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BIVA-Pflegeschutzbund rät: Pflegeheim-Entgelterhöhungen prüfen lassen!

Auf Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner kommen derzeit drastische Kostenerhöhungen zu. Die monatlichen Erhöhungen, die der Beratung des BIVA-Pflegeschutzbundes vorliegen, betragen mehrere Hundert Euro und in Einzelfällen mehr als 1.000 Euro. Allerdings sind viele diese Erhöhungsschreiben fehlerhaft und damit unwirksam. „Betroffene sollten immer unter Vorbehalt zahlen und ihre Erhöhung prüfen lassen“, rät Markus Sutorius, Jurist beim BIVA-Pflegeschutzbund.

Die Rechtsberatung des BIVA-Pflegeschutzbundes verzeichnet in den letzten Wochen einen starken Anstieg von Anfragen zu Entgelterhöhungen im Pflegeheim. Der Eigenanteil an den Pflegekosten erhöhte sich bereits in den letzten Jahren kontinuierlich, aber derzeit sind die Kostensteigerungen aufgrund der Ukrainekrise und der Tariflohnbindung exorbitant. Die durchschnittliche monatliche Erhöhung hat sich im Vergleich zum Vorjahr in etwa verdoppelt: von 200 bis 300 Euro auf ungefähr 600 Euro und in Einzelfällen sogar auf über 1.000 Euro. Immer mehr Pflegeheimbewohner:innen werden dadurch zu Sozialhilfeempfängern.

Die gute Nachricht: Mehr als 80 Prozent der Entgelterhöhungsverlangen, die dem BIVA-Pflegeschutzbund aktuell vorgelegt werden, sind fehlerhaft und damit unwirksam. Ist das der Fall, kann die BIVA als qualifizierter Verbraucherschutzverein mithilfe des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) dagegen vorgehen, ohne dass Betroffene selbst aktiv werden müssen. Denn: Einrichtungen müssen rechtliche Vorgaben einhalten, damit eine Entgelterhöhung wirksam ist. So muss beispielsweise das Ankündigungsschreiben eine ausreichende Begründung für die Erhöhung, die Angabe des Umlageschlüssels und die Gegenüberstellung der alten und neuen Kosten enthalten – ähnlich wie bei Mieterhöhungen. Diese Vorgaben sind im Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) geregelt.

Daher unser Tipp für Betroffene: Zahlen Sie erhöhte Beiträge nur unter Vorbehalt und lassen Sie das Erhöhungsschreiben vom BIVA-Pflegeschutzbund prüfen. Weitere Informationen finden Sie unter https://www.biva.de/kostenerhoehung-im-pflegeheim-was-kann-ich-tun/

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Der BIVA-Pflegeschutzbund vertritt seit 1974 bundesweit die Interessen von Menschen, die im Alter Wohn- und Pflegeangebote in Anspruch nehmen. Der BIVA-Pflegeschutzbund ist gemeinnützig, konfessionell ungebunden und überparteilich. BIVA ist die Abkürzung für Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen e.V.

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Innovationsforum Schmerzmedizin DGS 2022 als Hybrid-Kongress

Das Innovationsforum Schmerzmedizin der Deutschen
Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) fand Ende September als Hybrid-
Kongress statt. Mehr als 400 Ärztinnen und Ärzte nahmen an der CME-
zertifizierten Fortbildung teil. Themen des ersten Tages waren z. B.
„Hämophilie – eine Aufgabe für die Schmerzmedizin“ sowie
Patientenkommunikation und Behandlungserwartungen in der Schmerztherapie.

„Mit dem DGS-Innovationsforum geben wir insbesondere Allgemeinmedizinern,
Internisten, Orthopäden, Neurologen, Anästhesisten und Schmerzmedizinern
die Möglichkeit, ihr Fachwissen zu vertiefen und neue Impulse für ihre
tägliche Arbeit zu erhalten“, so DGS-Präsident Dr. med. Johannes
Horlemann. Die Hämophilie ist ein neues Thema der jährlich stattfindenden
Fortbildungsveranstaltung. „Schmerzen werden bei dieser seltenen
Erkrankung unzureichend erfasst und behandelt. Darauf wollen wir
aufmerksam machen“, erklärte Horlemann.

Was hat Hämophilie mit Schmerzen zu tun?
Hämophilie ist eine genetisch bedingte, bisher nicht heilbare Erkrankung,
die sich aber gut behandeln lässt. Bei der Hämophilie treten spontane
innere Blutungen, meist in den Gelenken (80 %) auf. Akute Schmerzen –
verbunden mit Schwellungen und Bewegungseinschränkungen – sind die Folge.
Wiederholte Blutungen können Entzündungsreaktionen, Knorpeldegenerationen
und Gelenkdeformationen bedingen. Diese so genannte hämophile Arthropathie
kann wiederum zu chronischen Schmerzen führen. Mittels Prävention,
Physiotherapie, Sport, Medikamenten, individueller Schmerztherapie oder
auch mit einem chirurgischen Eingriff als letzte Option, lassen sich die
Schmerzen wirksam behandeln. Durch eine prophylaktische Substitution von
Gerinnungsfaktoren – angepasst an die Lebenssituation des Patienten – kann
zudem das Auftreten der hämophilen Arthropathie deutlich verzögert und
abgemildert werden. DGS-Präsident Dr. Horlemann betonte, dass Ärzte bei
der medikamentösen Therapie auf die Dauerverträglichkeit achten sollten.
„Wenn ich mich für ein Nicht-Opioid entscheide, dann gilt der Leitsatz:
Geringste effektive Dosis für die kürzeste Zeit.“ Horlemanns Appell: „Wir
Schmerzmediziner sollten die Patienten niemals aufgeben, sondern uns
intensiv um sie bemühen und intensiv mit Hämophiliebehandlern
zusammenarbeiten.“

Eine positive Patientenkommunikation steigert den Therapieerfolg
Zeit nehmen, zuhören, Informationen einholen, Informationen anbieten,
beraten und auf Nebenwirkungen vorbereiten – darauf kommt es in der
Patientenkommunikation an.
So kann eine positive Aufklärung den Behandlungserfolg entscheidend
beeinflussen. Auch Empathie und Zuwendung dienen als Wirkverstärker und
haben einen positiven Effekt auf Krankheitssymptome. Die Wertschätzung von
Therapien unterstützt ebenfalls die Wirkung und auch die Adhärenz.
Ausschlaggebend für den Therapieerfolg kann darüber hinaus auch die Art
der Präsentation – das so genannte Framing – sein. So werden
beispielsweise Nebenwirkungen in einem positiven Kontext als weniger
bedrohlich wahrgenommen. Zudem gilt es, unbeabsichtigte negative
Suggestionen und unbeabsichtigte Verunsicherungen in der
Patientenkommunikation zu vermeiden.

Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023 – Digital. Interaktiv. Live.
Zum Abschluss des Innovationsforums gaben DGS-Präsident Dr. med. Johannes
Horlemann und DGS-Vizepräsident PD Dr. med. Michael A. Überall einen
Ausblick auf den Deutschen Schmerz- und Palliativtag 2023. Dieser findet
unter dem Motto „Sorgen und Versorgen: Schmerzmedizin konkret“ vom 14.-18.
März 2023 online statt. Neu in 2023 sind Vorträge in englischer Sprache
und die virtuelle Poster-Ausstellung.

Weiterführende Links:
www.dgschmerzmedizin.de

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Kongress der Augenheilkunde in Berlin: Starke Resonanz auf die DOG in Präsenz

Der erste Präsenzkongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft
(DOG) seit Pandemiebeginn ist von Augenärztinnen und Augenärzten
außerordentlich gut besucht worden: 3.023 Fachteilnehmer registrierten
sich zur DOG 2022, die am 2. Oktober zu Ende ging. Die Gesamtzahl der
Teilnehmer belief sich auf 4.463. „Die starke Beteiligung spiegelt die
Bedeutung wider, die der persönliche Austausch auch für die Wissenschaft
und Fortbildung hat“, bilanziert DOG-Präsident Professor Dr. Gerd
Geerling. Neben den Keynote Lectures zählten der Eröffnungsvortrag des
Klimafolgenexperten Professor Dr. Ottmar Edenhofer sowie das neue Format
„Surgical Saturday“ zu den Highlights des Kongresses.

Eine Vielzahl von Inhalten steht noch bis Anfang Dezember über eine
Streaming-Plattform zum Abruf bereit.

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Als inhaltliche Schwerpunkte hatte DOG-Präsident Geerling die Themen
ökologische Nachhaltigkeit in der Augenheilkunde und regenerative Medizin
gesetzt. Sie wurden in den Keynote Lectures von führenden Expertinnen und
Experten vertreten. So sprach Professor Dr. Robert MacLaren, der als
Erster eine Gentherapie am menschlichen Auge durchführte, über „Gene
therapy for retinal diseases“. Professor Dr. Paolo Rama wiederum leitete
die Zulassungsstudie für die erste kommerzielle Stammzelltherapie bei
Limbusinsuffizienz und gab einen Überblick zu „Application of cell therapy
for limbal stem cell deficiency“.

Weiteres Highlight war die Keynote Lecture der renommierten
Umweltmedizinerin Professor Dr. Claudia Traidl-Hoffmann. Die Ausburger
Fachärztin für Dermatologie, Venerologie und Allergologie widmete sich
unter dem Titel „Überhitzt – wie der Klimawandel unsere Gesundheit
beeinträchtigt“ unter anderem der Notwendigkeit, Resilienz und
Anpassungsstrategien gegen den Klimawandel zu entwickeln. Professor Dr.
Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für
Klimafolgenforschung, legte auf der Eröffnungsveranstaltung dar, dass es
keine Alternative zum sofortigen Ausstieg aus Kohle und zur Absenkung des
Gasverbrauchs gebe. Die Reduktion des CO2-Ausstoßes dulde keinen Aufschub.

Dass sich die DOG dem Thema ökologische Nachhaltigkeit widme, „ist nicht
Zeitgeist, ist nicht politisch motivierter Aktionismus“, betonte dann auch
Kongress-Präsident Geerling in seiner Rede. „Es ist schlichtweg unsere
aktuelle, dringliche Aufgabe als Fachgesellschaft.“ So fand ein Symposium
der AG DOG-Ethik zu „Ökologische Nachhaltigkeit in der Augenheilkunde –
Wie kann das gehen?“ statt. Darüber hinaus hat die DOG ein Positionspapier
zur Reduktion des CO2-Ausstoßes mit konkreten Handlungsempfehlungen für
Kliniken und Praxen erarbeitet. Schließlich wurde auch der Kongress selbst
stärker am Prinzip der ökologischen Nachhaltigkeit ausgerichtet, unter
anderem mit wiederverwendbaren Messeständen, dem verstärkten Einsatz von
Mehrweg-Produkten, reduziertem Papierverbrauch und weniger Fleischverzehr.

Wie in den Vorjahren schon, stießen die „DOG-Updates – State of the Art“
ebenso wie die Fallkonferenzen auf große Resonanz - allen voran das
unterhaltsam dargebotene Consilium diagnosticum. Aber auch die Symposien,
Vortragssitzungen und Firmensymposien* erfreuten sich durchgehend guter
Teilnehmendenzahlen. Insgesamt konnten die Augenärztinnen und Augenärzte
die Präsidentenrede und drei Keynotes, zehn DOG Updates, acht
International Expert Talks, 56 Symposien, 54 Kurse und Workshops, 22 Freie
Vortragssitzungen, 27 Firmenverstanstaltungen, neun Vorträge im Forum
digital, 61 Arbeitssitzungen und ein Patientensymposium besuchen. In der
Industrieausstellung* präsentierten 92 Ausstellende innovative Produkte
und Services, zudem fanden 27 Firmenveranstaltungen statt.

Musikbegeisterte konnten das beliebte „DOG in Concert“ zugunsten der
Stiftung Auge wieder live in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche hören –
in diesem Jahr präsentierte das Kammerorchester sein vielfältiges Programm
gemeinsam mit dem Kammerchor des Kölner Männergesangsvereins. Zum
Benefizlauf „Eye Run“ der Stiftung Auge fanden sich am Freitag mehr als 50
Sportbegeisterte ein, um ab 7.00 Uhr gemeinsam die Fünf-Kilometer-Strecke
zu absolvieren. Zum Abschluss der Benefizaktion „EyeCycle“ übergab
Professor Geerling der Stiftung Auge einen symbolischen Scheck. Bislang
wurden 20.000 Euro durch die gesponsorte Radtour zu Gunsten der
Nachhatligkeitsprojekte der Stiftung eingefahren.

Auf der DOG 2022 wurden in Berlin zudem turnusmäßig Mitglieder der
Präsidien gewählt bzw. bestätigt. Professor Dr. Nikolaos Bechrakis,
Direktor der Universitäts-Augenklinik Essen, hat das Amt des Präsidenten
der DOG übernommen – im kommenden Jahr findet die DOG unter seiner
Präsidentschaft vom 28. September bis zum 1. Oktober wieder im Berliner
Estrel statt. Professor Dr. Gerd Geerling, Direktor der Universitäts-
Augenklinik Düsseldorf, ist nunmehr Zweiter Vizepräsident. Zum Ersten
Vizepräsidenten und somit Kongresspräsidenten 2024 wurde Professor Dr.
Gerd Auffarth, Direktor der Universitäts-Augenklinik Heidelberg, gewählt.

Dem Gesamtpräsidium gehören ferner neu bzw. weiterhin an: Professor Dr.
Andreas Stahl aus Greifswald aus der Gruppe der Direktoren von
Universitätsaugenkliniken. Professorin Dr. Esther Hoffmann aus Mainz als
Vertreterin der Sektion DOG-Glaukom, Professor Dr. Berthold Seitz aus
Homburg/Saar als Vertreter der Sektion DOG-Kornea, Professor Dr. Wolf
Lagrèze aus Freiburg im Breisgau als Vertreter der Sektion DOG-Neuro-
Ophthalmologie, Professorin Dr. Elisabeth M. Messmer aus München als
Vertreterin der Sektion DOG-Ophthalmopathologie, Professor Dr. Uwe Pleyer
aus Berlin aus Vertreter der Sektion DOG-Uveitis, Dr. Sven Schnichels aus
Tübingen als Vertreter der AG Young DOG sowie Professor Dr. Oliver Ehrt
aus München als Delegierter der Bielschowsky Gesellschaft. In das Amt des
Schatzmeisters wurde Professor Dr. Thomas Kohnen aus Frankfurt am Main
wiedergewählt

Schließlich wurde auch die Satzung der DOG an virtuelle Zeiten angepasst –
wichtige Informationen können nun auch online zugestellt werden.

Um zu zeigen, dass die DOG sich auch in Zukunft kontinuierlich mit dem
Thema Nachhaltigkeit beschäftigen wird, fuhren der neue DOG-Präsident
Professor Dr. Nikolaos Bechrakis und der zweite Vizepräsident  Professor
Dr. Gerd Geerling nach Abschluss des Kongresses gemeinsam mit dem Rad zum
Albrecht-von-Graefe-Denkmal.

* Veranstalter der Industrieausstellung: Interplan Congress, Meeting &
Event Management AG München

Bei Veröffentlichung Beleg erbeten.

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DOG: Forschung – Lehre – Krankenversorgung
Die DOG ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für
Augenheilkunde in Deutschland. Sie vereint unter ihrem Dach mehr als 8.000
Mitglieder, die augenheilkundlich forschen, lehren und behandeln.
Wesentliches Anliegen der DOG ist es, die Forschung in der Augenheilkunde
zu fördern: Sie unterstützt wissenschaftliche Projekte und Studien,
veranstaltet Kongresse und gibt wissenschaftliche Fachzeitschriften
heraus. Darüber hinaus setzt sich die DOG für den wissenschaftlichen
Nachwuchs in der Augenheilkunde ein, indem sie zum Beispiel Stipendien vor
allem für junge Forscherinnen und Forscher vergibt. Gegründet im Jahr 1857
in Heidelberg ist die DOG die älteste augenärztliche Fachgesellschaft der
Welt und die älteste fachärztliche Gesellschaft Deutschlands.

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Schmerzlinderung ohne Nebenwirkungen und Abhängigkeit

Forschende der FAU nutzen Adrenalin-Rezeptoren für hochwirksame Analgetika

Neuartige Substanzen, die Adrenalin- statt Opioid-Rezeptoren aktivieren,
haben eine ähnliche schmerzlindernde Wirkung wie Opiate, jedoch keine
negativen Folgen wie Atemdepression und Abhängigkeit. Das hat ein
internationales Forschungsteam unter Leitung des Lehrstuhls für
Pharmazeutische Chemie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-
Nürnberg (FAU) gezeigt. Ihre Erkenntnisse, die jetzt im renommierten
Wissenschaftsjournal Science veröffentlicht wurden, sind ein Meilenstein
bei der Entwicklung nicht-opioider Schmerztherapeutika.*

Für die Linderung starker Schmerzen sind sie ein Segen, doch sie haben
auch gravierende Nachteile: Opioide, allen voran Morphin, können Übelkeit,
Schwindel und Verstopfung verursachen und haben nicht selten eine
Verlangsamung der Atmung zur Folge, bis hin zu tödlichem Atemstillstand.
Außerdem machen Opiate abhängig – ein hoher Prozentsatz der Drogenprobleme
in den USA beispielsweise ist auf Schmerzmittel zurückzuführen.

Um die unerwünschten medizinischen wie auch sozialen Wirkungen von
Opioiden zu bekämpfen, suchen Forschende weltweit nach alternativen
Analgetika. Prof. Dr. Peter Gmeiner, Inhaber des Lehrstuhls für
Pharmazeutische Chemie der FAU, ist einer von ihnen. „Wir konzentrieren
uns besonders auf die molekularen Strukturen der Rezeptoren, an die die
pharmazeutischen Substanzen andocken“, sagt er. „Nur wenn wir diese auf
atomarer Ebene verstehen, können wir effektive und sichere Wirkstoffe
entwickeln.“ Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam hat Prof.
Gmeiner bereits 2016 einen Wirkstoff entdeckt, der an die bekannten
Opioid-Rezeptoren bindet und Schmerzen genauso effektiv wie Morphin
lindert, obwohl er keinerlei chemische Ähnlichkeit mit Opiaten besitzt.

Neu im Visier: Adrenalin- statt Opioid-Rezeptor

Aktuell verfolgt Peter Gmeiner eine Spur, die noch mehr Erfolg verspricht:
„An der Schmerzverarbeitung sind nicht nur Opioid-Rezeptoren beteiligt,
doch nur wenige dieser Alternativen wurden bislang für Therapien
validiert“, erklärt er. Gmeiner und ein Team von Forschenden aus Erlangen,
China, Kanada und den USA haben einen Rezeptor ins Visier genommen, der
für die Bindung von Adrenalin zuständig ist, den Alpha-2A-Adrenerge-
Rezeptor. Auf diesen Rezeptor zielen bereits analgetische Therapeutika,
etwa Brimonidin, Clonidin oder Dexmedetomidin. Gmeiner: „Dexmedetomidin
ist schmerzlindernd, wirkt jedoch auch stark sedierend, weshalb es auf
Intensivbehandlungen im Krankenhaus beschränkt und für breitere
Patientengruppen nicht geeignet ist.“

Das Ziel des wissenschaftlichen Konsortiums: eine chemische Verbindung zu
finden, die den Rezeptor im zentralen Nervensystem aktiviert, jedoch keine
sedierende Wirkung entfaltet. Dafür haben die Forschenden in einer
virtuellen Bibliothek von mehr als 300 Millionen verschiedenen, leicht
zugänglichen Molekülen nach Verbindungen gesucht, die physikalisch zum
Rezeptor passen, chemisch jedoch nicht mit den bekannten Medikamenten
verwandt sind. Nach aufwändigen virtuellen Docking-Simulationen wurden
knapp 50 Moleküle für Synthese und Test ausgewählt, zwei davon erfüllten
am Ende die gewünschten Kriterien: Sie zeigen gute Bindungseigenschaften,
aktivieren aber nur bestimmte Proteinsubtypen und damit einen sehr
selektiven Satz zellulärer Signalwege, während Dexmedetomidin ein deutlich
breiteres Spektrum an Proteinen anspricht.

Tiermodelle zeigen Schmerzlinderung ohne Sedierung

Durch weitere Optimierung der identifizierten Moleküle, bei der unter
anderem auch extrem hochauflösende Kryo-Elektronenmikroskopie zum Einsatz
kam, haben die Forschenden schließlich Agonisten synthetisiert, die bei
Untersuchungen mit Tiermodellen hohe Konzentrationen im Gehirn erreichen
und das Schmerzempfinden wirksam senken. „Verschiedene Tests haben
bestätigt, dass die Bindung an dem Rezeptor ursächlich für die
erfolgreiche Analgesie war“, erklärt Gmeiner. „Erfreulich ist besonders,
dass keine der neuen Verbindungen eine Sedierung verursachte, selbst bei
wesentlich höheren Dosen, als zur Schmerzlinderung erforderlich gewesen
wären.“

Die erfolgreiche Trennung von analgetischer und sedierender Wirkung ist
ein Meilenstein bei der Entwicklung nicht-opioider Schmerztherapeutika,
zumal die neu identifizierten Agonisten vergleichsweise leicht hergestellt
und oral verabreicht werden können. Allzu große Hoffnung vor einem raschen
breiten Einsatz in der Humanmedizin muss Gmeiner jedoch dämpfen: „Wir
reden aktuell noch von Grundlagenforschung. Die Entwicklung von
Medikamenten unterliegt strengen Regularien und braucht neben viel Geld
auch viel Zeit. Dennoch stimmen uns die Ergebnisse sehr optimistisch.“

* https://doi.org/10.1126/science.abn7065

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