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Eine Frage der Gene. Wie sich das Krankheitsrisiko von Mensch zu Mensch unterscheidet

Die Schering Stiftung zeichnet Sarah Kim-Hellmuth für ihre herausragenden
Arbeiten zur Erforschung des genetischen Einflusses auf die Variabilität
der Genaktivität im Menschen mit dem Friedmund Neumann Preis 2022 aus. Der
Forschungspreis ist mit 10.000 Euro dotiert.

Vielen von uns mag der Gedanke bekannt sein: „Warum werde ich krank,
andere aber nicht – obwohl ich doch viel gesünder lebe?“ Eine Antwort auf
diese Frage ermöglicht die Forschung von Dr. Sarah Kim-Hellmuth. Sie
untersucht in ihren groß angelegten funktionellen Genanalysen das Erbgut
vieler hunderter Menschen gleichzeitig. Die Unterschiede im Erbgut
verknüpft sie mit der Genaktivität in verschiedenen Körpergeweben und dem
Risiko einer möglichen Erkrankung. Dabei wurde auch deutlich, dass ganz
unterschiedliche Bereiche im Erbgut einen Einfluss auf die Aktivität der
krankheitsassoziierten Gene haben. Mit diesem Wissen können nun
verbesserte und personalisierte Therapien für die Behandlung und
Prävention von Diabetes, Herzkreislauf-erkrankungen, Autoimmunerkrankungen
Schizophrenie und anderen Krankheiten entwickelt werden.

Sarah Kim-Hellmuth wird insbesondere für die Studienergebnisse, die sie
als Hauptanalystin im Verbund mit dem Genotype-Tissue Expression
(GTEx)-Konsortium erbrachte, ausgezeichnet. Ihr gelang es zu zeigen, dass
die genetische Regulation der Genaktivität stark kontextabhängig ist und
sich beispielsweise zwischen Zelltypen oder auch zwischen Frauen und
Männern unterscheiden kann. Ihre Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass
sie eine Vielzahl unterschiedlicher Gewebetypen im Körper hunderter
Spender*innen untersucht. So entsteht ein immenser Datensatz, der es
ermöglicht, gesunde und pathologische Genaktivität bei komplexen
Erkrankungen zu vergleichen. Zukünftig wird mit dem so gewonnenen Wissen
eine gezieltere krankheitsspezifische Forschung und die Identifizierung
von Targets für die Arzneimittelentwicklung möglich sein.

Die Fachärztin für Humangenetik und Forschungsgruppenleiterin Dr. Sarah
Kim-Hellmuth erhält am 29. September den Friedmund Neumann Preis 2022 für
ihre bahnbrechenden Arbeiten zur Erforschung des genetischen Einflusses
auf die Variabilität der Genaktivität im Menschen. „Mit ihren Arbeiten hat
Frau Dr. Sarah Kim-Hellmuth unser Verständnis von krankheitsassoziierten
Genvarianten deutlich erweitert. Je besser wir verstehen, welchen Einfluss
unser Erbgut auf das Risiko einer Erkrankung hat, desto besser können wir
die persönliche Erbanlage bei Prävention und Behandlung berücksichtigen
und personalisierte Therapien entwickeln“, begründet Prof. Dr. Dr. h.c.
Stefan H. E. Kaufmann, Vorsitzender des Stiftungsrates der Schering
Stiftung, die Wahl der Jury.

Die Schering Stiftung vergibt den mit 10.000 € dotierten Preis seit 2011
an Nachwuchswissenschaftler*innen, die herausragende Leistungen in der
humanbiologischen, organisch-chemischen oder humanmedizinischen
Grundlagenforschung erbracht haben. Der Preis will exzellente
wissenschaftliche Leistung sichtbar machen, die frühe Entwicklung eines
eigenständigen Forschungsprofils honorieren und die wissenschaftliche
Etablierung der Preisträger*innen unterstützen.

Sarah Kim-Hellmuth wurde für den Friedmund Neumann Preis 2022 von Prof.
Dr. Eleftheria Zeggini, Direktorin des Instituts für Translationale
Genomik am Helmholtz Zentrum München, vorgeschlagen. Prof. Dr. Dr.
Christoph Klein, Direktor der Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von
Haunerschen Kinderspital des Universitätsklinikum München, sagt über die
Preisträgerin: „Aus wissenschaftlicher und klinischer Sicht hat Sarah Kim-
Hellmuth und das Forscherteam des GTEx-Konsortiums zu einem Meilenstein
beigetragen, der eine schnellere und bessere Entdeckung von
Krankheitsmechanismen ermöglicht und den Weg zur personalisierten Medizin
ebnet.“

PREISVERLEIHUNG
29. September 2022, ab 17:00 Uhr
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften | Markgrafenstr. 38 |
10117 Berlin | Leibniz-Saal

17:00 Uhr Ernst Schering Prize Lecture
Prof. Dr. Gisbert Schneider:
Wie Künstliche Intelligenz die Arzneistoffentwicklung revolutionierte

18:00 Uhr Preisverleihung Friedmund Neumann Preis und Ernst Schering Preis
Preisübergabe: Ulrike Gote, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und
Gleichstellung

Teilnahme nur mit Anmeldung möglich. Bitte akkreditieren Sie sich bei
Maren Isabel Fritz, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. .

VORTRÄGE VON DR. SARAH KIM-HELLMUTH
30. September 2022
Schüler*innen-Vortrag: Die faszinierende Welt der genetischen Vielfalt und
ihr Einfluss auf den menschlichen Körper
Oberstufenzentrum Lise Meitner – School of Science, Berlin-Neukölln (nicht
öffentlich)

4. Oktober 2022, 14:00 Uhr
Öffentlicher wissenschaftlicher Vortrag (online): Understanding the
diversity of genetic effects on gene expression in health and disease
Berliner Institut für Gesundheitsforschung in der Charité (BIH)
In englischer Sprache. | Eine Registrierung wird rechtzeitig auf
www.bihealth.org freigeschaltet.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Das GTEx-Konsortium hat den umfassendsten genetischen Atlas erstellt, der
15.201 RNA-Sequenzierungsproben aus 49 Geweben von 838 postmortalen
Spender*innen und Daten zur Sequenzierung des gesamten Genoms der
einzelnen Spender*innen enthält. Mit diesen immensen Daten haben Dr. Sarah
Kim-Hellmuth und andere Mitglieder des Konsortiums kartiert, wie
genetische Varianten die Genregulation beeinflussen und wie diese
zellulären Veränderungen zum genetischen Risiko für häufige und seltene
Krankheiten beitragen. Dr. Kim-Hellmuth leitete zusammen mit weiteren
Wissenschaftler*innen des GTEx-Projektes zwei Arbeiten zur
Zelltypspezifität und zu Geschlechtsunterschieden in der genetischen
Regulation der Genaktivität in bis zu 49 verschiedenen Körpergeweben von
838 Spender*innen. Darin zeigt die Preisträgerin z.B. auf, wie mittels
neuartiger, bioinformatischer Analysen die Untersuchung genetisch
modifizierter Krankheitsmechanismen auf Zelltypebene nicht nur in
aufwendigen Zellexperimenten, sondern auch in klinisch leichter
zugänglichen Mischgewebsproben möglich ist. In seiner Arbeit zu
Geschlechtsunterschieden fand das Forscherteam, dass bis zu einem Drittel
aller im Körper exprimierten Gene bei Frauen und Männern eine
unterschiedliche Aktivität aufweisen. Diese Gene sind an vielen
verschiedenen biologischen Prozessen beteiligt, darunter bei der Reaktion
auf Medikamente, der Kontrolle des Blutzuckerspiegels in der
Schwangerschaft und bei Krebserkrankungen. Beide Arbeiten trugen somit zum
bisher größten Ansatz des GTEx-Projektes bei, einen Atlas der Auswirkungen
genetischer Regulatoren zu erstellen. Kim-Hellmuth sagt über ihre Arbeit
im GTEx-Projekt: „Weltweit werden die Daten des GTEx-Projektes bereits von
zahlreichen Wissenschaftler*innen für ihre eigene Forschung genutzt: um
gesunde und pathologische Genaktivität bei komplexen Erkrankungen zu
vergleichen, krankheitsassoziierte Varianten und ihre Gene im passenden
Gewebe zu identifizieren und dieses Wissen konkret in die Entwicklung von
Medikamenten zu integrieren.

Sarah Kim-Hellmuth studierte Medizin an der LMU und TU München, war
Assistenzärztin am Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums
Bonn, gefolgt von einem mehrjährigen Postdoc-Aufenthalt am New York Genome
Center und der Columbia-Universität in New York, wo sie als Hauptanalystin
des Genotype-Tissue Expression (GTEx)-Konsortiums tätig war. Seit 2021 ist
sie Fachärztin für Humangenetik und leitet seit Anfang 2022 eine Emmy-
Noether-Nachwuchsgruppe am Institut für Translationale Genomik des
Helmholtz Zentrums München und am Dr. von Haunerschen Kinderspital der
LMU.

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Wer die Nieren schützt, schont auch das Herz

Beide Organe hängen eng zusammen: Erkrankungen wie Herz- und
Nierenschwäche bedingen sich häufig gegenseitig. Was Betroffene wissen
sollten, erklären Herz- und Nierenspezialisten in der aktuellen „HERZ
heute“ mit Schwerpunkt Herz und Niere

Die Nieren zählen zu den wenig beachteten Organen des Körpers. Zu Unrecht,
denn sie filtern nicht nur das Blut, sondern regulieren auch den
Flüssigkeitshaushalt und schützen so das Herz vor Überlastung. Umgekehrt
führen kranke Nieren schnell zu Herzproblemen: Eine geschwächte Niere
lässt die Blutgefäße rasant verkalken und fördert Herzerkrankungen wie
Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche und Herzinfarkt. „Etwa jeder zweite
chronisch nierenkranke Patient leidet zugleich an einer Herz-Kreislauf-
Erkrankung“, betont Prof. Dr. Nikolaus Marx vom Wissenschaftlichen Beirat
der Herzstiftung. „Die meisten Patienten mit chronischer
Niereninsuffizienz sterben nicht an der Nierenerkrankung, sondern an einer
Herz-Kreislauf-Erkrankung”, erklärt der Direktor für Kardiologie,
Angiologie und internistische Intensivmedizin der Universitätsklinik
Aachen unter <herzstiftung.de/herz-niere>. Die gute Nachricht ist: Werden
die Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und die
Zuckerkrankheit Diabetes mellitus konsequent behandelt, lassen sich die
Schäden an Herz und Nieren vermeiden oder zumindest vermindern. Den
Zusammenhängen der beiden Organe widmet sich der Schwerpunkt der aktuellen
Ausgabe von HERZ heute 3/2022 „Auch eine Herzenssache: die Niere“.
Renommierte Kardiologen und Nephrologen erklären, welche Erkrankungen der
Niere auch dem Herzen schaden und umgekehrt. Wissenschaftler berichten von
aktuellen Forschungsergebnissen zu Diagnose und Therapien. Ein
Probeexemplar der Ausgabe 3/2022 von HERZ heute kann kostenfrei bei der
Herzstiftung angefordert werden unter Tel. 069 955128-400 oder per Mail
unter <Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.>

Wie Herz und Niere zusammenhängen
Gesunde Nieren leisten viel: Rund 300-mal am Tag fließt das Blut des
Körpers durch die Organe und wird dabei von Abfallprodukten des
Stoffwechsels gereinigt. Ist das Herz allerdings geschwächt, pumpt es das
Blut nur noch mit verminderter Kraft durch den Kreislauf. Die Nieren
erhalten nicht mehr genügend Sauerstoff und Nährstoffe. Als Folge arbeiten
sie nicht mehr wie gewohnt, halten Salz und Wasser im Körper zurück, der
Blutdruck steigt. Der erhöhte Druck wiederum schadet sowohl den Nieren
selbst als auch dem Herzen. Aus der ursprünglichen Herzschwäche hat sich
zusätzlich eine Nierenschwäche (Niereninsuffizienz) entwickelt. Diese hat
wiederum zur Folge, dass die Arterienverkalkung stark fortschreitet und
das Herz weiter an Kraft verliert. „Das Zusammenspiel von Herz und Nieren
ist komplex und lässt sich nicht getrennt voneinander betrachten“, sagt
Prof. Dr. Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie am Universitätsklinikum
Würzburg. Nierenerkrankungen müssten als unabhängiger Risikofaktor für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen stärker in den Fokus rücken. „Sind bereits
Herz und Nieren erkrankt, ist nicht mehr entscheidend, welches Organ
zuerst geschädigt war“, erläutert sein Kollege Prof. Dr. Kai Lopau.
Vielmehr gelte es, das vorherrschende Krankheitsbild zu therapieren und
die Behandlungspläne für beide Erkrankungen zu kombinieren.

Nierenerkrankungen frühzeitig erkennen
Die Herausforderung besteht allerdings darin, eine Nierenerkrankung
überhaupt frühzeitig zu erkennen, denn: Kranke Nieren verursachen nahezu
nie Schmerzen. Vielmehr nimmt die Filterfunktion allmählich ab, sodass
sich schleichend chronische Schäden entwickeln. Eine Schädigung der Nieren
frühzeitig zu erkennen ist aber außerordentlich wichtig – sowohl für das
Herz als auch für die Nieren selbst. Einen Hinweis auf eine beginnende
Nierenschädigung gibt beispielsweise die Konzentration von Albumin im
Urin. Sie lässt sich grob durch einen Schnelltest mittels Urinstreifen
bestimmen. Genauere Werte liefert ein Labortest, bei dem das Verhältnis
von Albumin und Kreatinin im Urin bestimmt wird (UACR-Labortest).
Um bereits bei gesunden Menschen das Risiko für eine Nieren- aber auch für
eine Herzerkrankung abschätzen zu können, empfehlen Nephrologen, das
sogenannte ABCDE-Profil bestimmen zu lassen. Die Buchstaben stehen für
folgende Tests:

A – Albumin im Urin
B – Blutdruckmessungen
C – Cholesterinwerte im Blut
D – Diabetes
E – Geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR)

Zeigt sich anhand des ABCDE-Profils ein erhöhtes Risiko für eine Herz-
oder Nierenerkrankung, können Ärzte frühzeitig Maßnahmen ergreifen, um
Folgeschäden zu minimieren. Denn sowohl für die Herz- als auch für die
Nierenschwäche gilt: Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser
lässt sie sich behandeln und Folgen für das Herz-Kreislauf-System
vermeiden.
(cme)

Aktuelle HERZ heute: Jetzt Probeexemplar anfordern!
Die Zeitschrift HERZ heute erscheint viermal im Jahr. Sie wendet sich an
Herz-Kreislauf-Patienten und deren Angehörige. Weitere Infos zum Thema
bietet die aktuelle Zeitschrift HERZ heute 3/2022 „Auch eine Herzenssache:
die Niere“. Ein kostenfreies Probeexemplar ist unter Tel. 069 955128-400
oder unter <www.herzstiftung.de/bestellung> erhältlich.

Für Redaktionen: Rezensionsexemplar der aktuellen HERZ heute
Ein Rezensionsexemplar dieser aktuellen Ausgabe von HERZ heute mit den
Beiträgen der zitierten Experten „Vom Herz und von der Niere“ (Nikolaus
Marx) und „Immer auf Herz und Niere prüfen“ (Christoph Wanner, Kai Lopau)
erhalten Sie gerne per E-Mail unter <Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.> oder per Tel.
unter 069 955128-114.

Service-Tipp:
Kostenfreier Herzstiftungs-Newsletter mit Informationen zu Vorbeugung und
Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tipps zum Erhalt der
Herzgesundheit. Anmeldung: <www.herzstiftung.de/newsletter>

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Aktuelle Forschung zu Adipositas

Prof. Dr. Dorothea Portius von der SRH Hochschule für Gesundheit gibt
Webinar zum Thema Pro- und Präbiotika bei Patient:innen mit Adipositas.

„Adipositas wird als chronische Erkrankung mit einer über das Normalmaß
hinausgehenden Vermehrung des Fettgewebes definiert, die längst
besorgniserregende epidemische Ausmaße angenommen hat. Besonders das
deutlich erhöhte Morbidität- und Mortalitätsrisiko gibt Anlass zur Sorge,
so sterben jährlich rund 3 Millionen Menschen an den Folgen von
Übergewicht. Die Bariatrie als fachübergreifendes Spezialgebiet kann hier
wirksame Behandlungsansätze liefern“, erläutert Prof. Dr. Dorothea
Portius, Studiengangsleiterin im Bachelor-Studiengang Ernährungstherapie
und -beratung an der SRH Hochschule für Gesundheit am Campus Gera.

Die Ursachen von Adipositas sind vielfältig, umfangreiche Daten der
letzten zehn Jahre legen jedoch nahe, dass die Erkrankung mit einem
Ungleichgewicht verschiedener Bakterienarten im Darm (Dysbiose)
einhergeht. Bestimmte Darmbakterien werden mit körpereigenen Stoffen in
Verbindung gebracht, die in Geweben, einschließlich des Fettgewebes,
Entzündungen hervorrufen. In der Vergangenheit wurde das menschliche
Fettgewebe als reiner Energiespeicher betrachtet und damit maßlos
unterschätzt. Dabei ist die Fettmasse ein hochaktives Organ, das über 600
biologisch aktive Substanzen absondert. Experimentelle Studien zeigen,
dass mit Übergewicht und Adipositas die Darmwand durchlässiger wird und
somit Toxine, entzündliche bakterielle Stoffwechselprodukte, oder andere
Entzündungsfaktoren in den systemischen Kreislauf eintreten können.

Chirurgische Eingriffe sind der konservativen Therapie hinsichtlich
Körpergewichtsreduktion, Verbesserung von Begleiterkrankungen
(Komorbiditäten) und Senkung der Sterberate (Mortalität) bislang überlegen
und stellen daher die wirksamste Therapieform zur Behandlung von
Adipositas dar. Post-operativ stellt die Umstellung der Lebensgewohnheiten
– insbesondere der Ernährung – die Grundvoraussetzung für eine nachhaltige
Abnahme des Körpergewichts und der Reduktionen von Komorbiditäten dar.
Operationen, aber auch die Umstellung der bestehenden Ernährung führen
wiederrum zu Veränderungen der Bakterienzusammensetzung (Mikrobiom) im
Darm: So tragen bestimmte Darmbakterienstämme zur Nährstoffversorgung – z.
B. mit Vitaminen – bei.

In ihrem Webinar zum Thema „Pro- und Präbiotika beim bariatrischen
Patienten“ am 21. September 2022 um 18 Uhr wird Prof. Dr. Dorothea Portius
nicht nur den aktuellen Stand der Forschung zum Thema Probiotika und
bariatrische Chirurgie wiedergeben, sondern auch auf Veränderungen des
Mikrobioms durch verschiedene Chirurgie-Methoden sowie den Einfluss von
Probiotika auf die Mikronährstoffverfügbarkeit eingehen. Das Webinar
findet in Kooperation mit FitForMe, dem führenden Anbieter für
Nahrungsergänzungsmittel für Patient:innen mit Adipositas statt.

Interessierte können sich unter https://fitformeresearch.com/webinar-
anmeldung/
kostenfrei für das Webinar anmelden.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
https://www.srh-gesundheitshochschule.de/unsere-hochschule/hochschulteam
/dorothea-portius/

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Unstatistik des Monats: „Mega“-Studie zum Maskentragen hat viele Mängel

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat auf Twitter auf eine Meta-
Studie zum Maskentragen verwiesen, die bei näherer Betrachtung viele
Mängel hat. Unter anderem beruhen die Zahlen auf kaum vergleichbaren
Studien.

Am 31. Juli 2022 setzte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach
folgenden Twitter-Beitrag ab: „Für alle, die noch immer im Unklaren sind,
ob Masken gegen COVID schützen: hier eine neue amerikanische Mega-Studie,
die über 1.700 Studien auswertet. Der Nutzen der Masken ist sehr groß,
unumstritten und gilt für viele Bereiche.“ Der Tweet verweist auf einen
Preprint (eine noch nicht im Peer-Review begutachtete Studie) von sechs
amerikanischen Wissenschaftlern mit dem Titel „The Efficacy of Facemasks
in the Prevention of COVID-19: A Systematic Review“. Die Twitter-Meldung
wurde insbesondere in den Sozialen Medien intensiv diskutiert. Dass es
sich hier um eine „Meta“- und nicht um eine „Mega“-Studie handelt, macht
diese Meldung noch nicht zu einer Unstatistik – dieser Fehler ist
wahrscheinlich das Ergebnis einer Autokorrektur. Ein gröberer Fehler ist
jedoch die Aussage, dass die Studie über 1.700 Studien ausgewertet hätte.
Denn bereits in der Zusammenfassung zu Beginn des Artikels weisen die
Autoren darauf hin, dass in ihre Analyse lediglich 13 Studien eingehen.
Aber auch das ist noch keine Unstatistik wert. Die Unstatistik liegt
vielmehr in der Meta-Studie selbst.

Was macht eine solche Meta-Studie? Ausgangspunkt ist eine konkrete
wissenschaftliche Fragestellung, hier: Schützen Gesichtsmasken vor einer
Ansteckung mit COVID-19? Dann sucht man mit Hilfe von Stichworten (in der
Studie bspw. „masks“, „facemask“, „face covering“ sowie „COVID-19“ und
„“Coronovirus infections“) in verschiedenen wissenschaftlichen Datenbanken
(z.B. Pubmed, The Cochrane Library) nach einschlägigen empirischen
Studien. Mit dieser Vorgehensweise fanden die Autoren insgesamt 2.730
Treffer. Nach Bereinigung von Duplikaten blieben die vom
Gesundheitsminister zitierten 1.732 Studien übrig. Diese Studien wurden
dann von den Autoren nach bestimmten Kriterien gesichtet. Es verblieben 61
Studien, von denen nur 13 Studien in die Meta-Analyse eingingen. Und hier
liegt das erste Problem dieser Meta-Studie: die Autoren verlieren kein
Wort über die von Ihnen angelegten Kriterien für die Auswahl der Studien,
die für die Reduktion von über 1.700 auf 61 Studien verantwortlich waren.
Und warum nur 13 von 61 Studien, die die Kriterien erfüllen, in die
Analyse eingehen, bleibt ebenfalls ein Rätsel. Die Auswahl der in einer
solchen Analyse berücksichtigten wissenschaftlichen Studien ist aber der
entscheidende Schritt, über den vollkommene Transparenz herrschen sollte,
da dieser Schritt die Ergebnisse bereits festlegt.

Die Zahlen beruhen auf kaum vergleichbaren Studien

Doch damit nicht genug. Die Studie erfüllt auch nicht die meisten anderen
der sog. AMSTAR-Kriterien für Meta-Analysen, wie etwa die Bewertung der
wissenschaftlichen Qualität der Studien und deren Berücksichtigung bei den
Schlussfolgerungen. Die Autoren haben einfach 243 Covid-19 Fälle unter
allen 1539 Teilnehmern der 13 Studien gezählt (alle aus dem Jahre 2020),
wovon 97 der Infizierten Masken und 146 keine Masken trugen. Dann haben
sie die Zahl 97 durch 1238 (die Gesamtzahl der Personen mit Masken)
geteilt, was 7,8 Prozent ergibt. Bei Personen ohne Masken war der Anteil
an Infizierten dagegen 52 Prozent. (Wir haben diese Zahlen leicht
korrigiert, da sie in der Meta-Analyse widersprüchlich waren.)

Das Problem mit diesen Zahlen ist, dass diese auf kaum vergleichbaren
Studien beruhen. Die 13 Studien bestehen aus randomisierten Experimenten,
aber auch Befragungen und Fallstudien, wobei die jeweiligen
Studienteilnehmer häufig alles andere als repräsentativ für die jeweilige
Bevölkerung sind. In der Analyse erhalten alle diese Studien dasselbe
Gewicht. Aber sollte nicht beispielsweise eine Studie mit einer
repräsentativen Stichprobe und kontrolliertem Maskentragen ein höheres
Gewicht erhalten als eine Studie, in der nur Pflegekräfte in
Krankenhäusern berücksichtigt werden und lediglich gefragt wurde, ob
Masken getragen wurden?

Wirksamkeit des Maskentragens lässt sich nicht pauschal messen

Man kann die Wirksamkeit von Maskentragen auch nicht pauschal messen. Die
Autoren der Meta-Studie berichten selbst, dass das Tragen von Masken in
Kliniken die Gefahr sich zu infizieren von 33 auf 8 Prozent reduziert,
außerhalb von Kliniken jedoch von 83 auf 6 Prozent. Dabei wird nicht
gesagt, auf welchen Zeitraum sich die Reduktion bezieht und auf welche
Bedingungen die Ausgangsrisiken gemessen wurden.

Es gibt bessere Meta-Analysen, zum Beispiel von Kim und Kollegen, welche
die unterschiedliche Wirksamkeit verschiedener Masken in
Gesundheitseinrichtungen aufzeigen und auch die Notwendigkeit weiterer
randomisierter Studien mit Menschen aus der Allgemeinbevölkerung
unterstreichen.  Eine solche randomisierte Studie mit 342.000 Teilnehmern
in Bangladesh berichtete etwa, dass ein Anstieg des Maskentragens von 13
auf 42 Prozent mit einer Reduktion von Covid-Erkrankungen innerhalb von
neun Wochen von 8,6 auf 7,6 Prozent einher ging. Wie bei Impfungen,
beträgt die Wirksamkeit nicht 100 Prozent, sondern sie hängt von vielen
Faktoren ab.  Die aktuellsten Meta-Studien finden sich in dem seit 2020
immer wieder auf den neuesten Stand gebrachten „Living Rapid Review“. Er
zeigt derzeit, dass das korrekte Tragen von Masken die Wahrscheinlichkeit,
sich im Alltag mit Corona zu infizieren, etwas reduziert und insbesondere
andere schützt.

Es ist verständlich, dass ein Gesundheitsminister nicht die Zeit hat, die
Vielzahl der Studien gründlich zu lesen. Aber er sollte eigentlich Hilfe
erhalten. Sich auf einen schlecht gemachten Preprint zu berufen, kann
seinem Anliegen mehr schaden als es nutzt.

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Ihre Ansprechpartner/in dazu:
Prof. Dr. Gerd Gigerenzer               Tel.: (030) 805 88 519
Prof. Dr. Thomas K. Bauer (RWI) Tel.: (0201) 8149-264
Sabine Weiler (Kommunikation RWI) Tel.: (0201) 8149-213

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd
Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-
Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden
Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen.
Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de und
unter dem Twitter-Account @unstatistik. Unstatistik-Autorin Katharina
Schüller ist zudem Mit-Initiatorin der „Data Literacy Charta“, die sich
für eine umfassende Vermittlung von Datenkompetenzen einsetzt. Die Charta
ist unter www.data-literacy-charta.de abrufbar.
Neu erschienen: „Grüne fahren SUV und Joggen macht unsterblich – Über
Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“, das zweite Unstatistik-Buch
(ISBN 9783593516080), erhältlich im Buchhandel zum Preis von 22 Euro.
Bei Weiterverbreitung von Texten aus der Reihe "Unstatistik des Monats"
muss klar erkennbar sein, dass es sich um die Übernahme eines fremden
Textes handelt. Zudem ist die Quelle https://www.unstatistik.de zu nennen.
Bitte informieren Sie die Pressestelle des RWI über die Verwendung des
Textes unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.. Das Urheberrecht bleibt bestehen.

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