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Historia Viva historische Vortragsreihe Schicksalsjahr 1415, 4. Vortrag der Reihe, 26.3.2015, 1415 im Rathaus Sursee, besucht von Léonard Wüst

Diepold Schilling Chronik Tagsatzung

 

 

 

 

 

 

Historia Viva historische Vortragsreihe Schicksalsjahr 1415, 4. Vortrag der Reihe, 26.3.2015, im Rathaus Sursee, besucht von Léonard Wüst

Thema des Abends:Architektur, Kunst und Klöster: Kulturgeschichte der Eidgenossenschaft um 1400

Referentin:

Anja Rathmann-Lutz, Universität Basel

 

Handelten die ersten drei Vorträge eher von  kriegerischen und  politischen Ereignissen, wurden an diesem Abend auch die kulturellen Aspekte beleuchtet, die in in diesem recht unruhigen Zeitalter historisch fast ein bisschen (zu Unrecht) in den Hintergrund gedrängt wurden.

Sich Wissen anzueignen scheint offenbar um einiges einfacher zu sein, als dasselbe dann auch in einem Vortrag weiterzuvermitteln. Was an den drei bisherigen Vorträgen dieser Reihe gelungen war, dass nämlich die Referent/innen ihr  Fachwissen in kompakte und trotzdem verständliche laienvertägliche Formen gießen und dies an die Anwesenden weitergeben, misslang der deutschen Referentin der Universität Basel völlig. Sie wirkte übermotiviert, fahrig und war vor allem unglaublich Detailversessen. Von dieser Anhäufung spezifischem Fachwissens waren die meisten Besucher ziemlich überfordert wie mir schien und ich täusche mich da sicher nicht, habe ich doch alle bisherigen Referate relativ akribisch analysiert und aufgearbeitet, natürlich meinen persönlichen Fähigkeiten entsprechend. Auch ich fühlte mich relativ hilflos, was mir eigentlich nie passiert, denn normalerweise kann ich in jedem Fall, sei es an einem Konzert im KKL, an einem Wirtschaftsforum an der HSLU oder anderen Anlässen der unterschiedlichsten Art, irgendwie etwas Garn greifen und dann weiterspinnen, davon war ich an diesem Abend doch um etliche Faden entfernt.

Frau Rathmann packte quasi ihr gesamtes Universitätsstudium in ein 60 minütiges Referat, entsprechend wirr und zusammenhangslos kam das Ganze bei mir persönlich an, obwohl ich sicher intellektuell nicht unter dem Durchschnitt anzusiedeln und auch nicht ganz ungebildet bin, wenn auch  nicht Akademiker. Bei kurzen Unterhaltungen mit anderen Teilnehmern im Anschluss an das Referat ließen die meisten durchschimmern, dass es ihnen ähnlich ergangen sei.

 

Konrad Rudolf Lienert, der an diesem Abend die Moderation übernahm, bedankte sich bei der Referentin, den Anwesenden, den Sponsoren und beendete die diesjährige Vortragsreihe mit einem treffenden Zitat  des Historikers Marc Ferro (Vorwort dessen Buches: Geschichtsbilder, 1991).

Historia viva, Geschichte lebt - auch in dem Sinne, dass uns immer klarer wird, wie sehr die Welt der Gegenwart, in der wir leben, geprägt ist von der Vergangenheit. Und wie wir umgekehrt auch immer wieder dazu tendieren, die Vergangenheit so zu interpretieren, wie das unsern aktuellen Vorstellungen dienlich ist: Retusche der Geschichtsbilder.

«Täuschen wir uns nicht: Das Bild, das wir von anderen Völkern oder von uns selbst haben, hängt mit dem Geschichtsbild zusammen, das uns vermittelt wurde, als wir Kinder waren. Es prägt uns für den Rest unseres Lebens. Zu dieser frühen Darstellung der Geschichte, die auch für jeden eine Entdeckung der Welt, der Vergangenheit und der Gesellschaft bedeutet, gesellen sich sodann Meinungen, flüchtige oder dauerhafte Ideen - gleich einer Liebe - hinzu, wobei die Spuren unserer ersten Neugier, unserer ersten Gefühle unauslöschlich bleiben.»

Schlussendlich  ermunterte der Moderator die Teilnehmer noch mit dem definitiven Schlusswort:

Aufforderung an uns alle: Meinungsbildung, Debatte, Revision, Differenzierung von Meinungen - die Eroberung von Sursee als ein (gutes) Beispiel unter vielen interpretieren.

Meine Bilanz der diesjährigen Vortragsreihe: obwohl wir uns Vortrag um Vortrag im räumlichen, geografischen  Sinne immer weiter vom Ausgangspunkt  (Die Eroberung Sursee`s durch die Luzerner 1415) entfernten, kam man der Tragweite der damaligen Ereignisse und ihrer Auswirkungen mental immer näher, sah und begriff schlussendlich welche Konsequenzen so eine kleine Episode, eigentlich unbedeutende Fussnote der Geschichte, trotzdem lokal, eidgenössisch, ja gar europaweit haben kann, bildlich wie vielleicht der berühmte Kieselstein der, richtig ins Wasser geworfen, immer grössere Kreise und Wellenformt. Ein weiteres Mal ebenso lehrreiche wie informativ spannende Lektionen, die uns die Initianten von Historia Viva Sursee  erteilten und doch eben, ein bisschen weniger wäre eventuell mehr gewesen (betrifft nur den 4. Vortrag).

Schön auch, dass an allen vier Abenden sehr viele Interessierte anwesend waren, mehr als vielen Gemeindeversammlungen. Dass aber ausgerechnet vom offiziellen Historia Viva Medienpartner, der „Sursee`r Woche“ bloss am ersten Vortrag jemand anwesend war erscheint mir doch etwas rätselhaft und dann nicht mal einen Artikel darüber verfasste ist sogar mehr als peinlich.

Link auf den 1. Vortrag der Reihe  vom 5. März 2015: Schicksalsjahr 1415, Luzern erobert Sursee

http://innerschweizonline.ch/wordpress/historia-viva-historische-vortragsreihe-schicksalsjahr-1415-im-rathaus-sursee-besucht-von-leonard-wuest/

Link auf den 2. Vortrag der Reihe  vom 12. März 2015: Schicksalsjahr 1415, „1415 ein historischer Wendepunkt? Kriegsführung, Kommunikation und Politik in Luzern und der Eidgenossenschaft“

http://innerschweizonline.ch/wordpress/historia-viva-historische-vortragsreihe-schicksalsjahr-1415-im-rathaus-sursee-besucht-von-leonard-wuest-2/

Link auf den 3. Vortrag der Reihe  vom 19. März 2015: Schicksalsjahr 1415 Thema: „Im Dienste seiner Majestät; Eidgenossen, Kaiser und Reich im Jahre 1415“

http://innerschweizonline.ch/wordpress/historia-viva-historische-vortragsreihe-schicksalsjahr-1415-3-vortrag-der-reihe-19-3-2015-1415-im-rathaus-sursee-besucht-von-leonard-wuest/

Text: www.leonardwuest.ch

Bild:  http://www.historiaviva.ch

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Lucerne Festival an Ostern,Sinfoniekonzert SWR, 27. März 2015, besucht von Léonard Wüst

Dirigent Ingo Metzmacher

 

 

 

 

 

 

 

Grundsätzliches zu Gustav Mahler`s 6. Sinfonie:

In seiner apokalyptischen Sechsten Sinfonie, die auch als Tragische bezeichnet wird, scheint Gustav Mahler die Leidensgeschichte eines fiktiven Helden zu erzählen, der am Ende mit mehreren Hammerschlägen gerichtet wird. Ob er damit wirklich sein eigenes Schicksal vorweggenommen hat, wie es seine Witwe Alma glaubte? Den Tod seiner kleiner Tochter Maria etwa oder die Entlassung als Wiener Hofoperndirektor und natürlich auch sein schweres Herzleiden, das zu seinem frühen Tod im Alter von fünfzig Jahren führte … Ingo Metzmacher, der das erschütternde Werk mit dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg aufführt, weiss, dass man sich «Mahlers Musik mit Haut und Haar verschreiben» muss: «Mahler wagt sich an den gewaltigen Versuch, diese Welt, dieses verrückte Leben in Töne zu fassen. Höchstes Glück, seligste Verzückung, Euphorie und Überschwang finden sich darin ebenso wie tiefstes Leid, brennender Schmerz, Wut und Verzweiflung. Alles will diese Musik uns sagen. Nichts verheimlichen.»

Rezension:

Einem knapp zwanzig Minuten dauernden Auftritt des ca. 30köpfigen SWR Vokalensembles mit  3 a capella Werken von Felix Mendelsohn Bartholdy (äusserst heftig bejubelt) im ersten Konzertteil, folgte nach der Pause die legendenumwundene enigmatische sechste Sinfonie des manisch – depressiv scheinenden Einzelgängers Gustav Mahler, geschrieben in den Sommermonaten der Jahre1903/1904 in Maiernigg am Wörthersee.

SWR Vokalensemble METZMACHER (c) Peter FiIschliDas Orchester als auch der Dirigent brachten eine sehr gute Leistung, etwas brav für mein Gusto (entsprechend der Badenser Mentalität?)  und konnten mich nicht wirklich von der Tragik der Sechsten überzeugen. Die sehr vielen, extra in Gruppen angereisten süddeutschen SRW  Fans, sahen das wohl ein bisschen anders, ändert aber nichts an meinen Empfindungen. Vielleicht ist ja doch etwas dran an einer der Äusserungen Mahlers zu diesem Werk: „Meine VI. wird ein Rätsel aufgeben, an die sich nur eine Generation heranwagen darf, die meine ersten fünf in sich aufgenommen und verdaut hat.“ Wie es scheint, gehöre ich nicht zu dieser, oder mein Verdauungsapparat leidet an Störungen. Vielleicht ist es aber überhaupt  kein Rätsel, sondern die Sechste ist einfach nicht so tragisch, wie uns die geläufige Musikliteratur erklärt. Die Quintessenz ist also: Mahlers angedeutetes Rätsel könnte eine offensive Marketingstrategie sein, obwohl dieses Wort damals ja noch gar nicht existierte, das trifft aber ebenso auf die Komponier Weise  Mahler`s zu, die entstand ja auch erst durch seine Werke. Niemand bezweifelt, dass der Komponist ein Genie war und musikalische Weltliteratur geschaffen hat, aber seine Biografie birgt natürlich auch genügend Stoff zum Aufbau einer von Mythen umrankten Legende, was im Umkehrschluss auch seine Kompositionen rätselhaft mysteriös erscheinen lässt.

Fazit:

Grundsolide, aber halt etwas biedere Darbietung, der etwas der Touch des Besonderen abging, das man sich halt am Lucerne Festival gewohnt ist und wo das Aussergewöhnliche eben schon  fast alltäglich ist.

Gustav Mahler – der Komponist, der die Musik revolutionierte, Artikel auf wissen – de

http://www.wissen.de/podcast/gustav-mahler-der-komponist-der-die-musik-revolutionierte-podcast-88

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Lucerne Festival an Ostern 2015, Sinfoniekonzert 1, 25. März 2015, besucht von Léonard Wüst

Teodor Currentzis Dirigent

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorabinformationen:

Schon im Foyer wurde gemunkelt und weitergereicht, dass die vorgesehene Solistin für dieses Konzert, die weissrussische Sopranistin Nadine Koutcher relativ heftig erkrankt und mit fast 40 Grad Fieber bettlägerig war und so natürlich nicht auftreten könne. Dies wurde mir  beim Pressetreffpunkt von der Hausfotografin des Lucerne Festival, Priska Ketterer, definitiv bestätigt, ebenso, dass deshalb das Programm kurzfristig umgestellt werden musste und jetzt ausschliesslich Werke von Jean - Phillipe Rameau (1683 – 1764) zur Aufführung gelangen würden. Das neue Programmblatt werde in Bälde von der Medienveranwortlichen Nina Steinhart nachgereicht. Dies alles brachte auch meine Konzertvorbereitungen etwas durcheinander, schnappe ich mir doch jeweils das Programm und setze mich  bis zur Saaltüröffnung (30 Minuten vor Konzertbeginn) irgendwo hin und studiere das  ausführliche Konzertprogramm (Angaben zu Komponisten und deren zur Aufführung gelangenden Werke, Biografien der Protagonisten usw.) sehr genau. In diesem Fall aber, war dies  Makulatur, ausser, dass ich mich etwas näher mit Rameau beschäftigen konnte, einem von mir bisher relativ wenig, bis gar nicht beachteten Komponisten, wie ich reuevoll gestehe, erwiesen sich doch  dessen Werke als wahre Trouvaillen, vor allem, wenn sie so präsentiert werden wie von diesem magischen (ja, kann man nicht anders formulieren) Ensemble aus dem eher unbekannten Perm im Uralvorland am Fluss Kama (ca. 1 150 km von Moskau entfernt) gelegen.

Konzertrezension:

Festivalintendant Michael Häfliger persönlich erklärte die Programmänderungen und wies darauf hin, dass man für solche Fälle, gut vorbereitet sei. In Absprache mit dem musikalisch Verantwortlichen (in diesem Falle also Theodor Currentzis) spreche man sich ab und definiere allenfalls den Programmablauf neu. Dieses Mal wurde der ganze erste Programmteil, also: Johann Sebastian Bach (1685-1750) BrandenburgischesKonzert Nr. 3 G-Dur BWV 1048  KantateMein Herz schwimmt im Blut BWV 199,  gestrichen und durch ein reines Rameaukonzert ersetzt.

Häfliger gab sich überzeugt, dass das Publikum trotzdem ein aussergewöhnliches Konzert erleben werde. Wie recht er doch hatte, zeigte sich gleich zu Beginn. Die Ensemblemitglieder der „Musica Aeterna“ betraten die Bühne bei völlig abgedunkeltem Konzertsaal. Im Schein von zwei kleinen Lampen, befestigt am Dirigentenpult, gaben eine Querflöte, eine Violine und eine Laute erste Töne in den Raum. Erst dann betrat der Dirigent und Gründer des 2004 entstandenen Orchesters, der gebürtige Grieche Theodor Currentzis (*1972) die Szenerie. Ein fast schemenhafter und geheimnisvoller Moment. Der Saal blieb weiterhin meist abgedunkelt. Das hinderte aber die Protagonisten nicht, mit ihren Interpretationen der barocken Kompositionen Rameaus Licht ins Dunkel zu bringen. Äusserst bemerkenswert auch, dass alle Violinisten und Bratschen das gesamte Programm stehend absolvierten, mit vollem Körpereinsatz, musikalisch ebenso brillant wie in der Körpersprache. Dazu ein „Derwisch“ am Pult, mal wild gestikulierend, dann wieder elegant tänzelnd, seine „Schützlinge“ anspornend. Es knisterte und alle Anwesenden waren sich sehr wohl bewusst, dass sich Aussergewöhnliches abspielte an diesem Abend. Ein Glanzpunkt nach dem andern, den die „Ewigen“, die aeterne, setzten. Das Publikum verblüfft und hingerissen ob diesem auditorischen Orkan der Gefühlswelten, der durch den Nouvelssal fegte. Passend auch, dass die Musiker sich zur Pause, wieder im Dunkeln, einzeln hinausschlichen, das aufgeregt aufgewühlte Publikum sie aber umgehend auf die Bühne zurückapplaudierte. Nicht enden wollende Applauswogen, einzelne Bravorufe führten beinahe zu einer stehenden Ovation. Auch der sonst so selbstsichere, überall gefeierte Currentzis schien gar etwas verwirrt. (Vor der Pause schon Zugaben?)

Ein fast vergessenes Instrument, die LauteAllmählich begriffen auch die Zuhörer, dass es jetzt eine Unterbrechung geben müsse. So entliess man die Musiker doch noch in die wohlverdiente Pause. Begeisterte Konzertbesucher diskutierten an- und aufgeregt in den Wandelhallen des KKL das bis anhin Gebotene und kehrten gespannt zurück in den Saal. Ebenso motiviert präsentierten sich auch die „Ewigen“ wieder. Mit einer kurzen Introduktion durch Querflöte, zwei Violinen und Laute, bevor wieder das ganze Ensemble Glanzlicht um Glanzlicht setzte und die fast schon stilistisch rokokomässigen musischen Konstrukte des Jean-Philippe Rameau perfekt umsetzten. Den Glanz des Sonnenkönigs, auch des Château und der Jardins von Versailles erahnen lassend. Abwechselnd übernahm die Kleinformation das Diktat, dazu setzte sich Curretzis völlig locker und entspannt auf den Boden der Bühne, um dann resolut wieder das Zepter zu übernehmen. Er erinnerte mich stark an den Amadeus von Milos Forman, wie er so hemmungslos herumzappelte, die Haare fliegen liess, maliziös und graziös in den Bewegungen, jede Faser des Körpers in völligem Einklang mit der Musik. Eine fast schon ekstatische, perverse (wohl deshalb so schöne) Vereinigung mit der Musik und sich selbst vor Publikum. Man kam aus dem Staunen nicht heraus. Fasziniert, ja akustisch hypnotisiert und perplex, wollte man nur noch, dass es nie enden würde.

Aber wie alles Schöne kann es nicht aeterne dauern aber die, vornehmlich sehr jungen Akteure des Ensembles, setzen auch das nahende Ende trefflich in Szene. Was dann folgte überraschte selbst gestandene Konzertgänger, wie meinen chilenischen Sitznachbarn, der nur noch ungläubig den Kopf schüttelte. Das Publikum raste und applaudierte mit einer stehenden Ovation heftigst, eine Zugabe fordernd. Currentzis schnallte sich eine Pauke um und bewegte sich damit durch die Reihen seines Orchesters, locker scherzend mit den Musikern, flirtend mit dem Publikum. Es kam wie es kommen musste, man gab sich nicht zufrieden und beorderte die Protagonisten klatschend auf die Bühne zurück. Nach weiteren zwei Zugaben nochmals Standing Ovations. Es war spürbar: auch die Musiker gehörten zu den Geniessern!

Schlussendlich nach langer Zeit verliess man dann den Ort des Geschehens und tauchte wieder ein in die reale, banale eigene Welt.

Nachtrag: Ich dachte immer, dass „Derwische“ eher aus der Türkei stammen, offensichtlich gibt es die aber auch anderswo. Ebenso dürfte Theodor Currentzis wohl im Moment der einzige Grieche sein, dem auch die Deutschen alternativlos (wie die Angie M. sagen würde) huldigen. Eine Hommage an einen nicht so bekannten Komponisten, fast geneigt zu schreiben, dass der krankheitsbedingte Ausfall von Nadine Koutcher sich als glückliche Fügung erwies.

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Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, Kultur Casino Bern, 21. März 2015, besucht von Paul Ott

Royal Stockholm Philharmonic Orchestra

 

 

 

 

 

Die Teufelsgeigerin und der Dirigent

 

Samstag, 21. 3. 2015. Im Kultur Casino Bern wartet ein ausverkauftes Haus gespannt auf das dritte Saisonkonzert von Migros-Kulturprozent-Classics. Es beginnt mit Arthur Honeggers „Mouvement symphonique Nr. 2“, betitelt „Rugby“, ein kurzes Orchesterstück aus dem Jahr 1928, dynamisch, laut und expressiv, aber beim unbedarften Zuhören eher unzugänglich. Man spürt zwar die Spannung zwischen den Blechbläsern und den Streichinstrumenten, aber ohne Erläuterungen im Programmheft wäre man wohl nicht auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Musik und Sport aufmerksam geworden.

Solistin Violine  Patricia KopatchinskajaDann betritt die Solistin, die wohl das Publikum angezogen hat, die Bühne: die in Bern lebende Geigerin Patricia Kopatchinskaja. Barfuss steht sie auf den Brettern, als sie mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Sakari Oramo Peter Tschaikowskis „Konzert für Violine und Orchester“ vorträgt. Das zurückhaltende, ja fast gedämpfte Orchester lässt der Solistin allen Raum, den sie benötigt, und Patricia Kopatchinskaja nutzt ihn zu einer brillanten, modernen Interpretation, stets mit einem Lächeln auf den Lippen. Natürlich ist es das „fingerbrechende Virtuosentum“, wie sie selber sagt, welches das Publikum begeistert. Ansteckend ist darüber hinaus aber die unbeschwerte Spielfreude. Vor dem inneren Auge sieht man die Violinistin über die russischen Steppenlandschaften reiten, hört sie jubilieren und innehalten –  ein echter Beitrag zur späten Romantik, den Peter Tschaikowski 1878 am Genfersee, wo er sich zur Erholung aufhielt, geschrieben hat.

Dirigent Sakari OramoIn der begeisternden Zugabe greift Sakari Oramo, selber ein begnadeter Violonist, zur Geige und duelliert sich mit seiner Solistin in einem fröhlichen musikalischen Zwiegespräch. Das Publikum ist entspannt, lacht, würde gerne mittun, wenn die Teufelsgeigerin zum Tanz aufspielt: Musik, wie man sie sich wünscht.

Nach der Pause interessiert, wie der finnische Dirigent mit seinem schwedischen Orchester die „Sinfonie Nr. 1“ seines Landsmanns Jean Sibelius interpretiert. Man hat in Bern einen gültigen Massstab, denn dieselbe Sinfonie wurde Ende Januar vom Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Santtu-Matias Rouvali aufgeführt, der Dirigent ein wild fuchtelnder Irrwisch, das Orchester kompakt und präzise. Sakari Oramo selbst wirkt in seiner sonst ruhigen Art etwas heftiger, lockert die Zügel, so dass die Musiker wesentlich mehr Dynamik auf die Bühne bringen. Der Vergleich zwischen den beiden Interpretationen geht jedoch unentschieden aus.

Finnlands „Nationalkomponist“ schrieb die Sinfonie 1899, als seine Heimat noch zum Zarenreich gehörte. Daraus erwächst die Spannung zwischen Volksmelodiösem, nordischer Schwermut und Zitaten aus dem europäischen Musikschaffen. Aus diesem Erratischen, den hingeworfenen Blöcken, suche ich die Melancholie der finnischen Landschaft, die „Vier-Jahreszeiten“ von Turku, Sibelius’ Heimatstadt, die ich als Autor auf einer Lesreise im Herbst 2013 kennen lernen durfte, kurze Tage, lange Nächte, kalter Wind. „Ein schwieriges Stück“, sagt meine Begleiterin, und auch das Publikum applaudiert heftig, aber doch verhaltener als vor der Pause. Sakari Oramo schiebt, nachdem die Sinfonie mit leisen Tönen zu Ende geht, noch eine Romanze des schwedischen Komponisten Lars-Erik Larsson nach, die den Abend versöhnlich abrundet.

Text: Paul Ott:www.literatur.li 

Fotos: www.migros-kulturprozent.ch/

 

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