Zum Hauptinhalt springen

Mandel-Operationen: Große Unterschiede zwischen Kliniken bei erneuten Eingriffen wegen Nachblutungen

Bei Mandeloperationen gibt es je nach Klinik große Unterschiede bei der
Häufigkeit von Blutungen und weiteren Komplikationen, die nach dem
Eingriff auftreten können. Laut einer bundesweiten Auswertung auf Basis
des Verfahrens zur „Qualitätssicherung mit Routinedaten“ (QSR) des
Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) kommen Eingriffe wegen
Nachblutungen innerhalb von 30 Tagen nach der Mandeloperation in der
Gruppe der Kliniken, die bei der Auswertung am schlechtesten abschneiden,
etwa drei Mal häufiger vor als in den Kliniken mit den besten Ergebnissen.
Neben den Ergebnissen zur Behandlungsqualität sind erstmals auch Daten zur
Indikationsqualität ausgewertet worden.

Die klinikbezogene Auswertung WIdO auf Basis der bundesweiten
Abrechnungsdaten von behandelten AOK-Versicherten zeigt bei den erneuten
Eingriffen zur Blutstillung wegen Nachblutungen binnen 30 Tagen nach der
Operation ein Spektrum von bis zu 2,3 Prozent im Viertel der Kliniken mit
den besten Ergebnissen und mindestens 6,8 Prozent im Viertel der am
schlechtesten abschneidenden Krankenhäuser. Der Durchschnittswert für
erneute OPs wegen Nachblutungen liegt bei 5,0 Prozent. Auch bei Störungen
der Stimme, des Schluckens oder des Geschmacks innerhalb eines Jahres nach
dem Eingriff gibt es deutliche Unterschiede: In den besten Kliniken waren
keine solchen Komplikationen zu verzeichnen, im Viertel der schlechtesten
lag die Rate der ärztlich dokumentierten Komplikationen innerhalb eines
Jahres bei mindestens 2,3 Prozent. Beim Gesamtergebnis, das neben den
spezifischen Komplikationen auch Ereignisse ohne direkten Bezug zum
Operationsgebiet wie beispielsweise Thrombosen berücksichtigt, zeigt sich
in Bezug auf die Komplikationsraten ein Spektrum von bis zu 3,7 Prozent in
den besten und mindestens 9,7 Prozent in den schlechtesten Krankenhaus-
Abteilungen.

In die QSR-Auswertung, deren Ergebnisse im Gesundheitsnavigator der AOK
abrufbar sind, sind die Ergebnisse von mehr als 47.000 AOK-Fällen aus 352
Kliniken eingeflossen, die in den Jahren 2018 bis 2020 mindestens 30
Mandeloperationen bei AOK-versicherten Kindern oder Erwachsenen
durchgeführt haben. Die einzelnen Indikatoren werden im Navigator zu einer
klinikbezogenen Gesamtbewertung zusammengefasst: Die 20 Prozent der
Kliniken, die am schlechtesten abschneiden, erhalten einen „AOK-
Lebensbaum“, die 60 Prozent durchschnittlich abschneidenden Kliniken zwei,
die 20 Prozent besten Kliniken drei „AOK-Lebensbäume“.

Im Verfahren zur „Qualitätssicherung mit Routinedaten“ des WIdO werden
Unterschiede bezüglich Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen der
Patientinnen und Patienten berücksichtigt, um einen fairen Vergleich
zwischen den einzelnen Kliniken zu garantieren. Bei der Ausgestaltung der
sogenannten Risikoadjustierung wird das WIdO von Expertinnen und Experten
aus der klinischen Praxis beraten.

Erstmals klinikbezogene Informationen zur Indikationsqualität

Eine stationäre Mandeloperation kann notwendig werden, wenn die Mandeln
häufig oder anhaltend entzündet sind oder durch ihre Größe die Atemwege
einengen. Bei Bedarf wird die teilweise oder vollständige Entfernung der
Gaumenmandeln (Tonsillotomie oder Tonsillektomie) auch mit der Entfernung
der Rachenmandel (Adenotomie) verbunden. Laut ärztlichen Leitlinien ist
die Operation zur Entfernung der Mandeln wegen einer Entzündung aber in
der Regel erst angezeigt, wenn die Betroffenen zuvor mehrfach wegen
bakterieller Mandelentzündungen behandelt worden sind. Diese Vorgabe wird
jedoch nicht immer eingehalten. Daher hat das WIdO auch den Anteil der
Patientinnen und Patienten in der jeweiligen Klinik ausgewertet, bei denen
die Entscheidung zur Operation den Leitlinien-Vorgaben nicht widerspricht.
Für diese Auswertung zur Indikationsqualität werden auch die
Abrechnungsdaten aus der ambulanten Versorgung herangezogen. Bei den AOK-
Versicherten mit einer Mandeloperation wegen häufiger oder dauernder
Entzündung wird in den anonymisierten Daten überprüft, ob sie im Jahr vor
der OP in mindestens zwei Quartalen wegen Halsschmerzen in ärztlicher
Behandlung waren. Auch bei der Indikationsqualität zeigen sich im Ergebnis
deutliche Unterschiede zwischen den besten und den schlechtesten Kliniken.
So lag der Anteil der Patientinnen und Patienten, bei denen im Jahr vor
der OP nicht in mindestens zwei Quartalen eine Halsschmerz-Diagnose
dokumentiert worden ist, im schlechtesten Viertel der Kliniken bei 26,4
Prozent oder höher. Im besten Viertel der Kliniken war der Anteil mit bis
zu 14,4 Prozent nur etwa halb so hoch

QSR-Informationen zu insgesamt 13 Operationen und Behandlungen

Informationen zur Behandlungsqualität aus dem QSR-Verfahren gibt es neben
den Mandeloperationen aktuell zu zwölf weiteren Operationen und
Behandlungen: Knieprothesenwechsel, Einsatz eines künstlichen Knie- oder
Hüftgelenkes bei Arthrose, Operation nach hüftgelenksnahen
Oberschenkelbruch, Hüftprothesenwechsel, Gallenblasenentfernung bei
Gallensteinen, Blinddarmentfernung, Leistenbruch-OP, Operation bei
gutartiger Prostatavergrößerung und zur Prostataentfernung bei
Prostatakrebs, therapeutische Herzkatheter (PCI) bei Patienten ohne
Herzinfarkt sowie kathetergestützte Aortenklappen-Implantationen (TAVI).
Die Ergebnisse der Auswertungen werden angezeigt, wenn Nutzerinnen und
Nutzer des AOK-Gesundheitsnavigators nach Informationen zu einer der
genannten Behandlungen suchen.

  • Aufrufe: 62

Einer stummen Erkrankung Gehör verschaffen: „HyperTon“ – der Podcast zum Blutdruck

Heute am 7. Februar startet die erste Staffel des neuen Podcasts
„HyperTon“. Informativ und vergnüglich werden Themen rund um den Blutdruck
beleuchtet und Deutschlands Top-Expertinnen und -Experten befragt. Die
Hörerinnen und Hörer erfahren interessante Hintergründe über den
‚richtigen‘ Druck und erhalten wertvolle Tipps für gesunde Blutdruckwerte.
Medizinjournalistin Annette Kanis moderiert das neue Format der Deutschen
Hochdruckliga, das von der Techniker Krankenkasse unterstützt wird. Die
Hochdruckliga möchte mit Hilfe des beliebten Mediums verstärkt jüngere
Menschen erreichen und zur gelegentlichen Blutdruckmessung animieren –
denn Bluthochdruck ist nicht immer eine Frage des Alters!

Was haben Podcasts und Bluthochdruck gemeinsam? Jeder Dritte nutzt
Podcasts [1] – und jeder Dritte leidet an Bluthochdruck/Hypertonie,
Tendenz steigend. Daher bietet sich es an, auch einen Podcast über
Blutdruck zu machen und über dieses beliebte Medium mehr Menschen für die
Bedeutung gesunder Blutdruckwerte zu sensibilisieren. Am 7. Februar 2023
geht der neue Gesundheitspodcast an den Start. Unter dem Titel „HyperTon“
werden interessante Aspekte rund um unseren Blutdruck thematisiert –
amüsant und verständlich, Klartext statt verklausulierter Fachsprache.
Gleichzeitig unabhängig und fachlich auf dem neuesten Stand, dafür bürgt
die Deutsche Hochdruckliga, die Kompetenzstelle für Bluthochdruck in
Deutschland.

Medizinjournalistin Annette Kanis spricht mit Expertinnen und Experten der
Deutschen Hochdruckliga über die Bedeutung eines gesunden Blutdrucks, und
zwar auch schon in jungen Jahren. Das Themenspektrum ist breit: Wie kann
ich meinen Blutdruck richtig messen? Wie lässt er sich effektiv senken?
Muss ich Medikamente nehmen und, wenn ja, welche Nebenwirkungen können
auftreten? Warum tut Bluthochdruck nicht weh? Welche Folgen kann er haben?
Welchen Einfluss hat Stress auf den Blutdruck, welchen Ernährung? Wie
lässt sich trotz Stress im Job ‚ruhig Blut‘ bewahren? Was tun bei
Bluthochdruck in der Schwangerschaft oder wenn mein Kind unter
Bluthochdruck leidet? Fragen über Fragen, die im Podcast kompetent und
lebensnah beantwortet werden.

Die Deutsche Hochdruckliga bietet seit Jahren ein vielfältiges
Informationsangebot, das sie nun durch die Podcastreihe „HyperTon“
erweitert hat. Warum? „Podcasts erreichen immer mehr Menschen und sind ein
beliebtes Medium, gerade auch bei Jüngeren. Wir möchten verstärkt diese
Zielgruppe erreichen, denn Bluthochdruckprävention kann nicht früh genug
beginnen. Jeder dritte Mensch ist Hypertoniker und wir sehen, dass
stressbedingt immer mehr jüngere Menschen Bluthochdruck haben. Auch viele
schwangere Frauen entwickeln Bluthochdruck“, erklärt Prof. Markus van der
Giet, Vorsitzender der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL®I Gesellschaft für
Bluthochdruck und Prävention.

„Mit ‚HyperTon‘ möchten wir insbesondere Menschen in der ersten
Lebenshälfte für einen gesunden Blutdruck sensibilisieren und die
Botschaft verankern, dass es sich lohnt, seine Blutdruckwerte zu kennen.“
Denn was jüngere Menschen oft unterschätzen: hohe Werte sind gefährlich
und führen auf die Dauer unbemerkt zu irreparablen Schäden an den
Blutgefäßen. Diese wiederum können nach Jahren gefährliche Erkrankungen
wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenversagen nach sich ziehen.

„Bluthochdruck ist über Jahre eine stumme Erkrankung, die u.U. früh
beginnt, und nur durch die gelegentliche Blutdruckmessung kann man
sichergehen, dass die Werte ok sind. Je früher man seine Blutdruckwerte im
Blick hat, desto besser. Wir setzen daher auch auf neue Medien und
Formate, um jüngere Menschen mit dieser Präventionsbotschaft zu erreichen.
Der Titel unseres Podcasts ‚HyperTon‘, ein Wortspiel auf Hypertonie, den
medizinischen Fachbegriff für Bluthochdruck, spielt auch darauf an: wir
müssen einer stummen Erkrankung Gehör verschaffen und die Bedeutung
gesunder Blutdruckwerte in die Öffentlichkeit ‚ausstrahlen‘.“

-------------------------------

Die Podcast-Reihe „HyperTon“ startet am 07.02.2023. Alle 14 Tage wird eine
neue Folge veröffentlicht, die erste Staffel umfasst vier Folgen.

Folge 1: Richtig messen und natürlich vorbeugen – mit Prof. Dr. Oliver
Vonend, Wiesbaden
Folge 2: Wirkweise von Hypertensiva – mit Prof. Dr. Joachim Weil, Lübeck
Folge 3: Hypertonie bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen – mit Prof.
Dr. Elke Wühl, Heidelberg, und einer Mutter, deren Kind betroffen ist
Folge 4: Hypertonie in der Schwangerschaft – mit Prof. Dr. Markus van der
Giet und einer betroffenen, werdenden Mutter

„HyperTon“ hören Sie unter www.hochdruckliga.de und bald überall, wo es
Podcasts gibt.

----------------------------------

[1] https://blog.medientage.de/so-klingt-die-zukunft-des-podcasts
[2] https://www.hochdruckliga.de/presse/informationen/bluthochdruck-in-
zahlen

  • Aufrufe: 72

Krebstherapie: Wie Sport Kindern hilft

Wissenschaftspodcast anlässlich des Internationalen Kinderkrebstages am
15. Februar

Krebserkrankungen zählen in Deutschland zu den häufigsten Todesursachen –
bei Erwachsenen und bei Kindern. Circa 2.200 Kinder erkranken in
Deutschland jährlich an Krebs. Leukämie ist bei ihnen die häufigste
Krebserkrankung. Zwar können über 80 Prozent der betroffenen Kinder
geheilt werden; die Therapie hat aber starke Nebenwirkungen: Die Kinder
fühlen sich müde, können sich schwer konzentrieren und bewegen sich fast
gar nicht mehr. Eine Sporttherapie kann ihnen dabei helfen, die
Nebenwirkungen der Behandlung besser zu verkraften und schneller wieder
fit zu werden. Wie genau und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse es zur
Sporttherapie gibt, darüber spricht Sportwissenschaftlerin Dr. Vanessa
Oschwald im Wissenschaftspodcast der Deutschen Sporthochschule Köln.

Am 15. Februar ist der internationale Kinderkrebstag, der im Jahr 2002 ins
Leben gerufen wurde, um auf krebskranke Kinder und Jugendliche und deren
Angehörige aufmerksam zu machen. Diesen Tag nimmt „Eine Runde mit …“, der
Wissenschaftspodcast der Sporthochschule, zum Anlass, um über die
Krebstherapie bei Kindern zu sprechen. Im Detail geht es um die positiven
Effekte, die Sport und Bewegung haben können. In Zusammenarbeit mit dem
Kölner Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße setzen Dr. Vanessa Oschwald
und ihre Kolleg*innen vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin
Sportprogramme in der Klinik um.

Vanessa Oschwald gibt im Wissenschaftspodcast praktische Einblicke in den
Klinikalltag einer Kinderkrebsstation und sensibilisiert für die enormen
Belastungen, denen die gesamte Familie eines an Krebs erkrankten Kindes
ausgesetzt ist. Sie erklärt, welche Auswirkungen die Krebsbehandlung auf
die Kinder hat und wieso es wichtig ist, dass die Kinder auch während der
Therapie im Krankenhaus in Bewegung bleiben. Denn die langen Liegezeiten
und der Bewegungsmangel haben viele negative Auswirkungen: Die Muskeln
werden schwächer, die Knochendichte nimmt ab, das Herz-Kreislaufsystem
wird nicht mehr beansprucht. Hier setzt das Sportprogramm an; es reicht
von kleinen Mobilitätsübungen über spielerische Kräftigungsübungen bis hin
zum Vibrationsplattentraining. Und hinzu kommt: „Durch Sport fühlt man,
was man leisten kann. Man wird fitter, fühlt sich wacher und stärker und
traut sich etwas zu. Der Sport stärkt auch das soziale Gefüge“, sagt
Vanessa Oschwald.

„Eine Runde mit …“ (Folge 23) ist auf der Webseite der Deutschen
Sporthochschule Köln unter www.dshs-koeln.de/einerundemit erreichbar und
zusätzlich überall dort zu finden, wo es Podcasts gibt.

  • Aufrufe: 61

Spenderorganmangel: Deutsche Herzgesellschaften und Herzstiftung befürworten erneute Diskussion zur Widerspruchslösung

Strukturelle Verbesserungen im Transplantationswesen für Organspende
zusätzlich zur Widerspruchslösung dringend notwendig

Der deutliche Rückgang der Zahl der Organspenden im Jahr 2022 zeigt: Beim
Spenderorganmangel ist in Deutschland kein Ende in Sicht. Alarmiert von
diesem negativen Trend mit dramatischen Auswirkungen für die betroffenen
schwer kranken Patientinnen und Patienten, darunter auch Kinder, sehen die
Deutsche Herzstiftung und Deutschlands herzmedizinische Fachgesellschaften
dringlichen Handlungsbedarf. Sie befürworten daher eine erneute Diskussion
über die Einführung der Widerspruchslösung, wie von
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zuletzt gefordert. Deutschlands
herzmedizinische Fachgesellschaften sind die Deutsche Gesellschaft für
Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG), die Deutsche Gesellschaft für
Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK) und die Deutsche
Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler
(DGPK).
Ein erster Anlauf pro Widerspruchslösung war im Januar 2020 gescheitert
und führte zur erweiterten Zustimmungslösung. Dazu gehörte ein Online-
Register zur Dokumentation der Organspendebereitschaft (aktuell auf 2024
verschoben). Seitdem hat sich die Organspendesituation nicht verbessert,
eher noch verschlechtert: Die enorme Kluft zwischen der Zahl schwer
kranker Menschen auf den Wartelisten für ein Spenderorgan und den
verfügbaren Organen für eine Transplantation ist noch größer geworden, wie
die aktuellen Organspendezahlen der Deutschen Stiftung
Organtransplantation (DSO) (1) zeigen. Dass sich die Situation verbessern
könnte, ist nicht abzusehen. Nach DSO-Angaben sind die Organspenden im
Jahr 2022 um 6,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Mit den 2.795
nach postmortaler Spende übertragenen Organen konnte zwar 2.695 schwer
kranken Patientinnen und Patienten eine bessere Lebensqualität oder sogar
ein Weiterleben ermöglicht werden, so die DSO. Allerdings warten 8.500
Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan. Auch die Zahl der
Spenderherzen bewegt sich weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau, sie
stieg nur wenig spürbar um 0,6 Prozent von 310 postmortal gespendeten
Herzen (2021) auf 312 im Jahr 2022 an. Nur mit Hilfe von weiteren 46
Spenderherzen aus dem Ausland – wohlgemerkt alles Länder mit
Widerspruchslösung – konnte die Zahl der transplantierten Herzen auf
insgesamt 358 Herzen erhöht werden.

Lage für Patientinnen und Patienten „hoch dramatisch“
„Die Lage ist hoch dramatisch“, warnt Herzchirurg Prof. Dr. Andreas
Böning, Präsident der DGTHG. Den 358 Herztransplantationen im Jahr 2022
stehen deutschlandweit mehr als 700 schwer herzkranke Menschen auf den
Wartelisten gegenüber, die dringend ein Spenderherz benötigen. „Wir sehen
daher besorgt auf den eklatanten, anhaltenden Organspendemangel“, erklärt
der Präsident der DGTHG, die bereits eigene Organspende-Kampagnen
initiiert hat. Die Widerspruchslösung wäre eine wichtige Maßnahme, um die
Zahl der Spenderorgane deutlich zu erhöhen und damit jenen Menschen zu
helfen, die dringlich auf ein Spenderherz warten, betont Böning.
Die Fachgesellschaften für Herzchirurgie (DGTHG), für Kardiologie (DGK)
und Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK) sprechen
sich daher – auch als Verfasser des Positionspapiers zu einer Nationalen
Herz-Kreislauf-Strategie für eine bessere Versorgung von Patientinnen und
Patienten und innovative Forschung in Deutschland (NHKS) (2) – klar für
eine Widerspruchslösung aus. „Wir befürworten den Anlauf des
Bundesgesundheitsministers für eine erneute Abstimmung des Bundestags über
die Einführung der Widerspruchslösung in Deutschland mit dem Ziel, die
Zahl der Spenderorgane zu erhöhen“, betont der Kardiologe Prof. Dr.
Stephan Baldus, Präsident der DGK. Die Deutsche Herzstiftung als
Patientenvertretung der Herz-Kreislauf-Medizin unterstützt sämtliche
Anstrengungen der kardiologischen und herzchirurgischen
Fachgesellschaften, die zu einer Verbesserung der Organspendezahlen in
Deutschland beitragen. „Nur mit ausreichend verfügbaren Spenderherzen
können wir Patientinnen und Patienten mit schwer geschädigtem Herzen eine
Perspektive geben“, sagt Prof. Dr. Thomas Voigtländer,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Dies gilt auch für die
21 zusätzlich auf der Warteliste befindlichen Kinder (Alter 0 bis 15
Jahre) für ein Spenderherz. 42 Herzen konnten bei Kindern im Jahr 2022
transplantiert werden. „Es braucht daher auch für Kinder, Jugendliche und
junge Erwachsene mit schweren Herzmuskelerkrankungen zwingend die
Widerspruchslösung“, fordert der Kinderkardiologe Prof. Dr. Matthias
Gorenflo, Präsident der DGPK. Die Widerspruchslösung gilt in 20
europäischen Ländern.

Das Widerspruchs-Prinzip besagt: Wer eine Organspende nicht ausdrücklich
verweigert, steht als Spender grundsätzlich zur Verfügung, wobei die
Angehörigen ein Veto einlegen können.

Die häufigsten Ursachen und Indikationen für eine Herztransplantation sind
schwerwiegende Herzmuskelerkrankungen (Kardiomyopathien), die koronare
Herzkrankheit (KHK), die Grundkrankheit des Herzinfarkts, und weitere
chronische Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems wie Herzmuskelentzündung
(Myokarditis). Hauptursachen für die Entwicklung einer schweren
Herzinsuffizienz sind im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter
(EMAH) ein Versagen des Herzmuskels im Endstadium (z. B. nach
Herzmuskelentzündung, Kardiomyopathien) und komplexe angeborene Herzfehler
im terminalen Herzkreislaufversagen. Für Patientinnen und Patienten mit
schwerer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) im Endstadium ist die
Herztransplantation eines Spenderorgans Goldstandard.

Widerspruchslösung erfordert zugleich strukturelle Verbesserungen in der
Transplantationsmedizin
Damit sich die Organspendesituation in Deutschland verbessert, müssen mit
Unterstützung der Politik im Transplantationswesen auch die logistischen
Voraussetzungen für mehr Organverpflanzungen stimmen. „Die jetzige
Situation des Krankenhauswesens ist insbesondere von Ressourcenknappheit
auf den Intensivstationen geprägt. Die Transplantationsmedizin bindet
enorme intensivmedizinische Kapazitäten“, betont Prof. Voigtländer. Der
Kardiologe sieht politischen Handlungsbedarf besonders aufgrund der
fehlenden Intensivpflegekräfte sowohl für erwachsene Patienten als auch
auf den Kinderherz-Intensivstationen, wo auch eine dramatische
Unterbesetzung der Pflegedienste zu beklagen ist. Diese personellen
Engpässe besonders auf den Intensivstationen der Kliniken bestanden schon
vor der Pandemie. SARS-CoV-2 verstärkte die Belastung auf den
Intensivstationen mit Auswirkungen auch auf andere Klinikbereiche.
So zeigen auch die DSO-Zahlen, dass die Coronavirus-Pandemie und damit
verbundene hohe Krankenstände beim Klinikpersonal „wesentlich zum starken
Einbruch der Organspenden um 30 Prozent“ im ersten Quartal 2022
beigetragen haben. Zum anderen scheint die Realisierung von möglichen
Organspenden dadurch erschwert zu werden, dass es den koordinierenden
Stellen nicht immer gelingt, den Willen von Verstorbenen für oder gegen
eine Organspende frühzeitig zu klären. Ein Problem, das die DSO für den
Rückgang der Organspenden anführt: Es fehlt häufig an eindeutigen
Einwilligungen der Verstorbenen. In 42 Prozent der Fälle kam eine
Ablehnung etwa aufgrund des vermuteten Willens der Verstorbenen zustande.
35 Prozent der Ablehnungen hätten auf der Einschätzung der Angehörigen
nach deren eigenen Wertvorstellungen beruht, die nicht unbedingt denen des
Verstorbenen entsprachen. „Die Zahlen stehen sehr im Kontrast zu den hohen
Zustimmungswerten in der Bevölkerung für das Thema Organspende“, gibt DGK-
Präsident Baldus zu bedenken. Nach einer aktuellen Umfrage der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) befürworten über 80
Prozent der Bundesbürger eine Organspende (3).

Machen Koordinatoren-Teams in Spaniens Kliniken den Unterschied?
Ein Blick auf die Situation in Spanien, das bei Organspenden seit
Jahrzehnten weltweit an der Spitze steht, lässt darauf schließen, dass
nicht allein die Widerspruchslösung, sondern vor allem auch effiziente
Strukturen in der Organisation der Organspende hohe Organspendezahlen erst
ermöglichen. Eine wichtige Säule des spanischen Systems bilden die eigens
für den Transplantationsprozess geschaffenen „Koordinatoren“-Teams aus
Ärzten und Pflegern in den Intensivstationen, die in engem Kontakt zur
staatlichen Zentralbehörde für Transplantationen (ONT) stehen. Hier
spielen Abläufe zwischen Koordinatoren-Teams auf den Intensivstationen,
der zentralen Koordinierungsstelle und den Angehörigen der Patienten auf
den Intensivstationen der Kliniken eine wichtige Rolle. Im Unterschied zu
den spanischen Koordinatoren müssen Transplantationsbeauftragte in
Deutschland ihre Aufgabe oft zusätzlich zu ihrer vollberuflichen
ärztlichen Tätigkeit in der Klinik wahrnehmen mit viel bürokratischer
Zusatzlast. Das erschwert ein effizientes Vorgehen bei der Realisierung
einer Organspende. Nur durch die Kombination von verbesserten Abläufen im
Krankenhaus und der Einführung einer Widerspruchslösung kann dem
Organmangel effektiv begegnet werden.

Deutschland importiert Organe aus Ländern mit Widerspruchlösung
Dass im Jahr 2022 von den 358 in Deutschland transplantierten Herzen 46
Spenderherzen aus Ländern mit Widerspruchslösung importiert wurden, sehen
die Verfasser der NHKS kritisch. Als „nicht hinnehmbar und ethisch
problematisch“ bezeichnet DGTHG-Präsident Prof. Böning, dass in
Deutschland Spenderorgane aus Ländern des Eurotransplant-Verbunds mit
einer Widerspruchslösung wie Spanien, Belgien und Österreich akzeptiert
werden, während hierzulande eine solche Lösung nicht eingeführt wurde.
„Deutschland hat als einziges Mitgliedsland von Eurotransplant keine
Widerspruchslösung.“

Herztransplantation die bessere Option als Herzersatzverfahren
Erfreulicherweise leben ca. 60 Prozent der Patienten 10 Jahre und länger
nach einer Herztransplantation. Bis zu 30 Prozent leben auch nach 20
Jahren noch mit ihrem neuen Herzen. Dank stetig weiterentwickelter und
innovativer Medikamente, vor allem Immunsuppressiva, verbessert sich das
Langzeitüberleben der Herztransplantierten kontinuierlich. Für das
komplexe menschliche Herz gibt es aktuell keinen kompletten
Kunstherzersatz. Die sogenannten Kunstherzen (Total Artificial Hearts,
TAH) sind noch im Frühstadium ihres Einsatzes beim Menschen, daher sind
weder mittelfristige Erkenntnisse noch Langzeitergebnisse verfügbar. Auch
die Transplantation eines tierischen Herzens (Xenotransplantation) ist
zurzeit keine Alternative. Für Patienten auf der Warteliste für ein
Spenderherz gibt es zwar bis zur Erholung des Herzmuskels oder zur
Überbrückung bis zur Herztransplantation die Option eines
Herzunterstützungssystems für die rechte, linke oder beide Herzkammern
(RVAD, LVAD, BVAD). Die Lebenserwartung mit einem Spenderherz ist
allerdings deutlich höher als mit dem häufigsten Herzunterstützungssystem
LVAD. LVAD-Träger können zwar inzwischen auch recht gut mit ihrem
künstlichen Pumpsystem leben. „Allerdings kann Patienten, bei denen beide
Herzkammern geschädigt sind, nach wie vor nur eine Herztransplantation
helfen“, so DGTHG-Präsident Böning.
(wi)

Literatur:

(1) Pressemitteilung der DSO „Organspendezahlen im vergangenen Jahr
gesunken“:
https://dso.de/dso/presse/pressemitteilungen/Organspendezahlen%20im%20vergangenen%20Jahr%20gesunken/103

(2) Nationale Herz-Kreislauf-Strategie für eine bessere Versorgung von
Patientinnen und Patienten und innovative Forschung in Deutschland (NHKS):
https://dgk.org/daten/nationale_herz-kreislauf-strategie-2021.pdf

(3) Befragung der BzgA zur Organ-/Gewebespende (2022):
https://www.organspende-info.de/mediathek/studien/
https://www.organspende-
info.de/fileadmin/Organspende/05_Mediathek/04_Studien/BZgA_Infoblatt_Repraesentativbefragung_Organspende_2022.pdf

BZgA:
www.organspende-info.de
Ein Organspendeausweis der Deutschen Herzstiftung kann kostenfrei unter
www.herzstiftung.de/organspendeausweis (E-Mail:
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.) angefordert werden.
Weitere Infos zur Organspende sind abrufbar unter www.herzstiftung.de und
www.herzstiftung.de/podcasts

  • Aufrufe: 49