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Sinfoniekonzert Junge Philharmonie Zentralschweiz und Sinfonieorchester der Hochschule für Musik FHNW in Basel, 19. Oktober 2015, besucht von Léonard Wüst

 Junge Philharmonie ZentralschweizProgramm und Besetzung:

Maurice Ravel (1875 – 1937)
Valses nobles et sentimentales (1912)

Ernst Krenek (1900 – 1991)
Violinkonzert Nr. 1 op. 29 (1924)

Igor Strawinsky (1882 – 1971)
Petruschka (1911)

Johannes Dickbauer, Solist  Violine
Junge Philharmonie Zentralschweiz
Sinfonieorchester der Hochschule für Musik FHNW in Basel
Dmitri Sitkovetsky, Leitung

Rezension:

Immer wieder erstaunlich was die Junge Philharmonie Zentralschweiz zu bieten vermag. Für ein Orchester, dessen Besetzung zwangsläufig einem ständigen Wandel unterliegt (es besteht ja aus Studierenden Musik der HSLU), verfügt es trotzdem über einen erstaunlich homogenen, ausgereiften Klang und gastierte auch schon öfters am weltweit renommierten Lucerne Festival. An diesem Abend konzertierten sie zusammen mit dem Sinfonieorchester der Hochschule für Musik FHNW in Basel unter Leitung des russischen Dirigenten Dmitri Sitkovetsky (*1954 in Baku) und auf dem Programm stand nicht unbedingt grad „leichte Kost“ oder populäre Werke mit fast sicherer Erfolgsgarantie, sondern u.a. das selten aufgeführte Violinkonzert Nr. 1 von Ernst Krenek (US-amerikanischer Komponist österreichischer Herkunft). Man spürte von Beginn weg, dass die jungen Musiker sich sehr freuten im grossen Konzertsaal des KKL auftreten zu dürfen, wo auch überdurchschnittlich viele jüngere Besucher anwesend waren, darunter natürlich viele Angehörige und Kommilitonen der Protagonisten.

Dirigent Dmitri Sitkovetsky (c) HenryFairErklangen als Auftakt noch die etwas bekannteren Walzer von Maurice Ravel, folgte mit der Komposition von Ernst Krenek doch Eigenwilligeres des Autors der sogenannt „Zweiten Wiener Schule“, die sich explizit von der vorhergehenden Epoche der Romantik absetzt und deshalb auch nicht grad Ohrwurmcharakter hat. Dafür brillierte Johannes Dickbauer (*1984) als Solist, der für die erkrankte Adelina Oprean kurzfristig verpflichtet werden konnte. in seinem Sog liefen die Musikschüler zur Hochform auf und auch der souveräne Dirigent Dmitri Sitkovetsky hatte sichtlich Spass mit diesen jungen, begeisterungsfähigen Orchestermitgliedern zu musizieren, schwang mit der rechten Hand den Taktstock, während er mit der linken den einzelnen Registern Anweisungen gab. Der langanhaltende Applaus belohnte Orchester und Solisten und gut gestimmt begab man sich ins Foyer zu einem Pausengetränk.

Der zweite Konzertteil bescherte uns dann mit Strawinskys Balletmusikklassiker „Petruschka“ schon vertrautere Töne und in dem die Instrumentalisten aus dem Vollen schöpfen. Erstaunlich abgeklärt und nun auch mit viel mehr Selbstvertrauen, gewonnen durch den gelungenen ersten Konzertteil, gingen die Musikerinnen die Komposition an und überzeugten in allen Belangen, sei es in den ruhigeren, wie auch in den lebhaft – turbulenten Jahrmarktspassagen.  Besonders auffallend die präzisen Bläser und die virtuosen Läufe auf dem Konzertflügel, die aber alle aufbauten auf der soliden Basis, das die hervorragenden Streicher legten. Das Publikum würdigte das Dargebotene denn auch mit heftigem langanhaltenden Schlussapplaus den die Protagonisten sichtlich stolz auskosteten. Ein durch und durch gelungener Konzertabend mit hervorragenden Nachwuchsmusikern den die Hochschule Luzern (HSLU) Departement Musik den, in jeder Hinsicht zufriedenen, Zuhörern ermöglichte. Einziger kleiner Wehmutstropfen, dass bei solch moderaten Ticketpreisen nicht mehr Leute den Weg ins KKL fanden, bezahlt man doch bei „normalen Konzerten ungefähr das Dreifache.

Nachtrag und Randnotiz:

Solist Violine Johannes DickbauerDer Solist des Abends Johannes Dickbauer ist bekannt für seine künstlerische Bandbreite. Er findet sein musikalisches Schaffen sowohl als Solist, Kammermusiker, Jazzer und Volksmusikant, gleichermaßen als Komponist und Arrangeur. Vor dem Konzert und während der Pause flanierten ein paar Musiker mitsamt Instrumenten durchs Foyer und intonierten Fragmente aus „Petruschka“, dies zur Verblüffung und Freude der Konzertbesucher.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.hslu.ch und www.kkl-luzern.ch

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Saisoneröffnung des Luzerner Sinfonieorchesters LSO, Der «Ring» ohne Worte, 14. Oktober 2015, besucht von Léonard Wüst

Luzerner Sinfonieorchester, Bild Christian FlierlProgramm und Besetzung:

Luzerner Sinfonieorchester LSO

James Gaffigan, Chefdirigent

Nelson Freire, Solist am Klavier

Sergej Rachmaninoff (1873 – 1943)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 g-Moll op. 40
Richard Wagner (1813 – 1883)
Der «Ring» ohne Worte (arr. von Lorin Maazel)

Allgemeininformationen über Werke und Protagonisten:

Besonderes war programmiert zum Saisoneröffnungskonzert des Luzerner Sinfonieorchesters. Es ist die bereits 120ste Saison des im Jahre 1806 gegründeten ältesten Sinfonieorchesters der Schweiz, das, ziemlich ungewöhnlich,  als Verein organisiert ist. Einerseits im ersten Teil des Konzertes ein Werk von Sergej Rachmaninow, der auf der Rigiseite des Vierwaldstättersees in Hertenstein in den 1930er Jahren wohnte, andererseits im zweiten Konzertteil Werke von Richard Wagner der auf der Pilatusseite des Sees in Tribschen von 1866 – 1872 residierte. Dazu als Solist der brasilianische Pianovirtuose Nelson Freire (*1944), der sich relativ selten die Ehre gibt. Wie meine Begleiterin wusste, nahm die argentinisch/schweizerische Grande Dame der 88 Tasten Martha Algerich  (*1941) den jungen Freire in den 1970er Jahren unter ihre Fittiche, er lebte sogar in ihrer Stadtvilla in Genf. Diese Freundschaft hat sich bis in die heutige Zeit erhalten, sind die beiden doch noch ab und zu als Klavierduo auf den grossen Konzertbühnen dieser Welt zu erleben.

Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 4 wurde am 18. November 1926 in Philadelphia vom Komponisten selbst uraufgeführt. Die öffentliche Reaktion auf das Konzert fiel ähnlich verheerend aus wie bei seiner Sinfonie Nr. 1, erst die definitive Version, gekürzt auf ca. 25 Minuten Spieldauer, erreichte eine grössere Popularität, aber, zu Unrecht, nie den Status der drei vorangehenden. Den einen war sie zu wenig modern, den andern genau das Gegenteil. Sicher sind Einflüsse der amerikanischen Musik (Jazz) zu erkennen, wahrscheinlich hat auch George Gershwins Rhapsody in Blue Rachmaninow inspiriert, deren Uraufführung er ja am 12. Februar 1924 in der Aeolian Hall in New York live erlebt hatte.

Rezension:

 Nelson Freire, Solist am PianoGenau diese Rhythmen schienen Nelson Freire besonders zu liegen, überzeugte er doch gerade im mittleren Satz, wo der Solist relativ grosse interpretische Freiheiten geniesst, zudem dürfte dieser etwas weniger „düstere“ Rachmaninow seinem südamerikanischem Naturell entgegenkommen. Das abschliessende Allegro vivace gewährte dann dem brillanten Begleitorchester etwas mehr Raum, ohne dass es den Pianisten überdeckte. Das Publikum würdigte das kongeniale Zusammenspiel denn auch dementsprechend, Freire liess sich aber nicht zu einer Zugabe bewegen.

Gespannt  auf den von Lorin Maazel (1030 – 2014) arrangierten „Ring ohne Worte“ kehrte man gutgelaunt aus der Pause zurück in den Saal. Lässt sich Richard Wagners fast fünfzehnstündiger Ring des Nibelungen auf die Länge einer Bruckner-Symphonie zusammendrängen, bei völligem Verzicht auf das gesungene Wort? Diese Frage beantwortete das von James Gaffigan geführte Sinfonieorchester auf überzeugende und faszinierende Weise, vor allem auch dank hervorragenden Instrumentalsolistinnen, die dabei die Stimmen ersetzten und vergessen liessen.

James Gaffigan, ChefdirigentGaffigan packte Wagner mal dramatisch an, raffiniert aber auch mal mit Samthandschuhen. Besonders aufgefallen: Solohornist Florian Abächerli, der den heiklen Part in Siegfrieds Götterdämmerung in einer Echokammer auf der Galerie intonierte. Lukas Christinat blies in ein richtiges Stierhorn, auch Barbara Zumthurm-Nünlist mit dem Englischhorn zählt zum ausgezeichneten Bläserensemble, welches Gaffigan mit Gesten während des Applauses auch besonders hervorhob.

Als die Götterdämmerung verklungen war, herrschte sekundenlange atemlos- andächtige Stille bis es dem ersten dämmerte, dass der Ring geschlossen ist. Dann wich die ganze Anspannung einem frenetischen, langanhaltenden Applaus. Bei solch hervorragenden Darbietungen könnte man glatt zum Wagnerianer mutieren, ohne auf grünen Hügel pilgern zu müssen.

Kurzer Trailer des Luzerner Sinfonieorchesters LSO

youtube.com/watch?v=2oAW9cmRsX0

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: sinfonieorchester.ch/home

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Luzerner Theater Hamlet Tragödie von William Shakespeare Premiere: 09. Oktober 2015, besucht von Léonard Wüst

Luzerner Theater Hamlet Tragödie von William ShakespeareProduktionsteam
Andreas Herrmann Inszenierung
Max Wehberg Bühne
Sabin Fleck Kostüme
David Hedinger Licht
Carolin Losch Dramaturgie

Besetzung

Christian Baus, Jörg Dathe, Hans-Caspar Gattiker, Jonas Gygax, Wiebke Kayser, Lilli Lorenz, Bettina Riebesel, David Michael Werner

 

Rezension:

vorne Wiebke Kayser, hinten Christian BausHamlet am Luzerner Theater oder wie eine Tragödie zur Komödie mutiert. Die interessante Einführung durch Dramaturgin Carolin Losch liess auf eine spannende gestrafft moderne Inszenierung schliessen, die bewusst auf langatmige Nebenhandlungen verzichten werde, um so auch die Aufführungsdauer von original ca. fünf auf ungefähr drei Stunden zu reduzieren, dem angepasst sei auch das recht karge Bühnenbild bei dem man vornehmlich mit Wind, Lichteffekten, Projektionen und viel Rauch arbeite. Rauch, der, wie Losch versicherte, gesundheitsmässig völlig ungefährlich sei und daher auch unbedenklich eingeatmet werden könne. Die Besetzung der Titelrolle durch eine weibliche Darstellerin sei auch nicht eine Novität des Luzerner Theaters, so hätte u.a. schon der bekannte Regisseur Peter Zadek (1926 – 2009) am Berliner Ensemble den Hamlet in einer gefeierten , vielbeachteten Inszenierung mit Angela Winkler (*1944) besetzt, ebenso sei dies von Wandertheatern im 17. Jahrhundert des Öfteren praktiziert worden.

Saxo GrammaticusShakespeares Hamlet beruht wahrscheinlich auf der in den Gesta Danorum berichteten Sage von Amletus, verfasst vom dänischen Geschichtsschreiber und Geistlichen Saxo Grammaticus (*um 1140, † um 1220), der seinerseits wohl auf altnordische Heldensagen zurückgegriffen haben dürfte. Ein seinerzeit durchaus übliches Vorgehen, dass man neue Stücke aus alten Erzählungen oder Vorlagen konzipierte, Heldengeschichten, Dramen, Familienepen adaptierte und in die jeweils aktuelle geopolitische Epoche versetzte. So studierte Hamlet ja in Wittenberg, der eigentlichen Hochburg der Reformation des Martin Luther, ja des Umbruches jener Zeit überhaupt und wäre sicher fähig gewesen, in Nachfolge seines Vaters zu treten und als König zu walten.

Die Aufführung begann eigentlich „normal“ indem Horatio, Hamlets engster Vertrauter die aktuelle Situation schilderte, also quasi eine Einführung ins Geschehen machte.

Die Schauspieler wie immer tadellos,  engagiert und wenn Hamlet (Wiebke Kayser) agierte, wünschte man sich nichts anderes herbei als eine ganz traditionelle Umsetzung des Stoffes. Dann aber kam es erstens anders und zweitens als gedacht.

 

Wiebke Kayser, Lilli LorenzDa in Hamlet ja schon eine „Untergeschichte“, also ein Stück im Stück (Die Mausefalle) integriert ist, war das Einfügen einer weiteren Handlung, ziemlich wirr dargeboten von den Laiendarstellern,total daneben. Ein misslungener Versuch, um jeden Preis originell zu inszenieren, eine Persiflage des unbestritten zur Weltliteratur gehörenden Werkes des englischen Dramatikers, oder es wird bisweilen, wie Alfred Tennyson sagte, als das "größte aller literarischen Werke" angesehen. Höhepunkt der Geschmacklosigkeit dann Hamlets berühmte Feststellung: Schwein oder nicht Schwein. Das ist hier die Frage! Passend wohl eher in eine der unzähligen schwachsinnigen RTL Comedy Shows!

Da ist  beim Versuch einer so gewagten Umschreibung, bzw. Umdeutung das Scheitern vorprogrammiert. Zeitgemässe Adaption war zwar in gewissen Passagen angedeutet und zu erahnen, aber leider eben nicht mehr. Wenn schon, dann hätte  das Ganze noch radikaler daherkommen müssen. Hamlet als Greenpeace Aktivist, Delegierter des IKRK, die Kombination aus Beiden, was weiss ich. Wahrscheinlich wär es einfacher und sinnvoller gewesen, grad mal einen eigenen „Hamlet“ zu schreiben, als das Original so abzuschandeln.

Wiebke Kayser Das Premierenpublikum nahm das Geschehen trotzdem erstaunlich gelassen hin und applaudierte kräftig. Mein Fazit mit Hamlets Worten: Der Rest ist Schweigen.

Text: leonardwuest.ch

Fotos: www.luzernertheater.ch

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Luzerner Theater: Albert Herring Comic Opera in drei Akten von Benjamin Britten Text von Eric John Crozier, nach Guy de Maupassant, besucht von Gabriela Bucher – Liechti

Albert Herring Comic Opera in drei Akten von Benjamin BrittenProduktionsteam Howard Arman Musikalische Leitung

Tobias Heyder Inszenierung
Stefan Heyne Bühne
Janine Werthmann Kostüme
David Hedinger Licht
Eberhard Rex Einstudierung Luzerner Sängerknaben
Dr. Christian Kipper Dramaturgie

Besetzung Alexandre Beuchat Mr. Gedge, Todd Boyce Sid, Szymon Chojnacki Mr. Budd, Marie-Luise Dressen Nancy Waters, Utku Kuzuluk Albert Herring, Eunkyong Lim Florence Pike, Carla Maffioletti Miss Wordsworth, Robert Maszl Mr. Upfold, Caroline Vitale Mrs. Herring, Madelaine Wibom Lady Billows

Solisten der Luzerner Sängerknaben, Luzerner Sinfonieorchester
Rezension:

Die erste Produktion des Luzerner Theaters in der Herbstsaison greift jeweils nochmal das Thema des Lucerne Festivals auf, dieses Jahr war es «Humor». Mit Albert Herring von Benjamin Britten hätten sie ein perfektes Werk gefunden dafür, meinte Christian Kipper, Musiktheater-Dramaturg des Luzerner Theaters, aber vor allem auch mit lediglich 13 Sängerinnen und Sängern und 12 Musikern ideal für ein Theater ihrer Grösse. Und so seien sie dieses Werk angegangen, wohl wissend, dass das Publikum nicht in Scharen kommen würde.

Das tat es dann leider auch nicht, aber jene, die gekommen waren, wurden belohnt mit einer in jeder Hinsicht gelungenen Aufführung. Ein Augen- und Ohrenschmaus;  vom Musikalischen über die Kostüme bis hin zum Bühnenbild ist dieser Albert Herring eine überaus gelungene Produktion.

Die Geschichte in Kurzform: Albert, der leicht dümmliche, überangepasste Sohn der Gemüsehändlerin muss mangels tugendhafter Mädchen im Dorf als Mai-König hinhalten. Bei der Krönung kommt er in Berührung mit Alkohol, überdenkt sein Leben neu und verschwindet über Nacht mit den gewonnen 25 Pfund. Das Dorf versinkt in tiefe Trauer - man glaubt ihn tot - dann in höchste Entrüstung, als er lebendig und mit allerlei Geschichten über die vergangene Nacht plötzlich wieder auftaucht. Zusammen mit Sid und Nancy, welche ihm indirekt  zu seiner Ab- und Erlösung verholfen haben, feiert er den Beginn seines  neuen Lebens.

Auf der Luzerner Bühne steht ein viereckiger Sandkasten, dort drin spielt sich das Meiste ab. Im Hintergrund ein  Backsteingebäude, auf welchem sich im ersten Akt die gestikulierenden Akteure in gestochen scharfen Schatten widerspiegeln, was das Geschehen zusätzlich karikiert. Die Kostüme tun das ihre: hochgeknöpft,  uniformiert,  farblos, die graue  Schleife im Haar der Haushälterin Florence erinnert an Mickey-Mouse Ohren, die Schulvorsteherin trägt ein runtergeknöpftes Kleid – wie mit kleinen Schublädchen versetzt -  welches auf Wadenhöhe auf die hochgeschnürten Stiefeletten trifft, dazu ausufernd-puffige Ärmel,  Hinweis auf ihre Überspitztheit und ihre wahren Gefühle? Die Männer je nach Stand in Uniform oder Anzug, Lady Billows eingeklemmt im züchtigen Tailleur.  Im zweiten Akt werden diese uniformierten Kostüme vorübergehend raffiniert aufgelöst mit gelben Akzenten, der Farbe der Freude  und des Vergnügens, aber auch des Neids und des Aufsehens. Albert seinerseits entsteigt dem Sandkasten wie ein indischer Maharadscha ganz in Weiss mit gelber Blumenschärpe. So entstehen immer wieder raffinierte Bildkompositionen.

Auch stimmlich überzeugt dieser Albert Herring: Madeleine Wibom mit ihren vor Empörung blitzenden Augen ist eine wunderbar aufgebrachte, bigotte Lady Billows und bringt die nötige Schärfe und Schrillheit in ihre Stimme, Utku Uzuluk seinerseits ist ein herrlich naiver, leicht tollpatschiger Albert, der in seinem Gemüseregalen an Lucien aus Amélie de Montmartre erinnert, Carla Maffioletti  überzeugt als überspannte Schulvorsteherin mit ihrem verklemmten Lachen und dem untertänigen Getue,  verführerisch und unverfroren das Paar Todd Boyce und Marie-Luise Dressen als Sid und Nancy. Das ganze Ensemble ist sehr homogen, keine Stimme fällt ab, das Orchester begleitet und unterstützt hervorragend und die Sängerinnen und Sänger scheinen selber eine diebische Freude zu haben an dieser köstlichen Satire auf scheinheilige Moral und Tugendhaftigkeit.

Kleine Fotodiashow der Produktion von: Tanja Dorendorf / T+T Fotografie

fotogalerien.wordpress.com/2015/09/30/luzerner-theater-albert-herring-comic-opera-in-drei-akten-von-benjamin-britten-text-von-eric-john-crozier-nach-guy-de-maupassant-besucht-von-gabriela-bucher-liechti/

Text: www.gabrielabucher.ch

Fotos: www.luzernertheater.ch

Fotos: Tanja Dorendorf / T+T Fotografie

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