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Schweiz: Osterkonzert in der Zürcher Tonhalle, ein Event der Concert Media AG, 20. April 2014, besucht von Léonard Wüst

Der grosse Konzertsaal der Zürcher TonhalleBesetzung

Prague Festival Orchestra, Dirigentin Rimma Sushanskaya, Solist Kirill Troussov, Violine

Konzertprogramm:

„Die Moldau“ (Bedrich Smetana, 1824 – 1884)

„Violinkonzert in D – Dur“ (Pjotr Ilijtsch Tschaikowski, 1840 – 1893)

„Bilder einer Ausstellung“ (Komposition für Klavier Modest Mussorgsky, 1839 – 1881), Bearbeitung & Interpretation für Orchester von Maurice Ravel

„Boléro“ (Maurice Ravel, 1875 – 1937)

Prague Festival Orchestra

 

Normalerweise wurde noch nie etwas Gutes daraus, wenn die Russen den Tschechen ihren Stempel, ihr Dirigat und Stil aufdrücken wollten. Dass das ausnahmsweise auch mal sehr gute Resultate ergibt, wurde aber an diesem Spätnachmittag sehr schnell deutlich.

Rimma Sushanskaya, Dirigentin

 

Die gebürtige Sankt Petersburger Dirigentin Rimma Sushanskaya startete mit der heimlichen tschechischen Nationalhymne „Die Moldau“ aus Smetana`s symphonischer Dichtung „Ma Vlast“ (Mein Vaterland), wohl eine der weltbekanntesten klassischen Melodien überhaupt, nebst Mozart`s kleiner Nachtmusik und vielleicht noch die Melodie in F von Franz Liszt.

Raffiniert süffig und elegant die Bläser, weich die Streicher im Zeichnen der böhmischen Landschaft, zügig und stringent das von Rimma Sushanskaya mit dem Dirigentenstab vorgegebene Tempo. Genuss für Ohr und Auge, da sich die Musiker im wahrsten Sinne des Wortes auch ins Zeug legten.

Solist Kirill Troussov,Violine

 

Dann betrat Kirill Troussov (*1982) mit seiner Stradivari „Brodsky“, gebaut im Jahre 1702.die Bühne. Auch er kommt aus Sankt Petersburg und war u.a. schon Gewinner des Yehudi Menuhin Violinwettbewerbes und des europäischen Kulturpreises „Pro Europa“. Er spielte das von Tschaikowski am Genfer See nach einer längeren Schaffenskrise komponierte Violinkonzert feinfühlig und doch fulminant wo angezeigt, sanft und aufmüpfig wo angedacht. Der Solist erhielt nach seinem Auftritt statt des obligaten Blumenstrauss` dem Tag entsprechend einen schön verpackten Schokoladenosterhasen. Natürlich forderte das Publikum stürmisch eine Zugabe, die Troussov auf seine Art humorvoll erklärte und gewährte. So kamen wir in den Genuss des bekannten Kinderliedes „Mein Hut der hat drei Ecken“, spitzbübisch zelebriert im Stile Niccolò Paganinis, sehr zur Freude auch des Orchesters.

Nach der Pause führte Sushanskaya durch die Bilder einer Ausstellung, d.h. sie führte nicht nur, sie packte sie aus und erklärte sie mithilfe ihrer brillanten Mitmusiker auf eindrückliche, packend intensive Art, entsprechend ergriffen und begeistert waren die Anwesenden. Der abschliessende „Boléro“ von Maurice Ravel war dann noch ein Schaulaufen, der Höhepunkt eines aussergewöhnlichen, aufwühlenden Konzertes, das noch lange nachwirken wird.

Text:  www.leonardwuest.ch

Veranstalter und Fotos:  http://www.concertmedia.de/?lang=de

 


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Schweiz: Lucerne Festival an Ostern 2014: Sinfoniekonzert 4, Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks | Andris Nelsons | Solisten

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

 

Parsifal, Richard Wagner (1813-1883) Konzertante Aufführung des dritten Aufzugs

 

Kurze Werkbeschreibung:

Richard Wagners letztes Werk, sein Bühnenweihfestspiel Parsifal, feiert das Christentum als Mythologie. Im dritten Akt, im balsamischen «Karfreitagszauber», kommen sogar noch pantheistische Momente ins Spiel, die romantische Naturfrömmigkeit in der Tradition Joseph von Eichendorffs. Im Grunde aber zelebriert Wagner die Musik selbst als eine Art Religion: Auf dem Grünen Hügel in Bayreuth hatte er sich sogar einen exklusiven «Tempel» für sein eigenes Bühnenschaffen errichtet, und ausschliesslich dort sollte der Parsifal aufgeführt werden – so jedenfalls war es Wagners Wunsch. Das Werk huldigt seinem mystischen Ideal eines unsichtbaren Theaters: Da Wagner die Musik für eine nächtliche, verborgene Kunst hielt, gibt es hier wenig zu sehen, für das Ohr jedoch alles zu entdecken. «Der Parsifal ist die Erweckung des modernen Orchesters zu sich selbst», weiss Andris Nelsons, der in Bayreuth als Dirigent des Lohengrin für Furore gesorgt hat. «Als hätte Wagner sich mit seinem letzten Musikdrama von allen Äusserlichkeiten befreit.»

Musik kann schmerzen, wenn bei einem Popkonzert die Verstärkeranlage zu laut eingestellt ist und die Bässe so dröhnen, dass Dir fast das Trommelfell platzt.

Dass Musik aber auch auf eine angenehme Art weh tun kann, bewiesen die Protagonisten des Konzertes im Luzerner KKL  am 12. April anlässlich des Lucerne Festivals an Ostern 2014.

Andris Nelsons, Dirigent

 

Besonders gespannt auf den „Neuen“, den wahrscheinlichen Nachfolger von Claudio Abbado für die Leitung des „Lucerne Festival Orchestra“, den 1978 in Riga geborenen Letten Andris Nelsons, begab ich mich nach Luzern.

Zusammen mit dem Symphonieorchester und dem Chor des Bayerischen Rundfunks zelebrierte er den dritten Aufzug des „Parsifal“. Als Solisten wirkten mit: der Neuseeländer Simon O’Neill, Parsifal (Tenor), der aus Deutschland stammende Georg Zeppenfeld, Gurnemanz, (Bass), sowie der Pole Tomasz Konieczny, (Bassbariton), als Amfortas.

Tenor Simon O’Neill, Parsifal

 

Die Solisten, obwohl  wahrscheinlich nur Wagnerianern schon hinlänglich bekannt, waren absolute Weltklasse, auch bar jeglicher Gestik physisch unglaublich präsent, nicht im Geringsten angestrengt.

Tomasz Konieczny, Bassbariton,Amfortas

 

Auf mich wirkte das Gebotene fast beängstigend betörend und physisch, als auch psychisch sehr anstrengend. In etwa gleich erging es wohl den meisten der Anwesenden, wie unschwer festzustellen war.

Georg Zeppenfeld, Bass, Gurnemanz

 

So spendete man auch nicht rauschenden Beifall, sondern applaudierte irgendwie abgehoben und entgeistert. Beim Verlassen des Konzertsaales grüsste ich kurz einen Bekannten, dem entfuhr nur ein „unglaublich“ anstelle eines Grusses. Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch

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Schweiz: Lucerne Festival an Ostern 2014: Chorkonzert 3 in der Jesuitenkirche, 10. April, Junge Philharmonie Zentralschweiz, Akademiechor Luzern, Marcus Creed (Dirigent) und Solisten

Die Jesuitenkirche in Luzern

 

Belshazzar fast unaussprechlich schon der Name des Oratoriums, zu dem Charles Jennens (1770 – 1773), nach den Büchern: Daniel, Jeremia und Jesaja den Text verfasste und das Georg Friedrich Händel euphorisch vertonte. Das «Menetekel», (die nicht dechiffrierbare Schrift an der Wand), ist im Sprachgebrauch bis heute geblieben als Synonym für drohendes Unheil. Dargeboten wurde das Werk in der Originalsprache, also auf Englisch. In der prachtvollen Jesuitenkirche,  gleich neben dem Luzerner Theater an der Reuss gelegen, erwartete das zahlreich erschienene Publikum einmal mehr eine Meisterleistung der einheimischen jungen Philharmonie Zentralschweiz und des ebenso in Luzern gegründeten und beheimateten Akademiechors, geführt vom Dirigenten

Marcus Creed, Dirigent

 

Marcus Creed (bekannt als ausgewiesener Barockmusikspezialist)  und unterstützt von ausgezeichneten Solisten.

Auch von den fünf Solisten sind zwei aus der Region, der Countertenor Peter Kennel (gebürtiger Luzerner) in der Rolle des Daniel und der sehr junge (Jahrgang 1990) Bassbariton Jonathan Prelicz aus Arth -Goldau als Gobrias. Die vorgesehene Sopranistin Gabriela Bürgler, aufgewachsen im Kanton Schwyz, musste infolge Erkrankung kurzfristig absagen, sonst wären sogar 3 der 5 Solisten aus der Innerschweiz gekommen.

 

 

Der Akademiechor Luzern

 

Für Bürgler fand man erfreulicherweise mehr als nur valablen Ersatz. Die aus den USA stammende Kimberly Brockmann wurde der schwierigen Aufgabe in der Rolle der Königsmutter Nitocris mehr als gerecht, sowohl stimmlich wie auch mimisch. So blieben noch Lisa Wedekind als Altistin in der Rolle von König Cyrus und der glänzend aufgelegte polnische Tenor als Belshazzar als Nichteinheimische, nicht aber als Fremdkörper.

 

 

 

Die Junge Philharmonie Zentralschweiz

 

Marcus Creed führte zügig und gestenreich durch das opulente Drama, das durchaus auch in der heutigen Zeit spielen könnte. Der Geschichten von Aufstieg, Hochmut gepaart mit Arroganz und darauffolgendem Absturz gibt’s ja zur Genüge, sei es in Politik, Wirtschaft, Sport oder in der High Society. Händel schrieb ja total drei verschiedene Fassungen des Epos, aufgeführt wurde das Oratorium in Luzern in zwei Teilen, was etwas über 2 Stunden dauerte. Schwere aber schöne Kost, die auch dem Publikum einiges an Konzentration und Aufmerksamkeit abforderte.

Text: www.leonardwuest.ch Fotos: www.lucernefestival.ch


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Schweiz:Lucerne Festival an Ostern 2014: Chorkonzert 2, Cappella Andrea Barca | Balthasar-Neumann-Chor | András Schiff | Solisten

 Lucerne Festival an Ostern

Balthasar Neumann Chor

 

Von Herzen zu Herzen

Beethovens Missa Solemnis – die festliche Messe – ist, wie Beethoven selber sagte, sein grösstes Werk. Sie wurde mit Superlativen überhäuft, als eines der wichtigsten Werke betitelt, als Meilenstein und Heiligtum gepriesen. Sie ist voller Widersprüche und Brüche und während die Katholiken sie als ketzerisch und zu theatralisch bezeichneten, war sie für die Protestanten zu traditionell und katholisch geprägt. Darum, und auch wegen ihrer Länge, wurde sie in der Kirche nie wirklich heimisch und wird hauptsächlich im Konzertsaal aufgeführt. Sie ist aber auch eines der kompliziertesten und schwierigsten Chor-Werke überhaupt. Beethoven sei nicht sehr rücksichtsvoll umgegangen mit den Sängern, meinte Susanne Stähr in ihrer Einführung ins Konzert letzten Mittwoch.

Sie enthält eine der am schwierigsten zu singenden Passagen der gesamten Chorliteratur: Gleich zu Beginn des Credo schrauben sich die Soprane zum zweigestrichenen »b« empor, einem Ton, der auch für manche Solistin Anstrengung erfordert, der hier jedoch fünf Takte lang gehalten werden muss – zum Fortissimo des stark besetzten Orchesters. Die  Messe galt als beinahe unaufführbar und ist beim Lucernce Festival bis anhin erst zwei Mal gespielt worden, das erste Mal 1943, das zweite und bisher letzte Mal erst 2005 wieder.

Cappella Andrea Barca

 

Am Mittwoch nun beschenkten die Cappella Andrea Barca und der Balthasar-Neuman Chor unter der Leitung von András Schiff sowie die Solisten Ruth Ziesak, Sopran, Britta Schwarz, Alt, Werner Güra, Tenor und Robert Holl, Bass, das Publikum mit diesem Werk. «Von Herzen – Möge es wieder zu Herzen gehen!», hatte Beethoven über dem ersten Teil der Partitur notiert. Zu Herzen ging das Werk dann auch, mit einem Chor, der einen die extremen technischen Anforderungen nicht spüren liess, einem Orchester, in welchem vor allem die Bläsersektion begeisterte, einem zurückhaltenden, beinahe ehrfurchtsvollen András Schiff am Dirigentenpult und Solisten, welche durchwegs überzeugten in ihrer Ausführung. Zuweilen herrschte eine unglaubliche Symbiose zwischen Chor und Orchester, eine wundervolle Verwebung der beiden Klangwelten. Man spürte das sehnsuchtsvolle Bitten und Beten, das Flehen, mit Bläsern, die mal sanft, mal kraftvoll, pompös, majestätisch, mal friedvoll verhalten, mal mächtig tragend und feierlich daherkamen. Grossartige Chorpassagen folgten wunderschönen Solopartien, wo Holl’s kräftiger, sonorer Bass sich wie ein Fundament unter die ausgewogenen Stimmen der drei anderen Solisten legte. Man wähnte sich ab und an in einer Kathedrale, so dicht, berauschend und majestätisch war der Klang.

András Schiff

 

András Schiff blieb durch das ganze Werk präzise. Nie ausufernd, nie dominant, führte er Chor, Orchester und Solisten durch dieses unglaublich vielschichtige Werk hin zum erst verstörend kriegerischen, dann friedvoll strahlenden Agnus Dei.

Schade nur, dass trotz frühem Ende des Konzertes, oder gerade deswegen, sehr viele Besucher den Saal schon während des ersten Applauses verliessen. An der Qualität der Aufführung kann es nicht gelegen haben, jedoch wirkte sich diese Hektik etwas negativ auf die nachklingende andächtige Stimmung aus.

Text: www.gabrielabucher.ch Fotos: www.lucernefestival.ch


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