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Hochschule für Gesundheit gründet viertes Department

Die Hochschule für Gesundheit in Bochum plant für das Wintersemester
2023/2024 ein neues Studienangebot zu den Themen Nachhaltigkeit, Ökonomie
und Management im Gesundheitswesen.

Das Department für Ökonomie und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen (DÖNG)
ergänzt ab dem 01. September 2022 das Angebot der Hochschule für
Gesundheit (HS Gesundheit) in Bochum. Gemeinsam mit dem Department für
Angewandte Gesundheitswissenschaften (DAG), dem Department of Community
Health (DoCH) und dem Department für Pflegewissenschaft (DPW) verfügt die
2009 gegründete Hochschule dann über vier Departments mit verschiedenen
Schwerpunkten im Themenfeld Gesundheit.
"Das Präsidium hat sich entschieden, das Angebot der Hochschule für
Gesundheit um den Bereich nachhaltig ausgerichtete Unternehmensführung im
Gesundheitswesen zu erweitern. Wirtschaftliches Handeln in der
Gesundheitsbranche vor dem Hintergrund von Ressourcenknappheit und
Personalmangel stellt die Akteur*innen im Gesundheitswesen vor die
Herausforderung, mit knapperen Mitteln dieselbe Qualität in der
gesundheitlichen Versorgung zu gewährleisten", so Prof. Dr. Christian
Timmreck, Präsident der HS Gesundheit.
Prof. Dr. Frank Schmitz wurde zum Gründungsdekan des neuen Departments
ernannt. Der Wirtschaftswissenschaftler ist seit dem 01. März 2022
Professor für Management und Marketing im Gesundheitswesen an der HS
Gesundheit und wird das Studienangebot des neuen Departments aufbauen.
Geplant sind die zwei Bachelorstudiengänge "Nachhaltiges Management in der
Gesundheitswirtschaft" und "Gesundheitsökonomie", die zum Wintersemester
2023/2024 starten sollen. Zudem wird ein Masterstudiengang im Bereich
Management für Pflege und Gesundheitsberufe entwickelt, der auch als
Weiterbildungsangebot zugänglich sein wird.
"Über fünf Prozent der Treibhausemissionen in Deutschland entfallen auf
den Gesundheitsbereich. Damit trägt dieser wesentlich zur Klimakrise bei.
Wir haben uns dafür entschieden, dass Thema Nachhaltigkeit mit dem Thema
Ökonomie zu verknüpfen, weil dieses zukünftig beim Management von
Unternehmen in der Gesundheitswirtschaft ein wesentliches Kompetenzfeld
sein wird", erklärt Schmitz. Diese Kombination der Themen Ökonomie und
Nachhaltigkeit mit dem Fokus auf den Gesundheitssektor in einem
Studienangebot sei in Deutschland einzigartig, fügt Schmitz hinzu.

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Emma, Lotte und die Seltenen Erkrankungen

Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden versorgt seit vielen
Jahren eine große Zahl an Patientinnen und Patienten mit seltenen
Erkrankungen. Hauptaugenmerk ist es, den Betroffenen ein möglichst
beschwerdefreies Leben zu ermöglichen. Dazu bedarf es wie im Fall der
Zwillinge Emma und Lotte Franke aus Hainewalde einer besonders
zeitintensiven ärztlichen wie pflegerischen Zuwendung und einer
aufwändigen Spezialdiagnostik.

Um die Öffentlichkeit für die Problematik zu sensibilisieren und
Institutionen zu unterstützen, die sich für die Gesundheit von Menschen
mit seltenen Erkrankungen engagieren – dazu gehört auch das
UniversitätsCentrum für Seltene Erkrankungen (USE) –, hat Katja Franke,
die Mutter der Zwillinge, mit zahlreichen Unterstützerinnen und
Unterstützern die Spendenaktion „Aktiv für Seltene Erkrankungen“
initiiert. Obgleich jeder im Zeitraum vom 17. September bis 15. Oktober
auf eigene Faust für den guten Zweck unterwegs sein und den Gegenwert von
Zeit oder Kilometer in einer App spenden kann, ruft die Initiatorin und
Mutter von Emma und Lotte am Starttag der Aktion zu einer Spendentour auf,
die zum Sonnenaufgang beginnt und 18 Uhr auf dem Campus des Dresdner
Uniklinikums endet.

Emma und Lotte sind so quirlig wie alle Kinder, die gerade der
Schuleinführung entgegenfiebern. Und doch ist heute schon sicher, dass die
beiden Blondschöpfe ihren Wissensdurst nicht jeden Tag so stillen können
wie der Rest der Klasse. „Manchmal fällt es mir schwer, morgens
hochzukommen“, erzählt Emma, die wie ihre Schwester Lotte unter
Neurofibromatose leidet. „Hier an meinem Hals habe ich so einen Knubbel,
den auch Du fühlen kannst. Davon habe ich einige. Sie wachsen an den
Nerven, das kann sehr weh tun!“, erzählt sie weiter. „Meine Eltern und die
Ärzte sind sehr besorgt um mich und meine Zwillingsschwester. Wir müssen
deshalb immer wieder einmal in Krankenhäuser fahren, die weit weg von
unserem Zuhause sind. Dann werde ich leider nicht in die Schule gehen“,
ergänzt Lotte. Die Zwillinge teilen das Schicksal wie viele andere
Menschen, die von einer seltenen Erkrankung betroffen sind. In der
Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als
fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Da es mehr als 6.000
unterschiedliche seltene Erkrankungen gibt, ist die Gesamtzahl der
Betroffenen trotz der Seltenheit der einzelnen Erkrankungen hoch. Allein
in Deutschland leben Schätzungen zufolge etwa vier Millionen Menschen mit
einer seltenen Erkrankung. „Es gibt nach wie vor großen Handlungsbedarf
bei der Diagnose und der anschließenden Behandlung dieser
Krankheitsbilder, sagt Prof. Michael Albrecht: „Das betrifft nicht nur den
weiteren Aufbau und Betrieb der dafür notwendigen Zentrumsstrukturen in
den spezialisierten Krankenhäusern. Auch das Bewusstsein von Kliniken und
niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten für seltene Erkrankungen sowie das
Wissen um die Existenz von Zentren, gilt es auszubauen“, unterstreicht der
Medizinische Vorstand des Dresdner Uniklinikums die Notwendigkeit, in der
Öffentlichkeit für eine bessere Versorgung der Menschen mit seltenen
Erkrankungen einzutreten.

Die Aktion „Aktiv für Seltene Erkrankungen“
Gemeinsam mit zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützern hat Katja
Franke die Online-Benefizveranstaltung unter dem Dach des Vereins
Herzenswünsche Oberlausitz e.V. ins Leben gerufen. Sie möchte im Rahmen
verschiedenster sportlicher Aktivitäten auf die Situation und die
Bedürfnisse von Menschen mit Seltenen Erkrankungen aufmerksam machen.
Gebündelt wird die Aktion in einer App, die es Teams und Einzelsportlern,
egal ob Ambitionierte oder Anfänger, ermöglicht, orts- und zeitunabhängig
ihre sportlichen Aktionen zu erfassen, zu dokumentieren und diesem Zweck
zu widmen. „Wir möchten möglichst viele Menschen dazu motivieren, sich
sportlich zu betätigen und unser Projekt nach Möglichkeit mit einer Spende
zu unterstützen“, sagt Katja Franke. Ihr Anliegen ist es, die
Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass Menschen mit seltenen
Erkrankungen einen leichteren Zugang zu speziellen Therapien erhalten,
dass die Forschung zu diesen Erkrankungen stetig ausgebaut wird und
zuständige Institutionen sensibilisiert werden müssen. „Nur so lassen sich
die Rahmenbedingungen für Betroffene und ihre Angehörigen nachhaltig
verbessern“, sagt die Mutter von Emma und Lotte.

Auftakt der Aktion markiert eine Fahrradtour von der Lausche ins
Uniklinikum
Ab sofort ist es möglich, sich kostenlos auf der App „Aktiv für Seltene
Erkrankungen“ zu registrieren und anzumelden. Eigene Aktivitäten können ab
dem 17. September eingetragen werden. An diesem Sonnabend findet die
sportlich ambitionierte Auftaktveranstaltung statt, die mit dem
Sonnenaufgang auf der Lausche – dem Hausberg der Oberlausitz – startet.
Ziel ist um 18 Uhr der Campus des Dresdner Uniklinikums. Die 115
-Kilometer-Tour beginnt mit einem Lauf von der Lausche, der sich eine
Fahrradtour anschließt. Die Strecke führt über den Schluckenauer Zipfel in
Tschechien über Neustadt / Sachsen, wo es einen Zwischenstopp gibt, nach
Bad Schandau rechtselbig bis Pirna und dann auf der anderen Flussseite via
Heidenau nach Dresden. Dieser Tourvorschlag inklusive einer
Navigationsfunktion ist kostenlos auf der Website von „komoot“ abrufbar.
Für diejenigen, die nicht so ambitioniert Fahrradfahren, gibt es
Varianten, die ebenfalls auf „komoot“ hinterlegt sind. Entweder geht es ab
dem Zwischenstopp in Neustadt / Sachsen direkt an die Elbe, so dass das
Ziel bereits nach weniger als 90 Kilometern erreicht wird. In einer
anderen Variante erfolgt die Anreise mit dem Zug von Dresden nach
Neugersdorf, sodass die Route dann in Rumburk erreicht wird. Natürlich ist
es möglich, nur Teile der Route zu absolvieren oder sie in mehreren
Etappen anzugehen. „Jeder ist dazu herzlich eingeladen, gemeinsam mit uns
oder allein, ein paar Kilometer zurückzulegen. Ganz egal wie, ob gelaufen,
auf dem Rad, mit oder ohne Handicap“ sagt Katja Franke.

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Liquid Biopsy zur Krebsdiagnostik am Auge: Schonende Suche nach Tumorspuren

Tumoren im Inneren des Auges stellen aufgrund ihrer Lage eine besondere
Herausforderung für Diagnostik und Therapie dar. Die Entnahme von
Gewebeproben zur genaueren Charakterisierung der schwer zugänglichen
Tumorherde ist immer mit großen Belastungen für das betroffene Auge sowie
die Patientinnen und Patienten verbunden. Um diese Belastung zu
verringern, ist in den zurückliegenden Jahren intensiv an Möglichkeiten
zur so genannten Flüssigbiopsie geforscht worden, für die der Tumor nicht
direkt angesteuert werden muss.

Wie weit dieses schonende Diagnoseverfahren entwickelt ist und welche
Aussagekraft es besitzt, diskutieren Experten am 29. September 2022 auf
einer Pressekonferenz zur Jahrestagung der Deutschen Ophthalmologischen
Gesellschaft (DOG).

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Die beiden häufigsten bösartigen Tumoren des Augeninneren sind das von
Netzhautzellen ausgehende Retinoblastom und das Aderhautmelanom, bei dem
die pigmentierten Zellen der unterhalb der Netzhaut gelegenen Aderhaut zu
wuchern beginnen. „Bei beiden Erkrankungen wäre es ausgesprochen
hilfreich, auf schonende Weise Informationen über die genetischen
Besonderheiten des individuellen Tumors zu erhalten“, sagt Professor Dr.
med. Dr. h.c. Nikolaos E. Bechrakis, Direktor der Universitäts-Augenklinik
Essen. Mithilfe eines solchen genetischen Fingerabdrucks ließen sich
wichtige Tumoreigenschaften bestimmen und die Therapie besser planen.
Darüber hinaus mache der Nachweis – oder auch das Fehlen – tumoreigener
DNA es möglich, den Krankheitsverlauf und die Wirksamkeit der Therapie zu
beurteilen. „Besonders nach zunächst erfolgreicher Therapie bietet die
Flüssigbiopsie die Chance, eine mögliche Rückkehr der Erkrankung
frühzeitig zu erkennen und rasch darauf zu reagieren“, erklärt Bechrakis.

Bereits vor etlichen Jahren konnte in klinischen Studien gezeigt werden,
dass für die genetische Untersuchung von Augentumoren nicht unbedingt eine
Gewebeprobe direkt aus der Geschwulst notwendig ist. Vielmehr lässt sich
Tumormaterial – das gilt für Proteine ebenso wie für freie Tumor-DNA –
auch aus der viel leichter erreichbaren vorderen Augenkammer oder dem
Glaskörper des Auges gewinnen. „Die Beprobung solcher Flüssigkeitsräume
wird als Flüssigbiopsie bezeichnet“, erläutert Bechrakis.

Weil allerdings auch hierbei das Auge punktiert werden muss, sei
zusätzlich auch die Flüssigbiopsie aus dem in den Adern zirkulierenden
Blut untersucht worden. In der Essener Universitäts-Augenklinik haben
Bechrakis und sein Team hierzu umfangreiche Studien unternommen – mit
Erfolg. „Bei Patientinnen und Patienten mit Aderhautmelanom konnten wir
mit großer Zuverlässigkeit tumorspezifische DNA in Blutproben nachweisen“,
berichtet der DOG-Experte.

Von besonderer Bedeutung sei dies für die Früherkennung von Metastasen.
„Bei Patientinnen und Patienten, die nach der Entfernung des Primärtumors
Metastasen entwickelten, ist das DNA-Signal im Blut bereits zwei bis zehn
Monate vor dem Nachweis von Leber-Metastasen durch einen Ultraschall oder
eine Magnetresonanztomografie des Oberbauches sichtbar gewesen“, erklärt
Bechrakis. Mit hochmodernen Geräten und sehr hoher
Detektionsempfindlichkeit lassen sich hier 96 Prozent aller durch
Metastasen erkrankten Personen zuverlässig erkennen („Sensitivität“) und
80 Prozent aller nicht metastasierten Personen korrekt als nicht erkrankt
einstufen („Spezifität“). Auch beim Retinoblastom ist es möglich, Tumor-
DNA per Flüssigbiopsie sowohl in der vorderen Augenkammer als auch im Blut
festzustellen. „Hier geht es derzeit noch darum, die Sensitivität und
Spezifität des Verfahrens zu evaluieren“, sagt Bechrakis.

Mit zunehmender Nachweisempfindlichkeit rückt auch die Möglichkeit einer
vorgeburtlichen Diagnostik in greifbare Nähe – denn als frühkindlicher
Tumor betrifft das Retinoblastom hauptsächlich Säuglinge und Kleinkinder.
„Prinzipiell ist es denkbar, eine Tumorerkrankung des Embryos aus einer
einfachen Blutprobe der Mutter zu erkennen“, so Bechrakis. Diese Hürde sei
bislang aber weder technisch genommen, noch seien die damit verbundenen
ethischen und rechtlichen Fragen geklärt.

Bei Veröffentlichung Beleg erbeten.

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DOG: Forschung – Lehre – Krankenversorgung
Die DOG ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für
Augenheilkunde in Deutschland. Sie vereint unter ihrem Dach mehr als 8.000
Mitglieder, die augenheilkundlich forschen, lehren und behandeln.
Wesentliches Anliegen der DOG ist es, die Forschung in der Augenheilkunde
zu fördern: Sie unterstützt wissenschaftliche Projekte und Studien,
veranstaltet Kongresse und gibt wissenschaftliche Fachzeitschriften
heraus. Darüber hinaus setzt sich die DOG für den wissenschaftlichen
Nachwuchs in der Augenheilkunde ein, indem sie zum Beispiel Stipendien vor
allem für junge Forscherinnen und Forscher vergibt. Gegründet im Jahr 1857
in Heidelberg ist die DOG die älteste augenärztliche Fachgesellschaft der
Welt und die älteste fachärztliche Gesellschaft Deutschlands.

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Terminhinweise:

• Online-Vorab-Pressekonferenz
Termin: Donnerstag, 22. September 2022, 11.00 bis 12.00 Uhr
Link zur Anmeldung:
<https://attendee.gotowebinar.com/register/7928982293166185229>

• Hybrid-Kongress-Pressekonferenz
Termin: Donnerstag, 29. September 2022, 12.30 bis 13.30 Uhr
Präsenz: Estrel Congress Center, Saal A, Sonnenallee 225, 12057 Berlin
Online: Link zur Anmeldung:
<https://attendee.gotowebinar.com/register/4210896862423190541>

• Symposium: „Liquid biopsy in der Augenheilkunde. Wo stehen wir und wohin
wollen wir?“
Termin: Samstag, 1. Oktober 2022, 16.45 bis 18.00 Uhr

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Medizin von Morgen: Mit Geroscience Alterskrankheiten vorbeugen

Bis zum Jahr 2050 werden sich die öffentlichen Ausgaben für vulnerable,
ältere Menschen in Deutschland voraussichtlich mehr als verdoppeln. Bis
dahin wird hierzulande jeder vierte Mensch 65 Jahre und älter sein.

„Unsere aktuelle medizinische Versorgung hat zwar nachweislich die
Lebenserwartung verlängert, nicht aber die Jahre, die in guter Gesundheit
und vollständig intakten Körperfunktionen verbracht werden. Daher brauchen
wir jetzt neue Präventionskonzepte, bei denen der Schutz vor
Gebrechlichkeit und die Erhaltung der körperlichen Funktion im Vordergrund
stehen“, sagt Professorin Heike A. Bischoff-Ferrari, Klinikdirektorin der
Universitären Klinik für Altersmedizin am Universitätsspital Zürich und
Stadtspital Zürich. Sie arbeitet an neuen Präventionsmöglichkeiten, die am
biologischen Alterungsprozess ansetzen. Über den aktuellen Stand ihrer
Forschung im Bereich der Geroscience berichtet sie im Rahmen des
Gerontologie- und Geriatrie-Kongresses, der vom 12. bis 15. September in
Frankfurt am Main stattfindet.

Das öffentliche Gesundheitswesen und die Medizin stehen vor der
Herausforderung, dass die Zahl der älteren Menschen mit Bedarf an
wirksamer Prävention gegen Vulnerabilität, Funktionsverlust und
Mehrfacherkrankungen rapide zunimmt. Bis zum Jahr 2050 wird sich die
Weltbevölkerung älterer Erwachsener voraussichtlich verdoppeln. Am
stärksten wird dies in Europa und den USA der Fall sein. „Die Medizin von
heute konzentriert sich auf die Behandlung manifester Krankheiten – die
Präventionsbemühungen beschränken sich weitgehend auf
Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen gegen bestimmte Krankheiten. Ich
glaube aber, dass sich zukünftig das Modell der sogenannten Gerosience zu
einem globalen Schwerpunkt in der medizinischen Wissenschaft entwickeln
wird“, sagt Bischoff-Ferrari. „Ich sehe hier einen großen Bedarf und
glaube, dass dies in einer alternden Gesellschaft von größter Bedeutung
ist.“

Das Modell Geroscience: Alterungsprozesse messen und manipulieren

Geroscience basiert auf der Erkenntnis, dass der klassische medizinische
Ansatz, eine Krankheit nach der anderen zu behandeln, in einer alternden
Gesellschaft nicht mehr tragfähig ist. Alternativ hat Geroscience zum
Ziel, den Alterungsprozess genau zu messen und zu manipulieren, um damit
gleichzeitig mehrere Erkrankungen und das Risiko der Vulnerabilität zu
senken. „Im Rahmen meiner Keynote werde ich über die Identifizierung der
Hauptmerkmale des Alterns auf molekularer und zellulärer Ebene sprechen.
Damit verbunden zeige ich realistische Wege zur Prävention auf, die am
biologischen Alterungsprozess ansetzt“, sagt Bischoff-Ferrari. „Unsere
Aufgabe ist nun, die neu entstehenden Möglichkeiten weiter
voranzubringen.“

Neue Präventionsstrategien: Untersucht an mehr als 2.000 Erwachsenen

Heike A. Bischoff-Ferrari beschäftigt sich im Rahmen der vom siebten EU-
Forschungsrahmenprogramm geförderten DO-HEALTH-Studie mit
unterschiedlichen Präventionsstrategien. Es ist die größte Studie zu
gesundem Altern und Langlebigkeit in Europa. In den vergangenen zehn
Jahren wurden insgesamt 2.157 gesunde Erwachsene im Alter von 70 Jahren
und älter in die Untersuchung aufgenommen. Sie stammen aus der Schweiz,
Deutschland, Frankreich, Österreich und aus Portugal. An ihnen wurden drei
Präventionsstrategien getestet, die aufgrund ihres potenziellen Nutzens
für mehrere Organfunktionen und Gesundheitsergebnisse ausgewählt wurden:
die Versorgung mit Omega-3 und Vitamin D in Kombination mit regelmäßigen
Trainings. Einzigartig an der DO-HEALTH-Studie ist die umfassende
Phänotypisierung aller Teilnehmer, einschließlich zentraler
Lebensstilfaktoren wie Ernährung und körperliche Aktivität. Erhoben wurden
auch prospektiv Daten zur Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung und
zur Lebensqualität. „Die bisherigen Ergebnisse und Ausblicke bezogen auf
die Geroscience-Aspekte dieser Studie werde ich in meinem Vortrag beim
Gerontologie- und Geriatrie-Kongress ebenfalls vorstellen“, so Bischoff-
Ferrari. „In der Altersmedizin müssen wir das Thema Prävention neu und
umfassend aufnehmen – es sollte das zentrale Ziel einer älter werdenden
Gesellschaft sein.“

Neue Ansätze für die Praxis: Erfolg binnen weniger Monate messbar

Bischoff-Ferrari lädt Medizinerinnen und Mediziner dazu ein, sich
zukünftig verstärkt mit den Methoden neuer Präventionsmöglichkeiten
vertraut zu machen. „Die Geroscience stärkt unter anderem die Relevanz
verschiedener Lebensstilfaktoren als Hebel für eine wirksame Prävention.
Zu diesen Faktoren gehören neben der Ernährung und physischer Aktivität
beispielsweise auch Schlaf, mentale Gesundheit sowie soziale Interaktion.
Die Medizinerin sieht Geroscience als Medizin von Morgen – mit dem Ziel,
direkt den Alterungsprozess zu behandeln und damit Funktionsverluste und
altersbedingte Erkrankungen frühzeitig vorzubeugen, bevor irreversible
strukturelle Veränderungen vorhanden sind. „Durch die Messung von
Alterungsmerkmalen, den sogenannten Hallmarks of Aging, stehen zudem neue
Biomarker zur Verfügung, die mittlerweile binnen weniger Monate den Erfolg
präventiver Konzepte messbar machen. Früher vergingen dazu Jahre“, so
Bischoff-Ferrari. Damit ließen sich neue Konzepte schnell in die Praxis
bringen, um älteren Erwachsenen zu helfen, länger gesund und aktiv zu
bleiben. „Spannend ist zudem, dass die gleichen präventiven Maßnahmen zum
Verlangsamen des Alterungsprozesses auch Demenz, Krebsrisiko und Stürze
vorbeugen. Es ist also lohnenswert, frühzeitig verschiedene gesunde
Lebensstilfaktoren zu kombinieren.“

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Zur Person:
Die Schweizer Professorin Heike A. Bischoff-Ferrari ist Klinikdirektorin
der Universitären Klinik für Altersmedizin am Universitätsspital Zürich
und Stadtspital Zürich. Sie ist Inhaberin des Lehrstuhls für Geriatrie und
Altersforschung an der Universität Zürich. Darüber hinaus ist Bischoff-
Ferrari Gastprofessorin für Geroscience im Rahmen des INSPIRE-Programms am
Universitätsspital Toulouse in Frankreich. INSPIRE ist eine translationale
Geroscience-Forschungsplattform zur Verbesserung des gesunden Alterns.

Termin:
Prof. Dr. Heike A. Bischoff-Ferrari, DrPH
Keynote Lecture: Geroscience für die Prävention von Vulnerabilität
Gerontologie- und Geriatrie-Kongress
Hörsaal 5, Westend-Campus, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Mittwoch, 14. September 2022
14.45 bis 15.30 Uhr

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