
die Expertin Erika Baum.

Die wissenschaftliche Debatte um Diagnostik und Therapie von ME/CFS ist
auch international seit Längerem von Kontroversen geprägt – gerade weil
die Ursachen unklar und die wissenschaftlichen Ergebnisse wenig
einheitlich sind. Diese Kontroverse bildet sich teilweise auch in der
DEGAM-Leitlinie ab, da sich verschiedene Fachgesellschaften mit einem
Sondervotum zum ME/CFS-Kapitel eingebracht haben. „Bei schwacher
Evidenzlage wie in diesem Fall ist es nicht unüblich, auch in der
Leitlinienarbeit zu unterschiedlichen wissenschaftlichen
Schlussfolgerungen zu kommen“, kommentiert DEGAM-Präsident Martin Scherer.
„Trotzdem war die Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen und
Expertinnen und Experten bei der Überarbeitung der Leitlinie gut und
konstruktiv“, ergänzt Erika Baum.

Die oft hitzige öffentliche Diskussion um ME/CFS zeige, dass es in diesem
Bereich viele Missverständnisse gebe, so Baum weiter: „Es ist als
wissenschaftliche Fachgesellschaft unsere Aufgabe, diese Missverständnisse
zunehmend aufzulösen. Dafür setzen wir uns auch mit der neuen Leitlinie
ein.“

Darüber hinaus engagiert sich die DEGAM neben der eigentlichen
Leitlinienarbeit auch dafür, den Wissenstransfer in die Hausarztpraxen
anzustoßen und die Inhalte der neuen Leitlinie in der Aus-, Weiter- und
Fortbildung bekannt zu machen und zu verankern.

Zur überarbeiteten S3-Leitlinie Müdigkeit: https://bit.ly/3YDXoJM

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Zukünftige Krankenhausversorgung: Pneumologen und Thoraxchirurgen präsentieren eigene Konzeptvorschläge

Immer mehr Menschen in Deutschland leiden an Krankheiten der Lunge und der
Atmungsorgane. Deshalb haben die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und
Beatmungsmedizin (DGP) sowie die Deutschen Gesellschaft für
Thoraxchirurgie (DGT) jetzt eine gemeinsame Stellungnahme samt eigener
Konzeptvorschläge zur zukünftigen Krankenhausversorgung vorgelegt. „Wenn
die Regierungskommission und mit ihr die Bundesregierung aktuell über ein
neues Konzept für die Krankenhausversorgung berät, müssen die Belange
großer Patientengruppen wie der von Lungenerkrankten besser miteinbezogen
werden – und zwar klinikübergreifend“, sagt DGP-Präsident Professor
Torsten Bauer (Foto links).

Rund 16 Millionen Betroffene mit Lungenerkrankungen wurden zuletzt
erfasst, die Corona-Zahlen noch nicht mit einbezogen. Aktuelle Erhebungen
weisen bei vielen Diagnosen zudem eine erhöhte Sterblichkeit der
Patientinnen und Patienten aus – bei Lungenkrebs ist diese um das
Neunfache erhöht, bei einer Lungenentzündung um das Fünffache. Vor dem
Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft erwarten Experten,
dass sich die Situation weiter verschärft. „Im Sinne der zu behandelnden
Menschen brauchen wir noch mehr Flexibilität bei der Gestaltung von
Klinik-Leveln und Leistungsgruppen, auch einzelne Kriterien zur
Klinikfinanzierung sollten weiter präzisiert werden“, schlägt DGT-
Präsidentin Dr. Katrin Welcker (Foto) vor.

„Wir unterstützen die Arbeit der Regierungskommission für eine moderne und
bedarfsgerechte Krankenhausversorgung und empfinden viele Vorschläge als
richtig. Es ist gut, dass die großen Probleme des Krankenhauswesens
endlich angepackt werden. Bei der weiteren spezifischen Ausgestaltung
bieten wir gerne unsere Hilfe an und wollen mit den Vertretern der
Regierungskommission ins Gespräch kommen“, erklärt Professor Winfried
Randerath (Foto rechts), DGP-Generalsekretär sowie Sprecher der
gemeinsamen Task Force Qualität und Wirtschaftlichkeit, in der Pneumologen
sowie Thoraxchirurgen zusammenarbeiten. Die 27-köpfige Fachgruppe hat sich
die dritte Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission – mit
Schwerpunkt auf die grundlegende Reform der Krankenhausvergütung – genauer
angeschaut. Schwachstellen haben die Experten vor allem identifiziert bei:
der zukünftigen Organisation von leistungsfähigen pneumologischen
Fachkliniken, der Beschreibung neuer Leistungsgruppen für komplexe
Erkrankungen und der Einführung von Vorhaltepauschalten zum Sicherstellen
der Krankenhausleistungen. Darüber hinaus machen die beiden
Fachgesellschaften Ergänzungsvorschläge zur Einführung neuer Krankenhaus-
Level, zum DRG-System und der Ambulantisierung, zum Personalmangel und zu
einer möglichen Anpassung des Medizinischen Dienstes, der als
medizinischer und pflegefachlicher Begutachtungs- und Beratungsdienst nach
DGP-Meinung noch unabhängiger sein sollte als bisher.

Gefordert: Mitsprache für die Länder, Systematik bei Leistungsgruppen

Die DGP und DGT begrüßen die gesonderte Berücksichtigung der somatischen
Fachkliniken in den Empfehlungen der Regierungskommission ausdrücklich.
„In den vergangenen Jahrzehnten hat sich für die Versorgung der Patienten
mit Lungenerkrankungen ein Netz qualitativ hochentwickelter,
leistungsfähiger, kosteneffizienter und wissenschaftlich aktiver
Fachkliniken herausgebildet“, sagt Randerath. Das gelte auch für andere
medizinische Fachgebiete, in denen Fachkliniken eine besondere Rolle
spielen. Daher lehnt die beiden Fachgesellschaften die generelle
Empfehlung ab, nach der die Fachkliniken zukünftig baulich und inhaltlich
in andere Kliniken der neu zu schaffenden Levels II und III – also
regionale oder überregionale Krankenhäuser – zu integrieren sind.
Stattdessen sollten die Bundesländer individuell festlegen, ob eine
Integration im Einzelfall sinnvoll oder aber nachteilig ist. Die DGP und
DGT stellen klar: Große Lungenfachkliniken betreuen Patientinnen und
Patienten des gesamten Spektrums von Infektiologie, Onkologie,
Erkrankungen des Lungengewebes, Atemwegen und Atmungsregulation bis hin
zur Intensivmedizin des Fachgebietes einschließlich der Notfallversorgung.
„Dieses breite Spektrum hat die Leistungsfähigkeit und den wesentlichen
Beitrag der pneumologischen Fachkliniken zum Gesundheitswesen gerade in
der Pandemie sehr deutlich gezeigt“, sagt Randerath. „Mit ihrer besonderen
Expertise tragen Lungenfachkliniken und Fachabteilungen zur
telemedizinischen Versorgung und Kommunikation mit Kliniken aller Levels
bei.“

Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin und die
Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie beschreiben zudem, welche
Voraussetzungen die einzelnen Leistungsgruppen für komplexere Erkrankungen
auf der Ebene der Länder erfüllen sollten. „Die von der
Regierungskommission vorgeschlagenen Leistungsgruppen lassen bisher keine
hinreichende Systematik erkennen. Für manche Fachbereiche wird eine sehr
kleinteilige Differenzierung vorgeschlagen, die in anderen Fachgebieten
wie der Pneumologie völlig fehlt“, sagt Randerath. Zu den
Vorhaltepauschalen sagt er: „Bei den Landesbehörden für Gesundheit muss
auch in Zukunft die volle Führungskompetenz bleiben, um eigenständig über
Versorgungsstrukturen und damit über die Zuweisung der Vorhaltepauschalen
entscheiden zu können. Mehr noch: Auch hinsichtlich der neuen
Leistungsgruppen-Gestaltung und der regionalen Krankenhausplanung muss die
Hoheit bei den Ländern liegen.“

Neue Krankenhaus-Level: Wettbewerb um Leistungsgruppen –
Standortzusammenlegungen müssen ausreichend finanziert werden

Kritik üben die Experten der DGP und DGT auch an der Ausgestaltung des
vorgeschlagenen Modells der drei Krankenhaus-Level, das zwischen
Krankenhäusern der lokalen Grundversorgung, regionalen Krankenhäusern der
Regel- und Schwerpunktversorgung sowie überregionalen Krankenhäusern der
Maximalversorgung unterscheidet. Im vorgeschlagenen Modell komme es zu
einem Wettbewerb der Kliniken um Levels und Leistungsgruppen. „Gerade an
das Level II der regionalen Versorger werden sehr hohe Bedingungen
gestellt, die keine Flexibilität bei der individuellen Ausgestaltung
erkennen lassen. Warum soll jedes dieser Häuser die gleichen
Leistungsgruppen und Abteilungen vorhalten? Mehrere Krankenhäuser an einem
Standort zusammenzuführen, kann sich positiv auf die Qualität und die
Personal- und Technikproblem auswirken, erfordert aber Investitionen in
Millionenhöhe. Mittelfristig muss die gewünschte Reduktion der
Krankenhausstandorte somit ausreichend finanziell durch den Strukturfonds
abgesichert sein“, bekräftigt DGP-Präsident Torsten Bauer.

Zukunft: Mehr Studienplätze, Programme für Zuwanderer, Leihunternehmertum
entgegenwirken

Auch zum Aspekt des Personalmangels in den Kliniken äußert sich die
Fachgesellschaft: „Anders als die Regierungskommission, erkennen wir einen
absoluten Mangel, der nur zum kleineren Teil auf eine zu hohe Zahl von
Krankenhäusern zurückzuführen ist“, sagt DGP-Präsident Bauer. „Deshalb
müssen wir deutschlandweit mehr Studien- und Ausbildungsplätze anbieten –
womit auch eine Aufstockung des Lehrpersonals einhergehen muss. Zudem
brauchen wir professionelle Anwerbe- und Qualifizierungsprogramme für
Zuwanderer aus Gesundheitsberufen oder solche, die sich darin ausbilden
lassen wollen“, so der Mediziner. „Politik, Berufsverbände, Kostenträger
und Krankenhäuser müssen jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass der
Arbeitsplatz Krankenhaus für Ärztinnen und Ärzte wieder attraktiv
gestaltet wird.“ Die DGP stellt klar: Dem System der Leihunternehmen ist
durch gesetzliche Maßnahmen – zum Beispiel die Begrenzung der Vergütung
oder die Pflicht zu Nacht-, Wochenend-, Feiertagsdiensten –
entgegenzutreten, die die Benachteiligung des festangestellten Personals
aufheben. „Wenn die einberufene Regierungskommission ihre Empfehlungen um
die relevanten Punkte der pneumologischen Fachkliniken ergänzt, wird nicht
nur die bedarfsgerechte Krankenhausversorgung gestärkt – in erster Linie
wird den vielen Patientinnen und Patienten mit akuten Lungenproblemen
geholfen“, sagt DGP-Präsident Torsten Bauer.

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Die komplette Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und
Beatmungsmedizin (DGP) sowie der Deutschen Gesellschaft für
Thoraxchirurgie (DGT) zu Kernpunkten der Vergütungsreform der
Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte
Krankenhausversorgung lesen Sie unter www.pneumologie.de

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Neues Positionspapier aus der ARL zur Krankenhausversorgung in Nordwestdeutschland

Was haben die Versorgung im Krankheitsfall und Raumplanung miteinander zu
tun? Neben der medizinischen Grundversorgung, die für alle zugänglich und
erreichbar sein sollte, machen vor allem lebensbedrohliche Erkrankungen
und Notfälle deutlich, wie wichtig im Ernstfall eine schnelle und
wohnortnahe Versorgung und damit eine gut erreichbare Verteilung von
Krankenhäusern im Raum ist. Für eine alternde Gesellschaft gilt dies sogar
in verstärktem Maße.

Insofern ist die Frage einer zukunftsfähigen Raumstruktur eng mit
medizinischer Versorgung und Angeboten der öffentlichen Daseinsvorsorge
verknüpft. Die Umstrukturierungen in der Krankenhauslandschaft und hier
insbesondere Schließungen sowie Zusammenlegungen kleinerer Klinikstandorte
zu Zentralkliniken jenseits Zentraler Orte stellen entsprechende
Herausforderungen für die Förderung und den Erhalt gleichwertiger
Lebensbedingungen im Raum dar. Die Sicherung der Daseinsvorsorge wird im
Hinblick auf ein leistungsfähiges und effektives Standortsystem der
Krankenhaus- und Gesundheitsversorgung infrage gestellt. Es bedarf einer
stärkeren raumordnerischen Steuerung sowie einer vorausschauenden,
länderübergreifenden und kriterienbasierten Krankenhausplanung. Ein Ansatz
zur Effizienzsteigerung ist die Stärkung der sektorenübergreifenden und
interdisziplinär fachübergreifenden Versorgung. Für die Gestaltung
künftiger Krankenhauslandschaften sind neben raumordnerischen Kriterien
insbesondere die Anforderungen der verschiedenen Nutzer/innengruppen zu
berücksichtigen. Zudem bedarf es digitaler Daten für detaillierte
Versorgungs- und Erreichbarkeitsanalysen als Planungsgrundlage.

Das neu erschienene Positionspapier aus der ARL 143 enthält zentrale
Ergebnisse und Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Planerische Steuerung der
Krankenhausversorgung in Nordwestdeutschland“ der
Landesarbeitsgemeinschaft Bremen / Hamburg / Schleswig-Holstein /
Niedersachsen der ARL.

>> Das Positionspapier steht für alle Interessierten Open Access zum
Download bereit.

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Forschung an (noch) lebenden Teilen der Lunge

Prof. Dr. Stéphane Collaud von der Universität Witten/Herdecke kann neue
Medikamente und Chemotherapie außerhalb des Körpers testen.

Prof. Dr. Stéphane Collaud ist Chefarzt für Thoraxchirurgie an den
Kliniken der Stadt Köln und gleichzeitig Lehrstuhlinhaber für dieses Fach
an der Universität Witten/Herdecke (UW/H). Er operiert vorwiegend Tumore
an der Lunge oder den Atemwegen – sowohl minimalinvasiv „durchs
Schlüsselloch“ als auch offen. „Wenn wir Lungenkrebs operieren, müssen wir
ausreichend Sicherheitsabstand einhalten. Den entnommenen Teil, den
sogenannten ‚Lungenlappen‘, können wir – selbstverständlich nur mit
Einwilligung des Patienten bzw. der Patientin – über mehrere Stunden am
Leben halten“, beschreibt er die Vorbereitung seiner eigentlichen
Forschungsarbeit. Denn an diesen lebenden Lungenteilen testet er neue
Arten von Chemotherapie oder andere Medikamente. Durch hochauflösende
Tomographie-Bilder aus dem normalen CT und dem zur Krebserkennung
spezialisierten PET-CT kann er außerdem besser verstehen, wie der Krebs
entsteht und sich ausbreitet.

Von der Lungentransplantation zur Forschung für bessere Krebsbehandlung

Den großen Fortschritt in dieser Forschung brachte eine Maschine, die
Prof. Collaud mit einem Team von Mediziner:innen in seiner vorherigen
beruflichen Station, der Ruhrlandklinik in Essen, angewandt und jetzt mit
nach Köln gebracht hat. Schon seit einigen Jahren gibt es sogenannte Ex-
vivo-Lungenperfusionssysteme. Daran werden Lungen vor einer
Transplantation „angeschlossen“ und mit einer Ersatzlösung für Blut und
Sauerstoff versorgt. Durch diese Vorbehandlung können auch Lungen
transplantiert werden, die sonst nicht geeignet wären. Mit diesem System
hat Prof. Collaud bereits 2012 während seines Aufenthaltes im weltweit
führenden Lungentransplantationszentrum in Toronto gearbeitet. „Die
bestehenden Maschinen haben wir nun angepasst, um Teile der Lunge nach der
Krebsoperation über Stunden am Leben zu halten“, schildert er seine Rolle
bei der Entwicklung der neuen Forschungsperspektive. „Die Möglichkeit,
neue Medikamente wie Chemotherapie quasi wie im lebenden Körper zu testen,
bietet große Hoffnung für bessere Behandlungen in einigen Jahren“, drückt
er seinen Ansporn aus. „Eine Anwendungsmöglichkeit wäre eine direkte,
lokale Chemotherapie in der Lunge. Dies könnte beispielsweise bei
Patientinnen und Patienten mit Sarkomen und Lungenmetastasen durchgeführt
werden.“

Klinische Forschung und bessere Operationsmethoden

Ein weiteres Standbein der Forschungsarbeit von Prof. Collaud ist die
Weiterentwicklung bestehender Operationsmethoden. Dabei spielt auch seine
eigene operative Fähigkeit eine Rolle und beflügelt manchmal die Fantasie:
„Ich konnte zum Beispiel eine Operationsmethode mitentwickeln, die vor
einigen Jahren noch einen deutlich größeren Eingriff erfordert hätte“,
sagt er. So ist es gelungen, den Lungenkrebs bei einem schwer kranken
Patienten vollständig zu entfernen. Bei ihm war der Krebs in die
Hauptschlagader, die ‚Aorta“‘, eingewachsen. Die Mediziner:innen konnten
die Aorta mit einer Art Stent versorgen und so den von Krebs befallenen
Teil mit deutlich geringeren Risiken entfernen. Weitere Patient:innen mit
fortgeschrittenem Lungenkrebs oder Brustkorbsarkomen wurden seitdem
dadurch gerettet. Diese Technik gilt inzwischen international inzwischen
als Standard für diese Art der Operationen. Für Collaud steht fest, dass
es noch viel Spielraum für neue Methoden gibt: „Bei solchen Eingriffen
kommt es eben auch auf die Kombination von operativem Geschick und neuen
Methoden an. Ich glaube, dass wir noch viele Erfolge haben werden, auch
bei Krankheitsgeschehen, die bisher für viele Chirurgen als inoperabel
galten.“

Weitere Informationen:
Prof. Dr. med. Stéphane Collaud,  0221/8907-18640, collauds@kliniken-
koeln.de

Ansprechpartner Presseteam Witten: Kay Gropp, 02302/926-805, kay.gropp
@uni-wh.de

Ansprechpartnerin Presseteam Köln, Sigrid Krebs Telefon: 0221 8907-2291,
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Über uns:
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine
Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als
Modelluniversität mit rund 3.000 Studierenden in den Bereichen Gesundheit,
Wirtschaft und Gesellschaft steht die UW/H für eine Reform der klassischen
Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit
Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.

Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.

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