Vorhofflimmern nach Herz-OP: Forschung zu neuem Therapieansatz
Vorhofflimmern tritt oft nach einer Herzoperation auf. Ob sich das durch
lokal eingebrachte Arzneien während der OP vermeiden lässt, untersucht
eine Ärztin der Medizinischen Hochschule Hannover mit Forschungsförderung
der Herzstiftung
Bis zu 60 Prozent der Patienten entwickeln nach einem Eingriff am Herzen
ein sogenanntes postoperatives Vorhofflimmern (POAF). Das Herz schlägt
unregelmäßig und zu schnell. Die Betroffenen fühlen sich oftmals müde und
benommen, leiden an Brustschmerzen bis hin zu Luftnot und Ohnmacht. Sehr
häufig tritt das Phänomen nach einer kombinierten Bypass- und
Klappenersatz-Operation auf; in vier bis fünf Prozent der Fälle sogar nach
Eingriffen, die nicht am Herzen erfolgt sind. „Jeder dritte Patient kann
vom postoperativen Vorhofflimmern betroffen sein“, betont Dr. med. Ezin
Deniz, M.D., Ärztin in der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations-
und Gefäßchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). „Es gehört
zu den häufigsten Komplikationen nach einer Herz-Operation und tritt in
der Regel innerhalb der ersten vier Tage nach dem Eingriff auf.“ In einem
von der Deutschen Herzstiftung mit 65.744 Euro geförderten
Forschungsprojekt will die Medizinerin einen neuen Therapieansatz
untersuchen, um postoperatives, das heißt nach dem Eingriff auftretendes,
Vorhofflimmern zu verhindern. Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden,
erhöht sich durch Vorhofflimmern um das Fünffache. „Umso wichtiger sind
innovative Forschungsvorhaben, die dazu beitragen, Vorhofflimmern auch als
Komplikation einer Herzoperation und die damit verbundenen Risiken für die
Patienten zu verhindern. Dr. Deniz leistet hierbei mit ihrem
Forschungsvorhaben an der MHH einen wichtigen Beitrag“, betont Prof. Dr.
med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.
Die Herzstiftung fördert im Rahmen einer Sonder-Forschungsförderinitiat
mit rund 1 Mio. Euro 14 innovative Forschungsvorhaben zu Vorhofflimmern,
eines davon ist die Studie von Dr. Deniz. Infos: www.herzstiftung.de
/forschung-vorhofflimmern
Längerfristige Folgen des postoperativen Vorhofflimmerns
Meistens handelt es sich bei den Betroffenen um Menschen, die über 65
Jahre alt sind und bereits an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden. Bei
rund 40 Prozent von ihnen ist das POAF eine Woche später verschwunden, 90
Prozent verspüren nach sechs Wochen keinerlei Symptome mehr. Das Problem
jedoch sind die längerfristigen Folgen des postoperativen Vorhofflimmerns.
„Einige Studien haben gezeigt, dass die Betroffenen ein höheres Risiko für
postoperative Störungen der Lungen- und Nierenfunktion oder Schlaganfall
haben“, sagt Dr. Deniz, „und zwar auch die Patienten, die sechs Wochen
nach der OP kein POAF mehr haben.“
Ein Drittel der Betroffenen entwickelt Herzinsuffizienz
Das Risiko, in späteren Jahren nach dem erstmaligen postoperativen
Vorhofflimmern ein entweder dauerhaftes oder wiederholt anfallsartig
auftretendes Vorhofflimmern und infolgedessen eine Herzinsuffizienz zu
entwickeln, ist sogar um das Fünffache erhöht. Das haben
Kontrolluntersuchungen von Betroffenen fünf Jahre nach dem Eingriff
ergeben. „Ein Drittel von ihnen entwickelt eine Herzinsuffizienz“, sagt
die MHH-Ärztin und Forscherin. Denn durch das Vorhofflimmern verändern
sich die Herzmuskelzellen. Sie senden störende elektrische Signale aus und
bringen den Herzschlag durcheinander, was wiederum das Vorhofflimmern
verstärkt. „Auf diese Weise entsteht eine gefährliche Abwärtsspirale“,
erklärt Dr. Deniz.
Systemische Gabe von Antiarrhythmika mit Nebenwirkungen verbunden
Um ein postoperatives Vorhofflimmern und die daraus resultierenden Folgen
abzuwenden, gibt es bislang keine allgemeingültigen Therapien. Aktuell
identifizieren die behandelnden Ärzte vor einer Herzoperation anhand von
Scores Risikopatienten. Scores sind Punktwerte, die aufgrund von
Erfahrungswerten von Risikofaktoren die Wahrscheinlichkeit für das
Auftreten von Vorhofflimmern ermitteln. Die aktuellen Leitlinien der
European Society of Cardiology (ESC) empfehlen bei Patienten mit
Vorhofflimmern die Gabe von bestimmten Antiarrhythmika. Das sind Arzneien,
die die elektrische Herztätigkeit wieder normalisieren sollen. „Dieser
präoperative, das heißt vor der OP erfolgende, systemische Einsatz kann
bei Patienten erwogen werden, die ein sehr hohes Risiko bergen, ein POAF
zu entwickeln“, erklärt die Herzspezialistin Dr. Deniz. Denn die
Medikamente wirken systemisch, das heißt auf den gesamten Körper und
können mit gravierenden Nebenwirkungen verbunden sein. „Wir wägen es sehr
genau ab, bevor wir vorbeugend Antiarrhythmika einsetzen.“
Neuer Therapieansatz mit lokal aufgebrachter Arznei
Dr. Deniz und ihre Kollegen wollen jetzt in einer Pilotstudie untersuchen,
ob sich bestimmte lokal auf das Herz aufgebrachte Antiarrhythmika dabei
bewähren, Vorhofflimmern bei den Betroffenen zu vermeiden. Es geht dabei
um die Arzneistoffe Amiodaron und Sotalol, die sich zur Behandlung von
Vorhofflimmern als besonders wirksam erwiesen haben. „Nationale und
internationale Studien haben gezeigt, dass die lokale Anwendung von
Antiarrhythmika im Tiermodell effektiv wirkt und die Nebenwirkungen
signifikant niedriger sind“, unterstreicht Dr. Deniz, die die Studie
leitet. „Diese Ergebnisse müssen wir in den klinischen Alltag bringen.“
Medikament wirkt bis zum vierten Tag nach Eingriff
150 Patienten im Alter ab 18 Jahren sind für die Pilotstudie, die im März
beginnen soll, geplant. Bedingung für die Teilnahme an der Studie ist:
Keine sichtbaren strukturellen Veränderungen am Herzen. Die
Studienteilnehmer erhalten das jeweilige Medikament oder ein Placebo
unmittelbar während der Herzoperation direkt sowie den zweiten und dritten
Tag nach dem Eingriff über den Wundschlauch in den Herzbeutel. „Somit kann
das Medikament bis zum vierten Tag nach der Operation wirken, also genau
in dem Zeitraum, in dem das POAF meistens auftritt“, erläutert die Ärztin.
Die erste Folgestudie dann soll Patienten mit einer Herzschädigung
einschließen. „Aber das dauert noch ein paar Jahre. Erst einmal müssen wir
prüfen, ob dieses Verfahren in der Klinik effizient, sicher und machbar
ist“, so Dr. Deniz.
(weg)
Förderinitiative der Herzstiftung zum Vorhofflimmern: 1 Mio. Euro für die
Forschung
Das Forschungsvorhaben von Dr. Ezin Deniz an der MHH ist eines von
insgesamt 14 innovativen Forschungsprojekten im gesamten Bundesgebiet, das
die Herzstiftung im Rahmen einer Forschungsförderinitiative mit einem
Gesamtvolumen von einer Million Euro fördert (Infos: www.herzstiftung.de
/forschung-vorhofflimmern). An der häufigsten anhaltenden
Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern leiden rund 1,5 bis 2 Millionen
Menschen in Deutschland. Die Folgen eines unerkannten und unbehandelten
Vorhofflimmerns können gravierend sein. „Es besteht daher ein dringlicher
Forschungsbedarf – vor allem, weil die Herzrhythmusstörung ein
wesentlicher Risikofaktor für Herzkomplikationen und Schlaganfälle ist“,
betont Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der
Deutschen Herzstiftung. Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, erhöht
sich durch Vorhofflimmern um das Fünffache.
Zu den Vorhofflimmer-Forschungsprojek
www.herzstiftung.de/forschung-
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